Im Austausch mit Scars hab ich mich jetzt entschieden, meine PN mit meiner darin enthaltenen persönlichen Erfahrung und Sichtweise zur Diskussion zu stellen:
Vanda hat geschrieben: Mo., 02.12.2019, 13:26
Übrigens finde ich nicht, dass Magersucht eine Sucht ist.
Das ist jetzt definitiv subjektiv aus Beobachtung und eigenem Erleben entstanden:
Keine Sucht, weil ich denke es gibt zwar einen kleinen und wirklich kurzen Kick am Anfang, der, wie ich mal gelesen habe, medizinisch damit erklärt wird, dass der Mensch im Nahrungsmangel noch mal richtig Energie mobilisiert, damit er in der Savanne bald mit seiner Jagd erfolgreich ist und sein biologisches Gleichgewicht trotz Energiedefizit aufrechterhalten kann. Und das betrifft bestimmt alle Lebewesen.
Meiner Meinung nach kennzeichnet der Kick am Anfang aber nicht die Anorexie, sondern es ist nach meinem Empfinden insgesamt eine depressive Zwangsstörung und keine Sucht, die das Geschehen aufrecht erhalten würde, weil man sich so gut fühlen würde. Man fühlt sich nämlich sehr schnell in allen Komponenten nicht gut. Weiß nicht, wo da die aufrechterhaltende Suchtkomponente ist wie bei anderen Süchten, das Belohnungszentrum wurde bei mir nicht angesprochen. Ich fand das sehr schnell außer Kontrolle ohne meinen ausdrücklichen Wunsch dahin. Kann sein, dass oberflächlich - von manchen Betroffenen - dieser Aspekt mit kulturellen Einflüssen (Medien, Models) zu erklären versucht wird, weil sie im Grunde auch nicht so wirklich verstehen, was da mit ihnen passiert oder eine Abwehr der Ursachen ist.
Ich finde es auch falsch, wie in Kliniken und Therapien praktiziert, dass es heißt "die Magersucht macht das". Finde ich wirklich Quatsch. Finde eher, Magersucht ist eine Interaktionsstörung mit den beteiligten Personen im Umfeld, und da sehe ich wiederum keine klassischen Co-Abhängigen. Thema: Wie viel darf man sein? Wie viel Raum darf man einnehmen, wie autonom sein, wie viel Gewicht darf die eigene Meinung haben, wie viel darf man sich abgrenzen/Grenze sein. Man "verdünnisiert" sich ja fast, weil man keinen Freiraum mehr um sich hat. Das werden verschiedene Themen sein, vllt. Leistungsanspruch in der Umgebung, Übergriffigkeiten aller Art (moralisch, körperlich, Triangulierung), Kontrolle durch andere, Reglementierungen und Zwänge von anderen, in die man "eingebaut wird", vielleicht auch ein "by-proxy". (gabs auch mal in einem Thread) Das Verhalten meines Umfeldes, vorallem als es für mich in eine Klinik ging, sehe ich dafür als "Beweis". Da wurde eher aus Fachbüchern entnommen, wie es Angehörigen zu gehen hat, als dass es Realität gewesen wäre, bevor es diese Diagnose gab, da wurde dann eine Show gespielt, wie sie sich alle gekümmert hätten und wie sehr sie besorgt gewesen wären. Besorgt war die ganze Zeit über ich sehr viel mehr! Man war eher genervt, dass ich immer noch nicht leise und unauffällig genug war. Sorry, aber man verhungert nicht so einfach, ohne ab und zu panisch zu werden. Man wird schon nervig für andere, aber man kann das Essen und Zunehmen nicht mehr umsetzen, warum auch immer.
Es gibt auch mehrere Experimente und Berichte, dass die Phänomene einer Magersucht auch bei Menschen eintreten, die aus anderen Gründen sehr viel Gewicht verlieren, es muss biologisch irgendeinen Nutzen haben. Vielleicht, weil am Ende tatsächlich der Tod steht. Vielleicht sind es mehrere Phasen des Verhungerns: 1. Euphorie, sich nochmal intensiv auf die Suche nach Nahrung zu machen. 2. Energie sparen=Lethargie und Depression oder weiterhin Nahrungssuche=Bewegungsdrang aufrechterhalten 3. Aber Zwang, überwertige Ideen was Essen angeht=Fokus Nahrung nicht aufgeben und 4.Todesahnung (hier wird nochmal Energie moblisiert)=letzte Ausstiegsmöglichkeit aus Magersucht. Und hier muss man dann auch "Glück" haben, dass der Körper noch mitspielt (und man nicht bereits eher bei 5. Sterbeprozess ist) und die Ärzte/Therapeuten nicht einen komischen Machtkampf begonnen haben, der eher Folter entspricht als Ausstiegsmöglichkeit und die Patienten nicht schon so traumatisiert sind, dass das Problem längst ein viel größeres geworden ist.
Also kurz gesagt, die Ursachen sehe ich in einer Interaktion mit dem Umfeld, die Phänomene rein biologisch bedingt und als zuerst Überlebens- bzw. schlußendlich Sterbehilfe des eigenen Körpers. So kurz, so makaber.
Und da ist ja noch die genetische Komponente, dass diese Überlebensmechanismen beim einen vielleicht eher Hypo- beim anderen (Anorexie) Hyperaktivierung sind.