Hallo Leute,
würd mich gern mit euch austauschen und eure Erfahrungen hören über "Wege in die Normalität".
Kurz zur Geschichte: ich wurde als Kind von meiner Mutter oft und brutal geschlagen, der Vater tat nichts dagegen. Sicherheit und Vertrauen kannte ich eigentlich nicht, trotzdem liebte ich meine Eltern (wie alle Kinder?).
Im Erwachsenenleben hatte das massive Auswirkungen auf meine Beziehungen. Ich suchte mir äußerst zielgenau Männer, die mir nicht gut taten und geriet schnell in Abhängigkeiten. Mein Exmann war jähzornig, attackierte mich verbal und später auch körperlich. Ich brauchte dennoch lange bevor ich ihn verlassen konnte. Mein nächster Lebenspartner hatte massive Probleme Nähe zuzulassen und wertete mich regelmäßig sehr ab, wenn ich ihm zu nahe kam. Wenn ich mich dann abwandte, umgarnte er mich und war sehr nett bis ich es wieder mit ihm versuchte. Das ging Jahre so, bevor ich ging.
Ich machte dann fünf Jahre Therapie und arbeitete stark an mir und meiner Fähigkeit zu erkennen, was mir gut tut und was nicht. Ich lernte, was Vertrauen ist (und dass ich eigentlich nicht vertrauen kann) und fand langsam, langsam in ein selbstbestimmtes Leben.
Jetzt habe ich einen neuen Partner und denke, dass es diesmal das erste mal klappen könnte. Mein Partner begegnet mir mit Respekt und Vertrauen. Es tut mir gut, wenn ich mit ihm zusammen bin. Wir haben gemeinsame Interessen und ähnliche Zukunftspläne. Wir gehen nett miteinander um. Wie ungewöhnlich!
Trotzdem ich so viel geschafft habe, holt mich meine Vergangenheit oft ein - und dann kommen Gedanken wie diese:
"Eigentlich war es meine Schuld, dass meine vorherigen Partnerschaften in die Brüche gingen. Weil ich damals noch so gestört war, hatten die Männer gar keine Chance!"
"Ich hätte mich weder von meinem ersten, noch von meinem zweiten Partner trennen dürfen. Ich hätte früher an mir arbeiten sollen, damit ich mit den Übergriffen besser klarkommen hätte können."
oder dann wieder völlig andere Gedanken:
"Ich hätte meinen Exmann anzeigen sollen, es ist unrecht, dass er mich geschlagen und verletzt hat"
oder auch:
"wer weiß, ob diese Partnerschaft nicht wieder ein Trugbild ist. Ich habe ja auch bei den vorherigen nicht mitgekriegt, dass etwas nicht passt. Ich kann doch gar keine Beziehungen führen"
usw. usw. Oft habe ich auch noch Probleme, mich von meinem Expartner abzugrenzen, der immer noch hin und wieder versucht, mich zurück zu gewinnen. Ich WEISS, dass es mir nicht gut tut. Aber aufgrund meiner kindlichen Erfahrungen, fühlt sich eine missbrauchende Parnterschaft eben einfach "richtig" an.
Ich habe in meiner Therapie gelernt, Glaubenssätze zu hinterfragen und mir selbst zu vertrauen und sehr sehr aufmerksam zu sein. Trotzdem - manchmal verzweifle ich daran, dass der Weg so hart ist! Und oft bin ich wütend, weil es mit meinem background eben so schwer ist, einfach "normal" zu leben (und zu lieben)
Kennt das wer von Euch?
liebe Grüße
areia
Langer Weg in die Normalität
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Tach Areia,
Einmal brauchte es bei mir ne grundsätzliche Entscheidung: will ich
weiterwurschteln, und immer wieder mal vor die Wand laufen, bis ich
keine Kraft und keine Lust mehr auf so ein Leben habe, oder setz ich
meine Energie, die ich bislang fürs Gegen-die-Wand-Laufen verwendet
habe, dafür ein, beizeiten zu lernen, wie ich für das Leben lebe, das
ich mir erträume...
Mit so ner Entscheidungsfindung lässt man sich womöglich gerne Zeit,
zumindest so lange man sich noch solala durchwurschteln kann; selbst
"mittendrin" im Umbruch kam bei mir immer mal wieder die Sehnsucht,
die ganze Anstrengung einfach sein zu lassen und mich in alte Muster
fallen zu lassen. Da "helfen" einem dann, wenn man Glück hat frühzeitig,
Beschleuniger von außen, die einem aufzeigen, dass es eben nicht mehr
"so irgendwie" weitergeht.
Bei mir war das zum einen die x.te von mir auf ziemlich bescheuerte Art
torpedierte Beziehung, sowie das ganze Kuddelmuddel danach (nebst
zuviel Selbstbetrachtung, Alkmissbrauch, SMVe, Berufsausstieg, Hartz IV,
letztlich Berufswechsel), aber auch eigene Ressourcen (bin z.B. viel zu
freiheitsliebend, als dass ich mich in eine psychiatrische Klinik einweisen
ließe -> also musste ich soviel Disziplin aufbringen, dass es nicht dazu
kam.) Der komplette Umbruch hat übrigens auch so 4-5 Jahre gedauert.
Was mir weiterhilft:
einerseits ne systematische Arbeit mit mir selbst
- Verhaltensmuster aufdecken, die einen nicht weiterbringen
- sich bewusst machen, wie es zu solchen Situationen kommt,
weshalb und wozu man das macht, was sich dabei im Kopf abspielt.
- sich bewusst machen, wie sich so ein Muster entwickelt hat, wie
es entstanden ist (in gesunden Maßen, nämlich bis man ne brauchbare
Erklärung hat. Fortwährendes Verharren in der Vergangenheit zieht
mich mehr herunter, als mir der Erkenntnisgewinn weiterhilft.)
- Gucken wie man ungute Verhaltensmuster wohl am besten ändern kann
- Gucken welche Hindernisse dem entgegen stehen
- Sich Brücken und Übungen ausdenken, die einem über die Hindernisse
helfen.
- Üben. Auch kleine Erfolge anerkennen lernen, kleine und große Rück-
schläge verschmerzen lernen, größere Rückschläge analysieren, und den
Fehler beim nächsten Mal anders angehen. Und nochmal üben.
andererseits: sich den Rücken freihalten, sich Hilfe holen, sich aus-
tauschen, "Nebenschauplätze" reduzieren (damit meine ich z.B. Folge-
probleme von psych. Problemen: Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, etc.),
alte Kraftquellen halten und neue erschließen, v.a. seine Hobbies und
Freundschaften pflegen. Schauen was einem gut tut, sich auch ab und
zu mal dazu zwingen, v.a. wenn es einem schlecht geht.)
(...hui... Gutes aus 5 Jahren in 3 Abschnitten zusammengerafft...)
Dabei belasse ich es mittlerweile gerne, auch weil die Gegenwart gar
nicht mal so schlecht aussieht. Ist es ausserdem nicht immer so,
dass man jedes Mal, wenn man seinen Lebensweg wählt, gleichzeitig
ein paar dutzend anderer Möglichkeiten (zumindest für den Moment)
ausschlägt?
(a propos: ich nehm mir zwischendurch immer wieder mal ne Stunde,
um mich tatsächlich "fallen zu lassen". Bei mir ist das dann so ne Art
Entspannungsübung, mit guter Musik, Ruhe, etc., bei der ich mir in
Gedanken im mein persönliches Paradies versetze (meist irgendwas
subtropisch-friedlich-entspannt-schönes, "Marsils Welt", zuhause halt.),
bis sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht zaubert. Die Vorstellung
davon versuch ich dann zu konservieren, und sozusagen als halbdurch-
lässiges -der Stress bleibt draussen- "mobiles Zuhause" mit mir durch
die Welt zu führen. Das klappt nicht immer, aber immer öfter... )
Mittlerweile (also im Verlauf des letzten Jahres) finde ich es auch nicht
mehr so fürchterlich "anstrengend", mich so zu verhalten, dass es mir gut
tut; brauche auch nicht mehr soviel Aufmerksamkeit darauf zu verwenden.
-> Langsam wird ein Schuh draus.
LG, Marsil
Aber gerne doch. Ich glaub, die Mischung macht's.areia hat geschrieben: würd mich gern mit euch austauschen und eure Erfahrungen hören über "Wege in die Normalität".
Einmal brauchte es bei mir ne grundsätzliche Entscheidung: will ich
weiterwurschteln, und immer wieder mal vor die Wand laufen, bis ich
keine Kraft und keine Lust mehr auf so ein Leben habe, oder setz ich
meine Energie, die ich bislang fürs Gegen-die-Wand-Laufen verwendet
habe, dafür ein, beizeiten zu lernen, wie ich für das Leben lebe, das
ich mir erträume...
Mit so ner Entscheidungsfindung lässt man sich womöglich gerne Zeit,
zumindest so lange man sich noch solala durchwurschteln kann; selbst
"mittendrin" im Umbruch kam bei mir immer mal wieder die Sehnsucht,
die ganze Anstrengung einfach sein zu lassen und mich in alte Muster
fallen zu lassen. Da "helfen" einem dann, wenn man Glück hat frühzeitig,
Beschleuniger von außen, die einem aufzeigen, dass es eben nicht mehr
"so irgendwie" weitergeht.
Bei mir war das zum einen die x.te von mir auf ziemlich bescheuerte Art
torpedierte Beziehung, sowie das ganze Kuddelmuddel danach (nebst
zuviel Selbstbetrachtung, Alkmissbrauch, SMVe, Berufsausstieg, Hartz IV,
letztlich Berufswechsel), aber auch eigene Ressourcen (bin z.B. viel zu
freiheitsliebend, als dass ich mich in eine psychiatrische Klinik einweisen
ließe -> also musste ich soviel Disziplin aufbringen, dass es nicht dazu
kam.) Der komplette Umbruch hat übrigens auch so 4-5 Jahre gedauert.
Was mir weiterhilft:
einerseits ne systematische Arbeit mit mir selbst
- Verhaltensmuster aufdecken, die einen nicht weiterbringen
- sich bewusst machen, wie es zu solchen Situationen kommt,
weshalb und wozu man das macht, was sich dabei im Kopf abspielt.
- sich bewusst machen, wie sich so ein Muster entwickelt hat, wie
es entstanden ist (in gesunden Maßen, nämlich bis man ne brauchbare
Erklärung hat. Fortwährendes Verharren in der Vergangenheit zieht
mich mehr herunter, als mir der Erkenntnisgewinn weiterhilft.)
- Gucken wie man ungute Verhaltensmuster wohl am besten ändern kann
- Gucken welche Hindernisse dem entgegen stehen
- Sich Brücken und Übungen ausdenken, die einem über die Hindernisse
helfen.
- Üben. Auch kleine Erfolge anerkennen lernen, kleine und große Rück-
schläge verschmerzen lernen, größere Rückschläge analysieren, und den
Fehler beim nächsten Mal anders angehen. Und nochmal üben.
andererseits: sich den Rücken freihalten, sich Hilfe holen, sich aus-
tauschen, "Nebenschauplätze" reduzieren (damit meine ich z.B. Folge-
probleme von psych. Problemen: Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, etc.),
alte Kraftquellen halten und neue erschließen, v.a. seine Hobbies und
Freundschaften pflegen. Schauen was einem gut tut, sich auch ab und
zu mal dazu zwingen, v.a. wenn es einem schlecht geht.)
(...hui... Gutes aus 5 Jahren in 3 Abschnitten zusammengerafft...)
Tjoa, was wäre wenn... Ist letztlich müssig, es ist anders gekommen.Trotzdem ich so viel geschafft habe, holt mich meine Vergangenheit oft ein - und dann kommen Gedanken wie diese:
Dabei belasse ich es mittlerweile gerne, auch weil die Gegenwart gar
nicht mal so schlecht aussieht. Ist es ausserdem nicht immer so,
dass man jedes Mal, wenn man seinen Lebensweg wählt, gleichzeitig
ein paar dutzend anderer Möglichkeiten (zumindest für den Moment)
ausschlägt?
Ja sicher. Sich einfach mal fallen lassen zu können wär schön.Ich habe in meiner Therapie gelernt, Glaubenssätze zu hinterfragen und mir selbst zu vertrauen und sehr sehr aufmerksam zu sein. Trotzdem - manchmal verzweifle ich daran, dass der Weg so hart ist! Und oft bin ich wütend, weil es mit meinem background eben so schwer ist, einfach "normal" zu leben (und zu lieben)
Kennt das wer von Euch?
(a propos: ich nehm mir zwischendurch immer wieder mal ne Stunde,
um mich tatsächlich "fallen zu lassen". Bei mir ist das dann so ne Art
Entspannungsübung, mit guter Musik, Ruhe, etc., bei der ich mir in
Gedanken im mein persönliches Paradies versetze (meist irgendwas
subtropisch-friedlich-entspannt-schönes, "Marsils Welt", zuhause halt.),
bis sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht zaubert. Die Vorstellung
davon versuch ich dann zu konservieren, und sozusagen als halbdurch-
lässiges -der Stress bleibt draussen- "mobiles Zuhause" mit mir durch
die Welt zu führen. Das klappt nicht immer, aber immer öfter... )
Mittlerweile (also im Verlauf des letzten Jahres) finde ich es auch nicht
mehr so fürchterlich "anstrengend", mich so zu verhalten, dass es mir gut
tut; brauche auch nicht mehr soviel Aufmerksamkeit darauf zu verwenden.
-> Langsam wird ein Schuh draus.
LG, Marsil
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Ich wollte einen neuen Beitrag erstellen unter dem Motto : "Wie gesund und moralisch ist die vielgepriesene Normalität, die ja im eigentlichen Sinn nur die maximale Häufigkeit einer Grundgesamtheit repräsentiert, eigentlich?"
Der Einfachheit halber schließe ich mich vorgegebenem Beitrag an.
Bisweilen beschleicht mich das Gefühl, dass der Gesundheitsbegriff im Hinblick auf
"psychische Gesundheit" durch den gesellschaftlich vorgegebenen und erwarteten
Status Quo korumpiert wird. Alles was von der gewünschten, weil zum reibungslosen funktionieren nötigen, Norm abweicht ist suspekt und wird pathologisiert.
Der Begriff " psychische Gesundheit" scheint im Pfuhl des Zeitgeistes aufzuweichen und zu versinken.
Sigmund Freud definierte Psychische Gesundheit noch als Arbeits- und Liebesfähigkeit,
währendessen die aktuelle Psychologie psychische Gesundheit eher von der systemischen Warte aus als die Fähigkeit zum systemischen Kompromiß und zur psychosozialen Integration sieht, aber gleichzeitig eine verbindliche Forderung nach ethischer Ankerung des Systems vermissen läßt.
Hierbei drängt sich mir die Frage auf ob die Psychologie, den für die menschliche Würde unabdingbaren Aspekt der persönlichen Freiheit , zumindest teilweise gegen
Konformität getauscht hat, und sich den sozioökonomischen Zwängen beugend, den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist.
Oft scheinen hehre Ziele wie "Seelenheil und heile Seele" der Klienten, einem psychologischen Sozialdarwinismus, dessen höchstes Ziel darin besteht, dem Einzelnen
seinen Platz in der faktischen Ordnung zuzuweisen, Platz machen zu müssen.
Eine Psychologie die sich zum Erfüllungsgehilfen eines kranken Status Quo macht,
sollte sich dem Individuum nicht als "heilend" andienen, wollte sie einen Rest an
Authentizität bewahren.
Der Einfachheit halber schließe ich mich vorgegebenem Beitrag an.
Bisweilen beschleicht mich das Gefühl, dass der Gesundheitsbegriff im Hinblick auf
"psychische Gesundheit" durch den gesellschaftlich vorgegebenen und erwarteten
Status Quo korumpiert wird. Alles was von der gewünschten, weil zum reibungslosen funktionieren nötigen, Norm abweicht ist suspekt und wird pathologisiert.
Der Begriff " psychische Gesundheit" scheint im Pfuhl des Zeitgeistes aufzuweichen und zu versinken.
Sigmund Freud definierte Psychische Gesundheit noch als Arbeits- und Liebesfähigkeit,
währendessen die aktuelle Psychologie psychische Gesundheit eher von der systemischen Warte aus als die Fähigkeit zum systemischen Kompromiß und zur psychosozialen Integration sieht, aber gleichzeitig eine verbindliche Forderung nach ethischer Ankerung des Systems vermissen läßt.
Hierbei drängt sich mir die Frage auf ob die Psychologie, den für die menschliche Würde unabdingbaren Aspekt der persönlichen Freiheit , zumindest teilweise gegen
Konformität getauscht hat, und sich den sozioökonomischen Zwängen beugend, den Weg des geringsten Widerstandes gegangen ist.
Oft scheinen hehre Ziele wie "Seelenheil und heile Seele" der Klienten, einem psychologischen Sozialdarwinismus, dessen höchstes Ziel darin besteht, dem Einzelnen
seinen Platz in der faktischen Ordnung zuzuweisen, Platz machen zu müssen.
Eine Psychologie die sich zum Erfüllungsgehilfen eines kranken Status Quo macht,
sollte sich dem Individuum nicht als "heilend" andienen, wollte sie einen Rest an
Authentizität bewahren.
"Ich bin kein direkter Rüpel aber die Brennnessel unter den Liebesblumen."
Karl Valentin
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