Wut auf Therapie wegen Jobverlust

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WirbelUschi
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Wut auf Therapie wegen Jobverlust

Beitrag Do., 23.01.2020, 20:41

Hallo,
ich trage ein schwieriges Thema mit mir rum.
Ich bin unfassbar traurig, da ich meinen geliebten Job verlieren werde.
Ich habe diesen Job immer sehr gut gemacht, würde ich sagen. Es ist im sozialen Bereich mit speziellen Menschen, von welchen ich immer stummes oder auch gesprochenes Feedback bekam, dass sie sich geborgen und angenommen fühlten unter meiner Betreuung.
Vertrag läuft aus, wird nicht verlängert, da ich zu oft/viel krank war und somit zu teuer war und sie ja beständige und zuverlässige Mitarbeiter brauchen.

Ich mache seit Ende 2017 analytische Therapie bei meiner Therapeutin.
Es hat mich mehrfach heftig umgeworfen und in Krisen gestürzt während und aufgrund der Therapie.
Begann im Sommer 2018, wurde etwas besser, trat Ende 2018 wieder auf und dann fast fortlaufend bis Mai 2019
Stichwort: Starke Bedürftigkeit, Regression, Abhängigkeit zur Therapeutin das ging so weit, dass ich mich wieder selbst verletzte und suizidale (Flucht)Gedanken hatte.
Ich bin in fast jeder Krise trotzdem arbeiten gewesen, war selten krank.
Im März 2019 war ich mal 4 Tage am Stück krank.
Im April war ich 3 Wochen in der Akutpsychiatrie und demnach für die Arbeit 3 Wochen krank (ohne natürlich dass sie den wahren Aufenthaltsort wussten).
Ende August begann mein gesundheitliches Dilemma. Ein Infekt jagte den nächsten. Ich war immer wieder mal ein paar Tage krank geschrieben. Habe das bewusst so gewählt, um möglichst wenige Fehltage auf Arbeit zu haben (arbeite nur 1-2 mal
Die Woche), also quasi: liebe Ärztin, bitte nur 4 Tage, dann fehle ich nur einmal.
Bis Anfang Oktober war ich immer mal paar Tage gesund, dann wieder krank.
Anfang Oktober, nach einer Woche AU, ging es einfach noch nicht besser. Ich suchte Rat bei meiner Therapeutin. Klagte mein Leid, dass ich so unfit bin, mich krank fühle und so nicht arbeiten gehen mag, aber dass ich mich doch nicht schon wieder krank melden könne.
Doch, das könne ich, sagte sie. Das müsse ich sogar. Ich sei krank. Bräuchte Ruhe und Erholung. Wir redeten eine Weile, sie sprach mir Mut zu, am nächsten Tag zur Hausärztin zu gehen und mich für länger AU Schreiben zu lassen. Am Ende sagte sie sogar, sie wolle nächste Woche nicht hören, dass ich mich nicht habe krank schreiben lassen.

Also ging ich am nächsten Tag in die hiesige Praxis und meine Hausärztin schrieb mich dann für den Rest des Monats krank, damit ich mich endlich mal wirklich auskuriere und erhole.

Als ich wieder gesund war, zeigte ich viel Einsatz. Übernahm auch Dienste von anderen, die waren ja auch oft für mich eingesprungen.

Was zählt, beim Arbeitgeber, sind aber die vielen Krankheitstage. 3 Wochen im April. 5 Wochen im Oktober + davor paar einzelne Tage.
Ich verliere diesen Job aufgrund Krankheit.
Es ist für mich ein sehr schmerzhafter Verlust, es tut in der Seele richtig weh, da dieser Job mir wirklich wichtig ist, da ich mich dort sehr wohl fühle, es gern und, davon bin ich überzeugt, auch gut mache.

Und nun bin ich wütend.
Dass ich durch die Therapie in solche fetten Krisen gestürzt bin. Dass ich mich im April selbst habe einweisen lassen, weil ich es nicht für möglich hielt, 2 Wochen ohne meine Therapeutin (Urlaub) zu überleben.
Dass ich ihren Rat suchte im Oktober und auf sie hörte und dann auch auf die Hausärztin und 4 Wochen AU annahm.
Es kostete mich meinen Job. Was ein Preis! Ich liebe den Job!
Es fühlt sich an wie ein Albtraum. Ich denke, das kann einfach nicht wahr sein. Und erkenne: doch, ist es.
Ich bin so wütend auf all das.
Hätte ich diese Therapie nicht begonnen, wäre ich nicht im April 3 Wochen ausgefallen.
Hätte ich nicht auf meine Therapeutin gehört, wäre ich nicht im Oktober nochmal ganze 4 Wochen am Stück AU gewesen.
Ich hätte mich, gemäß meinem Verpflichtungsgefühl da vielleicht hin geschleppt. Oder hätte mich maximal nochmal für den nächsten Dienst AU schreiben lassen.

Die Therapie hat mir nun ein Stück meines Lebens versaut.
Ein hoher Preis dafür, dass ich eh das Gefühl habe, der analytische Ansatz passt nicht zu mir. Hat mich nur ganz schlimm verzweifelt und abhängig gemacht aber hat bislang keine Erkenntnisreiche und heilsame Wirkung erzielt.
Wenn ich mir aufzeige, dass die Analyse ja „das unbewusste ins bewusste holt“ dann kann ich nur lachend vom Stuhl fallen.
Immer wenn es in so eine Richtung geht, die Therapeutin da was versucht, erfragt, erfühlt, mich nach früher fragt und Zuständen oder Gefühlen oder oder, kann ich immer nur antworten:
ja, vielleicht
Kann sein
Weiß ich nicht
Ich muss immer passen. Ich komme da an nichts ran.
An nichts unbewusstes und auch an keine Gefühle von damals.
Es ist auf kognitiver Ebene interessant, was sie da anbringt und fragt aber in mir gibt es keine Verbindung zu dem.

Darf ich wütend sein?
Darf ich diese Therapie bereuen?

Ich trauere sehr um meinen Job. Ich weiß nicht, wie ich das verkraften soll zumal ich meine Fehlzeiten in der Ursache der Therapie anlaste. Ich mag gar nicht mehr hin, zum nächsten Therapie Termin.
Glaube nicht alles, was du denkst... - und fühlst.

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Philosophia
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Beitrag Do., 23.01.2020, 20:43

Du darfst alles fühlen, was du möchtest, liebe Wirbel-Uschi. Du kannst doch nichts für deine Gefühle. Ich kann verstehen, dass dir das zu schaffen macht.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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WirbelUschi
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Beitrag Do., 23.01.2020, 20:52

Danke für‘s schon lesen und vor allem danke für dein Verständnis, Philo.
Es macht mir sehr zu schaffen, ja.
Ich kann kaum in Worte fassen, wie mich der Jobverlust trifft.
Es ist einfach Gold wert, einen Job gefunden zu haben, der perfekt in die eigene individuelle work Life Balance passt, den man gerne macht und wo man sich mit Kolleginnen und Schützlingen wohl fühlt.

Klar kann man sagen, dass es ja wohl wichtiger ist, die eigene Psyche in Griff zu kriegen.
Ich sage aber: der Job gehört dazu, ist quasi ein Stück Lebensqualität, ist etwas, was meiner Psyche gut tut.
Und wenn der fehlt, dann fehlt da etwas wichtiges.
Zumal ich das Geld schon auch brauche und mir grad einfach nichts vergleichbares (gutes) vorstellen kann.

Ich weiß nicht, wie ich weiter damit umgehen soll.
Ich bin ja schon auch wütend auf die Therapeutin auch wenn da gleich die scheltende innere Stimme sagt: das darfst du nicht. Spinnst du? Das steht dir nicht zu und ist nickt gerechtfertigt. Wenn sie das wüsste. Das wird ihr nicht gefallen.

Und somit schließt sich fast aus, ihr das mitzuteilen.
Obwohl ich erfahrene Patientin ja weiß, dass es immer wichtig ist, alles und vor allem sowas anzusprechen. Schließlich geht es da um etwas essenzielles:
- etwas, was die Beziehung zu ihr nun stört
- eine wichtige Emotion die der Therapeutin gilt
—> sollte besprochen werden. Schon klar.
Werde nur vermutlich nicht auf Verständnis stoßen
Und ganz davon ab habe ich (bislang sehr brave, höfliche und anständige Patientin) Sorge, dann eventuell „blöd“ zu werden wenn ich die Gefühle nicht nur benenne sondern die dann auch spürbar werden und raus wollen.
Zickig, pampig, unfair, wie auch immer ich dann ausufern könnte...
Glaube nicht alles, was du denkst... - und fühlst.


Coriolan
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Beitrag Do., 23.01.2020, 21:07

Ich denke schon, dass du wütend sein "darfst" - auf die Therapeutin, die Situation, den AG, whatever. Das wird sie (vermutlich) schon verkraften können, wenn du ihr das auch genau so mitteilst.

Es stellt sich halt auch die Frage, wie gut du in einer (suizidalen) Krise arbeiten kannst. Vielleicht wäre der Vertrag dann wegen deiner Arbeitsleistung eh nicht verlängert worden. Was ich damit sagen will: Ich kann deine Wut nachvollziehen - v. a. wenn du eh den Eindruck hast, die Therapieform passt nicht zu dir. Aber als AG ist es natürlich auch leicht, zu sagen, es liegt an den Fehlzeiten. Besch... ist es so oder so.

Und natürlich darf man auch Therapien bereuen. Aber du wirst ja auch einen guten Grund gehabt haben, eine zu beginnen, oder?

Ich will deine Wut sicher nicht "kleinreden" aber krank ist krank. Und ein kranker Mitarbeiter leistet meistens eben keine gute Arbeit.
Behinderung/Erkrankung ist eine Erklärung für Vieles, aber keine Entschuldigung für Alles.

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gonemas
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Beitrag Do., 23.01.2020, 21:49

Mich würde mal echt interessieren - geht auch der Freund der Cousine der Nachbarin - wer wirklich nach einer Therapie glücklich, gesünder, leistungsfähiger, lebenstüchtiger wurde.

Egal wo ich hinhöre, sehe ich derartige Karrieren.

Tut mir leid TE dass es Dich erwischt hat. Kannste nur noch reinen Tisch machen mit dem AG und hoffen, dass ein Seeelstriptease an der richtigen Stelle dir die Vertragsverlägerung bringt.

Dass der Weg Dir nichts gebracht hat ist ja nun leider offensichtlich.

Also, Leinen los. WER?

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Le_na
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Beitrag Do., 23.01.2020, 22:03

Ach Mensch Uschi,
das tut mir sehr leid, dass du den Job verloren hast. Es war immer sehr zu lesen, wie sehr du deinen Job gemocht hast und wie bemüht du ihn auch umgesetzt hast.

Ich schreibe dir jetzt einfach mal meine Gedanken beim Lesen deines ersten Eintrags und du kannst dir ja nehmen was du möchtest, ja?

-Ich finde es interessant, dass sich deine ganze Wut gegen die Therapeutin richtet. Und nicht etwa auf den Arbeitgeber, der dich wegen Krankheit kündigt, das wäre doch die erste Adresse die man annehmen würde. Vielleicht ist die Wut deshalb dorthin gerichtet, weil es dort wenigstens einen Adressaten gibt? Wohingegen Wut auf den Arbeitgeber, na ja, irgendwie auch ohnmächtig macht? Gut, du sagst die Therapie hat die Krisen ausgelöst, da kann ich mitgehen. Aber ist das wirklich die Schuld der Therapeutin? Oder hängt das mit deiner Geschichte zusammen?

-Ich frage mich auch: Was hindert dich daran, die Therapie zu beenden? Du schreibst, die Richtung ist nicht passend für dich. Es ist alles schlimmer geworden. Die Therapie löst Krisen aus, macht dich kränker. Du musst diese Therapie auch nicht machen. Du kannst eine andere beginnen oder erstmal gar keine, wenn es dir damit besser geht. Was hält dich nun schon so lange?
Ich kenne diese Gedanken gut. Dieses "es wird alles nur schlimmer". Aber das waren meistens Phasen/Momente...wo altes aufgewühlt wurde und es mir sehr schlecht ging. Aber es gab auch immer die andere Seite in mir, die wusste: das könnte schon alles auch hilfreich sein.

Insgesamt lese ich dich sehr in einer ohnmächtigen Rolle. Vielleicht kann die Wut helfen, etwas an dieser Situation aktiv zu verändern? Herauszufinden: Das ist gut für mich und das nicht. So will ich weitermachen. Wut ist ja ein sehr starkes, aktivierendes Gefühl und vielleicht kannst du sie konstruktiv nutzen. Das würde ich dir wünschen.

Wie gesagt, das sind nur ein paar Gedanken, die in mir aufgetaucht sind.
Alles Liebe dir,
Le_na


Coriolan
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Beitrag Do., 23.01.2020, 22:05

gonemas hat geschrieben: Do., 23.01.2020, 21:49 Mich würde mal echt interessieren - geht auch der Freund der Cousine der Nachbarin - wer wirklich nach einer Therapie glücklich, gesünder, leistungsfähiger, lebenstüchtiger wurde.
Nicht schon wieder! :roll:

Diese Diskussion hatten wir neulich erst.

Gibt genug positive Erfahrungsberichte hier - also bitte nicht den Thread hier schreddern sondern einfach mal woanders lesen, wo genug davon sind.
Behinderung/Erkrankung ist eine Erklärung für Vieles, aber keine Entschuldigung für Alles.

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Inga
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Beitrag Do., 23.01.2020, 22:24

Also, ich würde meine Wut auf jeden Fall ansprechen, auch gegenüber der Therapeutin. Du klingst, als ob Du selbst nicht damit gerechnet hast, wegen Krankheit die Stelle zu verlieren, dass Du Dir also dieser Gefahr nicht bewusst warst, kann das sein? Ich halte es für ziemlich gut möglich, dass Deine Therapeutin das auch nie gedacht hätte, weil ihr die soziale Lebensrealität befristerter Arbeitsverträge eventuell schlicht nicht bekannt ist.
In meiner Vorstellung (die falsch sein kann) ist das eine Therapeutin, die wollte, dass ihre Patientin lernt, gut mit sich selbst umzugehen - und dafür war die längere Krankschreibung im Oktober wichtig. (Die im April war ja wohl absolut nötig, wegen Suizidgefahr) Deine Realität ist aber, dass Dein Arbeitgeber Dir nicht erlaubt, diese Lektion zu lernen - da hätte dann die Therapeutin versäumt, diese Wirklichkeit in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Und darüber, ob das so war, würde ich unbedingt in der Therapie reden.
Aber auch: Bleib mit Deiner Wut nicht bei der Therapeutin (und erst recht nicht bei dir) stehen. Das tatsächliche Fehlverhalten liegt erstens bei Deinem Arbeitgeber. Der hat Dir nämlich einen befristeten Vertrag gegeben, damit er Menschen wie Dich leichter kündigen kann (was ich für unethisch halte). Und zweitens beim Gesetzgeber, der solche Verträge erlaubt. Mittelfristig wäre Deine Wut (und das Engagement, zu dem sie führen kann) in dieser Richtung besser aufgehoben.

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Inga
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Beitrag Do., 23.01.2020, 22:26

gonemas hat geschrieben: Do., 23.01.2020, 21:49 Mich würde mal echt interessieren - geht auch der Freund der Cousine der Nachbarin - wer wirklich nach einer Therapie glücklich, gesünder, leistungsfähiger, lebenstüchtiger wurde.

Also, Leinen los. WER?
Ich.
Danke fürs Vermerken in Deiner Statistik.

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Friedoline
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 00:49

Inga hat geschrieben: Do., 23.01.2020, 22:26 Danke fürs Vermerken in Deiner Statistik.
Es kommt doch immer darauf an, von welchem Punkt aus man startet. Wer tief in einer Sucht steckt, belastet ist durch SVV oder ähnlich Lebenseinschränkendes, kann durch Therapie über kurz oder lang im Grunde meistens nur gewinnen.
Weniger markante Probleme bergen nun mal die Gefahr durch (Selbst-)Stigmatisierung in einen Teufelskreis zu münden.

Eine Statistik zu erheben mit den ausschließlichen Kategorien "Hilft - Hilft Nicht" wäre natürlich ungeschickt und war auch nicht die Frage von gonemas. Er hat die Frage aufgeworfen, ob sein Eindruck, dass es einigen nicht gut tut, was in Therapie passiert oder daraus wird (ohne Gründe zu nennen) auch anderen stimmig erscheint.

Ja klar! Den Eindruck teilen auch andere. Interessant wäre allerdings, das mal genauer anzuschauen. Ich würde sagen, dass nur bestimmte Personengruppen davon profitieren und psychische Erkrankung eine so enorme Einschränkung ist, die im Grunde wenige erfüllen, um als "Krankheit" zu gelten. Und das ist eigentlich gut so.
Schlimm für diejenigen, die eigentlich nicht dazugehören zu "psychisch krank" aber im System durch Anwendung und Überhöhung eines Modells auf ein Individuum untergegangen sind.

@ WirbelUschi
Es tut mir sehr leid für Dich! Leider ist es im Leben oft so, dass man zwar die Umstände, die einen determinieren erkennen kann, aber selten diesen entfliehen kann. Wissen ist nämlich leider oft nicht Macht, zumindest nicht für eine Einzelperson.
Mit dem Arbeitsgeber noch mal zu sprechen, ginge das? Einen Anwalt für Arbeitsrecht aufsuchen? Vielleicht geht noch was.

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spirit-cologne
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 04:40

Gefühle sind einfach erstmal da, deshalb können sie auch nicht grundsätzlich falsch sein, das gilt für Wut genauso wie für jedes andere Gefühl. Wenn du wütend bist, bist du wütend. Das ist erstmal weder gut noch schlecht, sondern einfach so, wie es ist. Deshalb ist es natürlich in Ordnung, wütend zu sein, auf deine Therapeutin, auf deinen Arbeitgeber, auf das Leben, die Krankheit, dich selbst - was auch immer.

Ich finde es nur wichtig, zu versuchen, wirklich alle Gefühle zuzulassen und nicht die eigenen Gefühle irgendwo mittendrin abzuschneiden, so nach dem Motto: Ich bin wütend auf meine Therapeutin und die Therapie - ah, ja, das ist es dann, jetzt muss ich mich nicht weiter damit beschäftigen. Unsere Gefühle sind ja selten eindeutig. Wenn wir wütend sind, sind wir es oft nicht nur auf eine Person, sondern meistens gleichzeitig auch noch auf andere Personen, die Umstände oder uns selbst. Diese Wut ist aber in unterschiedlichem Maße belastend, so dass wir manchmal dazu neigen, bei der oberflächlichen Wut zu bleiben und uns der tiefer gehenden, schmerzhafteren Wut zu entziehen. Denn Wut ist ja selten allein da, sie ist oft begleitet, von Trauer, Verletzung, Hilflosigkeit usw. und es tut halt z.B. weniger weh, auf einen Anderen wütend zu sein, als auf sich selbst oder auf Umstände, die man nicht ändern kann.

Wenn wir uns aber auf die oberflächliche Wut beschränken, kommen wir meist nicht an den Kern unseres eigentlichen Problems. Deshalb würde ich dir raten, es dir nicht zu einfach zu machen und dich auf die Wut auf die Therapeutin zu beschränken, sondern auch zu schauen, was da vielleicht noch ist.

Ich denke, wenn du die Therapie weiter machen willst, gehört die Wut unbedingt in die Therapie hinein und die sollte die Therapeutin auch aushalten können. Ob die Therapie überhaupt für dich Sinn macht, kannst du nur selbst beurteilen.

Wie gesagt, für unsere Gefühle können wir nichts, sie sind weder gut noch schlecht, aber was wir beeinflussen können und wofür wir dann auch Verantwortung tragen, ist, inwieweit wir unsere Gefühle in Handlungen umsetzen. Neid z.B. ist als Gefühl einfach da, weder schlecht noch falsch, aber wenn man aus dem Gefühl des Neids heraus einem anderen Menschen schadet oder ihn verletzt ist das falsch und schlecht. Genauso ist es mit der Wut. Das Gefühl an sich kannst du erst mal nicht beeinflussen, wohl aber, inwieweit du deinem Gefühl erlaubst, dein Denken und Handeln zu bestimmen.
Wenn die Wut z.B. dazu führt, dass du deshalb verkürzt denkst und dich darauf beschränkst, an allem ausschließlich der Therapie und deiner Therapeutin die Schuld zu geben, wäre das nach meiner Ansicht eine ungünstige kognitive Verzerrung.

Tatsache ist: Es ist so gelaufen, wie es gelaufen ist und sowohl deine Therapeutin, als auch du und dein Arbeitgeber haben ihren Teil dazu beigetragen. Jedes Handlung jedes Akteurs beeinflusst die andere und deine jetzige Situation ist das Ergebnis dieser Interaktionen. Wenn du dich zu einem frühen Zeitpunkt anders entschieden hättest, wären die Interaktionen andere gewesen und deshalb hätte es auch ein anderes Ergebnis gegeben - soweit ist das klar. Was aber nicht funktioniert, ist, aus dieser Berechnung quasi nur die negativen Folgen und Interaktionen "herauszurechnen" und zu glauben, dass alles andere so geblieben wäre. Wenn man eine Sache aus der Gleichung heraus nimmt verändert sich alles, das Schlechte wie das Gute.

Du weißt also, dass, wenn du keine Therapie gemacht hättest, die Entwicklung anders gelaufen wäre, aber nicht ob das Ergebnis gleich, besser, schlechter oder einfach nur auf eine andere Art gleich schlecht gewesen wäre. Vielleicht wärst du dann z.B. bei einem anderen Anlass dekompensiert oder aus deinen Infekten wäre eine richtige Krankheit, z.B. eine Lungenentzündung oder eine Angina Pectoris geworden, die dich für mehrere Monate lahm gelegt hätte und dann doch zur Kündigung geführt hätte. Vielleicht hättest du, wenn die Therapeutin nicht gewesen wäre, eine Abhängigkeit gegenüber einer anderen Person entwickelt - who knows? Was ich damit sagen will: Ich glaube nicht, dass es viel bringt, zu phantasieren, wieviel besser alles wäre, wenn man dieses oder jenes anders gemacht hätte, weil man einfach nicht weiß, ob dann nicht vielleicht was anderes schief gelaufen wäre. Oft macht man auf einem anderen Weg nicht weniger Fehler, sondern nur andere. So, wie beim "Butterfly-Effekt". Oder, wenn man es platt ausdrücken will, es ist so, als würde man sagen: "Hätte der Hund nicht geschissen, hätte er 'nen Hasen gefangen".

Kurz gesagt, das hätte-wäre-wenn bringt einen in der aktuellen Situation nicht wirklich weiter. Ich finde es wichtiger, die Gefühle zu akzeptieren und (z.B. die Energie der Wut) positiv zu nutzen, um das Beste aus der jetzt bestehenden, realen Situation zu machen, statt darüber nachzusinnen, wie es hätte sein können, wenn man was anders gemacht hätte.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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gonemas
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 09:23

hier ab " Studien zeichnen ein zu verzerrtes Bild".

https://www.deutschlandfunkkultur.de/zw ... _id=384796

Was ich meinte- und @Friedoline hat das genau so geschrieben wie ich es darstellen wollte ist:

Wie kann es sein, dass die Lebenssituation einer Person - nehmen wir jetzt mal Wirbeluschi als aktuelles Beispiel - sich eklatant verschlechtert AUF DEN RAT einer Therapeutin, und nicht verbessert?

Wie? Wo ist da der Erfolg? Wenn ich in meinem Beruf, der im Übrigen dazu dient, Menschen wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen, derartig auf die Kacke hauen würde, ich wäre meinen Job los. Hier lese ich von jahrzehntelangen (!!!!!!!!!!) Karrieren, selbstfinanziert zum Teil, die die Beteiligten letzen Endes noch verwirrter, noch unglücklicher, noch - sorry Wirbeluschi, bezieh es nicht auf Dich - lebensuntüchtiger hinterlassen und das als "Therapieerfolg" darstellen.

Ich gehe nicht konform mit der Meinung dass es an der Schwere der Krankheit liegt. Ich würde eher sagen, je schlechter es jemanden geht, desto unwahrscheinlicher hilft Therapie. Mit Grausen denke ich an einen Blogbeitrag einer jungen Frau, deren Therapeutin seit Jahrzehnten ihr Krankheitsbild munter vor sich hin therapiert, aber nicht einen! Erfolg nennen konnte.
Eine nachweisliche messbare Verbesserung, wird das eigentlich JEMALS erhoben? Kommen die Therapeuten ihrer Fürsorgepflicht nach und haben das echte Leben auf der Kette oder ist denen nur wichtig, jemand jahrelang 3 mal wöchentlich vor sich liegen zu haben, damit die Garage und der Urlaub sicher finanziert werden?
Wo ist denn da bitte die Qualitätssicherung? Wo sind denn bitte die Bewertungskriterien für Erfolg? Jemanden so in die Ecke der Kranken zu manövrieren, sie so abhängig zu machen, dass 2 Wochen Urlaub ein echtes Problem darstellen und in der Psychiatrie münden, ist massive Quacksalberei. Und wer zahlt es letzten Endes? Die Patientin mit ihrem Einkommen und ihrer Lebenszufriedenheit, einer weggebrochenden Ressource und der SV Beitragszahler.

Sorry, aber dieses ganze System ist einfach ein Lotteriespiel. Entweder man hat Glück und erwischt einen guten Therapeuten oder man hat - und das scheint weitaus häufiger der Fall zu sein!- Pech und kommt an einen Quacksalber und zahlt am Ende die Rechnugn doppelt und dreifach. Das kann's nicht sein.

Das Argument " Du weisst doch gar nicht ob es anders gelaufen wäre", das grenzt ja schon an Hörigkeit. Fakten! Sie hat Therapie gemacht, ihre Blogbeiträge lesen sich höchst gequält, jetzt ist sie die Vertragsverlängerung los, weil sie dem Rat der Therapeutin gefolgt ist.

Da braucht man nicht lange wenn dann sonst hätte hätte Fahradkette spielen.

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stern
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 09:26

WirbelUschi hat geschrieben: Do., 23.01.2020, 20:41 Darf ich wütend sein?
Darf ich diese Therapie bereuen?
Eine Therapie, in der nicht alles besprechbar ist, führt sich meiner Meinung nach ad absurdum.
Doch, das könne ich, sagte sie. Das müsse ich sogar. Ich sei krank. Bräuchte Ruhe und Erholung. Wir redeten eine Weile, sie sprach mir Mut zu, am nächsten Tag zur Hausärztin zu gehen und mich für länger AU Schreiben zu lassen. Am Ende sagte sie sogar, sie wolle nächste Woche nicht hören, dass ich mich nicht habe krank schreiben lassen.
Über eine Krankschreibung hat derjenige zu befinden, der sie ausstellt?! Ein Therapeut kann das vielleicht anregen (und dem Arzt mit Patienten die Entscheidung zu überlassen)... und das war mglw. geboten. Aber: Was du beschreibst empfinde ich als mentalen Druck ohne das mögliche (berufliche) Konsequenzen bedacht werden, die selbstredend der Patient zu tragen hat. Daher finde ich es umso wichtiger, jeglichen Druck zu vermeiden.

Die Frage, die ich mir stellen würde: Sind die Krisen Ausdruck meiner Störung (die in der Therapie jedoch mit sich kontinuierlich zeigenden Fortschritten therapiert wird)... oder sind die Abstürze eher therapiebedingter Natur. Z.B. passt eine psychoanalytische Therapie (selbst in modifizierter Form) nicht für jeden, weil eine gewisse Stabilität erforderlich ist, die nicht jeder Patient mitbringt. Gab schon manche User, die regelrecht dekompensierten (auch in andere Therapieverfahren)... und hier ist schon von Vorteil, wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht. Unbestreitbar gibt es auch iatrogene Verschlechterungen bzw. Verschlechterungen aufgrund von Nichtpassung... wo ein mehr des gleichen dann höchstens weiter zuspitzen würde.

Zumal du ja selbst schreibst:
Ein hoher Preis dafür, dass ich eh das Gefühl habe, der analytische Ansatz passt nicht zu mir. Hat mich nur ganz schlimm verzweifelt und abhängig gemacht aber hat bislang keine Erkenntnisreiche und heilsame Wirkung erzielt.
Warum hältst du noch daran fest? Das wegen eines Therapeuten zu tun, halte ich für den denkbar schlechtesten Grund... denn früher oder später geht jede Therapie zu Ende und am Ende des Tages zählt dann, was man mitgenommen hat. In jedem Fall hat sich nun als zusätzliches Problem die berufliche Situation verschlechtert, was ein stabilisierenden Faktor sein kann, wenn man die Arbeit nicht als (übermäßig) belastend erlebt.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 24.01.2020, 10:26, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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stern
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 10:03

WirbelUschi hat geschrieben: Do., 23.01.2020, 20:41
Ich mache seit Ende 2017 analytische Therapie bei meiner Therapeutin.
Es hat mich mehrfach heftig umgeworfen und in Krisen gestürzt während und aufgrund der Therapie.
Begann im Sommer 2018, wurde etwas besser, trat Ende 2018 wieder auf und dann fast fortlaufend bis Mai 2019
Stichwort: Starke Bedürftigkeit, Regression, Abhängigkeit zur Therapeutin das ging so weit, dass ich mich wieder selbst verletzte und suizidale (Flucht)Gedanken hatte.
Selbst wenn man von störungsbedingten Faktoren ausgeht (kann man aber gerade bei Punkten wie
Starke Bedürftigkeit, Regression, Abhängigkeit zur Therapeutin das ging so weit, dass ich mich wieder selbst verletzte und suizidale (Flucht)Gedanken hatte.
nicht automatisch. Das sollte sich auch mit der Zeit bessern): Die Therapie läuft schon über 2 Jahre. Wenn in der Zeit kaum Fortschritte erzielt wurden, dann kann man=ich das kaum anders sehen als das etwas schief läuft - woran auch immer das liegen mag. Starke Bedürftigkeit+Abhängigkeit zur Therapeutin (von was genau?) können zusätzlich die Gefahr bergen, das in Kauf zu nehmen.

Aber da du selbst Ursachen (auch) in der Therapie siehst, würde ich das zunächst genau dort ansprechen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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Kaonashi
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Beitrag Fr., 24.01.2020, 12:03

Einen Job in der Pflege oder Behindertenbetreuung findet man doch schnell wieder, oder?
Ansonsten denke ich, dass die Verantwortung immer bei einem selbst bleibt. Ein Therapeut kann raten "lassen Sie sich krankschreiben", aber ob man es tut, entscheidet man selbst. Wenn der Zustand aber so ist, dass man die Krankschreibung tatsächlich braucht, dann wird es früher oder später sowieso dazu kommen, egal was die Therapeutin sagt oder nicht. Denn der Zustand ist ja dann die Ursache für die Krankschreibung.

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