Wie lernt man sich selbst emotional abzugrenzen

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Theory
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Wie lernt man sich selbst emotional abzugrenzen

Beitrag Do., 02.01.2020, 08:21

Hallo zusammen,

Mich würde interessieren, wie das funktioniert, mit dem emotionalen Abgrenzen und ob ihr Tipps habt, wo ich mich einlesen und informieren kann - vielleicht hat sogar jemand eine Idee, wie ich das „ÜBEN“ kann.

Ich habe eigentlich schon immer Probleme damit, mich abzugrenzen. Das äußerte sich in übermäßigem Arbeiten, ohne die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu erkennen, und es äußert sich in zB Freundschaften, wo ich stundenlange zuhöre und mich die Probleme anderer so belasten, dass ich danach völlig ausgelaugt nach Hause komme.

Mittlerweile führt das schon dazu, dass ich mich mit meinem Freund sehr zurück gezogen habe. Ich habe ein paar Freundschaften, und ein oder zwei Leute treffe ich gerne. Andere wiederum saugen mir jegliche Energie aus dem Körper und ich habe kein ausreichend diplomatisches, rhetorisches Repertoire zur Hand, um dieser Person ohne ein schlechtes Gefühl zu sagen, dass ich sie nicht sehen möchte oder ihre Gesellschaft nur in Ausnahmefällen (wenn es mir toptop geht) aushalte.

Ich weiß mittlerweile, dass es MEIN Problem ist, wenn die Probleme und Sorgen anderer zu sehr auf mich übergehen.

Was ich allerdings nicht weiß, ist, wie ich denn SONST damit umgehen soll, oder mich verhalten soll. Was heißt denn das konkret - dieses „emotional abgrenzen“? Wie kann ich mir ein abgrenzen vorstellen, wenn mir jemand Stundenlang in den Ohren liegt mit einer Sorge nach der nächsten, und ich merke es nicht, wie es Energie zieht. Aber es ist nunmal so, dass ich ein sehr empathischer Mensch bin, und um jemanden zu helfen, muss ich mich ja „einfühlen“ und „hineindenken“, denn erst dann kann ich die Perspektive des anderen einnehmen, um überhaupt eine Antwort oder Lösung anzubieten....

Das Problem ist ja, dass ich erst hinterher merke, dass ich fertig bin.

Also, ich verstehe schon, dass Abgrenzen auch bedeutet, die Person nicht mehr zu treffen.
Aber wie sähe abgrenzen aus, wenn ich die Person trotzdem träfe und sie es einfach nicht lassen kann, zu jammern?

Vermutlich ist die erste Frage: warum trifft man sich mit solchen Menschen überhaupt...

Im Falle des Vaters zB ist es halt einfach so, dass man es „ertragen“ muss, wenn er aggressiv oder schlecht gelaunt ist. Sonst sieht man ja den Rest der Familie auch nicht. Wie macht man es also konkret, dass einen diese Themen emotional, also innerlich, nicht mehr anrühren? Ich verstehe einfach nicht, wie das gehen soll....


Ich bin gespannt auf eure Ideen und Anregungen

Viele Grüße und ein gutes neues Jahrzehnt

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Anti Lope
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Beitrag Do., 02.01.2020, 13:46

Hallo Theory,

zunächst könntest du dir versuchen klar zu machen, dass das Problem nicht dein Problem ist. Es ist das Problem des Gegenübers. Da kann man drüber reden und vielleicht auch den ein oder anderen Tipp geben, aber du musst es nicht zu deinem Problem machen und versuchen wollten es zu lösen.

Das geht nicht so einfach, aber mach dir in solchen Gesprächen immer wieder klar, wo das Problem hingehört. Nicht zu dir.

Du kannst dein Mitgefühl zum Ausdruck bringen, aber wenn es zu viel wird für dich, dann sag das. Sag, dass du hier leider auch nicht weiterhelfen kannst.

Im Übrigen finde ich nicht, dass man die Launen des Vaters ertragen muss. Kannst du denn den Rest der Familie nicht ohne den Vater treffen?

Alles Gute
Anti Lope
"Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich der Singvogel darauf niederlassen."
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Candykills
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Beitrag Do., 02.01.2020, 14:08

Abgrenzen bedeutet für mich nicht gleich, dass du die Personen nicht mehr triffst, sondern die Probleme bei der Person lässst und sie nicht zu deinem Problem machst.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Malia
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Beitrag Do., 02.01.2020, 16:01

Welchen Vorteil hat es, die eigene Grenze nicht wahrzunehmen und zu vertreten?

Sich angemessen abzugrenzen bedeutet, sich selbst zu kennen und zu akzeptieren.

Um also " Nein" sagen zu können, muss ich zu mir selbst " Ja" sagen.
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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Theory
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Beitrag Do., 02.01.2020, 16:56

Vielen Dank für eure Antworten.

Jede hat mir beim Reflektieren geholfen.

Eine Antwort darauf, welchen Vorteil es hat, sich nicht abzugrenzen habe ich sogar:

man ruft keinen Konflikt hervor, man ist brav, folgsam und wird geliebt von anderen. Wenn man hingegen seine Grenzen zeigt, und wird man unter Druck gesetzt oder begegnet Aggression und Unverständnis.

Interessant, meine Antwort..... 😏

Also, ich glaube schon, dass ich mich selbst akzeptiere. Aber anscheinend akzeptiere ich andere bisher mehr als mich. Oder ich “erkaufe” mir dadurch Liebe und Harmonie...

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Malia
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Beitrag Do., 02.01.2020, 17:15

Der Vorteil ist also: es ist bequemer?
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
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No Twist
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Beitrag Do., 02.01.2020, 17:35

Bei mir ist es so, dass ich mich gegen Probleme, die ich selbst kenne überhaupt nicht abgrenzen kann bzw. gerade das sehr radikal und rigeros reagieren muss, weil es mir sonst zu nah geht. Ich glaube Abgrenzungsprobleme sind nicht gleichbedeutend damit, dass man sich die Probleme anderer anhört, sondern damit, dass man sie sich nicht emotional vom Hals halten kann. Und da sehe ich eben immer, dass mich bestimmte Probleme mehr anticken als andere. Nur als Anregung, muss ja bei dir nicht so sein.
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Theory
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 08:15

Ja, durchaus, das kommt mir bekannt vor, No Twist. Es gibt Menschen, mit denen kann ich auf einer anderen Ebene über schwierige Themen sprechen, bei anderen fällt vielleicht ein anderes Wort und wird anders formuliert und es triggert mich gleich, dass ich mich sofort hineinversetzen kann..

Ich habe gestern ein wenig Zeit zum Nachdenken gehabt. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich unter anderem meinem Vater Schuld an allem möglichen gebe. Er ist ein sehr cholerischer, aufbrausender Typ Mensch und verurteilt einfach gefühlt alles und jeden. Zumindest bleiben diese Erinnerungen an ihn leider mehr hängen, als die schönen Momente, wo er mal großzügig oder hilfreich war. Leider.

Ich bin wohl gerade dabei, mich von ihm abzunabeln/abzugrenzen... und gestern fiel mir auf, dass ich ihm eigentlich für alles die Schuld gebe. Was der Vorteil hierbei ist? Dass ich mich von der Eigenverantwortung frei mache - wenn ich jemandem die Schuld gebe, dann ist ja DER SCHULDIGE verantwortlich.

Das ist ein wenig ein innerer Konflikt. Denn EIGENTLICH will ich ja eigenverantwortlich sein und handeln. Im Abgrenzungs/Abnabelungsprozess geht es ja vor allem darum, selbst verantwortlich zu sein. Nun, wenn ich ihn also noch immer für schuldig empfinde an allem möglichen, dann gebe ich ja die Verantwortung wieder ab.

Wie komme ich da bloß raus aus dieser Sache...?? Ich will endlich diesen besch... cholerischen Vater, den Schmerz und den Kummer los haben, den er verursacht in unserem Leben....!!

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Beitrag Fr., 03.01.2020, 10:49

dann distanziere dich so weit von ihm, wie du es brauchst, dass der cholerische Vater dir nicht mehr so schlecht tut. und - wie du schon sagtest - wälze nicht die Verantwortung auf ihn ab. Du bist jetzt erwachsen und es ist deine Aufgabe, dir dein Leben so gut es geht zu gestalten - unabhängig von der Vorgeschichte (also, vielleicht insofern abhängig davon, dass du für dich hier und da Verständnis hast, wenns mal schwer ist)
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lisbeth
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 10:56

Ich habe in den letzten Jahren für mich gemerkt, dass die Dinge und Emotionen der anderen in mir so viel Raum gefunden haben, weil mein Eigenes viel zu unterentwickelt ist bzw war. Weil ich aus mir heraus dem nichts entgegenzusetzen hatte. In dem Maße, wie ich es gelernt habe, meins zu finden und auch (fest-) zu halten, klappt das auch mit der Abgrenzung viel besser. Weil der Raum in mir viel mehr mit den Dingen ausgefüllt ist, die zu mir gehören. Das heißt nicht, dass für andere und ihre Anliegen kein Raum mehr vorhanden wäre, aber es ist nicht mehr so willkürlich und unkontrolliert.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


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Beitrag Fr., 03.01.2020, 11:39

Du bist doch erst 14? Vielleicht konzentrierst du dich auch einfach mal darauf, dass es dir gut geht und du weniger über Probleme nachdenkst, auch weniger mit Menschen über Probleme redest? Ich finde Freundschaft muss Problemgespräche abkönnen, aber es sollten nicht nur solche Gespräche sein, sondern man sollte auch schöne Momente teilen. Dann gehts einem grundsätzlich besser. Mir scheint nämlich, dass du eine Art Winterblues (alles ist dunkel) hast und da wäre es gut, wenn du dir aktiv gute Momente schaffst und weniger nachdenkst. Mit 14 ist man noch lange nicht fertig und es ist auch schön, dass du noch Jugendlich sein kannst, nicht für alles selbst Verantwortung übernehmen muss- das kommt früh genug. Deshalb mach dir doch da nicht eine Baustelle auf, die du noch nicht brauchst. Wenn dein Vater cholerisch ist, dir das nicht gut tut, gib ihm doch die Schuld, sag dir, ich zieh hier in einigen JAhren aus und lebe anders. Mehr kannst du doch momentan noch gar nicht tun...
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Candykills
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 12:20

Theory hat 14 Beiträge, sie ist 35.
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 12:26

Oh mist, falsch gelesen... dann gilt das alles nicht. Außer, dass es trotzdem schöner ist, gute Momente zu haben als sich zu sehr mit negativem zu belasten.
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spirit-cologne
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 20:48

Vielleicht doch gar nicht so falsch - hört sich irgendwie ein bisschen nach einer auf später vertagten Pubertät an - es gibt sogar Menschen die das erst mit Mitte 50 schaffen, sich aus der emotionalen Abhängigkeit von den Eltern zu lösen.

Theory, vielleicht helfen dir ja theoretische Konzepte zu dem, was in der Pubertät passiert: In der Pubertät finden ja die Teenies auch ihre Eltern doof und peinlich und geben ihnen an allem die Schuld. Der Grund ist aber nicht, dass sie keine Verantwortung übernehmen wollen, sondern der, dass die emotionale Abgrenzung von den Eltern ansonsten Schuldgefühle auslösen würde. Mama oder Papa könnten traurig oder wütend sein, wenn ich nicht mehr soviel Zeit mit ihnen verbringe oder anderer Meinung bin und ich bin Schuld, dass es ihnen schlecht steht. Also entstehen Schuldgefühle und um die zu vermeiden, wird auf die Emanzipation von den Eltern verzichtet. Die Lösung aus dem Dilemma ist, wenn die Eltern doof und an allem Schuld sind. Dann kann ich ja gar nicht anders, als mich abzugrenzen und brauche dann auch keine Schuldgefühle haben.

Vielleicht passt von der Theorie auch was für deine Situation? Vielleicht hast du ja auch Angst vor Schuldgefühlen, wenn du dich gegen deinen Vater wehrst? Wenn das so ist, dann ist es gar nicht schlecht, wenn du ihm zwischenzeitlich mal an allem die Schuld gibst, das legt sich dann wieder, wenn die Abnabelung vollzogen ist. In jedem Fall ist es ungesünder in der emotionalen Abhängigkeit stecken zu bleiben.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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Theory
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Beitrag Fr., 03.01.2020, 23:38

Hallo spirit cologne

Genau das ist es: ich nable mich jetzt erst ab. Ich würde sagen, fast jedes deiner Worte trifft hier zu.

Ich bin seit ca 2 Monaten dabei, mich von der emotionalen Abhängigkeit mit den Eltern zu befreien und abzunabeln. Und ja, aktuell fällt es mir schwer mir überhaupt vorzustellen, wie ich meinen Vater anerkennen kann und ihm nicht die Schuld an allem möglichen gebe....

Wie lange dauert denn der Erfahrung nach so ein Abnabelungsprozess ... und wie kannnich diesen beschleunigen?

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