Den Therapeuten anschauen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Häschenhüpf
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Den Therapeuten anschauen

Beitrag So., 12.05.2019, 19:16

Hallo liebe Leute,
ich mache seit mehr als einem Jahr ne Therapie (TfP) und komme mit meinem Therapeuten ganz gut zurecht.

Das Problem ist, dass ich ihn während der Sitzung kaum anschauen kann. Ich schaue dann meistens aus dem Fenster raus, so quasi an ihm vorbei.

Er hat es zweimal kurz erwähnt und meinte, dass es nicht schlimm ist. Nie hat er mich gezwungen, ihn anzuschauen oder den Blickkontakt zu halten.

Ich find's aber furchtbar, weil ich mir vorkomme, wie ein eingeschüchtertes Mädchen. Und die Therapie mache ich ja bei ihm schon lange genug. In letzter Zeit werfe ich ihm immer wieder bewusst kurze Blicke zu, längerer Blickkontakt gelingt aber gar nicht.

Es kann evtl. damit zusammenhängen, dass ich kaum Kontakt mit Männern habe. Nie hab ich gelernt, mit Männern zu sprechen. Das war auch einer der Gründe, warum ich mich für einen männlichen Therapeuten entschieden habe.

Geht es jemandem zufällig auch so? Habt ihr Tipps für mich?

LG
Häschenhüpf

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Fighter1993
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Beitrag So., 12.05.2019, 20:03

Hi
Tipps jetzt nicht unbedingt, aber ich schau meine Therapeutin auch eher selten an. Meistens ebenfalls an ihr vorbei oder manchmal sogar ganz deutlich in eine andere Richtung. Mich störts nicht, aber ich schau generell anderen Menschen nicht in die Augen/halte Blickkontakt. Mir ist sogar mal aufgefallen, dass ich meine Therapeutin nicht anspreche. Also bisher nie direkt mit Namen (außer in Briefen oder anderem Schriftlichen als Anrede) und auch sonst nie irgendwie mit "Sie" o.Ä. ich rede da immer irgendwie drumherum und beziehe mich nicht auf sie als Person, was es schwierig macht, mich auf von ihr gesagte Sachen zu stützen oder sie zu wiederholen nach dem Motto "Letzte Woche als Sie sagten das ...."

Mich persönlich störts nicht, sie auch nicht offensichtlich, denn in den 1 1/2 Jahren die ich bei ihr bin, hat sie das nicht angesprochen und wirkte auch eher überrascht, als ich ihr mal offenbarte das es mir schwerfällt sie anzusprechen - sei ihr nicht aufgefallen. Dass ich sie nicht anschaue oder nur selten merkt sie aber vermutlich. Aber ich kann generell ohne Blickkontakt besser sprechen - egal mit wem. Da kann ich mir die Person einfach "wegdenken" und es fällt mir leichter zu reden.

Wenn es für dich so stimmig ist wie es ist, dann belass es doch dabei. Ich mein, immerhin setzt du dich nicht demonstrativ mit dem Rücken zu ihm, sondern schon so dass prinzipiell Blickkontakt und wenn er auch nur sekundenweise ist stattfinden kann. Und mal ganz ehrlich, ich finde Menschen die permanent den Blick auf mich/in meine Augen gerichtet haben durchaus gruselig und kann das gar nicht haben wenn es so ins anstarren geht.

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Häschenhüpf
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Beitrag So., 12.05.2019, 21:02

Danke für deine Antwort!

Mit dem Anstarren hast du vollkommen Recht! Und vielleicht ist es auch so, dass wenn man z. B. mit Freunden redet, man einfach lockerer ist. Man macht sich über sowas keine Gedanken und läuft es irgendwie automatisch. Hier ist es eben anders, nicht so automatisch (zumindest bei mir). Je mehr man darüber nachdenkt, wie viel Blickkontakt gut ist, desto verkrampter und unnatürlicher wird es. Und man will ihn nicht anstarren, deshalb ist der Blickkontakt dann lieber ganz weg.

Ich denke, dass sich das bei schwierigen Themen nicht ändern wird, weil ich mir - wie du schon sagst- den Therapeuten wegdenken kann. Ich stelle mir vor, dass ich alleine im Raum bin dass ich es einfach nur mir selbst erzähle. Sonst würde ich es gar nicht rausbringen. Aber bei den nicht so schwierigen Themen würde ich es eigentlich schon gerne ändern.

Das mit dem Ansprechen finde ich interessant! Bei dem Therapeuten fällt es mir nicht schwer, aber ich weiß genau, was du meinst. Hab sowas auch schon erlebt und zwar in Situationen, wo es am Anfang für mich nicht ganz klar war, ob wir per du oder per Sie sind. Ganz extrem war es einmal, als ich 2.5 Jahre bei einer Frau angestellt war. Sie hat mich von Anfang an gedutzt und wir wurden recht schnell Freunde. Trotzdem konnte ich es irgendwie nicht ändern und hab sie nie angesprochen. Sie meinte damals übrigens, dass es ihr so mit ihrer Schwiegermutter geht. Und es ist auch so entstanden, dass sie nicht wusste, ob sie sie duzen oder siezen soll. Beim Therapeuten war von Anfang an klar, dass wir per Sie sind, deshalb habe ich da kein Problem.

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Montana
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Beitrag So., 12.05.2019, 21:38

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das mit dem Anschauen nach und nach ungezwungener wird. Es hat aber sehr lange gedauert, deutlich länger als ein Jahr. Mir sind dann so Dinge aufgefallen wie Schweißflecken in den Achseln im Sommer oder Socken, die farblich nicht zu Hose und Schuhen passen. Das gefiel mir, weil es so unperfekt ist. Dann muss ich auch nicht perfekt aussehen.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag So., 12.05.2019, 22:45

Ist schon ein spannendes Thema.

Das Problem mit dem Ansehen kenne ich auch - es tritt aber nur bei Menschen auf, die mir emotional nahe stehen, ich vermute, weil ich eher Angst davor habe, wie sie mich sehen könnten (wobei sie das vermutlich so oder so können - wenn ein Kind sich die Augen zuhält, sieht das Umfeld es ja trotzdem ...).

Einen echten Rat habe ich nicht. Außer vielleicht, es einfach auszuhalten (ohne Zeitlimit) und zu bemerken, dass es leichter wird.

In Sachen Ansprache war ich eigentlich immer der Ansicht, dass gerade in engen Beziehungen eine förmliche Anrede nur selten nötig ist. Zumindest mündlich. Schriftlich ist bei mir ein "Hallo (Name)" schnell getippt, das Siezen ist noch leichter.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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nulla
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Beitrag Mo., 13.05.2019, 01:48

Also ich selbst bin ja eher eine Blickkontakt-Fanatikerin, aber das liegt vermutlich daran, dass ich immer alles unter Kontrolle behalten will. Das mit der Angst "gesehen zu werden", kann ich sehr gut nachvollziehen, aber bei mir ist der Wunsch gesehen zu werden vermutlich größer als die Angst davor.

Nichtsdestotrotz sehe ich meinem Thera auch nach 1,5 Jahren nicht so oft in die Augen, bzw. nie wenn es um schwierigere Themen geht. Ich fixiere dann irgendwelche Punkte im Raum, ich glaube, ich kenne mittlerweile jeden kleinen Riss oder Fleck an den Wänden ;-)

Bei eher "lockeren" Gesprächen, oder wenn ich einmal einfach nur etwas erzähle, sehe ich ihm aber schon in die Augen.
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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Beitrag Mo., 13.05.2019, 11:27

@ExtraordinaryGirl
Das stimmt! Ich hab vermutlich auch Angst, wie er mich sieht. Ich überlege zum Beispiel schon in der Woche davor, was ich anziehe, wenn ich zu ihm gehe. Will mich da gut präsentieren.

@Montana
Super, das mit den Socken und dem Schweißfleck gefällt mir! Ich werde versuchen, es auch so zu sehen. Ich versuche immer, einen möglichst guten Eindruck zu machen. Aber er hatte auch schon nen Tag, wo seine Haare hinten in eine andere Richtung standen oder wo ein sie so gekämmt hat, dass es wie ne richtige Topffrisur ausgeschaut hat:-)


shesmovedon
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Beitrag Mo., 13.05.2019, 11:35

Wir haben die Therapeutin die ersten 2 1/2 Jahre absolut nicht angeschaut. Am Anfang bemerkte sie, dass wir so ja gar nicht ihre Mimik und Reaktionen mitbekommen. Aber wir konnten das halt nicht. Inzwischen kann ich sie zumindest ohne Probleme anschauen.
Bei uns hatte das ganz sicherlich mit der Übertragung zu tun.
Sprich: das kann sich noch ändern. Setze dich nicht unter Druck. Es ist nicht zwingend, dass man den Thera anschaut.


Darksheep
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Beitrag Mo., 13.05.2019, 19:56

Ich kenne das ähnlich.
Ganz schlimm ist es wenn ich bockig bin. Dann sehe ich eig nur noch auf den Boden vor Wut.

Aber auch generell finde ich es schwer. Ich muss aber auch sagen, ich lag viele Jahre, seit ungefähr zwei Jahren aber sitze ich ihr gegenüber.

Tipps hätte ich jetzt leider auch keine außer vielleicht das nochmal anzusprechen und zu gucken warum es so ist
Und dann wird man erwachsen, um festzustellen, dass Gerechtigkeit genauso real ist wie Feen ,Einhörner und Zwerge

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 13.05.2019, 20:25

Ich kann Gespräche nicht führen, ohne den anderen anzusehen,
ich möchte sehen können, wie der andere auf meine Worte reagiert.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Beitrag Mo., 13.05.2019, 20:35

@Pianolullaby
Da hast du Recht. Ich war einmal sauer und hab gemeint, dass er genervt von mir ist. Dann hat er gemeint, wenn ich ihn angeschaut hätte, hätte ich vielleicht gesehen, dass es nicht so ist. Und es stimmt. Ich sehe zwar oft im Augenwinkel, wenn sich seine Körperhaltung ändert. Zwei, dreimal hab ich ihn mit irgendwas schockiert und dann ist er richtig zusammengezuckt. Das hab ich gesehen. Aber seinen Gesichtsausdruck hält nicht.


Fighter1993
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Beitrag Di., 14.05.2019, 07:07

Weil du grad den Augenwinkel ansprichst. Ja, aus dem Augenwinkel "beobachte" ich auch gerne mal. Und einen längeren Blick riskiere ich, wenn ich genau weiß, sie ist mit Schreiben beschäftigt. Kommt mir jetzt alles so, wenn ich nachdenke und die Stunden Revue passieren lasse. Und manchmal wenn ich sie so aus dem Nichts anschaue - eher selten - aber dann passiert es hin und wieder, dass ich feststelle, dass sie eben auch ganz woanders hinschaut.


Truemmerlotte
Helferlein
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Beitrag Di., 14.05.2019, 12:23

Hallo,

ich bin zum zweiten Mal bei meinem Therapeuten in Therapie, "kenne" ihn seit 2012.
Ich mag ihn sehr und wir kommen gut miteinander klar,aber auch ich kann ihm nie sehr lange in die Augen gucken.
Gerade bei schwierigen/bedrückenden Themen geht es fast gar nicht. Dann huscht mein Blick einmal kurz rüber und sofort wieder an die die Türzarge (das ist irgendwie so mein Punkt bei ihm im Zimmer).
Manchmal versuche ich es länger,allerdings kostet mich das so viel "Anstrengung" bzw. Konzentration, dass ich dann nicht ganz mitbekomme was er in dem Moment gerade sagt😌, deswegen versuche ich das ziemlich selten.

Ich denke ich mache das, weil ich Angst habe bei Blickkontakt doch weinen zu müssen. Und das wäre für mich so ziemlich das Schlimmste obwohl ich es mir andererseits so sehr wünschen würde,es zu können.

Wie die meisten Anderen auch, habe ich da keinen guten Rat außer die Situation so anzunehmen,wie sie momentan halt ist. Zur Not (nochmal?) ansprechen,wenn es dich arg stört und du daran arbeiten möchtest.

In lockeren Gesprächen kann ich ihm übrigens sehr gut in die Augen schauen und ihn auch fett angrinsen,sicher weil ich in solchen Momenten weiß nicht eventuell gleich weinen zu müssen.

Du bist also immerhin nicht allein mit diesem " nicht in die Augen gucken können ".
Alles Liebe

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