Ich habe Bulimie, noch immer.
Mittlerweile bin ich 29 Jahre alt und mein gestörtes Essverhalten begleitet mich somit bereits über die Hälfte meines Lebens. Es stand nicht immer im Vordergrund, aber vor etwa vier Jahren war es als würde mir das Steuer aus der Hand gleiten und ich rutschte so tief in die Bulimie ab, dass irgendwann meine Tage nur mehr zwischen Küche und Bad stattfanden. Irgendwann war der Punkt erreicht an dem mir bewusst wurde, dass ich mir entweder Hilfe suchen musste, oder nur mehr aufgeben konnte.
Damals vertraute ich mich meinen engsten Freunden und meiner Familie an. Letztere sorgten dann erstmal dafür, dass ich wieder nach hause zog und letztlich sogar einen stationären Aufenthalt absolvierte. Danach ging es mir besser, ich lernte in der Klinik sogar einen Mann kennen mit dem ich mich Hals über Kopf in eine Beziehung stürzte, die mittlerweile jedoch seit etwa einem halben Jahr wieder vorüber ist.
In der Therapie wurde ich immer dafür gelobt wie reflektiert ich sei, man sagte mir ich hätte die besten Aussichten gesund zu werden und heute glauben ja auch mehr oder weniger alle in meinem Umfeld, dass mir das gelungen ist oder wissen überhaupt nicht, dass ich je ein Problem hatte.
Ich hab wieder das Gefühl jeden Tag eine Maske aufzusetzen wenn ich anderen Menschen gegenüber trete. Eigentlich sind es sogar viele verschiedene Masken, die ich trage, ganz nach Lust und Laune meines Gegenübers. Da gibt es die selbstsichere und kompetente Maske für die Arbeit, die lebenslustige Tochter, die verständnisvolle Freundin, die unkomplizierte Sexualpartnerin, ...
Aber zuhause kippe ich dann doch wieder in alte Muster und versinke in diesem Nebel aus Essen und anschließendem Erbrechen.
Ich hab vieles, was mich eigentlich glücklich machen müsste und trotzdem bin ich es oft nicht. ich fühle mich alleine und mittlerweile komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass das meine eigene Schuld ist, weil ich eben niemanden mich so sehen lassen will wie ich bin oder wie ich mich sehe.
In meinem letzten Dienst hatte ich eine Patientin mit schwerer Anorexie und Bulimie, die immer wieder wegen lebensgefährlicher Elektrolytentgleisungen eingeliefert wird und die versammelte Kollegenschaft unterhielt sich über die Hoffnungslosigkeit ihres "Falls" und ich stand einfach nur da und hab mich gefragt ob ich so enden will.
Die Antwort ist NEIN, ich will endlich das Leben genießen. Aber wie geht das? (Mal abgesehen davon, dass ich nicht im UG bin und auch sonst derzeit nicht so exzessiv breche, dass physisch eine Gefahr bestünde.)
Ich weiß gar nicht so recht, was ich mir von diesem Forumsbeitrag eigentlich erwarte. Vielleicht schreibe ich hier nur um mich ein ganz kleines bisschen weniger einsam zu fühlen...
Vielleicht hat aber auch jemand einen erleuchtenden Rat?
Masken
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.. vielleicht hat das u.a. ja auch etwas mit dem hintergrund deines nicknamens zu tun? (mit "schuld" hängt das "verstecken" jedenfalls eher nicht zusammen) .Serendipity hat geschrieben:Ich weiß gar nicht so recht, was ich mir von diesem Forumsbeitrag eigentlich erwarte.
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- Forums-Insider
, 27
- Beiträge: 159
nur kurz: Ich erkenne mich in dir sehr gut wieder. Zumindest meine Eltern denken, ich sei gesund bzw. gesünder. Momentan auch wohl mein Freund, mit dem ich vor wenigen Wochen zusammen gezogen bin und meine Fas verheimliche...du bist nicht allein...
Masken zu tragen, ist sehr, sehr anstrengend und es braucht ein gutes Gedächtnis (ähnlich wie sich in Lügen zu verstricken). Sie fallen zu lassen und zu sich zu stehen, kann Entspannung pur bringen. Es braucht viel Mut und die Bereitschaft, auch einen Preis dafür zu bezahlen. Aber es lohnt sich.
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- Forums-Insider
, 27
- Beiträge: 159
Was nur, wenn man gar nicht mehr so genau weiß, was es heißt keine Maske zu tragen?
Ich habe gerade keine Lust auf Gesellschaft. Freund musste aber spontan jemand einladen. Dann ist es doch nur logisch, sich entweder dazu zu gesellen und freundlich dabei zu sitzen, was ich normalerweise tu oder eben sich in ein Zimmer zurückzuziehen und sich zu entschuldigen. Es ginge einem nicht so dolle. Das habe ich jetzt getan, weil ich keine Kraft habe, so zu tun als ob...
Ich habe gerade keine Lust auf Gesellschaft. Freund musste aber spontan jemand einladen. Dann ist es doch nur logisch, sich entweder dazu zu gesellen und freundlich dabei zu sitzen, was ich normalerweise tu oder eben sich in ein Zimmer zurückzuziehen und sich zu entschuldigen. Es ginge einem nicht so dolle. Das habe ich jetzt getan, weil ich keine Kraft habe, so zu tun als ob...
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- [nicht mehr wegzudenken]
, 41
- Beiträge: 1288
Liebe Serendipity,
einen erhellenden Rat habe ich nicht, aber aus Deinem Beitrag lese ich heraus, dass Du schon viel geschafft hast.
Du hast Arbeit, soziale Kontakte, warst in der Lage, Hilfe zu suchen und anzunehmen und Du hast es immerhin geschafft, dass die starke Sympromatik mit exzessivem Essen und Erbrechen (so verstehe ich es, wenn Deine Tage nur nich zwischen Küche und Bad stattgefunden haben) eine sehr viel mildere Symptomatik (so verstehe ich den Hinweis, dass Deine Essstörung aktuell gar nicht zu Elektrolytentgleisungen führen könnte) geworden ist.
Die Seele braucht einfach verdammt viel Zeit, Essstörungen gehen nicht einfach mal eben so weg. Oft kommt die Symptomatik ja auch wieder (stärker) daher, wenn es im Leben irgendwo schwierig wird.
Vielleicht ist es ja für Dich gerade irgendwo wieder schwierig?
Du bist auf jeden Fall an einem Thema "dran", das Dich beschäftigt: die "Masken", die Du trägst.
Vielleicht, weil es Dir Gewohnheit geworden ist, es allen Recht machen zu wollen? Vielleicht, weil Du (heute oder früher) stark und problemlos gebraucht wurdest und sich dieses Verhalten tief in Deine Seele eingegraben hat? Vielleicht, weil es "gefährlich" war/ ist, Dich zu zeigen, wie Du wirklich bist?
Was war in Deinem Leben los, als die Essstörung begann? Was war denn vor vier Jahren los? und was war los, als Die Essstörung nach der Klinik wieder stärker wurde?
Hast Du therapeutische Begleitung? Könntest Du Dir vorstellen, nochmals in eine KLinik zu gehen?
einen erhellenden Rat habe ich nicht, aber aus Deinem Beitrag lese ich heraus, dass Du schon viel geschafft hast.
Du hast Arbeit, soziale Kontakte, warst in der Lage, Hilfe zu suchen und anzunehmen und Du hast es immerhin geschafft, dass die starke Sympromatik mit exzessivem Essen und Erbrechen (so verstehe ich es, wenn Deine Tage nur nich zwischen Küche und Bad stattgefunden haben) eine sehr viel mildere Symptomatik (so verstehe ich den Hinweis, dass Deine Essstörung aktuell gar nicht zu Elektrolytentgleisungen führen könnte) geworden ist.
Die Seele braucht einfach verdammt viel Zeit, Essstörungen gehen nicht einfach mal eben so weg. Oft kommt die Symptomatik ja auch wieder (stärker) daher, wenn es im Leben irgendwo schwierig wird.
Vielleicht ist es ja für Dich gerade irgendwo wieder schwierig?
Du bist auf jeden Fall an einem Thema "dran", das Dich beschäftigt: die "Masken", die Du trägst.
Vielleicht, weil es Dir Gewohnheit geworden ist, es allen Recht machen zu wollen? Vielleicht, weil Du (heute oder früher) stark und problemlos gebraucht wurdest und sich dieses Verhalten tief in Deine Seele eingegraben hat? Vielleicht, weil es "gefährlich" war/ ist, Dich zu zeigen, wie Du wirklich bist?
Was war in Deinem Leben los, als die Essstörung begann? Was war denn vor vier Jahren los? und was war los, als Die Essstörung nach der Klinik wieder stärker wurde?
Hast Du therapeutische Begleitung? Könntest Du Dir vorstellen, nochmals in eine KLinik zu gehen?
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Thread-EröffnerIn - sporadischer Gast
, 27
- Beiträge: 13
Liebe Mia,
danke für deine nette Antwort!
Du hast recht damit, dass ich schon einiges erreicht hab und es tut eigentlich ganz gut sich das wieder mal bewusst zu machen.
Während ich in meiner schlimmsten Zeit wirklich jeden Tag vielfach erbrochen hab, schaffe ich es mittlerweile tage- und sogar wochenlang quasi normal zu essen.
Ich gehe gern arbeiten, habe im letzten Jahr einige neue Freunde gefunden und schaffe es sogar zunehmend auch mal über mich und meine Gefühle zu reden.
Ich hab die letzten Tage über immer mal wieder über die Metapher mit der Maske nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich mit meinen Masken tatsächlich wohler fühle, meine Rückfälle passieren immer dann wenn ich mich allein fühle und mich zurück ziehe.
Als die Essstörung mit 14 anfing war ich ein unsicheres kleines Mädchen, als ich dann vor vier Jahren abstürzte, hatte ich grade eine Trennung hinter mir und stand am Ende meines Studiums und war mir nicht mehr sicher, dass ich in dem Beruf arbeiten will.
Es bestand immer eine große Diskrepanz zwischen dem Bild, das sich andere von mir gemacht haben und meinem Selbstbild, was wohl auch heute noch oft der Fall ist, wobei ich mir mittlerweile versuche bewusst zu machen, dass wohl hoffentlich doch eher der Eindruck der anderen stimmt...
Das was du geschrieben hast mit dem gebraucht werden, trifft meine Geschichte eigentlich ganz gut. Ich war für meine Familie und auch meine Freunde immer die starke Schulter zum ausheulen. Lange hab ich es um jeden Preis vermieden Schwäche zu zeigen um mir nur ja keine Blöße zu geben.
Zum Thema Therapie: ich bin momentan auf der Suche nach einem neuen Therapeuten bzw einer Therapeutin. Ein stationärer Aufenthalt kommt schon aus beruflichen Gründen nicht mehr wirklich in Betracht.
Liebe Sonnenschein,
ich hab deinen eigenen Thread mehr oder weniger auch durchgelesen und glaube wirklich, dass sich bei uns die eine oder andere Parallele findet! Dass du es schaffst zumindest soweit auf dich zu achten, dass du dich auch mal zurückziehst wenn du keine Kraft für die Gesellschaft hast, finde ich schonmal ganz gut! Ich wünsch dir für deine schwierige Situation mit deinem Freund und dem Haus ganz viel Kraft!
Danke jedenfalls für die Antworten und LG!
danke für deine nette Antwort!
Du hast recht damit, dass ich schon einiges erreicht hab und es tut eigentlich ganz gut sich das wieder mal bewusst zu machen.
Während ich in meiner schlimmsten Zeit wirklich jeden Tag vielfach erbrochen hab, schaffe ich es mittlerweile tage- und sogar wochenlang quasi normal zu essen.
Ich gehe gern arbeiten, habe im letzten Jahr einige neue Freunde gefunden und schaffe es sogar zunehmend auch mal über mich und meine Gefühle zu reden.
Ich hab die letzten Tage über immer mal wieder über die Metapher mit der Maske nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich mit meinen Masken tatsächlich wohler fühle, meine Rückfälle passieren immer dann wenn ich mich allein fühle und mich zurück ziehe.
Als die Essstörung mit 14 anfing war ich ein unsicheres kleines Mädchen, als ich dann vor vier Jahren abstürzte, hatte ich grade eine Trennung hinter mir und stand am Ende meines Studiums und war mir nicht mehr sicher, dass ich in dem Beruf arbeiten will.
Es bestand immer eine große Diskrepanz zwischen dem Bild, das sich andere von mir gemacht haben und meinem Selbstbild, was wohl auch heute noch oft der Fall ist, wobei ich mir mittlerweile versuche bewusst zu machen, dass wohl hoffentlich doch eher der Eindruck der anderen stimmt...
Das was du geschrieben hast mit dem gebraucht werden, trifft meine Geschichte eigentlich ganz gut. Ich war für meine Familie und auch meine Freunde immer die starke Schulter zum ausheulen. Lange hab ich es um jeden Preis vermieden Schwäche zu zeigen um mir nur ja keine Blöße zu geben.
Zum Thema Therapie: ich bin momentan auf der Suche nach einem neuen Therapeuten bzw einer Therapeutin. Ein stationärer Aufenthalt kommt schon aus beruflichen Gründen nicht mehr wirklich in Betracht.
Liebe Sonnenschein,
ich hab deinen eigenen Thread mehr oder weniger auch durchgelesen und glaube wirklich, dass sich bei uns die eine oder andere Parallele findet! Dass du es schaffst zumindest soweit auf dich zu achten, dass du dich auch mal zurückziehst wenn du keine Kraft für die Gesellschaft hast, finde ich schonmal ganz gut! Ich wünsch dir für deine schwierige Situation mit deinem Freund und dem Haus ganz viel Kraft!
Danke jedenfalls für die Antworten und LG!
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