Meine 'Geschichte'

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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jotbe
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Meine "Geschichte"

Beitrag Fr., 03.02.2012, 22:46

Ich hab vor mittlerweile fast 7 Jahren mit einer PT angefangen. Mein Therapeut war mir von Anfang an sehr sympathisch und ich fühlte mich angekommen und angenommen. (Nur kurz am Rande, die PT begann ich, weil ich schwer traumatisiert bin) Schon bald merkte ich, dass ich mit den "Grenzen" die in der Therapie gesetzt werden nur ganz schwer umgehen kann...Mein Therapeut konnte das scheinbar auch nicht, er gab mir seiner private Handynummer und begann, in den Sitzungen meine Hand zu halten und mich im Arm zu halten. Schon bald hatten wir auch Kontakt zwischen den Sitzungen (die 2 x in der Woche mindestens 2 Std. dauerten). Wir schrieben SMS, wir mailten, wir telefonierten. Oft durfte ich auch "kurz" am Ende seiner Arbeitstage bei ihm in der Praxis vorbeischauen. Mir ging es immer schlechter, ich wurde immer abhängiger. Noch nie habe ich mich so geliebt und gleichzeitig so abhängig gefühlt. Ich hätte ALLES für ihn gemacht. Er wurde der absolute Mittelpunkt meines Lebens. Wenn es mit IHM gut lief, ging es mir gut, lief es schlecht wollte ich nur noch sterben. Unsere Stunden wurden immer sprachloser, wir hielten uns im Arm, ich weinte viel und brauchte ihn immer mehr. Wenn er weg war, dann war es, als ob ich keine Luft mehr zum Atmen mehr hätte....Naja, das Ende vom Lied war, dass er mir im Juni 2011 mitteilte (aus heiterem Himmel)...die Therapie sei nun zu Ende, er könne nicht mehr. Er räumte mir dann (wie gnädig) noch ein paar Sitzungen zum verabschieden ein und verbot sich dann jeglichen Kontakt. Na wunderbar...ich wollte nur noch sterben! Mittlerweile bin ich auf einem guten Weg, ich mache eine analytische PT bei einer wunderbar abgegrenzten und professionellen Therapeutin. Die Sicherheit dort tut mir gut....Doch NIEMALS werde ich diese Verletzungen vergessen, die dort meiner (ohnehin vernarbten) Seele zugefügt wurden. Diese Narben werde ich mein Leben lang behalten.....
Leben ist das was passiert während du andere Pläne machst....

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Hamna
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:04

Hallon jotbe,

habe dich ja schon kurz im anderen Thread gelesen und war da schon ziemlich fassungslos über das, was du da von deiner früheren Therapie schreibst. Jetzt habe ich mal eine sehr intime Frage: Deine Therapie ging ja recht lange, fast 6 Jahre, wenn ich das richtig verstanden habe. Kam es zwischen dir und dem Therapeuten auch zu Sex? Sorry dafür, du musst auch nicht antworten, wenn du nicht willst.

Edit: Tippfehler

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heissundkalt
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:13

Hallo!

Puh... unglaublich... man hört leider viel zu oft von solchen Geschichten...

Besprichst du das Grenzverletzende Verhalten dieses Therapeuten jetzt auch mit deiner Therapeutin?
Ich finde eigentlich, vor allem zum Schutz anderer Patienten, denn selbst wenn es nicht zu Sex kam, hat er höchst unprofessionell und grenzverletzend gehandelt, sollte er angezeigt werden... Er mag es im besten Glauben getan haben, das glaube ich schon, es scheint einfach Hilflosigkeit und vll Naivität gewesen zu sein von seiner Seite aus... aber es ist eben wahnsinnig gefährlich und absolut unverantwortlich, dass ein solcher Therapeut weiterhin praktiziert ohne dass er kontrolliert wird...
War er noch sehr jung?

Ich wünsche dir, dass du die Kraft hast dich aus dem Dschungel von Abhängikeiten zu befreien und dich selbst lieben lernst. Ich kenne diese Abhängikeitsgefühle sehr gut... Aber man kann wachsen, wenn der/die Therapeutin einem dabei hilft...

LG H&K
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Hamna
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:13

Sorry, ich frage nicht aus Voyeurismus. Ich dachte mir nur, ob das überhaupt vermeidbar ist, wenn eine Therapie so schnell den therapeutischen Rahmen verlässt und dann ja so lange andauert. War es mal Thema zwischen euch, den Kontakt komplett auf eine private Ebene zu heben?

Und kannst du das in deiner jetzigen Therapie gut aufarbeiten?

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jotbe
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:16

Hallo Rilke,
ich beantworte dir diese Frage. Nein, Sex hatten wir nicht. Aber wir waren uns in den Stunden so extrem nah. Das war fast mehr als Sex. Klingt komisch, ich weiß...aber das war so heftig. Er hat sich so ausschließlich gemacht. Ich weiß, das klingt gemein und vorwurfsvoll. Aber er hat einfach nicht auf mich geachtet....er hat nicht mehr wahrgenommen was er für mich ist...
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jotbe
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:18

Ja, ich kann das Erlebte jetzt aufarbeiten...aber trotzdem werde ich niemals vergessen was zwischen ihm und mir passiert ist.
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jotbe
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:25

Nein, er ist nicht mehr jung. Arbeitet schon seit über 25 Jahren als Thera. Ich weiß nicht, was in ihm vorgegangen ist. Es war gegen Ende mal Thema, unseren Kontakt privat weiter zu führen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon eine sehr gute Unterstützung beim "Ende". Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich mich darauf nicht eingelassen habe. Obwohl ich diese Entscheidung oft hinterfrage...ich vermisse ihn oft sehr...trotz Allem!
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Hamna
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:38

Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich mich darauf nicht eingelassen habe.
Naja... aber wenn es jetzt Liebe gewesen wäre zwischen euch. Aber das war es in deinen Augen wohl nicht? Fühltest du dich eher missbraucht?

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jotbe
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:46

Hm...Es war bestimmt eine gewisse Zeit eine Art von Liebe. Aber ich war soooooooo abhängig, wie ein Baby von der Mama. Und letztendlich hat er beschlossen dass er mich nicht mehr sehen will.
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heissundkalt
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 23:57

Ich finde es ist immer eine form von Missbrauch, wenn der Therapeut seine grenzen überschreitet oder überschreiten lässt. Es liegt in seiner Verantwortung dafür zu sorgen, dass der Patient wächst und sein eigener Therapeut wird, heisst es doch und ich finde das trifft es.
Liebe im sinne einer authentischen paarbeziehung darf m.E. nicht sein... Wir sind alle Menschen, und es kann auch einem Therapeuten passieren, dass er sich in eine Patientin verliebt, aber dann läge es in seiner Verantwortung das in Supervision zu bearbeiten u ggf die Therapie zu b3enden. Denn ein Therapeut kann viel für einen Patienten sein... Er spielt viele Rollen... Aber es bleibt ein Treffen in einem geschützten Rahmen mit klaren grenzen. Ich habe mir auch ein tedffen mit meiner Therapeutin gewüscjt, habe oft davon geträumt. Bei mir war es die Mutter, die ich mir wünschte. Aber auf ein privates Kafffeetrinken wäre Sie nie eingegangen und hat mir behutsam die Abstinenzregel erklärt (die ich schon kannte) und hat sich wunderbar verhalten. Klar, schmerzhaft ist es oft mit Grenzen klar zu kommen. Aber der Therapeut sollte einem dabei helfen genau das zu lernen.
LG h&k
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heissundkalt
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 00:00

Buchtip, ist zwar ein Roman, aber von einem benannten Analytiker verfasst und ich habe einiges lernen können: Die rote Couch. Von I. Yalom.
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Sausewind
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 00:03

Hallo jotbe.
Heftige Geschichte - aber ich kann das mit der Abhängigkeit gut nachvollziehen. Darf ich mal fragen, wer den Körperkontakt ursprünglich initialisiert hat?
Und: Habt ihr eigentlich je offen - und gegenseitig - darüber gesprochen, was das eigentlich für euch beide war? Also hat er mit dir das Ganze mal reflektiert oder gesagt, wie das aus seiner Sicht gelaufen ist?

Ich finde es gut, dass du da rausgekommen bist! (Wenn auch mit einem Schaden, aber immerhin hast du den Absprung geschafft!)

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Hamna
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 00:06

heissundkalt hat geschrieben:Ich finde es ist immer eine form von Missbrauch, wenn der Therapeut seine grenzen überschreitet oder überschreiten lässt.
h&k, du hast absolut Recht, und ich finde, mit diesen Aussagen hat jotbe das auch sehr schön deutlich gemacht, dass es vom Thera missbräuchlich war:
jotbe hat geschrieben: Er hat sich so ausschließlich gemacht. [...] er hat einfach nicht auf mich geachtet

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heissundkalt
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 00:09

Ja, Rilke, ich finde ich auch...

Jotbe... Du weisst ja vll dass eine gewisse Abhängigkeit anfangs normal, gut und auch erwünscht ist. Ich hatte zum Beispiel (und habe) Problem mich emotional überhaupt fallen lassen, denn ich bin generell eher verkopft. Das heisst also .. bitte, bitte werde nicht misstrauisch und lerne Menschen zu vertrauen bzw verlerne es nicht
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Justus
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Beitrag Sa., 04.02.2012, 08:08

Unglaublich, dass erfahrene Therapeuten ihre Klienten so double-binden...

...da habe ich keinerlei Vertrauen mehr in die Ausbildung...

Haben die bei ihrer eigenen Therapie nur gelogen und geschönt? Warum fällt das nicht auf?

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