Artikel zum (mangelnden) Erfolg von Therapien

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leberblümchen
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Beitrag Di., 15.04.2014, 19:21

Es ist alles andere als einfach, einen guten und kompetenten Therapeuten zu finden, bei dem zusätzlich auch die Chemie stimmt.
Dem stimme ich zu, wobei das 'Zusätzliche' hier meiner Meinung nach das größte Problem darstellt - und das ist das, was man am wenigsten in einer wie auch immer gearteten Evaluation erfassen kann.

Was die Kompetenz betrifft: Auch das lässt sich ja leider nicht perfekt darstellen: Kompetent ist ein Therapeut sicher auch und vor allem dann, wenn er seine eigenen Grenzen erkennt - und den Patienten ggf. weiterschickt, auch nach längerer Zeit. Dann würde der Patient sicher zunächst nicht behaupten, der Therapeut sei 'gut', denn der Schmerz ist ja nicht wegzudenken. Somit läge in diesem Fall eine gescheiterte Therapie vor mit einem verletzten Patienten. Trotzdem kann der Therapeut kompetent sein - nur wird das in keiner Statistik auftauchen...

Andere Patienten halten ihren Therapeuten für gut, solange er sie nur lange genug behandelt, auch dann, wenn das gar nicht nötig wäre bzw. eigentlich abzusehen wäre, dass die Therapie nicht zum gewünschten Erfolg führt, weil die Abhängigkeit immer weiter gefüttert wird. Trotzdem wird der Therapeut ggf. das Prädikat 'besonders einfühlsam' bekommen, wo ein Gutachter womöglich eher 'ängstlich-depressiv' ankreuzen würde.

Ein Dilemma in der Psychotherapie ist, dass 'gut gemeint' nicht immer dasselbe ist wie 'gut'.

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stern
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Beitrag Di., 15.04.2014, 19:36

leberblümchen hat geschrieben:Tristezza: Es ist ja auch kein Geheimnis, dass bestimmte Verhaltensweisen bzw. Eigenschaften und Abwehrmechanismen typisch sind für bestimmte Störungen. Da wird der Eine halt schnell zum Heiligen und der Andere zum Monster... - erst recht, wenn die Therapie nicht funktioniert hat und man diese Spaltungen usw. nicht überwinden konnte.
Zwar stimme ich zu, dass bei best. Störungen manche Verhaltensweisen typischer sind als andere... aber es wäre der Gipfel der Diskriminierung jemanden aufgrund seiner Störung per se eingeschränkte Urteilsfähigkeit zu attestieren.

Das wäre nicht besser als der Therapeut, der den Therapieverlauf überschätzt und (evtl. berechtigte) Negativbewertung damit rechtfertigt, das Patient xy schließlich ein Borderliner sei.

Antworten kann man wohl nur als subjektive Einschätzungen (von Therapeut und Patient) zu manchen Items verstehen... und schwer als objektives Urteil, ob der Therapeut nun gut oder schlecht ist.

Und wenn ein Patient hochgradig abhängig sein sollte, so wird sich das evtl. auch im Fragebogen niederschlagen...

Also Ergänzung zur Liste (mit einem Zwinkern): Abhängige PS (auch na ja ..)

Ein Fragebogen würde mMn manches auch nur eingeschränkt lösen.
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Broken Wing
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Beitrag Di., 15.04.2014, 19:47

Fragebögen ohne Statistik ist so viel Wert wie Wurst ohne Fleisch.
Und was die Wahrnehmung angeht, Problem sind hier die Grenzfälle. Ich wäre durchaus dafür, Pat. mit Wahrnehmungsproblemen gesondert zu Berücksichtigen, wenn die Feststellung der Störungen so sicher wäre. Diskriminierung hin oder her. Im Übrigen ist das keine Diskriminierung, im Gegenteil.
Das Problem ist aber eben, dass das alles so halbesoterisch ist, höchst abhängig vom Wetter und dem Diagnosesteller. Borderline ist zB bekannt als Sammelbecken für alle möglichen und unmöglichen Patienten. Da wäre so eine Staffelung in der tat anmaßend.
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leberblümchen
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Beitrag Di., 15.04.2014, 19:48

Hallo, Stern: Sicher, das wäre diskriminierend, aber wie wollte man das Problem lösen? Mal etwas drastisch formuliert: Wenn jemand mit einer antisozialen PS behauptet, der Therapeut sei ein Vollidiot - soll man das dann tatsächlich so stehenlassen? Wo wäre da die Grenze dessen, was man sinnvollerweise für die Qualitätssicherung nutzen könnte?

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Broken Wing
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:01

Dafür gibt es ja Statistik. Die Mehrheit korrigiert solche Ausreißer.
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leberblümchen
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:09

Aber ein Therapeut, der z.B. dreistündige Analysen abhält, hat, wenn er sich den Kalender nicht vollballert, über einen Zeitraum von drei Jahren sehr wenige Patienten - während drei Jahre eine relativ lange Zeit ist. Da kann man sicher keine repräsentative Statistik ableiten, v.a., wenn dieser Therapeut einer ist, der gerne auch sog. 'schwierige' Fälle behandelt.

Womöglich möchten viele 'durchschnittlich - zufriedene' Patienten diesen Fragebogen auch gar nicht ausfüllen, weil sie das Gefühl haben, nichts 'Spannendes' mitteilen zu können, während die Ewig-Verliebten sowie die Ewig-Nörgelnden gar nicht genug kriegen können von der Beschäftigung mit dem 'Objekt'. Ob der Rücklauf nun besonders hoch ist? Und was macht man dann mit der handvoll Fragebögen, in der sich die ganze Liebe und der ganze Hass einiger Menschenleben ausdrücken?

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stern
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:23

leberblümchen hat geschrieben:Hallo, Stern: Sicher, das wäre diskriminierend, aber wie wollte man das Problem lösen? Mal etwas drastisch formuliert: Wenn jemand mit einer antisozialen PS behauptet, der Therapeut sei ein Vollidiot - soll man das dann tatsächlich so stehenlassen? Wo wäre da die Grenze dessen, was man sinnvollerweise für die Qualitätssicherung nutzen könnte?
Dann könnte man noch fragebogengestütztes Qualitätssicherungssystem der Qualitätsicherung implementieren. Im Ernst: Fragebögen halte ich für ein sehr eingeschränktes Instrumentarium. Wenn man sich schon die Mühe macht, bleibt vermutlich nicht viel anderes als Antworten dann auch stehen zu lassen (die man als subjektive Antwort des Patienten oder Therapeuten versteht).

So sieht dann z.B. ein Fragebogen des Herrn Lambert aus: http://booksite.elsevier.com/9780123745 ... et_2.4.pdf

Würde ich mir nicht so viel versprechen... da erschienen mir selbst die Bögen in der Klinik differenzierter. Den anderen Bogen suche ich noch nebenbei.
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chaosfee
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:37

Ich wollte nur grad mal einwerfen, dass ich es sehr schön finde, dass in diesem Thread auch nach 7 Seiten noch einigermaßen sachlich und ohne größere Beleidigungsorgien diskutiert wird. Das sah ja schon oftmals bei diesem heiklen Thema ganz schnell ganz anders aus...
Und diskutieren heißt ja auch nicht, dass am Ende alle einer Meinung sein müssen.
Ich hoffe, das bleibt noch ein paar Seiten so!
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pandas
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:41

Antisoziale PS = darf/kann sich nicht über den Therapeuten äussern bzw. ist nicht ernstzunehmen ...
geht´s noch? DAFÜR sind Diagnosen nicht da, Diagnosen sind ohnehin dynamisch und keine Attributte.

Ausserdem käme es doch bei einer solchen Evalution auf die Begründungen an.
Schreibt jemand nur Sachen wie "Vollidiot" "A***" "sagt nicht, dass er mich liebt" etc. würde das nicht ernstgenommen, egal welche Diagnose drauf steht.
UND: Sollte es so sein, dass ein Therapeut jemand mit der Diagnose "Antisoziale PS" (gibt es die überhaupt noch? Meines Wissens wurde das Wort a(nti)sozial aus dem fachlichen Sprachgebrauch entfernt, da die Messlatte hier im Aussen liegt und nicht in der inneren Symptomatik des Patienten) in Therapie sein und schreibt dieser nach z.b. 100 Stunden lediglich "Vollidiot" in den Therapiebogen, würde sich auch hier die Frage nach der Qualität stellen: Unter welchen Therapieerfolgsziel hat der Therapeut den Menschen in Therapie genommen unter dieser von ihm gestellten Diagnose? Was hat er 100 Stunden lang gemacht, warum ist das Ergebnis, dass "Vollidiot" in der Eva steht? Hätte diese Therapie unter diesen Umständen von diesem Therapeuten 100 Stunden lang fortgeführt werden dürfen? Denn Therapie soll Ziele verfolgen; zeigt sich das diese nicht erreichbar sind, muss der Therapeut dies mit dem Patienten besprechen, und nicht bis zum "Vollidiot"-Ende abrechnen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


chaosfee
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:45

pandas, für SOLCHE Fragen ist nun aber wirklich der Gutachter da. Evaluationen sollten nicht dazu benutzt werden, um einzelne Therapieverläufe bzw. deren Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Dafür sind sie viel zu ungenau!
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sandrin
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Beitrag Di., 15.04.2014, 20:53

Die Sache ist doch aber klar die, dass du als Patient NULL Einfluss auf das Gutachten hast. Oder musstest du schon einmal eine Stellungnahme an den Gutachter schreiben? Ich nicht. Ich weiß nicht mal, was in dem Bericht stand. Und da liegt doch das Problem. Meines Erachtens müssten die Gutachten schon dem Patienten transparent gemacht werden. Theoretisch kann da ein Therapeut ALLES reinschreiben. Der Patient hat ja nicht den Hauch einer Chance zu protestieren, oder? Und so können sich schlechte Therapien ziehen und ziehen.


Aber ich wollte auch sagen, dass ich das schön finde, dass das nicht eskaliert. So soll es sein, tut gut!

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stern
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Beitrag Di., 15.04.2014, 21:04

Qualitätssicherung und Einflussnahme des Patienten auf ärztliche Diagnostik, Behandlungsplanung, Berichtswesen etc. sind aber unterschiedliche Stiefel...

Der Patient darf den Bericht einsehen...
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Broken Wing
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Beitrag Di., 15.04.2014, 21:08

Als ob das Wohlergehen des Therapeuten meine Sorge wäre. Wieso sollte es mich kümmern, was dem Therapeuten schadet oder nicht? Mir als Pat. würde es helfen.
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chaosfee
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Beitrag Di., 15.04.2014, 21:11

Wenn meine schlechte Therapie sich zieht und zieht, dann spreche ich entweder den Therapeuten an oder ich wechsle eben. Ich verstehe nicht, wo da ein Fragebogen Besserung bringen sollte. Der Knackpunkt dabei ist doch eher der, dass manche Patienten es nicht merken, dass ihre Therapien schlecht sind, und dann hilft nun mal auch ein Fragebogen nichts.
Mein Gutachten lesen würde ich schon auch gerne mal, klar, aber das grundsätzliche Recht habe ich seit letztem Jahr ja auch. Und solange es zur Verlängerung führt - kann mein Therapeut reinschreiben, was er will. Das liest ja keiner außer dem Gutachter. Kann aber verstehen, dass manche Angst vor dem haben, was da wohl drinnen steht.
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sandrin
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Beitrag Di., 15.04.2014, 21:16

Aber ich finde es nicht abwegig, dass auch der Patient bei einer Verlängerung zu einer Stellungnahme aufgefordert wird, dass er gefragt wird, was ihm gutgetan hat, weshalb er findet, dass die Therapie fortgesetzt werden soll. So stärkt man auch die Autonomie und Initiative der Patienten.

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