das Gefühl, getestet zu werden

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Luxbordie
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 10:08

Sirius hat geschrieben:Was mache ich denn da? Gehe ich trotzdem rein und setze mich ins Wartezimmer? Warte ich an der Wohnungstür bis er sein Telefonat beendet hat und mich an der Tür empfängt. Das ist etwas, was ich mich wirklich frage und keine Antwort darauf weiß... Generell würde ich wahrscheinlich an der Haustür warten, aber da er über ein Wartezimmer verfügt, dürfte ich doch eigentlich auch da rein gehen oder?
Da er einen Wartesaal hat würde ich dann dahin gehen. Bei meinem würde ich wahrscheinlich reingehen. Wenn die Tür zum Therapieraum offen stehen würde, würde ich mich auch langsam in die Richtung bewegen, ansonsten würde ich bei der Eingangstür von seiner Wohnung stehen bleiben und warten.
LG
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Sirius
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 10:13

Ja eigentlich schon oder, also ins Wartezimmer. Ist ja eine Praxis, keine Wohnung.
LG Sirius

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stern
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 10:43

titus2 hat geschrieben:Stern, Manipulation würde ich so definieren: A möchte, dass B etwas tut und bringt ihn mit 'dubiosen' Mitteln dazu, sich entsprechend zu verhalten. Ein Test aber bedeutet doch 'nur', dass A schauen möchte, wie B in einer Situation reagiert - B darf tun und lassen, was er will; A hätte nichts davon, dass B etwas Bestimmtes tut.
In meine Definition von Manipulation (grob: durch dem Betroffenenen nicht transparente Wege eine Motiv erreichen) passt es schon... bzw. Minimum halb (ist aber in der Tat definitionssache).

Was mich daran stört, ist eben das verdeckte Vorgehen. Alternativ könnte man ja auch den Patienten Fragen oder beobachten, wenn sich mal "automatisch" eine entsprechende Situation ergibt. Aber solche künstlich initiieren, hmmm.

Also das ist/wäre keine Beziehungsatmosphäre in der ich mich wohl fühle. Möglicherweise ebenso, wie für einen Therapeuten Tests eines Patienten auch nicht unbedingt "leicht" sind.

Was du eingangs geschrieben hast, könnte man vielleicht auch als Konfrontation sehen (die in meine Definition von manipulation insofern auch passen, wenn dem Patienten nicht transparent ist, dass der Therapeut gerade BEWUSST und GEZIELT konfrontiert ist (es gibt auch Konfrontationen, die vorher geplant und grob abgesprochen sind).

A könnte natürlich theoretisch auch B fragen: "Wenn ich jetzt die Tür offen lasse, würdest du dann das Zimmer betreten?" - aber dann würde B erstens erst recht überlegen, wie er sich wohl 'richtig' verhalten müsste. Und zweitens würde B dann vermutlich nicht authentisch sein.
Konnt halt auf den Patient an... wenn jemand beim Öffnen von Türen unsicher ist und überlegt, ob der Therapeut das beobachtet, gehen manche vielleicht auch bedachter vor.
A hingegen könnte ja ein berechtigtes Interesse daran haben, zu erfahren, was B in einer bestimmten Situation tut; vielleicht möchte er herausfinden, ob Grenzen eingehalten werden können, z.B.
Ich denke, in einer Therapie kann man das an so vielem ausmachen, dass es keine künstliche Tests benötigen würde.

Wie üblich bzw. verbreitet das ist, weiß ich nicht, aber geben wird es das wohl schon... ich glaube, ich würde meine Thera darauf ansprechen, wenn ich das so wahrnehme.

Also ich mich schon mal beobachtet fühlte (dabei auch zunehmend nervosität verspürte), meinte ich schlichtweg: Das wird nicht besser, wenn sie mich jetzt beobachten.

Ich bin keine Laborratte, die man künstlichen Bedingungen aussetzen muss, um sie zu analysieren.

Eindrücke ergeben sich vermutlich immer noch mehr als genug im "natürlichen" Therapie-Kontakt.
Liebe Grüße
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 10:52

Ob 'natürlich' oder 'nicht-natürlich' - es geht ja um die Beobachtung. Nach deiner Einschätzung dürfte es ja gar keine analytischen Therapien geben, denn da dreht sich sehr viel um das Unbewusste. Das wäre ja dann ethisch verwerflich, etwas an einem Menschen zu analysieren, ohne dass der Betroffene das mitbekommt. Aber wenn das so ist, bleibt man wieder beim Alltagsgespräch, mit dem man recht schnell an die Grenzen des Beobachtens stößt.

Ich sehe keinen Grund, einen Test deshalb abzulehnen, nur weil die Bedingungen nicht natürlich entstanden sind. Bzw.: Die Bedingung ist ja durchaus natürlich; sie wird nur diagnostisch genutzt. Der Patient muss ja ohnehin irgendwann das Zimmer betreten.

Wenn ich als Therapeut ein bestimmtes Ziel habe bzw. bestimmte Gefühle provozieren möchte, weil ich das für therapeut. wertvoll halte, dann bediene ich mich bestimmter Interventionen, auf die ich in anderen Situationen bei anderen Patienten in ähnlicher Ausgangslage womöglich nicht zurückgreifen würde. Das hat weniger was mit 'künstlich' zu tun, sondern das ist der Job eines Therapeuten. Ansonsten: Kaffeeklatsch.

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Dampfnudel
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:09

Hallo titus,

woran merkst Du denn eigentlich, dass Du in diesen Situationen getestet/provoziert wirst?

Oft machen Leute ja auch Sachen, ohne darüber nachzudenken. Ich habe zum Beispiel mal einige Jahre in einem therapeutischen Beruf (nicht Psychotherapie) gearbeitet, und ich kann mich erinnern, dass ich zwischen den Therapiestunden auch mal aus dem Raum gegangen bin und vergessen habe, die Tür zuzumachen, und wenn dann die nächste Patientin gekommen ist, dann hat sie entweder vor dem Raum oder im Raum gewartet, bis ich wiedergekommen bin, und ich habe dann vielleicht auch registriert, dass manche drinnen warten und manche draußen, aber das war es dann auch. Na gut, vielleicht habe ich mich auch mal geärgert, wenn noch Zeit war bis zur nächsten Stunde, die ich zur Vor- oder Nachbereitung gebraucht hätte (und zwar allein), und der- oder diejenige hatte es sich schon ungefragt im Raum bequem gemacht. Aber mit Testen oder Provozieren hatte das nichts zu tun.

Genauso haben Therapeuten vielleicht auch mal unterschiedliche Laune oder finden gerade eine bestimmte Reaktion angebracht, die sie in anderen Situationen nicht angebracht finden würden, so dass sie eben mal kühler und mal wärmer, mal strenger und mal "weicher" wirken.

Du hast ja sicher noch mehr Beispiele erlebt, aber bei diesen beiden zum Beispiel würde ich (mit den Informationen, die Du geschrieben hast) als Außenstehende nun nicht auf die Idee kommen, dass da ein Test oder eine Provokation stattfindet. Deshalb meine Frage, woran Du das merkst und woran Du merkst, dass er eine bestimmte "richtige" Reaktion von Dir erwartet. Ich meine, jeder erwartet ja irgendwie, dass sein Interaktionspartner sich ihm gegenüber angemessen verhält, aber trotzdem wirst ja auch Du nicht in allen Situationen das Gefühl haben, getestet zu werden, nur weil Du auch mal so reagieren könntest, wie es jemand anders als nicht richtig empfinden könnte.
titus2 hat geschrieben: In meinem Verwandtenkreis hatte mal jemand eine Psychologie-Studentin als Freundin. Als die Dame dann der Familie auf einer Feier vorgestellt wurde, verstummten alle - so meine Erinnerung -, bis sich meine Mutter traute, das auszusprechen, was wohl alle dachten: "Oh, eine Psychologin - da müssen wir ja jetzt aufpassen, was wir sagen" - auf einer Gartenfeier... Aber eigentlich hab ich auch nicht anders getickt.
Das kenne ich übrigens von meinem früheren Beruf auch Heute kann ich darüber schmunzeln, aber damals hat es mich genervt. Nicht, weil mir unterstellt worden wäre, dass ich qua Beruf aus fünf Worten die Seelenstruktur meiner Mitmenschen analysieren könnte, sondern weil ich als Mensch offensichtlich nicht mehr gesehen wurde, sondern nur mein Beruf. In den Therapiestunden habe ich natürlich Beobachtungen angestellt, weil ich ja auch so auf die Leute eingehen und ihnen Hilfestellungen geben wollte, wie es gerade passend war und wie sie es brauchten. Aber wenn ich Feierabend hatte, hatte ich Feierabend. Da muss man schon ein krasses Helfersyndrom haben oder massive Probleme beim Abschalten vom Beruf, wenn man in der Freizeit die Leute genauso betrachtet wie seine Patienten, glaube ich.

Viele Grüße
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:23

Hallo, Dampfnudel,
das mit dem 'Merken' ist so eine Sache: Ich glaube, da läuft vieles intuitiv. Ich habe dann auch so eine Fähigkeit, hinter die Fassade eines Menschen zu gucken (deshalb dachte ich früher immer, ich sei schizoid, weil man diesen Menschen nachsagt, diesen Röntgenblick zu haben). Ich nehme also selten eine Handlung oder eine Äußerung NUR als das, was sie zu sein scheint. Wobei das immer auf den Kontext ankommt: Wenn das Geäußerte mit meinem Gefühl übereinstimmt, dann ist ja alles in Ordnung. Oft aber habe ich - leider - ein ziemlich gutes Gespür dafür, ob jemand A sagt und B meint. Oder eben auch: ob jemand A meint, aber so tut, als würde er gar nichts meinen...

Irgendwer schrieb ja hier auch, dass auch Patienten manchmal testen; das merken die Therapeuten ja auch - oder: Sie sollten es tun... Man kann das dann vielleicht gar nicht beweisen, deshalb lässt es sich auch nicht überprüfen, natürlich.

Also, zunächst ist da einfach so ein Gefühl: "Hier läuft gerade etwas". Und dann 'analysiere' ich, was wohl gemeint sein könnte, und wenn ich eine schlüssige Erklärung finde, dann hab ich so was wie eine 'Arbeitshypothese'. Dann denke ich mir: "So könnte es sein und das könnte ich mal beobachten". Dann ist es oft so, dass ich Stunden oder Wochen später erst in der Lage bin, diesen Test als solchen richtig zuverlässig einzuordnen. Im Falle mit der Tür war das so, dass das über eine Phase von einigen Wochen immer mal vorkam - und dann nie wieder. Natürlich KÖNNTE das auch ein Zufall gewesen sein; aber das entspricht nicht meiner Intuition.

Zumal ich inzwischen auch so was wie ein Hintergrundwissen hatte, weil ich ja nun einiges gelesen hatte. Wenn ich jetzt nicht wüsste, dass das Kommen und Gehen des Patienten ebenso in die Diagnostik einfließt wie das gesprochene Wort in der Stunde, dann hätte ich den Gedanken: "Ah, das war ein Test" vielleicht gar nicht weiterverfolgt. Vielleicht hätte ich gar nichts geahnt...

Das ist übrigens ein Grund, aus dem ich unfähig bin, Small Talk zu machen (nicht nur in der Therapie, wo so was glücklicherweise ohnehin nicht ansteht): Ich möchte immer nur 'richtige' Botschaften verstehen und senden. So ein Satz wie: "Ach, das ist aber heute auch ein Wetter" ist für mich schwierig zu 'behandeln', denn wenn ich auf der Ebene bleibe, mich über den Regen zu ärgern, dann wäre das für mich so wenig wahrhaftig: Wieso sollte ich mit fremden Leuten im Fahrstuhl über das Wetter reden wollen? Aber ich kann natürlich nicht fragen: "Wieso sagen Sie mir das?"

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stern
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:27

Während mein Fussboden trocknet, noch ein paar Gedanken *g*
titus2 hat geschrieben:Ob 'natürlich' oder 'nicht-natürlich' - es geht ja um die Beobachtung.

Beobachtung lässt sich wohl nicht vermeiden... wobei ich eigentlich eine andere Formulierung vorziehen würde: Dass man (als Patient) in der Therapie wahrgenommen wird und wahrnimmt (auch den Therapeuten), gehört definitiv dazu.
Nach deiner Einschätzung dürfte es ja gar keine analytischen Therapien geben, denn da dreht sich sehr viel um das Unbewusste. Das wäre ja dann ethisch verwerflich, etwas an einem Menschen zu analysieren, ohne dass der Betroffene das mitbekommt.
Für mich wäre in der Tat ethisch verwerflich, wenn ein Therapeut besser als ich wissen wollte, was unbewusst in mir vorgeht. Denn da könnte man ja in der Tat alles mögliche einreden (was dem Patient unbewusst sein soll, was aber der Therapeut selbstverständlich qua Fähigkeiten jemanden in den Kopf zu schauen, angeblich weiß), das man (in einer weiteren Steigerungsform) auch für manipulative Zwecke nutzen könnte (also um eigene Motive durchzusetzen).

Wesentlicher finde ich, den Patienten zu unterstützen, dass diesem selbst transparenter wird, was in ihm vorgeht und wie dass Denken, Verhalten, etc. auf andere wirken kann (falls das jemanden nicht klar ist.. . da dürfte es unterschiede geben).

Natürlich wird der Therapeut Schlüsse ziehen... aber diese Schlüsse als das Unbewusste des Patienten zu deklarieren, wäre heikel.
Aber wenn das so ist, bleibt man wieder beim Alltagsgespräch, mit dem man recht schnell an die Grenzen des Beobachtens stößt.
Die Schlussfolgerung kapiere ich nicht... also ich glaube, man kann ihn einem Kontakt viel wahrnehmen. Wichtig ist: In erster Instanz ist es erstmal subjektive Wahrnehmung, wie man jemanden erlebt bzw. interpretiert, was noch nichts über den anderen aussagen muss. Aber man kann ja abgleichen, indem man darüber redet. Was auf jeden Fall zum Thera gehört, sind dessen Gefühle (die nicht mit dem Patienten zu tun haben müssen, bestenfalls als Auslöser). Problematisch ist aber, die eigene Wahrnehmung als jemands unterbewusstes verkaufen zu wollen. Also zumindest ich wollte das nicht...
Der Patient muss ja ohnehin irgendwann das Zimmer betreten.
Und wenn man nicht wegschaut, kann z.B. der Eindruck einer Unsicherheit entstehen, der auch aus Patientensicht zutreffend sein kann, aber auch nicht. Daran finde ich nichts verwerflich. Kritisch wäre aber eine Therapeutenaussagen: Sie sind unbewusst nervös... überspitzt gesagt. Wesentlicher finde ich, das der Patient selbst registrieren kann, was sich beim Betreten des Zimmer in ihm abspielt. Hyothesen dienen bestenfalls als etwas, woran der Patient sich abgleichen kann.
Wenn ich als Therapeut ein bestimmtes Ziel habe bzw. bestimmte Gefühle provozieren möchte, weil ich das für therapeut. wertvoll halte, dann bediene ich mich bestimmter Interventionen, auf die ich in anderen Situationen bei anderen Patienten in ähnlicher Ausgangslage womöglich nicht zurückgreifen würde.
Also wenn das für dich stimmig ist, dann ist das o.k. Aber darüber kann man vermutlich wirklich geteilter Meinung sein. Wenn ein Therapeut ein bestimmtes Ziel verfolgt, bei mir etwas zu bewirken, ohne das mir das transparent ist, so fällt das lupenrein in meine Definition von Manipulation. Und das fände ich nicht beziehungsförderlich.

Natürlich haben Konfrontationen auch das Ziel Gefühle zu provozieren... aber es macht für mich einen Unterschied, ob eine grds. Verständigung darüber stattgefunden hat oder jemand meint, bei mir bestimmte Gefühle auslösen zu müssen. Ich meine, das wäre keine Kunst. Da bräuchte man bei einem eifersüchtigen Patient vor dem Patient nur von Frau oder anderen Patienten zu schwärmen. Oder bei einem verlustängtlichen Patient droht man mal einen Therapieabbruch an. UND SO WEITER. Aber das kann viel kaputt machen.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 31.05.2013, 11:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Sirius
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:32

Liebe Titus,

du sprichst mir aus der Seele. Das hätten haargenau und 1:1 meine Worte sein können...
LG Sirius


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:39

Für mich wäre in der Tat ethisch verwerflich, wenn ein Therapeut besser als ich wissen wollte, was unbewusst in mir vorgeht.
Du weißt, was unbewusst in dir vorgeht?
Oder willst du es gar nicht wissen?

Ich schon. Deshalb ja die Therapieform.

Was die Angst betrifft, verlassen zu werden: Das ist ein schönes Beispiel, finde ich. Ich hab die Angst ganz extrem, und ich bin damit natürlich nicht alleine.

Man könnte auf verschiedene Arten damit umgehen: Man könnte dem Patienten die Angst nehmen, indem man sagt: "Ich verlasse dich nicht".

Man könnte versuchen, diese Angst wie die Glut eines Feuers am Leben zu erhalten, um sie eben NICHT zuzudecken und künstlich, von außen, wegzumachen.

Oder man könnte, natürlich, seinen Sadismus nach Herzenslust ausleben und den Patienten mit dieser Angst quälen.

Mir gefällt eigentlich nur die zweite Variante. Aber um diese Angst-Glut aufrechtzuerhalten, muss ggf. auch mal 'nachgeholfen' werden, was nicht heißt, dass künstlich Angst induziert werden soll. Aber dass es beide aushalten, wenn die Angst gerade da ist. Dass dann eben 'getestet' wird, anstatt dem Impuls nachzugeben, etwas zu tun, um die Angst zu vertreiben.

edit: Was aber natürlich nicht heißt, dass es in der Therapie nur darum geht, Angst auszuhalten. Es ist m.E. - jedenfalls empfinde ich das genauso - eine Gratwanderung: so, wie man das am Kamin auch macht: immer mal gucken, was man tun muss, damit das Feuer nicht ausgeht, dass aber auch nicht das ganze Haus abgefackelt wird.

Eine Möglichkeit, genau dies zu tun, die Angst anzuschauen, obwohl man sie leichter beseitigen könnte, scheint mir das Schweigen und das Couchsetting zu sein. Auch das sind ja künstliche Situationen, die geeignet sind, starke Gefühle hervorzurufen. Das ist wie ein 'Spiel', und indem ich mich auf eine Analyse einlasse, erkenne ich die Spielregeln an.
Zuletzt geändert von leberblümchen am Fr., 31.05.2013, 11:46, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:42

titus2 schrieb:
Ich habe dann auch so eine Fähigkeit, hinter die Fassade eines Menschen zu gucken
Ich glaube, das kann niemand... kann auch niemand. Gleichwohl haben manche Menschen eine bessere andere eine weniger gute intuitive Wahrnehmung.
Zitat:
Irgendwer schrieb ja hier auch, dass auch Patienten manchmal testen; das merken die Therapeuten ja auch - oder: Sie sollten es tun... Man kann das dann vielleicht gar nicht beweisen, deshalb lässt es sich auch nicht überprüfen, natürlich.
Tun sie auch nicht immer, sondern können dabei in Fettnäpfchen treten. Und doch, überprüfbar ist das schon... durch Abgleich. Und je mehr am abgleichen würde, ein umso realistischeres Bild erhält man, ob man wirklich hinter die Fassade eines anderen Menschen kann. Oder ob man sich nicht doch verschätzt. Setzt halt Transparenz der Beteiligten voraus, die in einer Therapie nicht immer gegeben ist.
Zitat:
Zumal ich inzwischen auch so was wie ein Hintergrundwissen hatte, weil ich ja nun einiges gelesen hatte. Wenn ich jetzt nicht wüsste, dass das Kommen und Gehen des Patienten ebenso in die Diagnostik einfließt wie das gesprochene Wort in der Stunde, dann hätte ich den Gedanken: "Ah, das war ein Test" vielleicht gar nicht weiterverfolgt. Vielleicht hätte ich gar nichts geahnt...
Na ja, wenn jemand konsequent mit Schweissausbrüchen über die Türschwelle stolpert, fällt das halt auf. Unsicherheit eines THeras merke ich vermutlich auch... nur interpretieren kann man sie nicht unbedingt.
Zitat:
Aber ich kann natürlich nicht fragen: "Wieso sagen Sie mir das?"
Natürlich könntest du zu verifizieren, ob dieser Mensch vielleicht einfach etwas smalltalk führen könnte (wie gesagt: Transparenz vorausgesetzt).
Zuletzt geändert von stern am Fr., 31.05.2013, 12:07, insgesamt 3-mal geändert.
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stern
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 11:45

titus2 hat geschrieben:Du weißt, was unbewusst in dir vorgeht?
Oder willst du es gar nicht wissen?
Das schrieb ich doch nicht... sondern vgl. oben, welchen Weg ich präferieren würde.
Was die Angst betrifft, verlassen zu werden: Das ist ein schönes Beispiel, finde ich. Ich hab die Angst ganz extrem, und ich bin damit natürlich nicht alleine.
Wenn jemand eine entsprechend Angst hat, wird dich sich irgendwann automatisch abzeichnen, was man dann aufgreifen kann... natürlich auf verschiedene Arten.
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 12:06

titus2 hat geschrieben:Ich habe dann auch so eine Fähigkeit, hinter die Fassade eines Menschen zu gucken
Noch ein Nachtrag: Das könnte man mMn, wenn man "eins" mit einem anderen Menschen wäre--- ist man aber nicht.

Es soll auch PT-Patienten geben, bei denen sozusagen diverse (Grenz-)Vermischungen auftreten können.

Auch würde ich unterscheiden, was wirklich (intuitiv) beobachtbar ist (darin sind manche Menschen in der Tat besser, andere weniger gut)... und was (eigene) Interpretation ist, die durch einges unbewusstes verzerrt sein kann (aber nicht muss)
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Draußen
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 12:47

Mich wundert, dass in diesem ganzen Thread noch nicht ein einziges Mal das Wort Paranoia aufgetaucht ist, obwohl das alles ist, was es dazu zu sagen lohnt.

aber ich bin ja
draußen

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sandrin
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 12:54

Ich glaub auch, dass da viel zu viel reininterpretiert wird.
Der Therapeut ist ja kein Guru, sondern ein stinknormaler Mensch. Selbst ein Analytiker ist das


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 31.05.2013, 12:54

aber ich bin ja
draußen
Eben. Und deswegen lohnt es sich auch nicht, auf deinen Beitrag zu antworten...

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