analytische Therapie im Alter 50+

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:24

Ich glaube, das stimmt nicht, kaja, kann es jetzt akut aber nicht belegen. Ich glaub, es sind wirklich die Klischees, weil man sich das halt so vorstellt. Gewalt gibt es auch in Zehlendorf - und es gibt ja auch 'stille Gewalt', wo man keine Hämatome sieht und die Kinder morgens mit Schleifchen im Haar und Vollkornbrot und Möhre in die Schule geschickt werden - und wo ansonsten Missachtung und Gleichgültigkeit oder Narzissmus regieren.

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montagne
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:27

Es gibt ja auch Kinderanalyse. Und manche AnalytikerInnen arbeiten auch mit Menschen, mit Intelligenzminderung bis hin zur geistigen Behinderung. Ich kenne solche AnalytikerInnen, zumindest 3. Und es sind sicher nicht die 3 einzigen, die auch mit solchen Menschen arbeiten.
Es gibt keine validen Voraussetzungen für eine Analyse, weder Alter, noch Lebenserfahrung, noch kognitives Vermögen beteffend.
Es ist nur der narzißtische Dünkel so manchen Analytikers und vor allem so manchen Analysanden, der den elitären Nimbus um Analyse aufrecht erhält.

Das Gegenteil ist der Fall. Gerade Menschen mit (noch) geringem kognitiven Vermögen übertragen und agieren wie verrückt. Damit muss ein Therapeut umgehen können. Das kann auch so mancher VTler, aber von der Methode her ist da PA tatsächlich erstmal besser geeignet. Wobei es wie gesagt auf den Therapeuten ankommt.

Analyse, kann da lohnt sich der Blick in die Empirie, genau wirksam sein, wie VT, TP und humanistische Verfahren. Aber sie ist auch nicht wirksamer als diese.
amor fati

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hopelife
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:30

ich glaube in Zehlendorf fehlt es den Kids oft an anderen Stellen. Diese Eltern haben ja Geld für Kinderbetreuung, Bildung, Unterricht.
Ich habe viel in solchen Familie gearbeitet, mehrfach haben die mich als Mutter gesehen und nicht ihre eigenen Eltern, aber zumindestens hatten sie einen Ersatz.
Im plattenbau gibt es die Arche. Glücklicherweise! !
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:32

Naja, stern, ich weiß ja nicht, wo du verkehrst, aber nein: Nicht wirklich die meisten Deutschen können sich in ihrer Muttersprache so ausdrücken, dass ein produktives Gespräch entsteht UND dass die eigenen Gefühle dabei beleuchtet werden. Therapie und Migration ist sicher ein weiteres spannendes Thema, aber wie gesagt: Viele Menschen können sich in ihrer Muttersprache nicht so artikulieren, wie es manchmal nötig wäre.

Und Selbstreflexion und Intellektualisierung sind auch zwei Paar Schuhe. Es gibt ja nicht nur die mathematisch-kognitive Intelligenz, sondern auch die sprachliche, emotionale und soziale. Damit hat Psychotherapie schon sehr viel zu tun.

Montagne, ich glaub, es hat nichts mit 'Dünkel' zu tun, sondern mit der fehlenden Ausbildung. Es kann ja nicht jeder mal einfach so Kinderanalysen machen oder mit Menschen analytisch arbeiten, die sich nicht gut ausdrücken können. Es geht bei der Analyse auch nicht ausschließlich um Übertragung, sondern über das Verhältnis zwischen Reflexion und Übertragung. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn häufiger Analysen mit Leuten außerhalb der 'klassischen' Zielgruppe durchgeführt werden - früher gehörten ja noch nicht mal die Borderliner usw. dazu. Aber das ist nichts, was ein Therapeut so 'aus dem Bauch heraus' anbieten kann, wenn er es nicht gelernt hat.

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kaja
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:35

Streitet doch niemand ab das es auch diese Formen von Gewalt gibt und wiederspricht auch der Resilienzforschung nicht.
Trotzdem wird ein Zehelndorfer Kind sich (im Verhältnis) kaum über fehlende Nahrung,Strom,Kleidung etc. Sorgen machen müssen.
Meine Mitstudenten kamen zum größten Teil aus finanziell gut gesicherten Verhältnissen und es war deutlich wie lebensfern sie waren, was ihre eigene kleine Welt zwischen Pferd, Balettunterricht, Auslandsaufenthalten und Urlauben betroffen hat (nein leider keine Übertreibung). Deren Vorstellungen unterschieden sich fundamental von der Lebenswirklichkeit der meisten Deutschen im Land.

Die haben die Zeit sich mit ihren Neurosen zu beschäftigen, weil finanzielle Mittel da sind und sie nicht mit täglichem Existenzkampf beschäftigt sind.

Und das wir hier mit Analytikern, Therapeuten, Kinder und Jugendtherapeuten zugepflastert sind, wie man sie in der Menge in Neukölln nie finden würde ist offensichtlich.
Alleine auf den 350m zum Supermarkt habe ich 6!
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hopelife
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:36

Hallo montage
das ist mir auch eingefallen mit der Analyse in der Kinder und Jugendzeit, hab zwei Frauen kennengelernt, die noch Zuhause lebten innerhalb der Analyse damals.
Eine ist innerhalb der Analyse an Magersucht erkrankt, die andere hat eine Psychose bekommen. Ich find das in dem Alter bedenklich und auch gefährlich, beruht natürlich auf den oben genannten Erfahrungen.
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:40

Das stimmt ja auch, kaja, ich hab logischerweise genauso viele Analytiker bei mir um die Ecke, und ich finde das auch nicht gut, zumal ich nicht annehme, dass die alle überlastet sind. Trotzdem nützt es dem Analytiker xy vielleicht nichts, wenn er sich im Wedding niederlässt und auf die Patienten warten muss, die nicht kommen, weil sie denken: "Ich leg mich doch nicht auf die Couch!" (gerade Männer betrifft das).

Nur ist doch klar - oder nicht? -, dass viele Störungen entstehen, obwohl nach außen alles gut ausschaut. Den Leuten geht es m.E. nicht unbedingt besser; man sieht ihnen ihr Leid nur nicht so an!

hope, stimmt, das hab ich auch gehört von einer Kinderpsychiaterin: dass sie niemals Analysen mit Kindern empfehlen würde, weil da vieles noch im 'Umbau' ist und keine stabile Persönlichkeit vorhanden ist, um zu 'buddeln'. Wie das von Borderlinern ja auch beschrieben wird: Sie regredieren sehr leicht, können dann aber nicht zurück. Daher: Natürlich gibt es Voraussetzungen, aber es gibt natürlich auch Therapeuten, die modifizieren.
Zuletzt geändert von leberblümchen am Do., 08.08.2013, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:42

titus2 hat geschrieben:Naja, stern, ich weiß ja nicht, wo du verkehrst, aber nein: Nicht wirklich die meisten Deutschen können sich in ihrer Muttersprache so ausdrücken, dass ein produktives Gespräch entsteht UND dass die eigenen Gefühle dabei beleuchtet werden.
Da frage ich mich eher, wo du verkehrst, wenn du bei über 50% der deutschen ("die meisten") die Fähigkeit des sprachlichen Ausdrucks (nur auf den hattest du dich bezogen) für unzureichend siehst.

In einer Therapie geht es nicht um Eloquenz.

Fähigkeiten zum Beleuchten der eigenen Gefühle hat eher mit anderen Fähigkeiten zu tun als mit denen des sprachlichen Ausdrucks.
Und Selbstreflexion und Intellektualisierung sind auch zwei Paar Schuhe.
GENAU DARUM GING ES MIR: Selbstreflexion hat nur bedingt mit Verstand/kongitive Intelligenz, etc. zu tun.

Der Grad der Selbstreflexiven Fähigkeiten korreliert eher mit dem Grad der Störung als mit dem Akademikerstatus.
Zuletzt geändert von stern am Do., 08.08.2013, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.
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kaja
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:43

Das sagte ich auch nicht. Ich habe lediglich auf die Resilinzforschung verwiesen die dort belegbare Zusammenhänge sieht. Das es auch das arme reiche Kind gibt ist klar.
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Tristezza
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:44

kaja hat geschrieben: Trotzdem wird ein Zehelndorfer Kind sich (im Verhältnis) kaum über fehlende Nahrung,Strom,Kleidung etc. Sorgen machen müssen. ... Die haben die Zeit sich mit ihren Neurosen zu beschäftigen, weil finanzielle Mittel da sind und sie nicht mit täglichem Existenzkampf beschäftigt sind.
Was bedeutet denn "täglicher Existenzkampf"? Klingt fast so, als würden die Kinder bei uns heutzutage noch ins Kohlebergwerk oder in die Fabrik geschickt. Ich glaube, die sitzen eher vor dem PC oder dem TV.


leberblümchen
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:47

stern, du bringst da was durcheinander: Niemand sprach von 'Eloquenz'. Aber ich meine mit der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit eindeutig etwas anderes als die Frage, ob jemand halbwegs fehlerfrei nach dem Weg zum nächsten McDoof fragen kann.

Jemand könnte z.B. auch in einer Fremdsprache eine Analyse durchführen und dabei grammatikalische Fehler machen und trotzdem mit seiner Sprache in die Tiefe gehen - während es Menschen gibt, die viel reden und nichts sagen, weil sich das Sprechen auf bloße Worthülsen beschränkt, die zwar grammatikalisch einigermaßen korrekt sind, aber mehr eben auch nicht.
Zuletzt geändert von leberblümchen am Do., 08.08.2013, 10:53, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:51

titus2 hat geschrieben:stern, du bringst da was durcheinander: Niemand sprach von 'Eloquenz'. Aber ich meine mit der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit eindeutig etwas anderes als die Frage, ob jemand halbwegs fehlerfrei nach dem Weg zum nächsten McDoof fragen kann.
Was meinst du vielmehr konkret mit sprachlichem Ausdruck, der bei Akademikern eher gegeben sein soll und mit Reflexionsfähigkeit?
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Pinguin Pit
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:52

Hallo Leute,
wow, hier ist ja was los.
Bin auf Arbeit und wollte mal "schnell schauen" ziwschendurch, kann das alles erst heute Abend nachlesen und melde mich dann.
Aber vielen Dank schon mal für die zahlreichen Beiträge.

Grüßle, Pingu


kaja
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:52

@Tristezza
z.B. die Kinder die in Armut aufwachsen müssen. In der Stadt in der ich wohne gibt es unzählige Familien ohne Strom, die von der Tafel leben müssen, deren Eltern sich wegen der Perspektivlosigkeit aufgeben, vermüllen, Suchtkrank sind usw.
Existenzkampf in Deutschland heisst nicht das an jeder Ecke Obdachlose oder Verhungerte liegen, das spielt sich im verborgenen ab. Wenn die Kinder ohne Frühstück in die Schule gehen um das Geld zu sparen oder in der letzten Woche nur Nudeln und Toastbrot gegessen werden.
Ich habe hier mal eine Freundin in einer sozialen Einrichtung unterstützt, da wurde u.a. anderen Kindern das Schulbrot geklaut weil es kein eigenes gab.
Natürlich leben sie mit der Belastung durch Armut, leiden darunter und kämpfen sich durch die Folgen. Es sind Grundbedürfnisse Nahrung,Wohnung,Versorgung durch die Eltern) die zum Teil nicht gestillt werden können und damit existenzielle.
Zuletzt geändert von kaja am Do., 08.08.2013, 10:56, insgesamt 2-mal geändert.
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stern
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Beitrag Do., 08.08.2013, 10:53

Persönlich tendiere ich dazu: Je geringer die Fähigkeiten zur Verbaliserung (möglichw. ist das gemeint) und Reflexionsfähigkeit (was aber weniger mit dem Akademikerstatus als mehr mit dem Störungsgrad korreliert), desto weniger arbeit man evtl. klassisch-aufdeckend, sondern erstmal stützend bzw. (diese Fähigkeiten) aufbauend.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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