Den Kopf frei machen.

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
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sofa-held
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Beitrag Di., 13.12.2011, 09:14

Arta hat geschrieben:wie man mit (verbaler) Aggression umgeht, also schlagfertig kontert.
das finde ich gut, ich hab mich nämlich durch eine aggressive Beraterin 2008 wieder in einen Job hineintheatern lassen. Dass dies möglich war, war auch mein Fehler, weil ich mit deren Aggression nicht umgehen konnte und lieber irgendeinen Job annahm. Damals stand seitens der Ärzte aber die IP im Raum, jetzt weniger, ich bin viel zu erholt, aber das gleiche Problem, nach drei, vier Stunden egal was, und wenn ´s nur einkaufen und Behöredenkram ist, bin ich fix und foxi und muss mich niederlegen.
Arta hat geschrieben:Das allerschlimmste wäre, dass sie mich sperren. Und damit kann ich aktuell gut umgehen. Das ist KEINE Gefahr für mich... zumindest eine deutlich geringere, als ein depperter Job, Chef, Kollege...
ganz genau, so sehe ich das auch... alles ist besser, als sich in angreifbarer Schwäche einem Chef oder deppernden Kollgen zu stellen....

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Proserpina
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Beitrag Di., 13.12.2011, 12:57

Oh Mann, Arta, lass Dich mal > Das klingt nach einem Perpetuum Mobile des Grauens. ....bestätigt aber eine These von mir, die ich hier, öffentlich, jedoch nicht ausführen mag, weil sich sonst womöglich wieder irgendwer bemüßigt sehen könnte, das Ganze anzufechten und Deinen Thread zu sprengen. Ich sende Dir nachher mal eine PN.

Ganz lieben Gruß
Pro

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Rezna
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Beitrag Di., 13.12.2011, 18:03

sofa-held hat geschrieben: ich hab mich nämlich durch eine aggressive Beraterin 2008 wieder in einen Job hineintheatern lassen
Das ist eine Befürchtung die ich habe. Nicht, dass ich es grundsätzlich als Katastrophe ansehen würde, wieder einen Job zu machen. Aber die Frage ist doch das WIE. Wie weit darf ICH entscheiden, welcher Job es wird. Natürlich, möchte man schreien, liegt das GANz in meiner Hand. Aber das stimmt nicht. Nicht aus Sicht des AMS. Einen Job den man bekommen könte ablehnen, weil man das Arbeitsklima nicht abkann, der Weg zu umständlich ist oder das Gehalt nicht passt oder man sich gar mit der Firmenphilosophie nicht identifizieren kann - undenkbar. Strafmaßnahme: Sperrung. Denn man "will" nicht. Dieses wollen wird dann unsiversal benutzt. Dabei will man nur bestimmte Umstände nicht, und in einem Land das sich brüstet damit, dass ihre Bevölkerung "frei" sei, muss es dem Einzelnen auch gestattet sein, aufgrund eines unpassenden Aspektes eine freie Entscheidung zu treffen. Das nutzt ja im Endeffekt auch wieder dem System. Wenn ich die Arbeit annehmen MUSS, auch wenn das Klima nicht passt, dann kann ich schneller in der Invalidität landen als man schauen kann. Zwar bin ich erst mal drei Monate vom Markt, dann aber ist der Schaden größer, als hätte man mir erlaubt, mich dagegen zu entscheiden. Insofern bleibt einem die Lüge, oder meinetwegen die Manipulation. Man bewirbt sich so, dass man uninteressant für diesen Betrieb ist, und wirft sich nur für das wo man sich das Arbeiten auch vorstellen kann, ins Zeug. Wenn man psychisch erkrankt ist, ein leichtes Spiel. Ich wette, wenn man auf die Frage, warum man nun zwei Jahre keiner Arbeit nach gegangen ist frank und frei sagt, man hätte unter Burnout gelitten, Depressionen und weiters eine Sucht versucht in den Griff zu bekommen - was ja absolut ehrlich, keineswegs gelogen ist, wars das. Und das ist ja interessant an der Sache: Wenn man die Wahrheit sagt, wird man abgelehnt, wenn man lügt, und etwa sagt, man habe sich umorientiert und privat weitere Kompetenzen angeeignet, sich geschult... Projekte erfindet... wird man eher genommen. Keiner spielt mehr mit offenen Karten, Manipulation ist fast ein Zwang.

Und genau das gilt es auch für mich zu erkennen. Ich bin ja leider so ein superehrlicher Mensch der eben deswegen so schnell in der Bredoulle steckt. Ich kann schwer Ausreden erfinden, so tun als ob... zumindest nicht mit Absicht, sondern maximal aus meinen Neurosen heraus. (Also so tun als ob es mir gut ginge). Ich kann interessanterweise, selbst wenn es mir wirklich schlecht geht, nicht "so tun als ginge es mir schlecht", kanns nicht mal direkt zeigen. Aber gut. Ich muss für mich erkennen, dass ICH das Heft meines Lebens in der Hand halte, und nötigenfalls eben das System so verbiege, manipuliere, belüge wie es eben notwendig ist. Meine Philosophie ist zwar nicht "andere machen es auch", andererseits nutzt mir diese Philosophie nichts, wenn ich dabei sterbe.

Und ich denke, das hat sogar auch direkt mit diesem "Kopf frei" Phänomen zu tun. Denn wie ich ja beobachtet habe, ist es Selbsthass der mich so verstopft, und dieser wiederum die Kompensation von Hilfosigkeit. Dem Gefühl, der "Welt" ausgeliefert zu sein, kann ich wiederum nur entgegnen, wenn ich selber sie so ausnutze, wie ich sie brauche. Dann benötige ich den Selbsthass nicht als künstlichen Kontrollmechanismus, denn ich kann Kontrollieren, wie und was im Aussen passieren darf - und mich wehren, wenns nicht passt.

Und ja. Ich möchte mir ja meine Zeit weg von der Anstellung nehmen, um kreativ zu sein, meine Kunst auszuüben. Solange ich aber Angst habe, dass das Sytsem nach mir greift, ich diesem ausgeliefert bin, renne ich um mein Leben. Und setze mich unter Druck, was Kreativität betrifft, weil ich das ja dann in einer bestimmten Zeit absolvieren muss, oder beweisen muss, dass ich was "schaffe" und damit ein Schild gegen den Arm des System schaffe. Wenn ich aber das Schild schon weiter vorne auf stelle, nicht die Kreativität sondern eben Soveränität voran stelle, hinter der, und mit der ich dann mein Ding durchziehen kann, müsste, so denke ich, der Kopf freier sein. Weil ich mir dann auch erlauben darf, mir für die Kreativität Zeit zu lassen, ohne unter Druck zu stehen, dass das dann auch der Beweis meiner Aktivität/Leistung durch Vermarktung sein muss. Zeit, hinter dem Schild in Ruhe zu agieren...
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Proserpina
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Beitrag Di., 13.12.2011, 18:33

Ich möchte an dieser Stelle nochmal kurz einhaken, Arta. Ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass der Hauptteil Deiner Angst/Hilflosigkeit/Hass-Konglomeratsproblematik auf aktuelle Umstände zurückzuführen ist. Diese mögen ein Faktor sein, der Dir einen Trigger liefert, immer wieder neu und mitunter sehr heftig. Aber das, was da getriggert wird, das ist sehr viel älter, möchte ich wetten. (PN kommt später, ich bin hier aktuell immer auf dem Sprung.)

Ich denke, eine Schlüsselaussage dürfte in diesem Kontext das Folgende für Dich sein. (Und etwas sagt): "Ich durfte nie ich selbst sein - dabei wäre ich es doch so gerne. Und so lange ich das nicht darf, werde ich auch blockieren, an allen Ecken und Enden."

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Rezna
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Beitrag Di., 13.12.2011, 18:44

Stimmt.

Die aktuellen Umstände sind ja auch nur die Konsequenz, und eines von Vielen. Die maßgeblichen Probleme blieben über jede Lebensumstände erhalten. Aber sicher, es triggert. Aktuell das AMS wie früher ein Kunde oder Chef. Sie zünden den Motor des Selbsthasses an... das Benzin gieße ich abder dennoch selber ständig über meinen Schädel.

Dieser Aspekt "Ich durfte nie ich selbst sein." kam in einer Gruppentherapiesitzung auf Reha zum Vorschein. Die Thera erklärte die vier Säulen der Existenz als die vier Tischbeine. Sie malte das auf, und erklärte. Ich saß da und versank ins Bodenlose. Hinterher sagte ich: ich existiere offenbar nicht. Denn drei der Säulen fehlten faktisch völlig. Es existierte quasi nur das "sollte". Der rest war "Inadäquat" und nie Teil meines Lebens.

Insofern bist du da tatsächlich auf einer heissen Spur (und ich ja natürlich auch). Allerdings sind diese Botschaften, oder Fakten oder wie man sie nennen soll, sehr verhaftet, zum Teil ja sogar noch mit meiner Existenz im Mutterleib und für mich bisher mit der Ratio nicht auflösbar.
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Proserpina
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Beitrag Di., 13.12.2011, 18:59

Vielleicht, Arta, ist das Folgende für Dich ein kleiner Trost: Ich teile meine Genesung in mehrere Phasen ein. Die letzte Phase vor dem Durchbruch empfand ich als die Schwierigste von allen. Es war die Phase, in der ich intellektuell glasklar erkennen konnte, in welchen ewig gleichen, destruktiven Bahnen und Mechanismen ich verhaftet war. Ich sah mir selbst dabei zu, wie ich all dies, was ich rational schon längst durchschaute, so doch immer wieder wiederholte, in Ermangelung einer Alternative.

Ich sah zu, hatte das Gefühl, mich selbst auf einem inneren Seziertisch zu zerlegen, wie ein Profiler, der einen Innenweltkiller jagt. Ich setzte Schnitt um Schnitt in akribischer Perfektion, nur um am Ende wieder einen Mord auf der Liste abstreichen zu müssen, in dem Wissen, den Killer zwar immer besser zu verstehen, ihn aber dennoch nicht dingfest machen zu können. Es war zum Verzweifeln und ich hasste mich teilweise auch für meine Unfähigkeit.

Aber mit jedem Schnitt, mit jedem neuen Mord, mit jedem vermeintlich vergeblichen Versuch, verlängerten sich die Abstände der Morde und in der Zwischenzeit gelang es mir, mich immer besser zu fangen. Bis ich irgendwann dem Killer genau gegenüber stand und merkte, er ist nur ein alter Freund. Zeitgleich wurde mir gewahr, dass ich in der Zwischenzeit vieles gelernt hatte und als ich endlich in Kommunikation kam, wirklich an den Kern herankam, da konnte ich das Gelernte auf einmal in wundersamer Weise anwenden und der Killer, der gar keiner war, zeigte mir den Weg, was mir gut tut und was ich brauche.

Wer oder was der Killer für Dich ist, Arta, das kannst nur Du herausfinden. Aber das wirst Du irgendwann und ich denke, Du bist verdammt kurz davor. Und jetzt noch: Mach mal langsam mit den jungen Pferden. Selbst das hilft oftmals unglaublich viel weiter. Du bist kein Superheld, weißt Du. Und das musst Du auch nicht sein, um liebenswert zu sein. Das bist Du nämlich jetzt schon.

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ENA
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Beitrag Di., 13.12.2011, 19:33

Proserpina hat geschrieben:und als ich endlich in Kommunikation kam, wirklich an den Kern herankam, da konnte ich das Gelernte auf einmal in wundersamer Weise anwenden und der Killer, der gar keiner war, zeigte mir den Weg, was mir gut tut und was ich brauche.
Was war denn Dein Killer bzw. was könnte einer sein? Und was bedeutet das "endlich in Kommunikation zu kommen" und wie und wodurch ging das Gelernte auf einmal wie von selbst, konntest Du es endlich anwenden?

Liebe, neugiere Grüße, von Ena, die auch ganz viel versucht, eigentlich weiß, was sie braucht, aber irgendwie noch nicht dahin kommt... .


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Beitrag Di., 13.12.2011, 19:46

Hallo ENA,
der Killer in meinem Fall war eine Erkenntnis, bzw. das innere Kind und die kontextbasierte Erkenntnis, dass ich im Inneren noch immer dieses Kind war, so gerne ich mir auch einredete, ach so erwachsen zu sein (was ja auch ein Teil der Wahrheit ist, aber einer, den ich erst als Teil entlarven musste, von etwas, das in seiner Gesamtheit noch wesentlich mehr umfasst, u. a. eben auch das Kind). Ich habe einige längere Texte dazu verfasst, die ich in Teilen schon in meinem Tagebuch gepostet habe. Eventuell stelle ich sie dort einmal zur Gänze ein. Ich konnte endlich mit diesem Kind (und seinen Erinnerungen) in Kommunikation kommen, das da in mir saß in paralytischen Ängsten gefangen und sich dem Leben verweigernd. Geschützt von uralten Abwehrmechanismen, die das erwachsene, rationale Ich zwar bereits durchschaut hatte, deren Funktion ich jedoch nicht hatte aufheben können, so lange das Kind sich gefährdet sah. Erst als ich genügend (Selbst)Vertrauen fand, konnte das Kind die Schotten senken und ich konnte endlich das Gelernte, nämlich für es (und damit mich in meiner Gesamtheit) zu sorgen, anwenden. Das hob sämtliche Blockaden auf. Und ich bin z. Z. in dem Stadium, dass die letzten Reste der alten Schutzmechanismen im Gehen begriffen sind. Dafür entstehen jetzt ganz neue, die eines erwachsenen Menschen, mit dem Kind an der Hand.

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ENA
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Beitrag Di., 13.12.2011, 20:02

Danke, Pro.
Ich meld mich in den nächsten Tagen nochmal dazu, ja? Es gibt da noch etwas, was ich fragen mag, bin aber jetzt zu müde dafür (Thema geht nicht mehr rein grade).
Liebe Grüße, Ena!

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sofa-held
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Beitrag Di., 13.12.2011, 21:38

Arta hat geschrieben: Ich wette, wenn man auf die Frage, warum man nun zwei Jahre keiner Arbeit nach gegangen ist frank und frei sagt, man hätte unter Burnout gelitten, Depressionen und weiters eine Sucht versucht in den Griff zu bekommen - was ja absolut ehrlich, keineswegs gelogen ist, wars das.
Yes, dann hat man wirklich ein Problem. Die vom Amt legen solche Geschichten sowieso als Ausflüchte aus, die nur untermauern sollen, dass man nicht arbeiten wolle. Das macht überhaupt keinen Sinn, den Fehler hatte ich damals gemacht, ca. 8 Monate Krankenstand und dann noch vor "Service"-Betreuerin erwähnt, dass ich noch unter den Folgen des Burnouts leiden. Deswegen musste ich öfter und jedes mal um 8 in der Früh antanzen, um mit den anderen Schwerkriminellen auf der Straße warten zu müssen.

Ich habe gelernt. Ich sage nichts von Burnout, Entzug, Therapien, sondern ich mach meine "Bewerbungen" und jammere denen vor, wie gerne ich doch wieder arbeiten würde. ich würde alles machen. Wär das Hollywood - ich hätt einen Oskar. Damit krieg ich maximal lange Zeitspannen zwischen den Terminen und angenehme Zeiten.

Außerdem sehe ich das, was das AMS noch nicht sieht. Ich bin Kunde!
Ich hab ewig lang ewig viel gezahlt. Und jetzt wo ich Unterstützung brauche, nehme ich mir diese auch, ganz ohne schlechtes Gewissen. Sie haben ja alles dran gesetzt hier und in Germany das Amt umzubenennen, Arbeitsmarkt Service und Bundesagentur. Aber jedes mal druckt sie das sechsseitige Konvolut der "Rechtsbelehrung" neu aus. So fühlt man sich wohl in der Arbeits-Boutique. Allein für die Druckerei im AMS müssen ganze Wälder sterben und Kinder in China Millionen von Drucker-Patronen zusammenbauen.

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Rezna
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 00:22

Also die Beschreibung mit dem Profiler war klasse! Es trifft auch das wie es mir geht. Ich habe so vieles schon behirnt. So vieles reflektiert. Aber es fehlt dieser eine verdammte Punkt, oder Faden, Spur, wie auch immer man es nennen mag. Erinnert mich an meine Schulzeit in Rechnungswesen. Unsere Lehrerin meinte, die Buchungssätze müsse man auswendig lernen, da gäbe es keine gesetzmäßigkeit, oder Logik dahinter. Und damit kam ich absolut nicht klar. Ich dachte, da muss es was geben, das begründet sich ja alles auf etwas das sich entwickelt hat... offenbar hatte sie selber es nicht begriffen. Fünf Jahre saß ich im Unterricht, hörte alles mit, aber konnte es nicht verknüpfen, nicht anwenden, da es mir zu wenig war, einfach die Schritte auswendig runterzuschreiben. Kurz vor der Matura setzte ich mich mit einer Bekannten zusammen, die in diesem Bereich bewandert war. Sie erklärte mir in wenigen Worten das Prinzip, und auf einmal ergab alles was ich in fünf Jahren gehört hatte einen Sinn. Ich musste gar nicht mehr "lernen" in dem Sinne, es war logisch - und die Matura in dem Fach in Klacks (nach fünf Jahren Fünfer-Kandidat).

Ähnlich ist das mit dieser Psyche. Schon vor der Therapie war ich sehr reflektiert, durch die Therapie und ständiger Eigenrecherche (lese ja auch immer wieder Bücher dazu) kamen Erkenntnisse um Erkenntnisse. Und ich merke eben bei all dem: Ich bin so nah dran, oft nur ein Haar breit... aber nie ganz. Und ich weiß, in dem Moment, wo mir "dieser Punkt" klar wird, ergibt alles einen Sinn, hat all die Erkenntnis, all das Erlernte... die Chance auf Anwendung.

Die Sache mit dem Kind in mir war auch so eine, auf dem Weg. Vor allem wo ich nun meine Nichten und Neffen erlebe, da spüre ich es ganz tief. Ich sehe sie an, sage mir: in diesem Alter war ich, als dies oder jenes passierte... wie grausam... was wenn es ihnen passieren würde... und in dem Moment gelingt mir auch, mich selber... anzunehmen, das Kind in mir zu beschützen. Ja, auch Ärger zu empfinden, weil es nicht fair war, nicht okay, wie es war. Absolut nicht, und ich hätte besseres verdient. Das so sagen zu können, so fühlen zu können, tut gut. Mich nicht mit falscher Scham und vorgeschobenem Märtyrertzm bedecken, von wegen, dass andere es schimmer hätten, ich es ja überlebt habe, es nicht so schlimm sei und all der idiotische Kram. Sicher passiert jedem ungerechtes, unfaires. Aber genau deswegen ist es auch ungerecht und unfair, gemein, eine Tragödie... eben WEIL es nicht richtig ist, WEIL etwas ANDERES ok wäre. Und sich darüber ärgern, darüber wütend sein, und für sich einzufordern, im Gefühl: Nein, was passierte habe ich NICHT verdient, ich habe definitiv BESSERES verdient, wie wohl jedes Kind der Erde... das darf sein. Und es tut gut.

Aktuell stelle ich mich dem AMS, um das herum auch all diese Urängste wüten. Und in diesem Sturm innezuhalten und zu wissen, mir zu sagen, ihm, dem Kind, mir, wird nichts geschehen, denn ich beschütze es, mich, sorge dafür, für mich... ist ein wesentlicher Schritt Richtung Heilung.

Ich denke, das Wissen, rational, ist schon lange da, die Anwendung ist noch ungeübt, oft vergesse ich es, weil Hass schneller da ist, ursächlicher, und dei Emotion schneller, reflexartiger wütet, als ich mich darauf besinnen kann, was ich weiß. Da vergesse ich es oft, manchmal erinnere ich mich, die Emotionen sind aber schon zu eigenmächtig... oder ich habe viel Arbeit, ständig das Chaos wegzuschaufeln, um Platz, Raum für die Erkenntnisse zu machen. Aktuell ist es genau so. In mir brodelt die Angst, die Panik wie ich sie immer vor solchen Terminen habe, und ich schaufele sie beständig weg, lege die Erkenntnisse frei, mein Wissen. Ich denke, vieles davon ist Training. Mit jedem Termin den ich schaffe, zu parieren, und nicht in Selbsthass zu flüchten. Montags lief es schon mal ganz ok. Morgen werden wir sehen. Kann ich mich selber stehen, ohne mich zu bekämpfen, zu blockieren?

In meiner AMS Akte ist durchaus vermerkt, dass ich Burnout/Depressionen habe/hatte. Das könnte morgen ein Thema werden. Wir werden sehen wie ich das meistere.
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Proserpina
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 12:30

Arta,
ich möchte Dir etwas über Gnade erzählen. Sie ist ja eigentlich etwas, das man damit verbindet, sie anderen Menschen entgegenzubringen. Seltener, wenn nicht gar nie, kommt man auf die Idee, dass man selbst sie auch gebrauchen könnte, besonders von sich selbst. Es gab etwas auf meinem Weg, ich nenne es den "point of no return", da hat es mich dermaßen von den Füßen geholt, dass ich innerhalb von Minuten eine ganze Lektion lernte und sich ein ganzes Buch in meinem Hinterhirn schrieb und erklärte. Es war dieser Moment, von dem ich Dir schon in der PN erzähle, der, als mich zum ersten Mal der Schmerz dieses Kindes in mir traf und zwar bewusst und mit voller Wucht.

In dem Augenblick wurden mir zwei Dinge überdeutlich klar, nämlich zum Ersten, dass alles Herunterspielen nur mein Leiden verlängert hatte und zweitens, dass all meine Reaktionen, all mein nicht Funktionieren, im Grunde harmlos gewesen waren, im Angesicht von dem, was ich da jetzt erstmals völlig unmaskiert (von anderen Emotionen) in mir spürte. Ich bekam kaum noch Luft, war tränennass, fix und fertig .... und dann hörte ich mich selbst flüstern: "Gnade, bitte...."

Dieser Wunsch, mich selbst zu umarmen und damit symbolisch auch das Kind, ich machte ihn wahr. Schlang die Arme um mich, wiegte mich schluchzend vor und zurück und gab mir selbst, in mich hinein, das Versprechen, mir so etwas nie wieder antun zu lassen, auch nicht von mir selbst, niemals wieder von mir selbst. Dann begann das Kind in mir zu sprechen und alles erklärte sich - wirklich alles.

(Ich suche nachher mal den vollständigen Text raus und poste ihn in mein Blog. Er ist sehr lang, aber kürzer ging es leider nicht. Wen es interessiert, der kann es dann dort nachlesen.)

....


Proserpina
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 12:55

Hier ist er > Klick! Ich denke, Arta, Du dürftest Dich an vielen Stellen wiederfinden.

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Nena-Marie
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 14:24

Hallo Proserpina! Es ist mir ein Bedürfnis dir mitzuteilen, dass ich ein ganz entscheidendes Puzzelteil - welches mir noch fehlte - durch deine Beiträge und meiner Auseinandersetzung damit - gefunden habe, und es sogar in mir einordnen konnte. Danke dafür. Es fühlt sich an, als ob eine innere Welt aufgegangen ist, die mir bis jetzt verborgen blieb. Ein schönes Gefühl.

lg Nena


Proserpina
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Beitrag Mi., 14.12.2011, 14:41

Danke! Das freut mich!

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