Hallo reddie,
reddie hat geschrieben: ↑Di., 09.05.2023, 20:44
Schon verrückt, dass gerade wir, aus den helfenden Berufen, solche Hemmungen haben, selbst Hilfe anzunehmen.
Ich denke eher, daß wir gerade deshalb, wegen unserer eigenen Geschichte, überhaupt in einem helfenden Beruf gelandet sind...
Zumindest kann ich da von mir berichten...
Ich wurde als Kind extrem vernachlässigt und auch emotional vernachlässigt.
Die Hauptsache war immer, daß wir zumindest nach außen hin nicht negativ auffielen.
Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, wo wir nicht genug zu Essen hatten, viel bis abends spät alleine waren und keine angemessene Kleidung hatten.
Winters habe ich oft gefroren, musste mit Sommerschuhen durch den Schnee/Schneematsch laufen und trug viel “Zwiebellook“.
Meine Eltern waren keine Eltern, sondern nur Erzeuger.
Nach außen hin, immer schön den Schein der heilen Familie.
Als ich mit 12 Jahren von einem Fremden “überfallen“ wurde, rief ich irgendwann anschließend meine Eltern auf der Arbeit an und bat sie nachhause zu kommen...
Rate mal wer mich dann zuhause abgeholt hat...
Nein, nicht meine Eltern, sondern die Polizei.
Ich saß als 12-jährige alleine im Polizeiwagen und meine Eltern fuhren mit ihrem Auto hinterher. Keine Umarmung oder Handhalten durch meine Eltern.
Die ganze stundenlange Prozedur bei der Polizei, habe ich alleine bewältigen müssen.
Den Rückweg (nur bekleidet mit dem Mantel meines Vaters) sprachen meine Eltern auch kein Wort mit mir. Auch im Anschluss bekam ich keinerlei Hilfe dies irgendwie zu verarbeiten.
Ich bat meine Eltern darüber Stillschweigen zu bewahren, weil wir in einem Dorfähnlichen Ort wohnten und uns fast alle kannten...
und was passierte?
Ich wurde sehr bald von allen angesehen, als wäre ich irgendein exotisches Tier.
Meine Mutter hatte ihr Maul nicht halten können und ließ sich von allen bedauern, als wäre sie das Opfer gewesen.
Irgendwann fand ich in einem “guten Freund“ meiner Eltern einen “Vaterersatz“.
Er half mir bei schulischen Dingen, bewunderte mich und meine Hobbys, holte mich auch schon mal aus der Schule ab, weil andere Schüler mich verprügeln wollten...
Also alles das, was man sich eigentlich von einem Vater wünschen würde.
Doch eines Abends hat er sich an mir “vergriffen“. Da war ich 17 und er 63.
Es war ein massiver Vertrauensbruch für mich und wegen dem sehr großen Altersunterschied von 46 Jahren auch zusätzlich zur Tat als solches, noch extrem ekelig.
Erst ein halbes Jahr später, sagte ich dies meiner Mutter, weil ich wiedereinmal wichtige Unterlagen zu ihm bringen sollte...
Und was erntete ich von meiner Mutter?
Absolutes Unverständnis und so Sprüche wie...
“Da musst Du drüber stehen, das passiert Männern schon mal, daß ihnen die Birnen durchgehen“
Und bei ihr hätte er dies auch schon mal probiert.
Daraus zog ich dann wieder die Erfahrung, daß ich von meinen Eltern keine Hilfe erwarten kann.
Und auch daß Hilfe, auch Gefahr bedeutet.
So wurde es für mich zur Gewohnheit, alles alleine bewältigen zu müssen und keine Hilfe annehmen zu dürfen.