viciente hat geschrieben:... deshalb plädiere ich - wie weiter oben schon angedeutet - für die ausschöpfung sämtlicher möglichkeiten zu gegenseitigem verständnis - ...
Das Wort "gegenseitig" interessiert mich in diesem Fall. Bereits im Eingangspost wurde geschrieben, dass von Seiten der Mutter KEIN Verständnis existiert. Sie kam heil weg, mehr Empathie ist nicht vorhanden. In diesem Fall wäre Verständnis nur einseitig, und zwar würde das Opfer den Täter verstehen – wieder einmal – während der Täter nicht das geringste Unrechtsempfinden hat. Und ja, wer einem Täter zusieht, ohne einzugreifen, vielleicht auch noch, damit er es selbst kommod hat, ist ebenfalls ein Täter in meinen Augen. Vor allem, wenn man JAHRELANG die Gelegenheit hätte, einzugreifen, also auch viel, viel Zeit zu reflektieren und planen, was man zb. nicht hat, wenn man spontan Zeuge von einseitiger Gewalt gegen Schwächere wird.
viciente hat geschrieben:.. ein simpler abbruch ist auch eine art kapitulation bzw. flucht, trennt weder die bindung noch das leiden - sondern baut lediglich eine mauer zwischen den weiterhin (verfeindet) bestehenden polen. das eigentliche ziel - die thematik - für sich selbst - aufzulösen wird dadurch eher unterbunden als gefördert.
Wenn ich mich – nicht nur hier im Forum – umsehe, scheint die Wahl eines Abbruchs des Kontaktes zu schädlichen Menschen ganz schön Eier in der Hose zu fordern. Mehr, viel mehr, als den schädlichen Kontakt aufrechtzuerhalten, viel mehr, als von Erlösung, Versöhnung und einer schönen Zukunft zu träumen.
Mauen gegenüber Feinden sind nicht die schlechtesten Schutzmechanismen. Wenn ich einen Feind habe, der mich vernichten will, ich aber nicht in der Lage bin, ihn zu vernichten, kann ein Schutzwall für beide Parteien von Vorteil sein. Wenn "Auflösung eines Konfliktes" nur einseitig stattfinden kann, weil eine Partei gar keinen Konflikt sieht, was in solchen Misshandlungsfällen gang und gäbe ist, kann nichts gefördert werden, außer die Selbstablehnung des Opfers. Im Versuch, Brücken zu Menschen zu bauen, die Misshandlung als in Ordnung, ihr gutes Recht oder sonstwie verteidigen, müsste das Opfer der Gewalt Verständnis mit der Gewalt gegen sich aufbringen. Genau das macht eine Menge Menschen total kaputt, weil sie dem Mythos anhängen, Friede wäre immer wertvoller als Kontaktabbruch. Aber es muss ja auch nicht jeder ein glückliches Leben führen und wenn es wichtiger ist, ein "braves Kind" zu sein, dass selbst misshandelnde Eltern nicht enttäuschen will, zahlt man eben die Zeche dafür, bleibt jedem selbst überlassen. Da steht eine Entscheidung an: Entweder – Oder.
viciente hat geschrieben:... wünscht man da nachhaltig erleichterung, geht das nur durch aussöhnung (vergebung), weil alles andere die wunden ewig offen lässt.
Schon mal ganz vorsätzlich nicht vergeben? Ich dachte auch viele Jahre lang, dass man vergeben müsse, dass nur das die Wunden heile und so weiter. Hat nicht funktioniert. Hab mich damit nur klein gemacht und mein eigenes Leid verraten. Irgendwann habe ich begonnen, meinen Tätern ganz bewusst niemals zu verzeihen und vergeben. Mir zu sagen: Was auch immer du tust, es gibt nichts, was uns in dieser Sache quitt macht. Diese Schuld klebt auf ewig. Und ja, das bedeutet: Begehe ich selbst denselben Fehler, dann werde auch ich diese Schuld ewig tragen. Schlage ich ein Kleinkind, vergebe ich mir selbst ebensowenig, wie dir, Papa, Mama.
Mir geht es damit viel, viel besser. DAS hat mich erlöst. Ich empfehle, diese Sichtweise mal auszuprobieren.
Ich glaube und beobachte, dass es oft jene Menschen sind, die ihren Eltern vergeben haben, die selbst dann auch mal eine lockere Hand haben und sogar Sachen sagen wie: "Jetzt verstehe ich meine Eltern", und damit tatsächlich Gewalt legitimieren.
Wer es seinen Eltern unter keinen Umständen verzeihen kann, kann es meistens auch sich selbst nicht verzeihen, das kann vor solchen Taten abhalten. Besser, als: Naja, sie hatten ja ihre guten Gründe. Nein. Es gibt KEINE GUTEN GRÜNDE, Kinder zu misshandeln. NICHT EINEN EINZIGEN. NIEMALS. NIE. NIE. NIE. Und damit KEINEN GUTEN GRUND, Tätern zu verzeihen. Keinen einzigen. Niemals. Nie. Nie. Nie.