Gewalttätiger Vater - Mutter schaute immer weg

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

Raziel
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 12:19

saffiatou hat geschrieben:genau, das macht es schwer, man glaubt eher den "liebenden" Eltern, als dem misshandelten
Kind. Da wird bagagtellisiert, oder gesagt es hatte eben auch Gründe für die Prügel gegeben.
Hängt vermutlich in erster Linie mit dem Umfeld (also Freunde, Nachbarn etc.) zusammen. Wie präsentieren sich die Eltern als Menschen? Wie reden sie mit den Leuten? Was sind die Leute in ihrem Umfeld für Menschen? Was für Beziehungen gibt es untereinander? Hat man es z.B. mit einem manipulierbaren, konfliktscheuen Umfeld zu tun, glauben sie wahrscheinlich alles, was die Eltern sagen, hauptsache sie müssen selber nicht eingreifen.

Was die Glaubwürdigkeit von Eltern und Kindern angeht, kenne ich persönlich es übrigens andersrum.
saffiatou hat geschrieben:Es gibt unzählige Gründe, warum Eltern ihre Kinder misshandeln: Überforderung, Traumen, psychische Erkrankungen,
ungewollte Kinder....
Was für sich genommen weder gut noch schlecht ist. Erst der Umgang damit lässt eine Beurteilung zu. Und die ist - gelinde gesagt - nicht immer sachlich. Denn die Suche nach den Gründen ist oft mühselig, meist mit der Frage verbunden, was zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Und Klischees erleichtern da oft solche Dilemmata, dass sie die Diskurse darüber schlicht umgehen und eine Vorverurteilung erlauben. Selbst dann, wenn es gar nicht um Schuldzuweisung geht.

So ist es z.B. common sense, dass in der Kindheit traumatisierte Eltern dazu neigen KÖNNEN, diese Erlebnisse an ihre Kinder weiterzugeben. Nur wer ist jetzt hier der "Gute" und wer der "Böse"? Ein prügelnder Vater z.B. wird oft als asozialer Primitivling hingestellt, wobei der selbe Vater als Kind hingegen als bemitleidenswertes Opfer häuslicher Gewalt dargestellt wurde. Das Problem bleibt also dasselbe, nur sind jetzt die Rollen vertauscht. Wie geht man mit solchen Situationen um? Ist das überhaupt noch eine persönliche Geschichte oder eher schon eine gesellschaftliche Debatte?
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Rezna
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 13:00

viciente hat geschrieben:... deshalb plädiere ich - wie weiter oben schon angedeutet - für die ausschöpfung sämtlicher möglichkeiten zu gegenseitigem verständnis - ...
Das Wort "gegenseitig" interessiert mich in diesem Fall. Bereits im Eingangspost wurde geschrieben, dass von Seiten der Mutter KEIN Verständnis existiert. Sie kam heil weg, mehr Empathie ist nicht vorhanden. In diesem Fall wäre Verständnis nur einseitig, und zwar würde das Opfer den Täter verstehen – wieder einmal – während der Täter nicht das geringste Unrechtsempfinden hat. Und ja, wer einem Täter zusieht, ohne einzugreifen, vielleicht auch noch, damit er es selbst kommod hat, ist ebenfalls ein Täter in meinen Augen. Vor allem, wenn man JAHRELANG die Gelegenheit hätte, einzugreifen, also auch viel, viel Zeit zu reflektieren und planen, was man zb. nicht hat, wenn man spontan Zeuge von einseitiger Gewalt gegen Schwächere wird.
viciente hat geschrieben:.. ein simpler abbruch ist auch eine art kapitulation bzw. flucht, trennt weder die bindung noch das leiden - sondern baut lediglich eine mauer zwischen den weiterhin (verfeindet) bestehenden polen. das eigentliche ziel - die thematik - für sich selbst - aufzulösen wird dadurch eher unterbunden als gefördert.
Wenn ich mich – nicht nur hier im Forum – umsehe, scheint die Wahl eines Abbruchs des Kontaktes zu schädlichen Menschen ganz schön Eier in der Hose zu fordern. Mehr, viel mehr, als den schädlichen Kontakt aufrechtzuerhalten, viel mehr, als von Erlösung, Versöhnung und einer schönen Zukunft zu träumen.
Mauen gegenüber Feinden sind nicht die schlechtesten Schutzmechanismen. Wenn ich einen Feind habe, der mich vernichten will, ich aber nicht in der Lage bin, ihn zu vernichten, kann ein Schutzwall für beide Parteien von Vorteil sein. Wenn "Auflösung eines Konfliktes" nur einseitig stattfinden kann, weil eine Partei gar keinen Konflikt sieht, was in solchen Misshandlungsfällen gang und gäbe ist, kann nichts gefördert werden, außer die Selbstablehnung des Opfers. Im Versuch, Brücken zu Menschen zu bauen, die Misshandlung als in Ordnung, ihr gutes Recht oder sonstwie verteidigen, müsste das Opfer der Gewalt Verständnis mit der Gewalt gegen sich aufbringen. Genau das macht eine Menge Menschen total kaputt, weil sie dem Mythos anhängen, Friede wäre immer wertvoller als Kontaktabbruch. Aber es muss ja auch nicht jeder ein glückliches Leben führen und wenn es wichtiger ist, ein "braves Kind" zu sein, dass selbst misshandelnde Eltern nicht enttäuschen will, zahlt man eben die Zeche dafür, bleibt jedem selbst überlassen. Da steht eine Entscheidung an: Entweder – Oder.
viciente hat geschrieben:... wünscht man da nachhaltig erleichterung, geht das nur durch aussöhnung (vergebung), weil alles andere die wunden ewig offen lässt.
Schon mal ganz vorsätzlich nicht vergeben? Ich dachte auch viele Jahre lang, dass man vergeben müsse, dass nur das die Wunden heile und so weiter. Hat nicht funktioniert. Hab mich damit nur klein gemacht und mein eigenes Leid verraten. Irgendwann habe ich begonnen, meinen Tätern ganz bewusst niemals zu verzeihen und vergeben. Mir zu sagen: Was auch immer du tust, es gibt nichts, was uns in dieser Sache quitt macht. Diese Schuld klebt auf ewig. Und ja, das bedeutet: Begehe ich selbst denselben Fehler, dann werde auch ich diese Schuld ewig tragen. Schlage ich ein Kleinkind, vergebe ich mir selbst ebensowenig, wie dir, Papa, Mama.
Mir geht es damit viel, viel besser. DAS hat mich erlöst. Ich empfehle, diese Sichtweise mal auszuprobieren.

Ich glaube und beobachte, dass es oft jene Menschen sind, die ihren Eltern vergeben haben, die selbst dann auch mal eine lockere Hand haben und sogar Sachen sagen wie: "Jetzt verstehe ich meine Eltern", und damit tatsächlich Gewalt legitimieren.
Wer es seinen Eltern unter keinen Umständen verzeihen kann, kann es meistens auch sich selbst nicht verzeihen, das kann vor solchen Taten abhalten. Besser, als: Naja, sie hatten ja ihre guten Gründe. Nein. Es gibt KEINE GUTEN GRÜNDE, Kinder zu misshandeln. NICHT EINEN EINZIGEN. NIEMALS. NIE. NIE. NIE. Und damit KEINEN GUTEN GRUND, Tätern zu verzeihen. Keinen einzigen. Niemals. Nie. Nie. Nie.
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viciente
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 13:37

.. ja rezna, so wie du das hier schreibst stimme ich dir in weiten teilen klarer weise zu; es gelingt mir hier nur nicht, den unterschied zwischen verstehen und legitimieren bzw. sich klein machen oder unterdrücken herauszuarbeiten. es steht ja nirgends geschrieben, z.b. einen mörder nicht wegzusperren bloss weil man versteht wie er zu der tat kam; es steht auch nirgends geschrieben, einen gewalttätigen vater und eine - sich zur mittäterin machende - mutter "freizusprechen" oder dieses verhalten gar für in ordnung zu befinden. mir kommt vor, das wird sehr oft verwexelt bzw. in einen topf geworfen, was dann natürlich einer sachlich vernünftigen diskussion nicht grade dienlich ist.

.. es geht (mir) also NICHT darum, etwas massiv abzulehnendes gut zu heissen und/oder zu akzeptieren, sondern lediglich darum es - im eigenen interesse - rückblickend! trotzdem (besser) zu verstehen, um sich besser davon lösen zu können. falls man wut oder hass braucht zur eigenen abgrenzung, dann ist das wieder etwas anderes, kostet aber eben sehr viel kraft und energie und ist aus meiner sicht kaum ab-lösung in dem sinn. dann leben viele zwar in der getrenntheit, sind aber trotzdem - bzw. grade deshalb - wie magisch an diesen schmerz gebunden, weil es eben nie gegenseitige einsicht gab. das ist truarig, und wenn es letzlich nicht anders geht weil da keine einsicht ist, ja dann bleibt eh nix anderes übrig, hilft aber nur wenn man damit endgültig abschliesst - sofern DAS dann gelingt.

.. wie du sagst, lässt sich bereits geschehenes niemals rückgängig machen, weshalb es auch keine ent-schuldigung gibt. man kann sich bloss ändern - etwas erkennen - einsicht gewinnen, und ich denk mir, grade "opfer" solcher gegebenheiten wiederholen diese nicht; das ist aber auch nicht zwangsläufig eine konsequenz des nicht verstehens bzw. ewigen kampfes, sondern ergibt sich aus der eigenen erfahrung, was man mit menschen nicht tun sollte; es hat mit einem verständnis - so wie ich es meine - genauso nix zu tun wie das "legitimieren". verständnis kann sogar dazu führen, eigene mechanismen, die vielleicht ähnlichkeiten haben könnten - besser zu erkennen.

.. "ich kann nachvollziehen, weshalb du das gemacht hast und dich so verhältst, was nix dran ändert, dass es scheisse und nicht akzeptabel ist!" .. das wäre aus meiner sicht ein "erwachsener" gegendruck, der nicht auf der kindlichen stufe des ausgeliefert seins funktioniert. verachtet man die mutter wegen ihrer (einsichtslose) mittäterschaft zutiefst - ja, dann ist und bleibt das eben so und es bleibt nur ein rigoroser schlussstrich - dann aber bitte GANZ! ich denk mir also, um wirklich ruhe und frieden zu finden ist es notwendig, sich aus der beziehung zu lösen - und das geht eher nicht, solang man hass, wut und verachtung empfindet, ist doch gerade all das ein hinweis auf die nicht-verarbeitung des ganzen. wir empfinden nur gegenüber jemandem, der uns völlig gleichgültig (geworden) ist - nichts.

.. frühestens dann wären wir davon völlig frei!

ps:
Rezna hat geschrieben:Es gibt KEINE GUTEN GRÜNDE, Kinder zu misshandeln. NICHT EINEN EINZIGEN. NIEMALS. NIE. NIE. NIE.
nein - die gibt es nicht!
Rezna hat geschrieben:Und damit KEINEN GUTEN GRUND, Tätern zu verzeihen. Keinen einzigen. Niemals. Nie. Nie. Nie.
.. bei einsicht und veränderung schon; wer macht denn keine fehler, die bereut werden? (was - vorbeugend angemerkt - nichts an der tat als solcher beschönigt oder sie für in ordnung deklariert!)


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Beitrag Mo., 29.12.2014, 13:58

@Rezna
Im Versuch, Brücken zu Menschen zu bauen, die Misshandlung als in Ordnung, ihr gutes Recht oder sonstwie verteidigen, müsste das Opfer der Gewalt Verständnis mit der Gewalt gegen sich aufbringen. Genau das macht eine Menge Menschen total kaputt, weil sie dem Mythos anhängen, Friede wäre immer wertvoller als Kontaktabbruch.
Das dürfte vermutlich daran liegen, dass Eltern schlichtweg einen anderen Stellenwert einnehmen als Freunde und Partner. Eltern waren immer da, man ist mit ihnen aufgewachsen, sie haben einen geprägt und damit einen Anteil an dem Menschen, der man ist. Da ist es nur verständlich, dass man eine ganz besondere Beziehung zu ihnen hat. Ich glaube also kaum, dass die meisten Opfer von elterlicher Gewalt wirklich denken, dass Friede WERTVOLLER als Kontaktabbruch ist. Es ist wohl eher der Mythos, dass man Eltern als Heilige betrachtet, da sie einen gezeugt und aufgezogen haben und nun unterschwellig den Wunsch verspürt, sie für diese Mühen stolz zu machen und ihre Anerkennung zu erringen.
Mauen gegenüber Feinden sind nicht die schlechtesten Schutzmechanismen. Wenn ich einen Feind habe, der mich vernichten will, ich aber nicht in der Lage bin, ihn zu vernichten, kann ein Schutzwall für beide Parteien von Vorteil sein.
Man müsste dazu vermutlich irgendeine Statistik hervorkramen, aber ich denke, es dürfte mehrheitlich schon ausreichen, einfach andere Wege zu gehen.
Wenn "Auflösung eines Konfliktes" nur einseitig stattfinden kann, weil eine Partei gar keinen Konflikt sieht, was in solchen Misshandlungsfällen gang und gäbe ist, kann nichts gefördert werden, außer die Selbstablehnung des Opfers.
...oder der Wunsch, sich einem Konflikt zu entziehen, der vermutlich gar nicht mehr existiere, wenn er sich nicht selbst nähren würde und letztlich nichts fördert, außer die Aufrechterhaltung von Leid zum Zwecke der Rechtfertigung der eigenen Existenz.
Rezna hat geschrieben:Schon mal ganz vorsätzlich nicht vergeben? Ich dachte auch viele Jahre lang, dass man vergeben müsse, dass nur das die Wunden heile und so weiter. Hat nicht funktioniert. Hab mich damit nur klein gemacht und mein eigenes Leid verraten. Irgendwann habe ich begonnen, meinen Tätern ganz bewusst niemals zu verzeihen und vergeben. Mir zu sagen: Was auch immer du tust, es gibt nichts, was uns in dieser Sache quitt macht. Diese Schuld klebt auf ewig. Und ja, das bedeutet: Begehe ich selbst denselben Fehler, dann werde auch ich diese Schuld ewig tragen. Schlage ich ein Kleinkind, vergebe ich mir selbst ebensowenig, wie dir, Papa, Mama.
Mir geht es damit viel, viel besser. DAS hat mich erlöst. Ich empfehle, diese Sichtweise mal auszuprobieren.
Das mag für dich zutreffen und wenn es dir damit besser geht, hat es für dich ja funktioniert. Von "Erlösung" würde ich persönlich deshalb aber nicht sprechen. Und am Allerwenigsten würde ich diese Methode anderen empfehlen. Das ganze klingt nämlich nicht nach dem Wunsch, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Es klingt eher danach, seinen Eltern den kalten Krieg zu erklären. Wo man Gewalt dadurch ausübt, indem man sie mit aller Macht verachtet. Wo man glaubt, Erlösung dadurch zu finden, indem man seinen Käfig selbst wählt. Vermutlich ist der Käfig groß genug, um sich ausreichend bewegen zu können, aber es bleibt ein Käfig.
Wer es seinen Eltern unter keinen Umständen verzeihen kann, kann es meistens auch sich selbst nicht verzeihen, das kann vor solchen Taten abhalten.
Ich würde eher einen guten Therapeuten empfehlen. Unter anderem deshalb.....
Nein. Es gibt KEINE GUTEN GRÜNDE, Kinder zu misshandeln. NICHT EINEN EINZIGEN. NIEMALS. NIE. NIE. NIE. Und damit KEINEN GUTEN GRUND, Tätern zu verzeihen. Keinen einzigen. Niemals. Nie. Nie. Nie.
Nachvollziehbarkeit und Legitimation sind zwei verschiedene paar Schuhe. Ich hoffe mal, dass man diesen Unterschied bei einem guten Thera lernt.
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Rezna
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 15:28

viciente hat geschrieben:... sondern lediglich darum es - im eigenen interesse - rückblickend! trotzdem (besser) zu verstehen, um sich besser davon lösen zu können.
Ich war dreizehn Jahre alt, als mein Bruder als Nachzügler geboren wurde. Mag vielleicht grausam klingen, aber ich dachte damals bei der Geburt: Bin mal gespannt, wann ich ihn schlagen will.

Damals noch ziemlich im elterlichen Kosmos gefangen, glaubte ich, dass es MEINE Schuld gewesen wäre, wie sie mich behandelt hatten. Ich redete mir auch ein, Schuld daran gewesen zu sein, wie sie meine Schwestern schlugen. (Sie machten das unter dem Sigel der Gerechtigkeit: Jeder wurde, unabhängig irgendwelcher "Schuldanteile", eingefangen und mit gleich vielen und gleich harten Schlägen "bestraft". Wir waren damals zwischen drei und sechs.)
Jedenfalls dachte ich, Kinder würden eines Tage so "schlecht" sein, dass man das legitime, vernünftige Recht verspürt, sie verprügeln zu wollen. Mein Bruder geht auf die dreißig zu und ich verspürte nicht eine einzige Sekunde den Wunsch, ihn zu schlagen, nicht einmal, wenn er Scheiße gebaut hat. Mir war zu jeder Sekunde klar, dass er – noch unreif – gewisse Fehler begehen muss, und nichts davon Bosheit ist.

Mittlerweile durfte ich auch Neffen und Nichten heranwachsen sehen. Wenn sie in dem Alter waren, in dem ich geschlagen wurde, ging es mir emotional sehr extrem. Auch aktuell habe ich wieder Neffen in diesem Alter und es ist furchtbar, sich vorzustellen, dass jemand den Impuls fühlen kann, sie schlagen zu wollen. Selbst wenn sie unheimlich nerven und ihren kindlichen Egozentrismus ausleben, niemals kommt da der Wunsch auf, Gewalt anzuwenden. Eher habe ich Mitleid für das Leid, das Kinder in ihrem Zorn und Widerstreit fühlen, denn sie verstehen manches nicht und handeln aus Angst oder einem tiefen Gefühl heraus, ungerecht behandelt zu werden.

Natürlich hatte ich also viel Gelegenheit und auch das persönliche Interesse, zu verstehen, warum und wieso meine Eltern so gehandelt haben. Ebenso habe ich den Versuch unternommen, sie zur Rede zu stellen, sie zu fragen, von ihnen persönlich zu erfahren, warum sie das getan haben. Entweder wurde der Vorwurf schlichtweg ignoriert, als hätte ich kein Wort gesagt, oder verleugnet: "Das war euer Vater, aber nicht ich." Es wurden massive Erinnerungslücken vorgetäuscht oder man kam im besten Fall mit so bescheuerten Ausreden wie: Ich war krank. (?) (Wie jetzt, ist Schnupfen ein Grund????) Oder es wurde darüber gelacht und heruntergespielt. Ich wurde verhöhnt, von oben herab belächelt, als überempfindlich dargestellt oder als jemand, der den Eltern nur schaden will und sie mit bösartigen Unterstellungen schlecht dastehen lassen. Dann wurde mir vorgeworfen, undankbar zu sein, denn immerhin hatte ich doch ein Dach über den Kopf. (Ach, ist die physische Grundversorgung etwa ausreichend Grund?)
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 15:32

"Verstehen?" Wenn ich meine eigenen Empfingungen völlig abstelle und einen psychopatische Sicht auf die Lage bemühe, gelingt mir durchaus, sachliche Gründe zu finden. Aber jeder Grund lässt die Eltern mit noch viel verwerflicherem Charakter dastehen. Sollte ein intelligenter Mensch durch ein KLEINKIND so überfordert werden, dass er es schlagen muss? Da müsste er doch einen Erwachsenen töten, wenn der ihn intellektuell überfordert. Oder ist es die körperliche Unterlegenheit, die Abhängigkeit, die Tatsache, dass es keine Wehr und Konsequenzen gibt? (Damals war es noch nicht gesetzlich verboten.) Ist es einfach nur eine Form von Sadismus, es also geil finden, Kindern die Hosen runterzuziehen, um auf den nackten Po zu schlagen? Gibt ja einige Menschen, die sich an Unterwerfung Schwächerer aufgeilen.
Mein Vater erzählte, dass er selbst geschlagen wurde, war aber stolz, dass er dabei Lederhosen trug, die die Schläge abgefangen haben. Er spürte kaum etwas, tat aber durch Geschrei so, als wäre es schmerzhaft gewesen, um seinen Vater zu befriedigen. Daher wusste er, dass er uns die Hosen ausziehen und sicherheitshalber, damit wir wirklich aus Schmerz schreien, und ihn nicht verarschen, auf den blanken Hintern dreschen musste. Oh, also Intelligenz konnte er also doch einsetzen, wenn auch nicht zur Kommunikation.
Und meine Mutter? Hass. Wenn ich an ihr Gesicht dabei denke, dann sehe ich blanken, uneingeschränkten Hass. Sie hat uns Kinder nicht geliebt. Sie schob uns die Schuld an allem zu, was in ihrem Leben schief lief. Wenn es ihr gerade "drüberfuhr", dann ließ sie es an uns aus und benutzte die Taktik des Vaters, mit der man dafür sorgen konnte, dass Kinder den Schmerz nicht simulieren müssen sondern eh wirklich aus Schmerz schreien wie am Spieß.
Meine Mutter wurde nie misshandelt oder geschlagen. Sie war die Prinzessin in ihrer Familie. Sagte sie selbst gern, oft und stolz. Aber sie sah zu, wie ihre älteren Geschwister geschlagen wurden. Offenbar fand sie es toll, die Gute zu sein und dabei zusehen zu dürfen, wie via Gewalt Schwächere unterdrückt wurden. Das machte sie selbst zur Guten und Reinen. Daher wohl hat sie es nicht hinterfragt, sondern es als Methode zur Selbsterhöhung benutzt.
Mein Vater erzählte oft und gerne von einem Bekannten, der ein Gorillababy adoptierte. Da das ausgewachsene Tier so stark wäre, ihn töten zu können, verprügelte er es bereits als Baby und die ganzen Jahre des Heranwachsens regelmäßig halbtot. Ziel war, dem Affen ins Blut zu schreiben, dass er schwächer ist, ihn zu brechen, sodaß er, wenn er um ein vielfaches stärker ist, den Menschen immer noch als stärker und sich selbst als schwach und hilflos erlebt, und niemals gegen seinen Menschen gewalttätig wird.
Mein Vater sprach von diesem Mann mit Bewunderung. Er verurteilte dieses Vorgehen keine Sekunde. Ich hege den Verdacht, dass hinter seiner methodischen Prügelarie eine ähnliche Philosophie steckte. Als Narzist hat er es nie vertragen, wenn ihm jemand überlegen war oder Widerworte gab. Er wollte also willige Jasager heranzüchten, die sich ihm bedingungslos unterordnen.

Irgendwann hörten sie aber auf, das so eskalierend zu betreiben. Warum, weiß ich nicht. Dazu müssten sie ja vorher zugeben, das getan zu haben und sagen, warum sie es getan haben. Mehrere Erklärungsmodelle existieren: Eventuell haben sich Nachbarn über unser Geschrei beschwert. Oder es wurde gesetzlich verboten. (Zeitlich passt es mit dem Gesetz hin.)
Übrigens hat mein Vater es gehasst, wenn wir zuckten, sobald er die Hand hob. Er wollte nicht wirken wie ein "Primitivling". Wenn wir also zuckten, schlug er extra nochmal zu, damit wir einen Grund haben zu zucken. Dann mussten wir lernen, ohne Regung und Zucken an ihm vorbeizugehen, auch wenn er aufrieb und zuschlug. Das Umfeld hat die "braven gehorsame Mädels" bewundert. Dass man uns zu Puppen erzogen hat, die sich selbst nicht spüren können oder gar hassen und ihr Leben lang mit Selbstakzeptanz kämpfen, mei, das war halt Kollateralschaden. Wagte jemand von uns, sich Lehrern, Nachbarn oder anderen Familienmitgliedern anzuvertrauen, wurden wir als Lügner beschimpft, die die tollen Eltern nur verleumden wollen. "Ihr seid undankbar. Was wollt ihr mit diesen Lügemärchen erreichen? Schämt euch." Dann wurde sich bei ein paar Flaschen Wein zu den Eltern in die Küche gesetzt und sich köstlich amüsiert.
Übrigens war mein Opa der Ansicht: Wenn ein "Arbeiter" seine Frau oder Kinder schlägt, dann ist er primitiv. Aber wenn ein Hofrat zuschlägt, dann weiß er genau, warum, dann ist es eine edle Motivationshilfe.
Mein Vater war Hoftrat.
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Rezna
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 15:36

Ich könnte ewig weiterschreiben. Wenn ich meine Menschlichkeit ausblende, dann kann ich die Philosophie hinter allem durchaus verstehen, wenngleich ich sie verachtenswert finde. Statt, wie mir hier im Thrad impliziert erscheint, damit eine Annäherung an die Eltern zu schaffen, "Verständnis" und damit Frieden, wird bei mir das Gegenteil erreicht. Ich muss erkennen, dass meine Eltern noch viel größere Unmenschen waren, als ich wahrhaben möchte. Eigentlich ist es in ihrem Sinne, KEIN Verständnis zu haben, denn es macht sie zu psychopatischen Narzissten mit einer Menge Hass gegen ihre Kinder.

Übrigens hatte ich mir immer vorgenommen, meine Eltern zu verprügeln, sollten sie Hand an meine kleine Schwester oder meinen kleinen Bruder legen. Sie haben es nie getan. Vielleicht haben sie es geahnt.

Durch die zusätzliche psychische Misshandlung, (ich war gehirngewaschen), hielt ich ihnen bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr die Stange. Ich "wollte" ihnen verzeihen, alleine schon, um den Ballast abzuwerfen und Frieden zu finden. Ich habe da keine anderen Sehnsüchte als andere gehabt. Ich sah mich als rechtelosen Menschen, der fast alle seine Empfindungen für falsch hielt (frevelhaft, diese Wut/Hass gegen die Eltern) und unter einem Schuldkomplex regelrecht erstickte. Nicht nur einmal wollte ich mich umbringen, um sie vor diesem Monster, das ich sein musste, zu befreien. VOR ALLEM, als ich sah, dass ich niemals kleine Kinder schlagen wollte, zog ich die Schlussfolgerung, dass ich ein extrem schlechter Mensch (gewesen) sein musste, dass ich so von aller Welt geliebte Erwachsene dazu bringen konnte, eine Vierjährige zu verdreschen.

Ich verbrachte drei Viertel meines Lebens unter dieser Wolke. Ich kannte all diese "du musst verzeihen, du muss vergeben, du musst verstehen"-Sachen, "um Frieden zu finden" und so weiter. Das alles versuchte ich. Auch mit Therapie. Das Prinzip leuchtet mir ein, die Philosophie nicht. Irgendwann, als ich meine Nichten und Neffen im entsprechenden Altern anschaute, und mir versuchte, plastisch vorzustellen, dass nun meine Mutter und mein Vater hereinkämen, sie durchs Zimmer schliffen, sie festhielten, ihnen nacheinander die Hosen runterzögen um sie enorm zu demütigen und zu schlagen "gerecht und methodisch", während der andere zusehen musste, bis er auch drankam, kam ich zu dem Punkt, dass ich, egal was der Grund sein mochte, ich das ihnen NIEMALS verzeihen würde. Nicht nur das, ich würde sie lieber töten und ins Gefängnis gehen, um dafür zu sorgen, dass sie nie wieder einem Menschen wehtun können.
Da wurde mir schlagartig klar: Wenn ich nicht verzeihen könnte, dass sie meinen Nichten/Neffen wehtun, was macht mich persönlich weniger Wert, ihnen zu verzeihen, was sie mir antaten? Zudem taten sie es auch einigen meiner Schwestern an. Wie könnte ich ihnen je verzeihen, denen das angetan zu haben?
Mir wurde bewusst, dass ein Kind niemals die Schuld eines Täters auf sich nehmen kann. Es machte klick. In der Sekunde, da ich mich bewusst entschied, dass es unverzeihliche Dinge gibt, ging es mir gut. Die Philosophie dahinter, das Prinzip, war in sich stimmig und für mein Leben anwendbar.

Damit kam die innerliche Abnabelung, später die äußerliche. Mein Vater ist bereits tot, meine Mutter habe ich für tot erklärt. Ich könnte aber nicht sagen, dass sie mir gleichgültig ist, da ich sie bewusst nicht sehen will. Hasse ich sie? Ja. Und mein inneres Kind jubelt. Endlich hat dieses innere Kind jemanden, der auf seiner Seite steht und nicht, wie all die anderen Erwachsenen, Verständnis für die Eltern fordert. Ich habe es integriert und fühle mich frei. Den Schaden, den sie angerichtet haben, muss ich trotzdem tragen. Weder haben die Täter versucht, das zu verstehen, noch, es nachzuvollziehen, noch, Mitleid zu empfinden oder Einsicht oder sonst etwas, im Gegenteil, es wurde noch eifrig nachgetreten, als die Folgen der Kindheit zum Tragen kamen. Auch das kann ich intellektuell "verstehen" und das macht die Eltern noch verabscheuenswürdiger und bestätigt mich noch mehr darin, niemals zu verzeihen und keinerlei Kontakt zu haben. Mein Leben ist zu schade, solches Pack in meiner Nähe zu akzeptieren.
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Beitrag Mo., 29.12.2014, 16:52

Rezna hat geschrieben:In der Sekunde, da ich mich bewusst entschied, dass es unverzeihliche Dinge gibt, ging es mir gut. Die Philosophie dahinter, das Prinzip, war in sich stimmig und für mein Leben anwendbar.
Wie schon geschrieben: für dich scheint es funktioniert zu haben, wobei ich mich frage, was der Preis dafür ist. So wie bei anderen Verzeihen und Vergeben funktioniert. Oder das Differenzieren.
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ubeda
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Beitrag Mi., 31.12.2014, 17:19

Der totale Kontaktabbruch zur Mutter mag rein von der LOGIK her vernünftig erscheinen, aber sie ist meine Mutter & nicht irgendjemand, den man einfach mal schnell zum Teufel schickt. Es ist sehr schwer für mich.

Sie hat sich sicherlich nicht an unserem Leid aufgegeilt, aber sie hat eben aus Bequemlichkeit lieber weggeschaut und verdrängt. Das kann sie meisterhaft! Sie kann sich an Vorfälle nicht erinnern, die erst vor ein paar Jahren passiert sind, an krasse Ausraster meines Vaters, wo sie dabei war. Die Verdrängung funktioniert offensichtl. so gut, dass sie mit reinem Gewissen leben kann. :(

Ich will den Kontaktabbruch zwar nicht, aber ich habe das Problem, das ich beim besten Willen nicht mehr weiß, worüber ich mit ihr noch reden soll! Sie versucht es immer mit Smalltalk (per mail) aber das ist mir zu doof. Dafür ist zu viel passiert.

Ich habe ihr jetzt also mitgeteilt, wie sehr mich auch IHR Verhalten verletzt, wie sie mit ihm weiterlebt, als wäre nix gewesen und ihn bekocht und bedient etc. Und sie sagt: "was soll ich denn sonst tun? Soll ich ihn nach 40 Jahren Ehe verlassen?"
JA!!!! Das würde ich mir wünschen - das wird sie aber nicht tun!
Ist es zu viel verlangt? Ist es übertrieben, sich das zu wünschen? Mein inneres Kind wünscht sich das ganz dolle...

Und ich wünsche mir, dass sie EIN MAL klar Stellung bezieht und zu MIR hält - aber sie wohnt mit ihm zusammen & sie will keinen Konflikt mit ihm.
Also bedient sie ihn weiter... wie immer.
Die ganze Situation ist sehr schlimm für mich ... alles kommt wieder hoch - ich weiß nicht, was ich überhaupt will/fordern darf.

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viciente
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Beitrag Mi., 31.12.2014, 17:45

ubeda hat geschrieben:JA!!!! Das würde ich mir wünschen - das wird sie aber nicht tun!
.. was du dir zu wünschen scheinst ist, dass sie für dich rache nimmt indem sie ihn verlässt; damit würdest dann allerdings du sie instrumentalisieren bzw. missbrauchen und es würd am ende nichts an allem ändern. stellung beziehen wäre etwas anderes; dafür müsste sie ihn gar nicht verlassen, sondern nur einen klar ablehnenden standpunkt einnehmen und den auch artikulieren; das wird sie - wie von dir beschrieben - jetzt schon gar nicht fertig bringen, wenn sie es nicht mal damals geschafft hat.

.. im endeffekt verachtest du vermutlich beide, und wenn du das - zumindest bei ihr - nicht überwinden kannst, wird es dir nicht erspart bleiben den kontakt abzubrechen; allerdings wird auch das - wenn du dir das mal ausmalst - nicht wirklich etwas ändern; dann hasst du sie eben aus der ferne, weil der abbruch im kern bei dir auch nix ändert.


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Beitrag Mi., 31.12.2014, 18:35

ubeda hat geschrieben:Der totale Kontaktabbruch zur Mutter mag rein von der LOGIK her vernünftig erscheinen, aber sie ist meine Mutter & nicht irgendjemand, den man einfach mal schnell zum Teufel schickt.
Führt genetische Verwandtschaft automatisch zu Privilegien? Oder anders formuliert, denke mal darüber nach, ob Du diese Frau in Deinem Freundeskreis haben wollen würdest, wenn sie NICHT mit Dir verwandt wäre. Wenn Du sie z.B. erst vor ein paar Monaten kennen gelernt hättest.
ubeda hat geschrieben:(…) aber sie hat eben aus Bequemlichkeit lieber weggeschaut und verdrängt.
Das sollte eigentlich vollkommen ausreichen. Da Dir aber selbst das augenscheinlich nicht reicht wirst Du Dich weiterhin damit abquälen von Deiner Mutter Dinge einzufordern, die sie Dir weder geben will noch kann.
ubeda hat geschrieben:Sie kann sich an Vorfälle nicht erinnern, die erst vor ein paar Jahren passiert sind, an krasse Ausraster meines Vaters, wo sie dabei war. Die Verdrängung funktioniert offensichtl. so gut, dass sie mit reinem Gewissen leben kann. :(
Aufpassen. Solche Mütter spielen auch oft genug die Verdrängende um nicht den Zorn der Kinder auf sich zu ziehen. Schließlich geht es auch darum, sich die Verpflegung durch die Kinder zu sichern wenn der Mann nicht mehr ist und die Mutter schließlich Altersheim sitzt. Warum sollte das auch bei den Kindern anders sein als beim Ehemann? Es geht nur um den eigenen Profit, die eigene Bequemlichkeit.
ubeda hat geschrieben:Und sie sagt: "was soll ich denn sonst tun? Soll ich ihn nach 40 Jahren Ehe verlassen?"
JA!!!! Das würde ich mir wünschen - das wird sie aber nicht tun!
Ist es zu viel verlangt? Ist es übertrieben, sich das zu wünschen?
Das mußt Du für Dich selbst entscheiden.
ubeda hat geschrieben:Mein inneres Kind wünscht sich das ganz dolle...
Wie wäre es mal damit, das innere Kind und den äußeren Erwachsenen zu einer Person zu verschmelzen und dann nochmal über das Thema nachzudenken?
ubeda hat geschrieben:(…) ich weiß nicht, was ich überhaupt will/fordern darf.
Fordern kannst Du alles. Die Frage ist nur ob es auch etwas bringt.

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peppermint patty
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Beitrag Mi., 31.12.2014, 19:29

Moin ubeda,

mit Interesse habe ich den Thread gelesen, da ich ebenfalls in einem missbrauchenden Haushalt aufgewachsen bin.

Für mich ist es ganz klar, auch wer weg schaut (was eine Straftat ist und sich "unterlassene Hilfeleistung" nennt) und nicht hilft ist ein Täter. Und zwar klipp und klar auf dem gleichen Niveau wie der ausführende Täter. Da gibt es keinen Unterschied für mich.

In meinem Elternhaus waren allerdings beide Schläger, so dass ich nicht die Möglichkeit besass "schön zu reden". Soviel zu mir.

Nun zu dir ubeda. Mir fällt auf, dass du (fast) allen usern gedankt hast, die Mitgefühl oder annähernd Verständnis mit deiner Mutter gezeigt haben. Bei denen, die das nicht taten und für dein Wohl plädierten, blieb der Dank aus. Warum?

Mir scheint, dass du zwei Dinge zugleich möchtest, die sich in deiner Familie allerdings ausschließen. Einerseits den Kontakt beibehalten, da du gerne eine Mutter hättest (die du aus meiner Sicht nicht hattest, denn eine Mutter verhält sich liebevoll und schützend) andererseits kommst du selbst nicht mit deiner (berechtigten!!) Wut klar und weißt nicht mehr wie du ohne Vorwürfe deiner Mutter begegnen kannst. Somit hindert deine Wut einen (verleugnenden) Kontakt wie deine Mutter ihn gerne weiterhin mit dir pflegen würde (beziehend auf deine Worte).

Da gibt es die Sehnsucht, die natürlich berechtigt ist. Wer möchte nicht die Geborgenheit und Liebe der Eltern jemals erfahren dürfen? Dennoch hat diese tiefe Sehnsucht nach einer Mutter keinen realen Bezug zu deiner Mutter. Deine Mutter wird dir mMn nie das geben was du dir wünscht. Niemals. Von daher musst du dich entscheiden was dir wichtiger ist: Dein eigener Seelenfrieden (oder so wie es hier beschrieben wurde den faulenden Teil der Familie abhacken) oder die Illusion (d)einer Familie wahren, die aber nur Wunschgedanke ist.

Langfristig, so meine Meinung, wirst du nicht umhin können dich zu entscheiden. Vielleicht wirst du erkennen, dass du dir selbst eine bessere und liebevollere Mutter sein kannst als du sie je hattest. Dazu gehört auch dich selbst ernst zu nehmen und nicht zu verleugnen. Diese Erkenntnis wünsche ich dir sehr!!

LG,
pp
Zuletzt geändert von peppermint patty am Mi., 31.12.2014, 19:51, insgesamt 1-mal geändert.


Eremit
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Beitrag Mi., 31.12.2014, 19:47

peppermint patty hat geschrieben:Mir fällt auf, dass du (fast) allen usern gedankt hast, die Mitgefühl oder annähernd Verständnis mit deiner Mutter gezeigt haben. Bei denen, die das nicht taten und für dein Wohl plädierten, blieb der Dank aus. Warum?
peppermint patty hat geschrieben:Langfristig, so meine Meinung, wirst du nicht umhin können dich zu entscheiden.
Für mich sieht es so aus, als wäre die Entscheidung schon getroffen worden …

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Christine_Walter
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Beitrag Mi., 31.12.2014, 21:13

also einem kind den nackten hintern zu versohlen und/oder einen gegenstand zu benutzen, einfach aus dem grund, damit es mehr weh tut, ist ja wohl mehr als sadistisch. mal ganz ehrlich.

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Thread-EröffnerIn
ubeda
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Beitrag Do., 01.01.2015, 12:19

viciente hat geschrieben:
ubeda hat geschrieben:JA!!!! Das würde ich mir wünschen - das wird sie aber nicht tun!
.. was du dir zu wünschen scheinst ist, dass sie für dich rache nimmt indem sie ihn verlässt; damit würdest dann allerdings du sie instrumentalisieren bzw. missbrauchen und es würd am ende nichts an allem ändern. stellung beziehen wäre etwas anderes; dafür müsste sie ihn gar nicht verlassen, sondern nur einen klar ablehnenden standpunkt einnehmen und den auch artikulieren; das wird sie - wie von dir beschrieben - jetzt schon gar nicht fertig bringen, wenn sie es nicht mal damals geschafft hat.

.. im endeffekt verachtest du vermutlich beide, und wenn du das - zumindest bei ihr - nicht überwinden kannst, wird es dir nicht erspart bleiben den kontakt abzubrechen; allerdings wird auch das - wenn du dir das mal ausmalst - nicht wirklich etwas ändern; dann hasst du sie eben aus der ferne, weil der abbruch im kern bei dir auch nix ändert.
Ja Viciente, ich befürchte du hast durchaus Recht mit der "Rache" an ihm, wenn sie ihn verlassen würde. Aber natürlich ist das nur ein Teil des Ganzen, denn ich wünsche mir, genau wie du auch schreibst - dass sie ihm gegenüber klar Stellung (für mich) bezieht, das widerum bedeutet aber auch, dass sie mit ihm "streiten" müßte, was sie ja noch NIE getan hat. Sie hat auch keine Chance gegen ihn, evtl. hat sie Angst, dass er auch auf sie so losgeht. Das hat sie durch ihre unterwürfige Art bisher verhindert.

Ja, ich verachte beide.
Ohne ihn kann ich gut leben, ohne sie - weiß ich nicht wie.
Momentan ist der Kontakt so gut wie abgebrochen, aber es geht mir nicht gut damit. Ich kann weder vor noch zurück.
Vergebung etc. ist für mich im Moment unvorstellbar...

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