Verantwortung für das Gelingen einer Psychotherapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Rabe
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Beitrag Do., 24.07.2014, 14:42

ansonsten

Aus Unterrichtssituationen weiß ich, dass man Lernen nur ermöglichen, nicht aber erzwingen kann.

Trotzdem mache ich einen Unterschied zwischen einem Altnordisch-Kurs (wer da nicht mitarbeitet, kann gerne gehen) und Lesen-Schreiben-Rechnen in der Grundschule. In diesem Falle erwarte ich von den Lehrpersonen deutlich mehr didaktisches Geschick. Also einen Weg des Ermöglichens zu finden, wenn ein Kind unwillig, renitent oder lernbehindert ist. (Ohne Erfolgsgarantie natürlich, die Lehrperson kann aber ihr Methodenrepertoire erweitern etc.)
Wenn der Patient an seinen eingefahrenen dysfunktionalen Mustern festhält, kann der Thera sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln und es wird keine Veränderung geben.
Niemand hält aus Spaß, zum Trotz, aus Bosheit an dysfunktionalen Mustern fest. Der Patientenauftrag lautet in diesem Fall "hilf mir, damit ich aus meinen dysfunktionelen Mustern herausfinde, auch wenn ich dir anscheinend entgegenarbeite". Fragt sich halt, wie weit Durchhaltevermögen und Methodenrepertoire der Therapeutin reichen.

Manchmal ist die Krankheit stärker, aber wenn ein Patient seine Medikamente nimmt und trotzdem stirbt, ist es nicht seine Schuld, dass die Therapie nicht erfolgreich war.
Der Thera kann dir dabei helfen, indem er dir Wege aufzeigt, aber gehen muss man die selber!
Klar, wer möchte schon getragen oder an den Haaren geschleift werden.
Aber wenn der Therapeut Wege aufzeigen kann, auf die Patient/Patientin bisher nicht gekommen ist, dann liegt der Anfang der Veränderung beim Therapeuten.

Außerdem stimmt die Aussage für mich nicht ganz, ich würde sie ändern wollen in:
In der Interaktion mit dem Therapeuten habe ich Wege entdeckt, manche waren besser als die mir bekannten, diese Wege bin ich mit Vergnügen entlangegangen.

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pandas
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Beitrag Do., 24.07.2014, 17:19

Bei dem Vergleich muss man aber bedenken: Therapie ist nicht zum Lernen da, sondern zur Introspektion, zum Erfahren, zum Sich-weiterentwickeln. Wie, wohin - da sollten in einer guten Therapie mehrere Wege möglich sein, der Therapeut ist Begleiter, mitunter ein erfahrener etc., aber nicht Lehrer im Sinne, dass es klare Lernziele gibt - das würde auch bedeuten, es gibt ein richtig und ein falsch.

Therapien scheitern oft an den heimlichen Lernzielen von Therapeuten, die sie anhand eigener Werte o.ä. aufgestellt haben. Das ist dann aber verantwortungslos vom Therapeuten.

Gibt aber glücklicherweise genug Therapeuten; so kann man, wenn der Therapeut die Ampel stur auf rot stellt, einfach eine andere Überquerung suchen. Das ist dann verantwortungsvoll vom freien Patienten.
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Rabe
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Beitrag Do., 24.07.2014, 21:36

Das mit dem Lernen ist vielleicht eine Frage der Definition.

Die enge, quasi schulische, die Lernziele, Lehrplan und Kontrolle braucht, passt zu meiner Vorstellung von Psychotherapie nicht.

Aber es gibt ja auch jenes freie Lernen, bei dem man sich von anderen etwas abschaut. Kinder lernen von ihren Eltern den Umgang mit der Welt. Sich weiterzuentwickeln, sich besser zu kennen (kennen zu lernen) fällt vielleicht doch unter einen weiten Lernbegriff.

Aber es gibt Psychotherapie mit Lernziel, z.B. beim Abbau einer Spinnenphobie.

In der Zeitung stand vor ein paar Tagen (ich hab die Meldung entnommen aus: http://www.welt.de/gesundheit/psycholog ... assen.html)

Eine Spinnenphobie lässt sich morgens am besten behandeln. Das fanden Psychologen der Saar-Universität heraus, wie die Hochschule in Saarbrücken mitteilte. Dass eine Therapie gegen Angststörungen in der Frühe weitaus wirksamer ist als am Abend, führen die Wissenschaftler auf den höheren Cortisol-Spiegel des Menschen am Morgen zurück. Cortisol ist ein körpereigenes Hormon, das Lernprozesse fördert.

Das Hormon wird morgens vom menschlichen Körper in viel größeren Mengen ausgeschüttet als am Abend. "Cortisol verstärkt Lern- und Gedächtnisprozesse – und Psychotherapie ist nichts anderes als ein Lernprozess", erklärte die Saarbrücker Psychologin Johanna Lass-Hennemann.


Aber das nur nebenbei.

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Broken Wing
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Beitrag Do., 24.07.2014, 22:03

Und wieso sollte man eine Spinnenphobie abbauen?
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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hope_81
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Beitrag Do., 24.07.2014, 22:09

Wieso gehen Menschen in Therapie?
Moment..... Ach ja, weil ein Verhalten Leid erzeugt, es die Lebensqualität einschränkt....
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
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pandas
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Beitrag Fr., 25.07.2014, 13:51

@ Rabe

Ob man PT unter einem Lernbegriff sieht / sehen kann, ist sicherlich mit abhängig von der Definition von Lernen. Wobei meines Wissens sich die Psychologie allgemein als Fach extra explizit von der Pädagogik abgrenzt - unterschiedliche Theorien von der Entwicklung des Selbsts als auch unterschiedliche Aufgaben. Beim Lernen, gerade in der Schule geht es doch auch zu einem großen Teil um Wissensvermittlung, natürlich in Zusammenhang mit der Förderung von Fähigkeiten und Talenten des Einzelnen.

Und gerade das erscheint mir in der PT nicht relevant zu sein: Fragen nach Methodik wie auch Fachkunde sind bspw. nicht vorgesehen. Mein ehemaliger Analytiker meinte auf eine explizite Nachfrage von mir, er würde prinzipiell nichts von der Fachkunde her erklären.

In Bezug auf den Thread finde ich schlicht auch den Gedanken falsch, in der PT gebe es eine Verantwortung für den Patienten, indem er/sie das annehmen soll, was der Therapeut vorgibt - der Therapeut sollte nichts vorgeben, sondern die Seele und die Veränderungsmöglichkeiten gemeinsam mit dem Patienten erkunden.
Sobald der Therapeut auf eine Sichtweise besteht, die der Patient nicht für förderlich hält, kann das Ganze kippen - aber das ist dann die Verantwortung des Therapeuten.

Ganz anders ist es bei einem Schüler, der seine Mathematikhausaufgaben nicht machen möchte, auch wenn der Unterricht zu trocken ist. Ich sehe da die Verantwortung beim Schüler, zu versuchen, sich das schulische Wissen anzueignen. Der Lehrer hat natürlich auch die Verantwortung, das Wissen gut zu vermitteln, aber der Schüler kann es nicht nur auf den Lehrer schieben, wenn er keine Lust hat etc. Da es eben Basiswissen ist. In der PT gibt es kein Basiswissen, welches der Patient auf jeden Fall zu verdauen hätte.

Zu der Spinnenphobie:
Sehr spezifisch. Vielleicht kann man eine Unterscheidung treffen zwischen Patienten, die wegen einer solchen spezifischen Sache in PT kommen und welche, die psychische Krankheiten wie Depression etc. haben.
Zudem geht es hier um Verhaltenstherapie, diese hat mitunter eher Ziele, die Lernzielen gleichen: Ich habe keine Angst vor Spinnen mehr, weil ich nun weiss, dass diese nicht eklig und nicht giftig sind (bzw. nicht immer sein müssen).
Dennoch, auch eher Angebote.
In der DBT gibt es auch bestimmte Werkzeuge, die der Patient ausprobiert, er entscheidet aber selbst, welche für ihn sinnvoll sind.
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stern
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Beitrag Fr., 25.07.2014, 16:14

pandas hat geschrieben:Und gerade das erscheint mir in der PT nicht relevant zu sein: Fragen nach Methodik wie auch Fachkunde sind bspw. nicht vorgesehen. Mein ehemaliger Analytiker meinte auf eine explizite Nachfrage von mir, er würde prinzipiell nichts von der Fachkunde her erklären.

In Bezug auf den Thread finde ich schlicht auch den Gedanken falsch, in der PT gebe es eine Verantwortung für den Patienten, indem er/sie das annehmen soll, was der Therapeut vorgibt - der Therapeut sollte nichts vorgeben, sondern die Seele und die Veränderungsmöglichkeiten gemeinsam mit dem Patienten erkunden.
Und man stelle sich mal vor, man wäre beim Zahnarzt... und der sagt: Also ich erkläre prinzipiell nichts von der Fachkunde her... und dem Patient wird dann einfach eine Brücke eingesetzt, weil der Zahnarzt diese nach eigenen Erwägungen als am passendsten ansieht. Selbstverständlich fällt auch die Aufklärung über Behandlungsalternativen weg, etc.

Eingriffe in die Psyche sind (sicherlich auch je nach Patient und worum es geht) mMn nicht weniger invasiv (nur auf eine andere Art und Weise)... eine geisse Aufklärungspflicht ist mittlerweile sogar gesetzlich vorgesehen... eigentlich (bin ja mal gespannt, wie das umgesetzt wird).

Und man muss ja auch ein bisschen unterscheiden: Wenn man einen Patienten hat, der von wesentlichen Punkten dadurch ablenkt, dass er den Behandler in fachtheoretische Gespräche verwickeln will, ist sicherlich eine anderer Umgang erforderlich als z.B. bei einem Patient, der (überspitzt gesagt) schon bei der Vortellung, dass er sich in die Hände eines Arztes begeben muss, kollabiert.

So kann man eben nicht pauschal sagen, Aufklärung bzw. Nicht-Aufklärung ist ein Fehler... aber "Fehler" können sicherlich aus Fehleinschätzung resultieren... also z.B. wenn man dem kollabierenden Patient sagt (überspitzt): Also, sie müssen mir jetzt blind vertrauen. Aufklärung fällt flach, ich bin der Arzt. Ebenso wenn sich eine Therapie dahin entwickelt, dass anstelle bearbeitungsrelevanter Themen zunehmend Methoden-Gespräche geführt werden (Schwierigkeiten mit einem Vorgehen sind jedoch anzusprechen).

Ist doch beim Arzt dasselbe... z.B. Zahnarzt. Beim einen Patient ist es von Vorteil, wenn das Vorgehen während der Behandlung kleinschrittig erläutert wird... der andere Patient hört besser in Hypnose Urlaubsmusik. Beim nächsten Patienten ist das egal. Und dann gibt es auch nicht sooo einfühlsame Ärzte, die trotzdem x-mal das Wort Blut, großes Skalpell bitte oder whatever 10x erwähnen, obwohl...
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Rabe
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Beitrag Di., 29.07.2014, 13:03

@ Pandas

Die Verhaltenstherapie hat, anders als die Psychoanalyse, einen lerntheoretischen Hintergrund. Wenn man Autoren wie Stavemann (Koryphäe der kognitiven Verhaltenstherapie) liest, geht es da ganz explizit um Wissen, z.B. über Emotionen, und um den richtigen Umgang mit ihnen, den man durch die Einwirkung des Therapeuten erwirbt, z.B. durch sokratische Dialoge, verordnete Übungen.

Mein Lernbegriff unterscheidet sich stark von Deinem.

Bei Dir (scheint mir) kommen die Lernziele von außen, werden mehr oder minder aufgenötigt, weil irgendwer beschlossen hat, dass man bestimmte Dinge beherrschen soll.

Ich denke eher an ein Kind, das etwas können will, weil es gesehen hat, wie andere das tun: Lesen, Seil springen, eine Mütze häkeln, Geige spielen. Beim Seilspringen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind selbst herausfindet, wie es geht. Bei den anderen Tätigkeiten wird es fast immer auf die Unterstützung anderer, die schon können, angewiesen sein.
Die Situation, dass jemand können will, aber nicht weiß, wie man zum Können kommt, ist im Leben gar nicht so selten.

Kein Kind muss Seilspringen lernen, aber manchmal erspart man ihm ein frustriertes "(sogar) dafür bin ich zu blöd", wenn man mit ihm die anderen Kinder beobachtet und darauf aufmerksam macht, dass sie beim Springen aufrecht stehen und sich nicht in der Hüfte nach vorne knicken.
In Bezug auf den Thread finde ich schlicht auch den Gedanken falsch, in der PT gebe es eine Verantwortung für den Patienten, indem er/sie das annehmen soll, was der Therapeut vorgibt
Dergleichen habe ich nicht sagen wollen (und, soweit ich das beurteilen kann, auch nicht gesagt).
Dieser Satz verbindet Dinge, die für mich nicht - und schon gar nicht automatisch - zusammengehören.
Es gibt eine Verantwortung von Thearpeut/Therapeutin für den Patienten/die Patientin. Ja.
Aber: Nicht indem der Therapeut etwas vorgibt, das die Patientin annehmen soll.
Obwohl auch Pychoanalytikerinnen einfach festlegen, dass Suizid keine gute Lösung ist.

Worauf ich hinaus wollte:

Nicht wollen zu können, sich nicht dürfen zu trauen, nicht zu wissen, ob man überhaupt etwas will - dergleichen gehört für mich zur Störung/Krankheit/Problemlage und ist nicht einfach mangelnde Mitarbeit des Patienten. Trotz Unwillensbekundung von Patientin, Schüler u.ä. einen Weg zu finden, der Entwicklung doch ermöglicht, gehört in den Verantwortungsbereich von TheapeuIn, LehrerIn, bei allen Unterschieden zwischen Lernen und Therapie umso mehr, je grundlegender die Dinge sind, um die es geht.

Ich bin der Ansicht, dass sich TherapeutInnen, LehrerInnen, Eltern nicht einfach von einem "ich mag nicht, das kann ich nicht, das schaffe ich nie" abschrecken lassen sollten. Und zwar u.a. dann, wenn in solchen Äußerungen Gegenläufiges spürbar ist: "Eigentlich würde ich ja doch ganz gern, aber ..."

In Unterrichtssituationen geht es dabei um das Wecken von Motivation und das Eröffnen von Lernmöglichkeiten, in der Psychotherapie um den Umgang mit Ambilvalenz.

Das Wissen um Ambivalenzen (Gleichzeitigkeit von gegenläufigen Wünschen, Gleichzeitigkeit von Wollen und Nicht-Wollen) gehört zum Grundbestand der tiefenpsychologischen Verfahren.
Dabei hat Therapeut/Therapeutin die Verantwortung, sich nicht im Irrgarten widerstreitender Gefühle zu verlaufen.

Die Verantwortung liegt u.a. darin, nicht einfach der lautesten unter den vielen Stimmen im Patienten recht zu geben (etwa der des beschädigten Selbstwertgefühls, das nur noch schreit, dass eh alles keinen Sinn hat), darin, an Veränderungsmöglichkeiten zu glauben, auch wenn die Patientin das nicht tut. Darin liegt durchaus so etwas wie ein Wissens- oder wenigstens ein Hoffnungvorsprung.

Ein Therapeut, eine Therapeutin muss in der Lage bleiben, den destruktiven Stimmen zu widersprechen, um seine/ihre Aufgabe nicht zu verfehlen.


montagne
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Beitrag Di., 29.07.2014, 16:52

Ich kann mich vielem hier anschließen. Von den neuesten Beiträgen, denen von rabe. Mal al Exkurs, Pädagogik und Psychologie brauchen einander. Es gibt natürlich Unterschiede, abet eben auch Gemeinsamkeiten. Und Lernprozesse sind es immer. Man lernt das Alphabet, höhere Mathematik, etwas über sich und sein Innenleben, neue Verhaltensweisen, neuen Umgang mit sich und seinen Gefühlen, man lernt seine Vergangenheit kennen oder die der Erdgeschichte oder die der EU. Immer lernt man. Und ja erzwingen laesst es sich nie, aber es gibt immer unterschiedliche Methoden, Lernprozesse, eine innere Öffnung anzuregen. Es liegt schon in der Verantwortung des Therapeuten, die für den Klienten passenden Methoden auszuwählen.

Nur eins geht mir bei dem Thread immer wieder im Kopf rum. Und das sind Konsequenzen. Egal wem ich die Verantwortung zuschiebe, die Konsequenzen trage immer ich als Klientin. Auch dann, wenn man sagen würde, ich bin nicht in der Lage das zu verantworten. Ein Kind das sich weigert zu lernen oder es schlicht mit den angebotenen Methoden nicht kann, trägt dennoch die Konsequenzen einer verkorksten Schulkarriere und das lebenslang.

So ist es letztlich ja auch mit der Therapie. Also was bleibt übrig, außer die Verantwortung zu tragen? Da man die Konsequenz ja eh trägt. An der Stelle gibt es sicher so einige Widersprüche, da man am besten können soll, was man eigentlich erst lernen muss.
amor fati


Jenny Doe
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Beitrag Di., 29.07.2014, 17:15

@ Pandas,

ich habe meine Therapien als Lernprozess erlebt. Egal, ob ich nun Zusammenhänge zwischen meiner Symptomatik und deren Ursache begreife oder ob ich lerne, mit meinen Problemen und Symptomen umzugehen, oder ob ich lerne, wie meine Problematik entsteht (z.B. Teufelskreislauf der Angst oder Zusammenhang zwischen chronischer körperlicher Erkrankung und Stress) oder ob ich durch Beobachtung z.B. lerne, dass bei mir Angst entsteht, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf meine physiologischen Reaktionen lenke, ... Die gesamte Therapie hat für mich was mit lernen zu tun.

@ montagne
Egal wem ich die Verantwortung zuschiebe, die Konsequenzen trage immer ich als Klientin.
Wie wahr!

Obwohl sich mir diesbezüglich die Frage stellt, ob Therapeuten nicht auch mit den Konsequenzen leben müssen, wenn z.B. eine Therapie scheitert, z.B. Selbstvorwürfe, Angst bei anderen Klienten auch was falsch machen zu können, Schuldgefühle, Infragestellung der eigenen Kompetenz usw. bis hin zu möglichen juristischen Konsequenzen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


montagne
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Beitrag Di., 29.07.2014, 17:44

Klar auch Therapeuten müssen das! Und das vielleicht mehr als man denkt. Nur dennoch haben Klienten da meiner Meinung nach mehr zu tragen. Existenzen können erschüttert werden oder aufgebaut oder man bleibt im Sumpf.
Im Grunde ist es ja extrem viel ob man arbeits- und beziehungsfaehig da raus geht oder das nicht schafft und noch den Mut verloren hat.
Und auch vom Aspekt der korrigierenden Beziehungserfahrung her, ob kranke Muster bestätigt werden oder man irgendwie, vielleicht zum ersten Mal positive Erfahrungen macht. Elementarer gehts kaum. Das erscheint mir so weitreichend und das, wo viele Stoerungen bedingen Probleme mit Eigenverantwortung zu haben. (Auch die Stoerungen, die auf einem Rückzug auf das Ich basieren, wenn man nur etwas tiefer schaut.
amor fati


Thread-EröffnerIn
Widow
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Beitrag Di., 29.07.2014, 20:03

Rabe hat geschrieben:TherapeutIn hat die Aufgabe zu verstehen, was gerade geschieht, und dann anders darauf zu reagieren (auch innerlich), als es die Erfahrungsmuster vorgeben - vor allem die Erfahrungsmuster von Patient/Patientin, doch auch die eigenen, sofern sie destruktiv sind.
Das ist jetzt aber extrem idealistisch!
Ich jedenfalls verlange derartiges "meinem" Therapeuten nicht ab. (Und sein Verhalten hat mich auch nicht darin bestärkt, ihn in dieser Weise zu idealisieren. )
Rabe hat geschrieben: Was den Veränderungswunsch betrifft zwei nicht zusammenpassende Ideen:
- der Wunsch muss nicht lauten, dass alles gut werden soll, in aller Spitzfindigkeit ist auch etwas verstehen zu wollen ein Wunsch nach einer Veränderung, vom Nichtwissen zum Wissen halt
- Suizidalität ist meinem Verständis nach die radikalste Ausdrucksform des Wunsches nach einer Veränderung, die man selbst nicht herbeiführen kann, mit dem Tod als herbeiführbarer Lösung.
Idee 1 finde ich wirklich einfach nur spitzfindig (bzw. in ihrem Aussagegehalt belanglos, denn dann ist es auch ein "Veränderungswunsch", die Zähne putzen, in der Nase bohren oder statt der Decke die Wand anstarren zu 'wollen').
Idee 2 ist für mich sehr akzeptabel: Ja, der Suizid ist wohl der größte vorstellbare "Veränderungswunsch". (Insofern muss ich mich korrigieren: Einen Veränderungswunsch habe ich in Leben Nr. 2 immer gehegt und hege ihn noch.)
Rabe hat geschrieben:Die Verantwortung liegt u.a. darin, [...] an Veränderungsmöglichkeiten zu glauben, auch wenn die Patientin das nicht tut. Darin liegt durchaus so etwas wie ein Wissens- oder wenigstens ein Hoffnungvorsprung. [...]
Ein Therapeut, eine Therapeutin muss in der Lage bleiben, den destruktiven Stimmen zu widersprechen, um seine/ihre Aufgabe nicht zu verfehlen.
Wenn Du das glaubst, dann verstehe ich nicht Deine Überlegungen zur Ambivalenz. Wenn das
Rabe hat geschrieben: Wissen um Ambivalenzen
zum "Grundbestand der tiefenpsychologischen Verfahren" gehört, dann kann es doch nicht eins der 'Lernziele' einer entsprechenden Psychotherapie sein, dass alles Destruktive systematisch beschnitten und ihm permanent "widersprochen" wird?

Das ist etwas, was mich extrem nervt an 'Psychotherapie': Dieses gleichsam ideologische Dauergrinsen (auf dem warmen, weichen TherapeutInnen-Sessel), das nichts "Destruktives" gelten lassen kann - und damit massiv gegen das Realitätsprinzip verstößt.

Wenn ich an dem Punkt bin, dann weiß ich immer, dass die Ausgangsfrage des Threads (die ich wohlgemerkt selbst gestellt habe) eine ziemlich sinnlose ist.

Denn: Ja, montagne,
montagne hat geschrieben: Egal wem ich die Verantwortung zuschiebe, die Konsequenzen trage immer ich
, ja, das sehe ich genauso wie Du.
Nur glaube ich nicht, dass die Tatsache, dass man die Konsequenzen nicht nur für alles, was man selbst tut, sondern auch für alles, was einem widerfährt, selber tragen muss, dazu angetan ist, einen mehr Verantwortung für sich übernehmen zu lassen.
- Im Gegenteil, mir scheint, dass sich die Frage nach der eigenen Verantwortung dann immer weniger stellt. (Im Sinne von: 'Kann ich eh nichts dran ändern'.)
Ob das tatsächlich so ist, weiß ich nicht.
Aber es entspricht den Erfahrungen, die ich in meinem nunmehr bald 47-jährigen Leben gemacht habe.


Allen, die hier geschrieben haben und schreiben, erneut meinen Dank für die lebhafte Diskussion!
Widow

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stern
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 19:36

Ich glaube (mittlerweile): Wer Schuld nicht annehmen kann (und abwehren muss), kann auch Verantwortung (für Fehler) nicht übernehmen - gleichgültig ob Therapeut oder Patient.

So Konstrukten wie "um Schuld geht es nicht, sondern um Verantwortung [die du nicht übernommen hast]" halte ich nicht so viel. Sondern das sehe ich mittlerweile eher als Schuldabwehr.

Verantwortung ist das, was ich übernehme(n kann, muss, sollte, darf...), um mich nicht schuldig zu machen.

Vielleicht erkenne ich aber auch den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung nicht so deutlich.

Kunst ist eher, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Verantwortung zu übernehmen. Zuviel Verantwortungsabgabe verhindert Veränderung (na ja, der Therapeut/Patient ist ja verantwortlich blabla, nicht ich). Und unter überdimensionierter Verantwortungsübernahme kann man sich gleich begraben.

Wer schuldunfähig ist, war auch nicht "verantwortungsübernahmefähig".

Das Eiern von Althaus nach einem Skiunfall mit tödlichem Ausgang für eine Skifahrein wurde auch mal im Forum diskutiert:

"Schuld ist nicht die richtige Kategorie, um ein solch tragisches Unglück zu bewerten. Ich fühle mich aber verantwortlich."
viewtopic.php?f=26&t=7945&start=30

Später ruderte er wieder zurück. Ich glaube auch, dass Schuld und Verantwortung verknüpft sind (Schuld als nicht übernommene Verantwortung, die jemandem oblegen hätte... auf welcher Grundlage auch immer).

Und ja, sowohl Verantwortungsübernahme als auch Verantwortungsabgabe hat Konsequenzen (consequere => nachfolgen).
Liebe Grüße
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stern
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 21:30

Rabe hat geschrieben:TherapeutIn hat die Aufgabe zu verstehen, was gerade geschieht, und dann anders darauf zu reagieren (auch innerlich), als es die Erfahrungsmuster vorgeben - vor allem die Erfahrungsmuster von Patient/Patientin, doch auch die eigenen, sofern sie destruktiv sind.
Ja, würde ich ähnlich sehen. Gut, innerlich ist so eine Sache... aber auf jeden Fall hat TherapeutIn die Aufgabe sich im Äußeren professionell zu verhalten. Verhalten entsprechend destruktiver Erfahrungsmuster bestätigt diesselben ja nur... dazu könnte man sich auch an die Quelle destruktiver Erfahrungen begeben, wozu es keinen Therapeuten braucht.
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Auch das möchte ich bejahen. Vielleicht versteht auch der Therapeut das Muster nicht.
Die Verantwortung liegt u.a. darin, nicht einfach der lautesten unter den vielen Stimmen im Patienten recht zu geben (etwa der des beschädigten Selbstwertgefühls, das nur noch schreit, dass eh alles keinen Sinn hat), darin, an Veränderungsmöglichkeiten zu glauben, auch wenn die Patientin das nicht tut. Darin liegt durchaus so etwas wie ein Wissens- oder wenigstens ein Hoffnungvorsprung.
Auch dazu ja... etwas uneinheitlich bin ich jedoch, ob es darum geht, destruktiven Stimmen zu widersprechen (das ist [soweit ich weiß] auch etwas Schulen- bzw. Konzeptfrage bzw. womit eine Patient besser kann). Jedenfalls kann bereits Akzeptanz eine gewisse Veränderung bewirken.

Eine Therapeutin (bei der ich nicht "hängen blieb" ) verdeutlichte mir mal, dass destruktive Gedanken mitunter auch radikalere Maßnahmen benötigen würden... und schlug vor, eben diese Gedanken mit einem Beil zu zerhacken. Also eine recht radikale Form des "Widerspruchs/Nichtannahme". Mag manchen gut tun, manchen nicht. Insofern:
Pandas hat geschrieben:In Bezug auf den Thread finde ich schlicht auch den Gedanken falsch, in der PT gebe es eine Verantwortung für den Patienten, indem er/sie das annehmen soll, was der Therapeut vorgibt - der Therapeut sollte nichts vorgeben, sondern die Seele und die Veränderungsmöglichkeiten gemeinsam mit dem Patienten erkunden.
Sobald der Therapeut auf eine Sichtweise besteht, die der Patient nicht für förderlich hält, kann das Ganze kippen - aber das ist dann die Verantwortung des Therapeuten.
Ich würde es auf jeden Fall (auch) als meine Verantwortung (mir selbst gegenüber) ansehen, abzuwägen, was ich annehme... höhö, ich trage ja auch die Konsequenzen. Eine Nur-Erkundungsreise kann jedoch evtl. zu kurz greifen... also Veränderung sollte natürlich schon Ziel sein (und ist es aus kassentechnischer auch). Wenn nicht: Wozu dann Therapie? Und doch, ich würde es schon etwas als Aufgabe des Therapeuten ansehen, notfalls auch nach passenden Ansätzen zu suchen (oft gibt es ja verschiedene Möglichkeiten).

Ein Therapeut hat auch die Verantwortung, die Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen (auch insofern übernimmt ein Therapeut Modellfunktion). Ich möchte annehmen, dass dazu auch nicht jeder Therapeut in der Lage ist. Durch komplexe Übertragungdynamiken werden dann vielleicht Opfer zu Tätern gemacht. Ein Behandlungfehler ist in einem Bericht vielleicht plötzlich Störung des Patienten ebenso wie die gesunde Abwehr eines Patienten, usw. Oder anders formuliert: Für wichtig erachte ich, Abgrenzung ob ein Therapeut tatsächlich etwas falsch machte (für das ihm die Verantwortung oblegen wäre), was ist Störung des Patienten und was ist "gesundes Patientenverhalten" (z.B. vgl. Pandas: Auch die Nichtannahme von Vorgaben kann gesund sein, muss jedoch nicht bzw. ein Nicht-Wollen muss nicht unbedingt Störung sein, kann aber, vgl. Rabe).
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montagne
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Beitrag Sa., 02.08.2014, 13:05

Ja sehe ich auch so widow. Das meinte ich auch. Man trägt auch Konsequenzen dessen, was mehr oder weniger oder komplett ausserhalb des eigenen Gestaltungsspielraums liegt. Da muss jeder für sich damit umgehen, die Grenze zwischen dem zu ziehen, was man gestalten kann und was nicht. Vllt. heißt Verantwortung nur, diese Grenze immerhin bewusst zu ziehen.
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