@ Pandas
Die Verhaltenstherapie hat, anders als die Psychoanalyse, einen lerntheoretischen Hintergrund. Wenn man Autoren wie Stavemann (Koryphäe der kognitiven Verhaltenstherapie) liest, geht es da ganz explizit um Wissen, z.B. über Emotionen, und um den richtigen Umgang mit ihnen, den man durch die Einwirkung des Therapeuten erwirbt, z.B. durch sokratische Dialoge, verordnete Übungen.
Mein Lernbegriff unterscheidet sich stark von Deinem.
Bei Dir (scheint mir) kommen die Lernziele von außen, werden mehr oder minder aufgenötigt, weil irgendwer beschlossen hat, dass man bestimmte Dinge beherrschen soll.
Ich denke eher an ein Kind, das etwas können will, weil es gesehen hat, wie andere das tun: Lesen, Seil springen, eine Mütze häkeln, Geige spielen. Beim Seilspringen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Kind selbst herausfindet, wie es geht. Bei den anderen Tätigkeiten wird es fast immer auf die Unterstützung anderer, die schon können, angewiesen sein.
Die Situation, dass jemand können will, aber nicht weiß, wie man zum Können kommt, ist im Leben gar nicht so selten.
Kein Kind muss Seilspringen lernen, aber manchmal erspart man ihm ein frustriertes "(sogar) dafür bin ich zu blöd", wenn man mit ihm die anderen Kinder beobachtet und darauf aufmerksam macht, dass sie beim Springen aufrecht stehen und sich nicht in der Hüfte nach vorne knicken.
In Bezug auf den Thread finde ich schlicht auch den Gedanken falsch, in der PT gebe es eine Verantwortung für den Patienten, indem er/sie das annehmen soll, was der Therapeut vorgibt
Dergleichen habe ich nicht sagen wollen (und, soweit ich das beurteilen kann, auch nicht gesagt).
Dieser Satz verbindet Dinge, die für mich nicht - und schon gar nicht automatisch - zusammengehören.
Es gibt eine Verantwortung von Thearpeut/Therapeutin für den Patienten/die Patientin. Ja.
Aber: Nicht indem der Therapeut etwas vorgibt, das die Patientin annehmen soll.
Obwohl auch Pychoanalytikerinnen einfach festlegen, dass Suizid keine gute Lösung ist.
Worauf ich hinaus wollte:
Nicht wollen zu können, sich nicht dürfen zu trauen, nicht zu wissen, ob man überhaupt etwas will - dergleichen gehört für mich zur Störung/Krankheit/Problemlage und ist nicht einfach mangelnde Mitarbeit des Patienten. Trotz Unwillensbekundung von Patientin, Schüler u.ä. einen Weg zu finden, der Entwicklung doch ermöglicht, gehört in den Verantwortungsbereich von TheapeuIn, LehrerIn, bei allen Unterschieden zwischen Lernen und Therapie umso mehr, je grundlegender die Dinge sind, um die es geht.
Ich bin der Ansicht, dass sich TherapeutInnen, LehrerInnen, Eltern nicht einfach von einem "ich mag nicht, das kann ich nicht, das schaffe ich nie" abschrecken lassen sollten. Und zwar u.a. dann, wenn in solchen Äußerungen Gegenläufiges spürbar ist: "Eigentlich würde ich ja doch ganz gern, aber ..."
In Unterrichtssituationen geht es dabei um das Wecken von Motivation und das Eröffnen von Lernmöglichkeiten, in der Psychotherapie um den Umgang mit Ambilvalenz.
Das Wissen um Ambivalenzen (Gleichzeitigkeit von gegenläufigen Wünschen, Gleichzeitigkeit von Wollen und Nicht-Wollen) gehört zum Grundbestand der tiefenpsychologischen Verfahren.
Dabei hat Therapeut/Therapeutin die Verantwortung, sich nicht im Irrgarten widerstreitender Gefühle zu verlaufen.
Die Verantwortung liegt u.a. darin, nicht einfach der lautesten unter den vielen Stimmen im Patienten recht zu geben (etwa der des beschädigten Selbstwertgefühls, das nur noch schreit, dass eh alles keinen Sinn hat), darin, an Veränderungsmöglichkeiten zu glauben, auch wenn die Patientin das nicht tut. Darin liegt durchaus so etwas wie ein Wissens- oder wenigstens ein Hoffnungvorsprung.
Ein Therapeut, eine Therapeutin muss in der Lage bleiben, den destruktiven Stimmen zu widersprechen, um seine/ihre Aufgabe nicht zu verfehlen.