Kann man Trauer 'nachholen'?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.

montagne
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 19:31

Liebe Else,
meine Erfahrung ist, ja man kann jeder zeit auf den Zug aufspringen (und auch wieder abspringen). man kann einen angehaltenden Trauerprozess weiter führen. Ich bin nach fast 20 Jahren auf so einen Zug aufgesprungen. Habe getrauert, den Prozess durchlebt, von "es kann nicht sein" bis...
Ich denke es ist okay nun... für mich. ich denke aber eine so tiefe Bidnung, wie du sie ja auch zu deinem bruder hattest, wird eben eine entsprechende Wunde hinterlassen. Die heilt, die vernarbt, aber es ist dan eben eine große, tiefe Narbe, eine die auch mal Schmerzen kann.
Denke aber auch das ist okay. Das ist das Leben.
Ich hoffe du findest deinen Weg, der auch ein kleines bisschen noch seiner ist und findest deinen Frieden.
amor fati

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Dampfnudel
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Beiträge: 1138

Beitrag So., 15.05.2011, 11:01

Liebe Else,

ich habe gerade ein bisschen bei Amazon gestöbert und bin dabei auf das Buch "Angst zu trauern. Trauerabwehr in Bindungstheorie und psychotherapeutischer Praxis" (siehe http://www.amazon.de/trauern-Trauerabwe ... 48&sr=1-44) gestoßen. Bei der Kurzbeschreibung steht: "Oft ist es eine unbewußte Trauerabwehr, die Fortschritte im therapeutischen Prozeß verhindert. Wie Trauer im therapeutischen Prozeß "nachgeholt" werden kann, zeigt der Autor an vielen Beispielen."

Da fiel mir Dein Threadtitel ein, und ich dachte, ich schreibe Dir das mal. Vielleicht ist es ja was für Dich.
Ich habe mir jetzt nicht den ganzen Thread durchgelesen, daher bitte ich um Entschuldigung, falls das schonmal vorkam.

Liebe Grüße
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.

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Elfchen
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Beiträge: 2845

Beitrag So., 15.05.2011, 11:48

liebes elsi

ich denke da wie vallée, und gleichzeitig bin ich der meinung, dass du dich selbstverständlich auf einem - nämlich deinem individuellen- weg befindest.
was mir etwas sorgen macht ist, dass mir deine symptome gut bekannt vorkommen. fühlt sich so ein wenig an, als würde dein körper stopp sagen. dieser schwindel, dieses rauschen, das sind zeichen der überforderung. zu irgendwas ist deine seele noch nicht bereit. irgendwann wird sie es sein, und auf dem weg dahin erfährst du auch passiv eine heilung.

liebe, tapfere elsi! fühl dich lieb gedrückt
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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Thread-EröffnerIn
Else
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Beiträge: 745

Beitrag So., 15.05.2011, 12:41

Liebe ENI, Una, bittersweet, vallée, Dampfnudel, Elfchen,

ich danke Euch so sehr für Eure "Anteilnahme". Ja, dieses auch (endlich mal) mit anderen zu "teilen" und Anteil zu erfahren an sich und dass ich mich mit meinem etwas schrägen Verhalten bei diesem Thema nicht ständig negativ hinterfragen muss, macht mich schon ein kleines bisserl mutiger, da jetzt nicht aufzugeben. Bisher (und seit Jahren) versuche ich ja nun schon erfolglos, mich da selbst durchzubrökeln. Abwärtspirale in Garantieleistung enthalten....

Ich musste / hatte den Wunsch, dass von Euch Gesagte alles erst einmal sacken lassen, um da wirklich weiter zu kommen und mir auch die Zeit zu geben, das wirklich an mich ran zu lassen und nicht in meiner "Zack-zack-muss-funktionieren-Manier" zu bearbeiten.

Es ist sehr lieb von Euch, aber (insbesondere ENA) macht Euch keine Gedanken, was mir zugemutet werden kann. Ich freue mich über jeden Gedanken, Anstupser, Augenöffner und kann ja selbst entscheiden, erstmal wieder raus zu gehen oder nicht zu lesen, Gedanken zuzulassen oder sie erstmal hinten an zu stellen, wenns mir grad zuviel wird, wie geschehen.
Una hat geschrieben:Mir wird auch klar, warum Du nicht dran kannst: Du steckst noch mitten drin- durch die Eltern.
Ja, es ist schwer, wenn alles immer noch genährt wird durch aktuelle Geschehnisse. Da wiederholt sich einfach so viel von dem, was mir ja so Schwierigkeiten bereitet.
Una hat geschrieben:Du hast sogar Deine Krebserkrankung verheimlicht!!!
Wie geht es Dir jetzt gesundheitlich?


Mir geht es gut heute.

Ja, das verheimlichen empfinde ich selbst als "komisch"! Aber leider ist das recht typisch für mich. Ich hätte es komplett verheimlicht, wenn nicht -durch die OP und Krankenhausaufenthalt- die Chance der Aufdeckung gegeben gewesen wäre und mein Ex hätte lügen müssen.
Una hat geschrieben:Woher kommt diese Rolle, liebe Else?

Das ist unmenschlich!
Ich weiß es wirklich nicht, liebe Una. Ich hab viele Ansätze in meinen Gedanken, aber alle diese rechtfertigen dieses Verhalten von mir nicht vollumfänglich. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist da wohl auch nicht ganz unerheblich und da ist es fast Ironie des Schicksals, dass sie jetzt die einzig Verbleibende ist, mit der ich mich auseinandersetzen muss.
Una hat geschrieben:Es ehrt Dich, wie Du Dich einsetzt, aber es macht Dich verrückt.
Ich glaube Du mußt lernen loszulassen.
Ich kann so schlecht los lassen, wenn ich sehr bald und deutlich Konsequenzen eben obgleich dieses Loslassens spüre und sehe... und weiß bzw. wüsste, sie sind in MEINEM Verhalten begründet. Klar, kann/könnte man sagen, meine Eltern sind alt genug, die Verantwortung zu übernehmen, aber, meine Brüder vorher, und jetzt mein Paps, KÖNNEN das nicht mehr und da ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, die meine zu übernehmen.

Vallée, es macht mir wirklich großen Mut, dass Du beschreibst, dass es funktionieren kann. Ich hatte schon große Befürchtungen, dass da einfach meine Chance vertan ist.
vallée hat geschrieben:Ich denke es ist okay nun... für mich. ich denke aber eine so tiefe Bidnung, wie du sie ja auch zu deinem bruder hattest, wird eben eine entsprechende Wunde hinterlassen. Die heilt, die vernarbt, aber es ist dan eben eine große, tiefe Narbe, eine die auch mal Schmerzen kann
Dass da eine große Narbe bleibt, ist/wäre für mich völlig ok und dass immer mal wieder Schmerz aufkommt, auch! Dass ich ständig nur mit dieser offenen Wunde rumlaufe, und jeder Krumen Salz die Heilung verhindert bzw. die Wunde eigentlich noch vergrößert, eben nicht.

Danke Dir, Dampfnudel, für den Buchtipp. Eine gute Idee. Ich hatte auch schonmal in Bücherläden gestöbert, aber immer nur diese "ganz normalen" Trauerbücher/-ratgeber gefunden, die mich ja nunmal kein Stückchen weiter bringen, sondern eigentlich das Gegenteil erzeugen, weil die eigene Unzulänglichkeit da nur noch geschürt wird für mich.
Elfchen hat geschrieben:was mir etwas sorgen macht ist, dass mir deine symptome gut bekannt vorkommen. fühlt sich so ein wenig an, als würde dein körper stopp sagen. dieser schwindel, dieses rauschen, das sind zeichen der überforderung. zu irgendwas ist deine seele noch nicht bereit. irgendwann wird sie es sein, und auf dem weg dahin erfährst du auch passiv eine heilung
Ja, Elfchen, das war schon heftig und darum musste ich auch erstmal einen Cut machen hier. Da brach einfach alles irgendwie auf, völlig ungeordnet, im riesen Schwall und mit so einer Wucht und einem beängstigenden Realitätsgefühl, dass da alles streikte bei mir. Jetzt ist es seit gestern wieder viel besser und ich konnte erneut und ohne dieses Gefühl, dass alles für mich unkontrollierbar wird, wieder hier rein schauen.
Elfchen hat geschrieben:liebe, tapfere elsi! fühl dich lieb gedrückt
liebes elsi
Vielen Dank, liebes Elfchen, das tut gut!

LG Else
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast..... (G.B. Shaw)

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ENA
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Beiträge: 9840

Beitrag So., 15.05.2011, 12:59

Else hat geschrieben:Es ist sehr lieb von Euch, aber (insbesondere ENA) macht Euch keine Gedanken, was mir zugemutet werden kann.

Else hat geschrieben:Ja, Elfchen, das war schon heftig und darum musste ich auch erstmal einen Cut machen hier. Da brach einfach alles irgendwie auf, völlig ungeordnet, im riesen Schwall und mit so einer Wucht und einem beängstigenden Realitätsgefühl, dass da alles streikte bei mir.
Für mich klang das ja schon fast in Richtung angehender Hörsturz oder so etwas...

...aber ...
Else hat geschrieben:Jetzt ist es seit gestern wieder viel besser und ich konnte erneut und ohne dieses Gefühl, dass alles für mich unkontrollierbar wird, wieder hier rein schauen.
...das freut mich doch sehr!!!

...und ja: Man muss/soll sich seine Zeit lassen, die man braucht. Das sage ich mir auch immer wieder, auch wenn es manchmal schwer fällt, danach zu gehen.

Lieben Gruß von mir, ENA!

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