(Ich antworte dir schon mal darauf, dann muss ich los).Besonders gut funktioniert das bei Dingen, die in der Psychologie z.B. als "Angst" bezeichnet werden und eigentlich nicht anderes als eine Streßreaktion sind. Die meisten Leute haben in Wirklichkeit eigentlich vor nichts bestimmten Angst, deshalb ist die Definition eigentlich schon kompletter Schwachsinn - den allerhöchstens besteht die Befürchtung, daß die Streßreaktion wieder auftreten könnte. Und die ist höchst normal, denn wenn jemand z.B. einen Herzinfarkt hat, dann wünscht er sich nicht die Symptome des nächsten herbei.
Ich denke, dass das auch noch nicht eindeutig voneinander abgegrenzt wurde.
Ich kenne aus eigener Erfahrung all diese "Formen der Ängste", die du beschreibst sehr gut und habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass diese nicht ausreichend differenziert wird. Einfach mal ein paar Beispiele aus meinem Leben:
Ich hatte fünf Jahre lang Extremstress und auf diesen mit allen Symptomen reagiert, die für Extremstress typisch sind. Unter anderem war ich nicht mehr in der Lage noch weitere Reize zu verabreiten. Das zeigte sich besonders stark, wenn ich mich in Menschenmassen aufhielt, wo ja tausende von Reizen auf mich einströmten. Aber es reichte auch schon in der Arztpraxis zu sitzen. Ich zuckte zusammen, wenn eine Zeitung knisterte oder jemand hustete. Mir wurde sofort schwindlig. Zuerst hieß es "soziale Phobie, konfrontieren sie sich". Doch jede Konfrontation machte das Problem nur noch schlimmer. Irgendwann wurde mir dann klar, dass mein Problem nicht "Sozialphobie" oder irgendeine andere Angst lautet, sondern "Reizüberflutung in Folge von Extremstress". Eine Konfrontation war in diesem Fall das absolut Verkehrtestes, was ich tun konnte. Ich musste vielmehr zur Ruhe kommen, mich zurückziehen, mich sozusagen selbst deprivieren und mich erst mal keinen Reizen mehr aussetzen. Das wurde mir auch von mehren Ärzten gesagte "Kommen sie zur Ruhe, konzentrieren sie sich auf einen einzigen Reiz". Das tat ich. Und als sich bei mir physiologisch alles wieder halbwegs normalisiert hat, hatte ich auch keine Probleme mehr mit Reizen wie z.B. Menschenmassen.
Auch die Angst vor einem Herzinfarkt kenne ich und finde sie an für sich normal. Denn meine Mutter und meine Oma starben mit 52 daran, beide waren Kettenraucher, ich bin Raucher. Eine völlig normale Angst, denke ich, der man anders begegnen muss als mit einer Konfrontationstherapie. Da waren (und sind) bei mir Arztbesuche angesagt, regelmäßige Herzuntersuchungen und (wenn ich dann irgendwann mal will) eine Therapie zur Zigarettenentwöhnung.
Dann kenne ich noch zwei weitere Formen von Ängste:
Die eine Angst besteht aus Reaktionen auf Reize, die ich mit einem schrecklichen Erlebnis assoziiere, die mich an dieses Erlebnis erinnern. Diese Angststörung war z.B. durch Vermeidungsverhalten charakterisiert. Da ging es nicht ohne Konfrontationstherapie. Ich musste aushören zu vermeiden, ich musste lernen, dass von diesen Reizen heute keine Gefahr mehr ausgeht. Und das ging nur mit Konfrontation. In diesem Fall hat sich die Konfrontation bei mir als wirksam erwiesen.
Ebenso wirksam bei die Konfrontationstherapie bei meinen irrationalen Ängsten, also Ängste, die weder Folge von Stress sind, noch mit einem traumatischen Ereignis assoziiert sind und noch eine normale Reaktion darstellen. Da war eine Konfrontation insofern hilfreich, als dass sie mir dabei half zu begreifen, dass meine Angst irrational ist.
Diese verschiedenen "Formen von Ängste" sind bei mir ein Bespiel dafür, warum ich denke, dass man, wenn man nicht weiß, was normal ist, Gefahr läuft zu psychologisieren und zu pathologisieren. Erst als mir klar wurde, dass die "eine Form der Angst" keine Angst ist, sondern Folge von Extremstress und meine Angst vor einem Herzinfarkt nicht irrational ist, konnte ich die "Angst" sozusagen loslassen.
Und das habe ich nur durch Selbstrefelktion und Selbstanalyse begriffen. In der Therapie wurden diese verschiedenen Angstreaktionen nicht differenziert. Und von anderen Außenstehenden erst recht nicht.
Selbstrefelktion und Selbstanalyse kann somit auch ein Schutz vor Psychologisierung sein.