Darf man Schuld bei den Eltern suchen?

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.
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Rezna
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Beitrag So., 05.09.2010, 22:41

Ein Kind ist definitiv Abhängig von seinen Eltern, auch wirtschaftlich. Es hat keine Wahl. Und das ist mitunter ja das Fatale. JEDER darf Kinder bekommen, es gibt kein Qualifikationssieb - ausser der Fruchtbarkeit. So werden nicht nur reife, umsichtige und verantwortungsvolle Menschen die emphatisch und konsequent ihre Kinder in die Welt einführen können Eltern, sondern potentiell jeder, der es zustande bringt, Sex zu haben.
Mangelnde Reflektion darüber, was einem selber geschadet hat, und was einem selber genützt hätte, aber auch falsches Machtbedürfnis oder emotionale Abhängigkeit (weil ein Kind eben bedingungslos liebt - bis man das erfolgreich kaputt gemacht hat) tun ihr übriges. Manchmal steht auch nur die eigene Selbstverwirklichung als Elternteil oder der soziale Status, der unhinterfragte Anspruch an eine überholte Norm hinter der Elternschaft...
Da kann viel Schaden angerichtet werden.

Natürlich (solange man die Kleinen nicht durch "unsachgemäße Behandlung" tötet) bekommt man die Kinder auf jede noch so derbe unart groß. Es werden Erwachsene an die die Ansprüche auf gleiche oder ähnliche Art gestellt werden - ob nun von fähigen Eltern oder unfähigen Eltern. Die einen, die ein solides Werkzeug für eine konstruktive Zukunft erhalten haben, die anderen, die eher Fesseln und Knebel erhalten haben - und ihren Weg nicht so konstruktiv gehen können - die Defizite erst lernen müssen... was auf solidem Boden auch wieder besser gelingt als auf einer erziehungstechnischen Wüste.

Und das alles unabhängig von finanziellem und sozialem Status - weil menschliche Qualitäten und Liebe sind davon unabhängig - spiele in bestimmten Bereichen durchaus aber hinein. Mitunter bekommt aber jemand aus einem "wirtschaftlich unterprivilegierten" Elternhaus mit reifen Eltern mehr Werkzeugt mit als jemand mit vielelicht reichen Eltern die aber eine menschliche Wüste sind.

Ich denke, um eine Spirale der Unmenschlichkeit zu unterbrechen, ist es essentiell, fehler der Eltern zu erkennen. Denn wenn ich erkenne, wo die Defizite liegen und lagen, die Fehler die meine Eltern bei mir gemacht haben um mich in eine präkere Lage zu bringen - habe ich Chancen, diese zu heilen, zu ändern und sie nicht an meine Kinder weiter zu geben. Negiere ich alle Fehler die meine Eltern machten, lasse Rechtfertigungen zu, gebe ihnen in zweifelhaften Dingen recht, nur um nicht undankbar zu sein - stehen die Chancen gut, die Probleme an meine Kinder weiterzugeben.

Natürlich: Stoppe ich die Spirale durch die Arbeit an mir, trage ich auch die (negative) Geschichte der Famile auf meinem Buckel - lade sie aber nicht auf meine Kinder ab. Vielleicht trage ich mit meiner Kritik den Unmut einer ganzen (oder mehrerer) Generationen... aber das ist es wert, wenn die zukünftigen Generationen sich lastenfrei - und wirklich FREI entfalten können.

Und: Echte Eltern sind auch kritikfähig. Wenn Eltern zusammenbrechen, weil ihr Gottstatus von den erwachsenen Kindern aberkannt wird - Kiritik sie sogar zu fehlbaren Menschen degradiert - dann waren sie sowieso keine guten Eltern.
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EKS
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Beitrag So., 05.09.2010, 22:47

Meine Eltern kann man nicht kritisieren. Die sind dann sofort beleidigt. Auch heute noch, obwohl ich sie ja nicht als Kind, sondern als Erwachsene kritisiere.

Ferner, bei mir in der Familie und im sonstigen Umfeld hat absolut niemand interveniert, dass meine Eltern mich viel zu überbehütet haben aufwachsen lassen, sodass ich total isoliert war...
Warum meine Oma, meine Tante und meine Kusine überhaupt nicht mal irgendwas dagegen gemacht haben, verstehe ich nicht.
Einen Tipp, anonym, kann man dem Jugendamt immer geben. Ich habe so was immerhin auch schon gemacht. Bei meiner Kusine, die absolut nicht in der Lage ist, die psychischen und physischen Probleme ihrer Tochter in den Griff zu bekommen. Die Tochter wird andernfalls echt zu Grunde gehen.

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Rezna
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Beitrag So., 05.09.2010, 23:07

EKS hat geschrieben:Warum meine Oma, meine Tante und meine Kusine überhaupt nicht mal irgendwas dagegen gemacht haben, verstehe ich nicht.
Das Problem ist oft, dass Eltern völlig Beratungsresistent sind. Noch schlimmer, wenn der Hinweis von jemandem kommt, der selber keine Kinder hat. Ich erlebe das immer wieder. Ich sehe was falsch läuft, und es tut mir richtiggehend weh. Sage ich etwas, ernte ich einen Sturm an Beschimpfungen oder Vernunglimpfungen, weil ich ja angeblich keine Ahnung habe, nicht wisse, wie es als Elternteil wäre und obendrein keine Kinder habe und daher nicht kompetent sei. Interessanterweise aber sind in meiner Nähe noch alle Kinder ruhig und sicher geworden, offen und interessiert... die Probleme die man den Kindern andichtete, waren meistens systemische Probleme, projezierte Probleme der Eltern, Vorurteile, falsche Erwartungen... die Kinder nicht sosein lassen sondern sie in ein Korsett zwängen - lang vor dieser Notwendigkeit...

Das Jugendamt kann eine Hilfe sein, muss aber nicht.
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EKS
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Beitrag So., 05.09.2010, 23:14

Wow, das finde ich echt interessant, was du schreibst. Ich denke auch insbesondere bei meinen, dass die mehr als beratungsresistent sind. Das merkt man selbst heute noch. Die lassen ja auch von allen möglichen Seiten keine Kritik zu. Da könnte auch jemand kommen und sagen, dass die einen unvorteilhaften Pullover tragen und die wären beleidigt...
Dass man jemanden so überhaupt nicht kritisieren kann, finde ich definitiv ungewöhnlich. Wenn mir jemand sagt: dir steht orange nicht, dann wird derjenige sich schon etwas dabei denken. Die anderen wollen einem doch i.d.R. auch nicht unbedingt eines reinwürgen, sondern meinen es ja meistens auch gut, denke ich.

Wenn du die anderen berätst, sind das dann eher Freunde von dir, oder wen meinst du da jetzt genau?

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Rezna
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Beitrag So., 05.09.2010, 23:40

In meinem Fall: Geschwister, Freundinnen, Tanten...

Zb. ein kleines Beispiel: Meine Schwester hat extrem mit Karies zu kämpfen. Seit Jahren ist sie fast wöchentlich beim Zahnarzt - welcher kaum in der Lage ist, das Schlachtfeld einzudämmen. Nun hat sie ein Baby bekommen und wenn der Schnuller runte fällt, nimmt sie ihn in den Mund, ehe sie ihn dem Baby gibt - wohl in der Annahme, damit das Kind vor den Bakterien am Boden zu schützen. Meine Mutter hat das auch gemacht. Ich empfinde das als einen groben Fehler, der vielleicht einmal aus Unwissenheit entstand, aber mittlerweile weiß man, dass Kariesbakterien übertragbar sind. Ich habe meine Schwester immer wieder darauf hingewiesen. Sie ist keine dumme Frau, wirklich nicht, aber sie war völlig unbeeindruckt. Ich dachte ich rede gegen eine Wand. Ich schaffte es nicht, ihr klar zu machen, dass sie damit ihrem Kind SCHADET. Keine Chance. Weil ich selber keine Kinder habe, habe ich keine Ahnung - und ausserdem hat sie es eben so auch bei unserer Mutter erlebt. Unreflektiert übernommen, obwohl sie selber gebildet und intelligent ist und es selber eigentlich SOFORT begreifen müsste. Tja.
Als ich sie zum Zahnarzt begleitete, und sie das Baby her zeigte, dabei der Schnuller rungter fiel und meine Schwester genau das machte - da drehte der Zahnarzt fast durch. Reinigte den Schnuller mit Alkohol und befahl ihr, sich lieber eine ganze Tasche Schnuller zuzulegen - aber NIE, NIE, NIE mit ihrer zahnärztlichen Vorgeschichte, ihrem Karies, jemals etwas in den Mund zu nehmen, dass sie nachher dem Kind in den Mund steckt. Tja. Ich habe sie seither nicht mehr bei so etwas ertappt, kann aber auch sein, dass sie es jetzt halt nur nicht mehr vor Menschen macht, die sie darauf hinweisen.

Und auf diese Weise erlebte ich immer wieder Dinge. Mütter, die in Gegenwart der Kinder und dem Aufenthaltsort rauchten, sich aber beschwerten, dass der dumme dumme Arzt die hartnäckige Bronchitis nicht heilen könne. Wies ich darauf hin, dass der Arzt wenig ausrichten könne, wenn das Kind den ganzen Tag vollgequalmt wird, erntete ich wüste Beschimpfungen. Nicht nur, dass ich keine Mutter war, war ein Fevel, als Nichtraucherin unetrstellte man mir auch gleich Missionartum und Lustfeindlichkeit und so weiter. Es brauchte lange, es brauchte Hartnäckigkeit, es brauchte eine dicke Haut - aber irgendwann dann wurde tatsächlich Rücksicht darauf genommen und die Bronchitis verschwand quasi über Nacht.

Kann ich viele solche Beispiele nennen, physicher wie psychischer Natur. Wo ich mich manchmal frage, ob der logische Menschenverstand bei Elternschaft aus setzt. Wie es kommt, dass eigentlich ganz normale (also keine patologisch dumme) Menschen so Beratungsresistent werden. Eltern kritisieren scheint ein echtes Sakrileg zu sein. Ich frage mich, ob das seine Ursache in Minderwertigkeitskomplexen oder Gottkomplexen hat. Aber ich beobachte das immer wieder - diese Metamorphose von an sich kritikfähigen Menschen durch Elternschaft in plötzlich kritikunfähige Menschen.
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Annemarie
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 05:07

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Eremit
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 05:34

Wahrscheinlich ist diese Sucht nach Dankbarkeit eng verknüpft mit dem Gott-Komplex vieler Eltern...

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EKS
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 07:00

Eremit hat geschrieben:Wahrscheinlich ist diese Sucht nach Dankbarkeit eng verknüpft mit dem Gott-Komplex vieler Eltern...
Na ja, v.a. wenn man bedenkt, dass eben viele Eltern beratungsresistent sind, wie Arta schreibt. (ich habe den Begriff vorher noch nie verwendet ). Ich weiß nicht, also wenn ich jetzt mal nur von meinem psychischen System ausginge: ich wäre richtiggehend dankbar, wenn mir jemand Tipps bei der Erziehung und bei sonstigen das Kind betreffenden Angelegenheiten gäbe. Diese mangelnde Kritikfähigkeit vieler kann ich wirklich nicht nachvollziehen, insbesondere bei meinen Eltern nicht und auch nicht bei Artas genanntem Beispiel mit ihrer Schwester, die ihrem Kind trotz ihrer Kariesprobleme den in ihren Mund getauchten Schnuller zurückgibt. Also bei so etwas werde ich wirklich zum ramdösigen Stier. Ich meine, gut, ich habe auch noch keinen Nachwuchs... Aber trotzdem habe ich die Erfahrung, die Arta gemacht hat, auch zu Hauf gemacht.
Ich habe auch mehrmalig versucht, bei meiner Kusine und auch Nachbarn usw. auf fruchtbaren Boden zu stoßen, aber nichts da.
Die scheinen sich alle bodenlos "geil" zu finden. Es ist wirklich erstaunlich, dass Kindererziehung so ein sensibles Thema ist. Sonst sind doch auch viele so feedbackfixiert.

Was ich v.a. nicht verstehe ist, wie man nicht an das Wohl des Kindes denken kann. Ich meine, so wie manche Eltern sich verhalten, u.a. ja auch die Eltern von beissknut, mir und einigen anderen, kann man ja wirklich schon von Vernachlässigung hin bis zur Verwahrlosung sprechen. Kost und Logis ist dann mit das Einzige, was die Eltern noch geboten haben, aber ansonsten haben sie sich um schulische, soziale und emotionale Belange ja nicht weiter geschert. (zumindest kann ich das bei mir so sagen).

Meine Eltern haben beide Volksschulabschluss. Dass die mir nicht groß mit den schulischen Aspekten weiterhelfen konnten, ist irgendwo klar. Selbst 8/9 Jahren Gymnasium unterscheiden sich von der Haupt- und Realschule massiv.

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Rezna
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 08:33

Die Gefahr der Betriebsblindheit hört bei Elternschaft nicht auf. Aber Eltern sind Menschen und fehlbar. Und so wie ich die Verantwortung habe, wenn ich im Job einen Fehler mache, ist das auch bei Elternschaft so. Ich bekomme einen Hinweis, ich werde Verwarnt, dann gekündigt. Bei Elternschaft heisst das, dass -so Jugendamt nicht tätig wird - dass Eltern die gegen Hinweise und Verwarnungen resistent sind, eines Tages von ihren Kindern abgeschoben werden - sie trennen sich und melden sich vieleicht einmal im Jahr zu Weihnachten aus reinem Pflichtgefühl. Dann sind die armen Eltern so einsam und unverstanden und die bösen Kinder undankbar. Dass es eine wechselseitige Angelegenheit ist, begreifen sie noch nicht einmal dann...
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EKS
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 10:10

Und dann wundern sich später so viele Eltern, weshalb das Kind den Kontakt abbricht. Man liest es in Illustrierten immer wieder: "Verlassene Eltern". So wird das meistens betitelt. In den Artikeln ist häufig die Rede davon, dass die Eltern wirklich nicht einmal einen Anhaltspunkt haben, wieso der Sohn oder die Tochter den Kontakt GÄNZLICH ablehnt. Tja, wenn man sich mit den Kindern mal mehr auseinandersetzen und auch auf Kritik reagieren würde, wüssten sie das. Wenn bei mir immer wieder jemand mit demselben Zeug ankommen würde - was ja die Kinder i.d.R. tun (also sowohl als Kind, im Jugendalter, als auch im späteren Erwachsenenalter), dann würde ich doch mal in mich gehen - meine Güte noch mal.

Meine Oma z.B. hat außer meinem Vater (ihrem leiblichen Sohn) noch zwei Stiefkinder gehabt. Tante H. ist in den 50ern in die USA immigriert und hat sich seitdem nur noch 1-2x jährlich bei ihr gemeldet. (immerhin hat meine Oma sie groß gezogen!!!). Und mein anderer Onkel und seine Frau haben den Kontakt zu meiner Oma ganz abgebrochen. Meine Oma schiebt die Schuld quasi nur auf die beiden Kinder - also meine Tante und meinen Onkel. (so gesehen sind es ja ihre Kinder gewesen, denn sie hat sie meines Wissens nach adoptiert und eben auch groß gezogen). Sie jammert jetzt seit zig Jahren herum, dass er den Kontakt EXPLIZIT abgebrochen hat und Helga sich fast nicht mehr bei ihr meldet. Sie sollte sich viel mehr mal fragen, warum das so ist. Da muss doch was vorgefallen sein!!! Es bricht doch niemand GRUNDLOS DEN Kontakt zur Familie ab.

Meine Oma sucht wie gesagt die Schuld nur bei den anderen. Genau wie meine Eltern. Das hat mein Vater von ihr prima übernommen. Ich persönlich stehe ja zu meinen Fehlern total. Ich weiß, dass ich impulsiv, emotional, bissl zu jähzornig bin und auch oft zu viel rede. (lol). Aber wenn es um die beiden Stiefkinder geht, dann sind die beide nur egoman, nicht bindungsfähig usw.


Eremit
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 10:27

Ich glaube nicht daran, daß Eltern die Fähigkeit, sich über ihre Kinder Gedanken zu machen, im Nachhinein entwickeln können. Entweder besitzen sie diese Fähigkeit schon lange vor der Geburt der Kinder, oder sie lernen es nie.

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EKS
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 10:36

Ja, da hast du wohl leider Recht. Ich finde es speziell bei uns in der Familie trotzdem krass, dass die Schuld immer nur auf die Mitmenschen abgewälzt wird. O.o

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Phönixia
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 16:15

Hallo,

ich habe jetzt nicht den ganzen Thread gelesen, aber ich will hier mal was schreiben, gerade heute habe ich das neueste "Psychologie Heute compact" Heft gekauft (seit langem mal wieder). Thema: Kindheit.
Natürlich wurde viel über die Verhalten und die Erziehung der Eltern gegenüber dem eigenen Kinder(n) geschrieben (oder besser geschwafelt). Ich war nämlich mehrheitlich Enttäuscht, was da drin stand.

Es war in etwa so:
- Kinder die allzu sehr verwöhnt werden, kommen später im Leben nicht zurecht, verlangen vom Partner
zuviel.
- Kinder die sich emotional vernachlässigt fühlen, klammern an ihren Partnern, haben ständig
Verlustängste etc..
- Kinder die von ihren Eltern hören sie seien dumm, unfähig, entwickeln später ein schwaches
Selbstwertgefühl, trauen sich nichts zu....
- Kinder die gelobt werden und denen man Liebe und Zuwendung schenkt, werden später stabile, selbstbewusste Erwachsene, die auch eine gute Partnerschaft führen.
etc.
Boa hab ich mich über diese "Psycho-Klischees" geärgert und worüber ich mich am meisten geärgert habe, dass dieser olle Kakao wieder mal durch Studien als neueste Forschungsergebnisse verkauft wurden.
Dabei hat man diese Klischees schon vor 10 J , 20 J und wahrscheinlich auch viel früher lesen können.
Ich habe das Gefühl die Psychologie stagniert hier.
Ich kann jedenfalls diese Klischees nicht so einfach glauben.
Ich denke, dass Eltern einen geringern Einfluss auf die spätere Persönlichkeit haben als allgemein angenommen.
Kinder amen ihre Eltern eher nach. Nicht die Worte der Eltern zählt so sehr. Eine Mutter die selbst Selbstwertprobleme hat, kann ihrem Kind wohl noch so oft sagen wie toll es ist, es wird wahrscheinlich das schwache Selbstwertgefühl der Mutter annehmen. (Das ist auch häufig der Grund weshalb man später so wird, wie die eigene Mutter, obwohl man sich geschworen hat nie so zu werden )
Dann muss man auch bedenken, dass die Eltern nicht die einzigen und später nicht ein mal die wichtigsten Personen sind, an dem sich das Kind vergleicht/misst.
Späterstens im Kindergarten (so ab 3 Jahre) kommt es mit anderen Kindern zusammen, da wird es sein Selbstwertgefühl und seine Selbsteinschätzung wohl eher an den anderen Kindern messen. "Wie gut schneide ich gegenüber meinen Altersgenossen ab?" Später in der Schule wird es genauso sein.
Deshalb ist es für ein Kind ganz furchtbar, wenn es gehänselt wird (von Altersgenossen) oder eine Außenseiterolle einnimmt- , dies dürfte für ein späteres schwache Selbstwertgefühl mehr Gewicht haben als alle Zuneigung/Abneigung der Eltern.

Außerdem sind Kinder nicht so "dumm", sie haben feine Sensoren und wissen dass die Einschätzung der Eltern nicht immer objektiv ist.
Ein Kind das sein "zusammengestümpeltes" Gedicht der Mutter vorträgt, und diese dann ganz gerührt das Gedicht einfach grandios! findet, "weiß," dass Mama hier vor lauter Liebe nicht ganz objektiv bewertet.
Dagegen weiß das Kind auch, dass "Fremde" (Mitschüler/Lehrer) hier wesentlich objektivere Maßstäbe ansetzten.

Es wird meiner Meinung nach immer zuviel auf Eltern-Kind-Beziehung wert gelegt, was die spätere Entwicklung der Persönlichkeit angeht - sie ist nicht unbedeutet, klar. Aber das ganze soziale Umfeld ,in dem sich das Kind bewegt wird fast keine Rechnung getragen.
Diese könnte aber wesentlich mehr dazu Beitragen wie sich die Persönlichkeit entwickelt, ob es sich von Menschen angenommen fühlt, oder später Menschen meidet (sozial-phobie), ob sie ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln, ob es durchsetzungsfähig sein wird etc.

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Rezna
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 17:22

Phönixia hat geschrieben: Kinder amen ihre Eltern eher nach. Nicht die Worte der Eltern zählt so sehr. Eine Mutter die selbst Selbstwertprobleme hat, kann ihrem Kind wohl noch so oft sagen wie toll es ist, es wird wahrscheinlich das schwache Selbstwertgefühl der Mutter annehmen.
Schönes Beispiel. Da kannte ich diese Mutter, die mir über zwei Stunden lang erzählte, wie schwierig es ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie sie oft nicht sicher sei, was das richtige sei, denn sie wolle, dass ihre Tochter eine selbstbewusste Frau wird, die Entscheidungen klar treffen kann, nicht so unsicher ist wie sie selber es kennt. Sie trug mir Szene um Szene vor, ich hielt mich vornehm zurück, wusste ich doch, dass man Müttern besser nicht ins Handwerk pfuscht. Nach zwei Stunden aber war es genug und ich sagte ihr, alle ihre Mühen seien umsonst. Sie sah mich völlig perplex an. Ich meinte, dass es nichts nütze, ihre Tochter von einer in die andere "richtige Entscheidung" zu quälen, das Kind bekomme deutlich mit, wie unsicher sie die Mutter in jeder dierser reifen Entscheidungen war. So gut es gemeint wäre, aber das permanente abwägen, überlegen, hin und her, die Folgen abschätzen, diese eigene Unsicherheit, DIE würde es sein, die die Tochter übernimmt, denn das Kind ahmt das Verhalten der Erwachsenen nach, nicht deren Worte. Nach dem ersten Entsetzen aber bemerkte sie, dass ihre Tochter sie dahingegend tatsächlich sogar schon jetzt (mit 4 Jahren) nach ahmte, in für das Kind wichtigen Entscheidungen. Auch wenn es eher gespielt war, so wurde aus der Auswahl des etwa richtigen Teddybären ein halber Staatsakt.

Das ist natürlich eine Gratwanderung. Einerseits will man das Beste tun, und natürlich auch über die Folgen reflektieren, andererseits aber sind die Kinder weit empfänglicher für unser unbewusstes Verhalten. Daher finde ich eine innere Reife so wichtig, BEVOR das Kind gezeugt wird. Die Welt, und sie sie funktioniert, die Welt, und wie man sie dem neuen Erdenbürger erklären, zeigen, schmackhaft machen will, den muss man vorher wissen. Zu einem gewissen Teil entwickelt man seine Reisebegleiterfähigkeiten auf dem Weg, aber man muss vorher schon kompetent sein, die Arbeit als Reisebegleiter annehmen zu können. Jemandem der sagt: gehn wir mal los, irgendwie unterwegs finden wir schon heraus wie wir ankommen... oder aber auch dogmatisches Vorgehen, unabhängig von den Umständen... wird schwierig sein.

Selbstsicherheit ist nicht Sturheit. Und Sturheit nicht Selbstsicherheit. Jeder macht Fehler. Solange die Fähigkeit besteht, das einzusehen, zu erkennen, sind Fehler nicht so schlimm. Kinder sind da sehr entgegenkommend. Sie fühlen sich respektierter, und mehr Respekt, wenn der Erwachsene sich menschlich und einsichtig gibt - verlieren diesen aber, wenn der Erwachsene sich stur und dogmatisch verhält.

Ich denke auch, die Persönlichkeit des Kindes ist weitgehend "fertig" wenn es geboren wird. Und genau hier aber setzt die Arbeit der Eltern ein: Sie müssen die Persönlichkeit, die individuellen Bedürfnisse und Sichtweisen des Kindes respektieren, und ihm die Werkzeuge in die Hand geben, mit der Welt umzugehen. Einem introvertierten Kind wird man da andere Werkzeuge an die Hand geben als einem extrovertierten Kind. Keines davon ist ein Problemfall... aber in manchen Bereichen ist Gerechtigkeit nicht Gleichheit. Ein intovertiertes und extrovertiertes Kind gleich zu behandeln, ist kontraproduktiv und wird keinem der Kinder je gerecht. Manchmal ist gerade eine ungleichbehandlung gerechter. Natürlich auch schwieriger.

Hätten Eltern KEINEN Einfluß auf den späteren Erwachsenen, dann könnte man sich Erziehung sparen. Hat Erziehung einen Einfluß, sind die Eltern auch verantwortlich, wenn sie Fehler machen. Das ist ja kein Weltuntergang. Verantwortung ist eben mehr als ein Dach über den Kopf und etwas zu essen und anzuziehen. Ich kenne es selber, dass meine Eltern das als "Joker" benutzt haben. Armseelig, wie ich finde, aber typisch sie.
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Phönixia
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Beitrag Mo., 06.09.2010, 17:49

@Arta,
Daher finde ich eine innere Reife so wichtig, BEVOR das Kind gezeugt wird.
Und wann ist diese Reife erreicht? Darf eine Frau mit schwachen Selbstwertgefühl keine Kinder zeugen?
Mal abgesehen dass an dem Selbstwertgefühl mal nicht so schnell, womöglich niemals etwas geändert werden kann, weil es zur Persönlichkeitsstruktur des Menschen zählt. Und die Persönlichkeit ist so ziemlich zementiert. Ich habe mal gelesen, dass man seine Persönlichkeit genauso wenig ändern kann, wie seine Schuhgröße.
Also dürfen jetzt nur noch Menschen mit starken Selbstbewusstsein, absoluter Verlässlichkeit, guten Kochkünsten, super Diplomaten, Intellektuelle auf jeden Gebiet what ever.... kurz: die Makellosen! Kinder kriegen um perfekte Kinder zu konstruieren.

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