analytische Therapie im Alter 50+

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.
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Fundevogel
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:07

titus2 hat geschrieben: dass jeder, der eine Analyse macht, einerseits schwer gestört ist (denn ansonsten ginge das auch zackiger mit der Therapie) und dass er andererseits irgendwo verbuddelt Ressourcen hat, die es ihm ermöglichen, einigermaßen klarzukommen.
Wenn das so wäre, dann wäre jeder Therapeut vor seiner Lehranalyse schwer gestört,
sonst würde das viel zackiger gehen.

Was hat denn die Therapiemethode mit der Störung zu tun?
Verstehe ich auch nicht.
Die Akademiker mit der teuren Analyse müssen einfach schwerer gestört sein als die nicht so intelligenten oder wie jetzt? Was wird da alles in einen Topf geschmissen grade?
Intelligenz, Therapiemethode, Schwere der Störung, Kosten der Behandlung, ...
...Äh ... Krieg ich da jetzt irgendwas nicht mit ...?

Ich bezweifle auch stark, dass der subjektive Leidensgrad ein hinreichendes Argument für Krankenkassen und Ärzte sind, die Therapien bewilligen und Patienten behandeln.

Was wurde eigentlich aus dem guten alten Funktionsniveau?
Und aus Arbeits- und Liebesfähigkeit?

Ich denke schon, es gibt da Kriterien, sonst kann man ja gleich das ganze ICD in die Tonne treten.

(Tristezza und titus noch nicht gelesen)
Fundevogel

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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:11

Wenn das so wäre, dann wäre jeder Therapeut vor seiner Lehranalyse schwer gestört,
sonst würde das viel zackiger gehen.
Völlig falsch, Fundevogel, denn eine Lehranalyse verfolgt andere Ziele als eine therapeutische.

Ich weiß nicht, warum du nicht verstehst, was die Therapiemethode mit der Störung zu tun hat, aber das kannst du bei Interesse eigentlich überall nachlesen...
Ich bezweifle auch stark, dass der subjektive Leidensgrad ein hinreichendes Argument für Krankenkassen und Ärzte sind, die Therapien bewilligen und Patienten behandeln.
Wohl kaum, oder was würdest du sagen, wenn dein Therapeut dir sagt, dass es ihn nicht sonderlich interessiert, wie stark dein Schmerz ist?

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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:14

titus2 hat geschrieben:Wieso machst du die Schwere der Störung an den 'Fähigkeiten' fest? Glaub mir, es gibt Menschen, die bestimmte Fähigkeiten haben und trotzdem schwer gestört sind.
damit meine ich natürlich psychische Fähigkeiten. Treffender natürlich: Das was an Fähigkeiten bzw. Struktur NICHT vorhanden ist. Und warum ich das mache: Weil das mitunter so gesehen wird und mir sehr nachvollziehbar erscheint. Aber es ist natürlich auch Definitionfrage, wie ebenso der Begriff der frühen Störung, Selbstreflexion whatever.

Andere (Kernberg) z.B. fast unter den schweren PS insbes. borderline, narzisstische und dissoziale Pathologien zusammen (bei denen im Regelfall durchaus manche Fähigkeiten im argen liegen).

Woran machst du dann den Schweregrad fest? Alles was früh entstanden ist, ist automatisch schwer?
Aus irgendwelchen Gründen reagiert der nicht, wie es im Lehrbuch vorgesehen scheint... Trotzdem ist seine 'Struktur' so geschädigt, dass sein 'Ich' nicht so funktioniert wie das Ich eines gesunden Menschen. Vielleicht verfügt er aber dennoch über eine ausreichende Steuerungsfähigkeit, die das Schlimmste, d.h., den Kontaktabbruch, verhindert.
na ja, mit ausreichender Steuerungsfähigkeit ist ja eine Fähigkeit da, die die Waage wieder etwas anhebt.

Natürlich muss jemand nicht in allen Belangen gleichermaßen befähigt oder unbefähigt sein. Aber wenn jemand auch einige passable Fähigkeiten hat, so ist der (aus meiner Sicht) tendenziell weniger gestört als jemand bei dem alle möglichen Fähigkeiten im argen liegen.
So scheint es bei mir zu sein (und auch hier glaube ich einfach mal meinem Therapeuten...). Vielleicht hat so ein Patient keine guten inneren Objekte - und ist trotzdem in der Lage, sich sicher an den Therapeuten zu binden?
Und natürlich kann es das geben... aber da ich eher Tendenzbetrachtungen anstelle würde ich z.B. solche Konstellationen mehr als Ausnahme sehen als an Regel (da ich diese Konstellation als nicht so plausibel ansehen, in Tendenz).

Es gibt (und da bin ich bei kaja) schon gewisse Ähnlichkeiten z.B. unter Störungsbildern, die man bündeln kann. Sagt natürlich nicht aus, dass sie 1:1 die Realität abbildet. Und manche Störungen sind ja bereits durch das Fehlen bestimmter Fähigkeiten (mit-)definiert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:24

Ja, stern, vielleicht kann man sich das wirklich so vorstellen wie eine Waage? Aber trotzdem bleibt die Borderline-Persönlichkeit da, auch wenn - warum auch immer - der Patient anders tickt als ein Fall aus dem Lehrbuch.

Und 'schwer' würde dann m.E. bedeuten, dass man es 'schwerer' behandeln kann als einen 'neurotischen ödipalen Konflikt' - das kann ich natürlich auch nur nachplappern, denn ich hab noch keinen Neurotiker therapiert...

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:33

Und was ist ein neurotischer ödipaler Konflikt?
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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Tristezza
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:35

Ich denke mal, eine Erfindung von Freud ...


leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:40

Was spricht dagegen - kenne die Antwort selbst nicht -, die Schwere zumindest teilweise an der Frage festzumachen, ob es sich um eine Struktur- oder eine Konfliktpathologie handelt? Wobei 'teilweise' natürlich bedeutet, dass ja jeder Mensch im Laufe seines Lebens schwer leiden kann. Aber er hat dann ggf. eine stabilere Struktur, die ihm helfen könnte. Während ein strukturell gestörter Patient diese Ressourcen nicht hat und somit 'schwer' gestört ist. Ist allerdings sehr grob diese Kategorisierung, natürlich.

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stern
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:49

titus2 hat geschrieben:Und 'schwer' würde dann m.E. bedeuten, dass man es 'schwerer' behandeln kann als einen 'neurotischen ödipalen Konflikt' - das kann ich natürlich auch nur nachplappern, denn ich hab noch keinen Neurotiker therapiert...
Da sind sich die Experten auch nicht einheitlich, woran die Schwere exakt festgemacht wird. So wird auch, wie Tristezza schilderte, durchaus gerne berücksichtigt, wie sehr die psychosoziale Situationen beeinträchtigt ist. Da würde ich auch diverse Zusammenhänge vermuten.

ich möchte es nicht beurteilen ob der borderliner schwerer erkrankt ist als der, der sich mit Alk sein Gehirn abtötet oder derjenige mit Angsstörung, der schon jahrelang nicht mehr das Haus verlassen konnte wegen diverser Ängsten (und sich ein System aufgebaut hat, dass dies möglich machte. Aussage einer Mitpatietin aus der Klinik)
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Tristezza
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 19:51

@ Titus: Ja, so differenziert man in der modernen PA. Wobei vermutlich beides oft nicht in Reinform vorkommt. Und man darf die Traumata nicht vergessen, die vermutlich die schwersten Störungen hervorrufen.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:02

Man könnte ja auch 'schwer' und 'schlimm' unterscheiden, oder?

Für mich sind das zwei Begriffe, die oft, aber sicher nicht immer zusammengehören.

Jemand mit einer Behinderung kann auch 'schwerbehindert' sein, obwohl er damit auch glücklich und zufrieden sein kann - mir fällt dir da z.B. ein Aspie ein.


kaja
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:04

Schwer Behindert wäre für mich ein Tetraplegiker oder jemand mit dem IQ eines Kleinkindes.
Ein Aspie wäre mir da überhaupt nicht eingefallen.
After all this time ? Always.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:05

Eine Schwerbehinderung ist ja nichts, das man so aus dem Bauch heraus feststellt. Deshalb erwähnte ich den Aspie ja auch. Der würde vielleicht nicht sagen, dass er 'schlimm' leidet, aber trotzdem ist er ggf. 'offiziell' schwerbehindert.


kaja
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:09

Ist es ja auch nicht. Dafür gibt es schliesslich Vorgaben die sich mit der Zeit ändern. Es gab z..B. Zeiten in denen Frauen nach einer Gebärmutterentfernung ein Behinderungsgrad anerkannt wurde. Alles im Wandel der Zeit.

Ich kenne durch meine Mutter und die Arbeit im Verein sehr viele Schwer- und Mehrfachbehinderte, sowohl körperliche als auch geistige Behinderungen. Für mich ist es auch subjektiv schwer wenn jemand nicht mal seinen eigenen Speichel abschlucken kann. Da passt ein Aspie nicht wirklich zu. Wäre interessant welchen Grad der Behinderung man bei Asperger anerkennen lassen kann.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:13

Eben: Für DICH. Aber es geht ja hier nicht nur darum, was du und ich uns vorstellen können, sondern um relativ objektive Kriterien. Wenn also jemand sagt: "Ich bin schwer gestört" oder "ich bin schwerbehindert", dann kann er da auf seinen Schwerbehindertenausweis schauen oder das zitieren, was ihm sein Arzt oder Therapeut gesagt hat - aber es klingt für mich nicht nachvollziehbar, wenn ein Anderer sagt: "Für mich klingt es nur 'schwer', wenn dies und jenes zutrifft, und wenn xy nicht zutrifft, dann ist derjenige auch nicht schwer gestört".


kaja
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Beitrag Fr., 09.08.2013, 20:18

Es ist ja ein Unterschied ob man für sich sagt ich bin schwer- was auch immer, oder ob es dafür belegbare Daten gibt (z.B. den Ausweis/ICD Einteilungen).
Stern hatte glaube ich ja schon geschrieben das diese Bennenung als Frühgestört/Schwergestört PA Vokabular ist.
In der Psychiatrie wäre wahrscheinlich eher ein Schizophrener schwer gestört als jemand mit Bindungsproblemen.
Zuletzt geändert von kaja am Fr., 09.08.2013, 20:21, insgesamt 1-mal geändert.
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