Strukturelle Dissoziation

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.

Widow
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Beitrag So., 29.04.2018, 00:38

{ Jetzt weiß ich wieder, warum ich das Satzzeichen "?" so mag ... }

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stern
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Beitrag So., 29.04.2018, 07:05

Ist für dich denn neu, dass du dissozierst? "Dissoziative Störung" sagt für sich genommen nicht so viel aus, weil es "nur" der Überbegriff für verschiedene Formen von Dissoziationen ist. Ich nehme an, sie wird das noch genauer verschlüsselt haben, wenn sie das als eigenständige Diagnose stellte. Also damit meint sie vielleicht auch nicht besagte strukturelle Dissoziation, sondern vielleicht gibt es ja Amnesien, etc. pp., die sie diagnostisch erfasst hat oder etwas anderes. Meiner Meinung nach gibt es bei Traumastörungen viele Überlappungen zu anderen Diagnosen... und vllt. hat sie die Diagnose der Borderline-Diagnose vorgezogen, weil sie eher die Dissoziationen als die Emotionsregulation im Vordergrund sieht? Vllt. auch gestützt auf die Berichte der Klinik. Ich würde nachfragen, woran sie die Dissoziation festmacht. Und so könnte ihr das vielleicht etwas abgleichen... bzw. dann erklärt sie vllt. etwas dazu. Obige Aussage zum Identitätsgefühl möchte ich etwas modifizieren: Problematisch wäre meiner Meinung nach, wenn durch eine Therapie neue Teile oder Splitter geschaffen werden. Aber ist das bei dir der Fall... oder geht es darum, die verschiedenen Splitter mal anzusehen? Wie wäre das für dich?
Liebe Grüße
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Gewitter
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Beitrag So., 29.04.2018, 09:08

doppelgängerin hat geschrieben: Fr., 27.04.2018, 20:57Ich hatte schonmal in die Huber-Folien etc reingelesen.
Man sieht da ja ziemlich deutlich, dass sie auch Borderline und Ptbs in die strukturelle Dissoziation einordnet.
Ich habe zB Borderline und das gehört nicht zu den dissoziativen Störungen. Man hat zwar Dissoziationen und je nach dem, wie schwer die Ausprägungen der Erkrankung sind, sind es auch die Dissoziationen. Aber man hat keine abgespaltene Persönlichkeitsanteile und das ist es doch, was eine strukturelle dissoziative Störung ausmacht.
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lisbeth
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Beitrag So., 29.04.2018, 09:29

Liebe Doppelgängerin,

ich habe den Eindruck, dass da bei dir auch ganz viel Verwirrung ist, viele Fragen.

Mir hatte es damals geholfen, jenseits von allen Theorien und Modellen, mir mit der Therapeutin zusammen anzuschauen, was da ist, was zum Vorschein kommt, wenn ich dissoziiere. Ich hatte riesige Angst davor. Weil ich mir auch nicht sicher war oder sein konnte, was da auftauchen wird. Das Anschauen, in Mini-Schritten, immer wieder neu, hat mir diese Angst ein wenig genommen.

Ja, wenn ich dissoziiere, dann bin ich "anders" als normal. Da komme ich mitunter in sehr "kindliche" Zustände, bin ziemlich stark in Regression und auch für "erwachsene" Ansprache nicht mehr empfänglich. Was es dann auch in der Therapie schwierig macht.
Von Anteilen will und kann ich da aber nicht reden. Denn das gehört alles zu mir, ist ein Teil von mir. Geht eher so in Richtung "inneres Kind" (wobei ich mich gegen dieses Modell auch ganz lange gewehrt habe). Aber dass dieses Kind, wenn es "getriggert" ist, auch sehr kindlich denkt, fühlt, handelt - das kann ich nicht verleugnen. Das ist so. Und damit muss ich mich auch auseinander setzen, wenn sich an meinen Problemen etwas ändern soll.

Was mir dabei geholfen hat: Die Kunsttherapie. Da hatten diese "kindlichen" Zustände ganz viel Raum, konnten sich ausdrücken, es wurde klarer, was die Bedürfnisse sind. Diese Angst: Wenn ich dem Raum gebe, dann stärke ich das, dann verfestigt sich das ja alles oder mir wird womöglich etwas eingeredet, was nicht da ist - das kenne ich auch. Sehr gut. Meine Erfahrung hat mir gezeigt: Durchs Hinsehen und Anschauen, wird der innere Druck weniger. Das Ganze wird "normaler" und entmysthifiziert. Ich fange an, damit *meinen* Umgang zu finden. Und das fühlt sich gut an. Besser als das "Hilflose", "Ausgelieferte".

Und mit dem Einreden: da meinte die Kunsttherapeutin mal: 'Frau lisbeth, *heute* ist das nicht mehr möglich, dass Ihnen jemand etwas einredet, was nicht stimmig mit Ihrem inneren System ist. Dafür sind sie viel zu klar, was für Sie passt und was nicht." Diese Klarheit konnte ich ganz lange selbst nicht sehen und wahrnehmen. Da war viel Vertrauen nötig, dass die Therapeutin da hoffentlich recht hat mit ihrer Wahrnehmung. Inzwischen sehe ich es selbst, manchmal. Nicht dauernd, aber oft genug, dass ich dem selbst auch Glauben schenken kann.
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Barida
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Beitrag So., 29.04.2018, 10:31

Widow hat geschrieben: Sa., 28.04.2018, 23:31 Meine Antwort darauf - aus 50 Jahren Leben ohne die Diagnose "dissoziative Identitätsstörung" - lautet:
Nein!
Ich hatte keine "Richtung" und kein "Lebensziel".

Ich wusste, dass ich mein Abitur mache, weil man nur dann studieren konnte, doch ich wusste (auch noch im Studium) nicht, was ich studieren wollte.
Ich wusste während des Studiums nicht, welchen Beruf ich später ergreifen würde.
Ich wusste während der Berufstätigkeit nie, ob das meine "Zukunft" sein würde.
Ich wusste nie, ob ich eine "Familie" haben wollte.
Ich wusste nie, ob ich nun ein Mann oder eine Frau sein möchte, aber ich wusste immer, dass diese Entscheidungsnotwendigkeit Scheizze ist.
Liebe Widow,
vielleicht gibt es doch Ähnlichkeiten, wenn auch aus unterschiedlichen Richtungen?
Kontrolle ist Dir sehr wichtig, das kommt aus Deinem Beitrag sehr rüber, und Du schriebst sogar um jeden Preis. Andererseits wirkt es, als hättest Du Dein Leben AUCH unkontrolliert gelebt und bist dahin gegangen, wo sich im Leben einfach auch Möglichkeiten aufgetan, ergeben haben. (und ich denke, das ist auch richtig so, weil keiner wird ja mit „Plan A“ geboren, den er bis zum Lebensende verfolgt, man muß ja lernen und ausprobieren und überhaupt Wege und Richtungen entdecken).
Ich sage, ich habe Angst, weil ich keine Kontrolle zu haben scheine, zumindest oft nicht, oder nicht immer. Aber andererseits ist das, was in meinem Leben passiert total kontrolliert, da wird in den einzelnen „Anteilen“ nichts dem Zufall überlassen, im Gegenteil, es wird überkontrolliert.
Aber wichtig ist ja das Ganze. Und irgendwo die Mitte.
Eine Richtung oder ein Lebensziel muß ja nicht heißen, ich lerne jetzt einen Beruf, in dem ich schnell Geld verdiene, damit ich mit spätestens 40 einen Benz fahren kann, sondern es kann auch heißen, ich schaue NICHT nach vorne, sondern ich schaue nach unten. Auf meine Füße. Auf den Weg. Und im langsamen Gehen führt mich der Weg irgendwo hin. Oder vielleicht noch nichtmal. Ich setz mich einfach, schließe die Augen und lasse sein. Ein bißchen geht es immer weiter, weil die Welt um einen herum lebendig ist, und sei es, daß man ein Gespräch mit einem Therapeuten hatte. GANZ auf der selben Stelle ist man danach doch nicht mehr? Vielleicht kommt man letztlich auch ohne „Lebensziel“ besser voran, weil man sich nicht immer selbst im Weg steht, sondern einfach offener ist, neutraler auch vielleicht.

Also, ich verrenne mich grade,
ich komm mal zum Punkt ohne langes Gelabere:
ich glaub
trotz unterschiedlicher Blickwinkel
sind im menschlichen Kern wahrscheinlich alle Möglichkeiten vorhanden,
nur in unterschiedlicher Ausprägung
deswegen hat mich Dein Beitrag berührt, Widow, weil ich dachte, dennoch
dennoch ist da etwas ähnliches? Vielleicht?
:ermm: Wirrwarr oder Konträres in meinen Texten bitte ich zu entschuldigen. Es sind so viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten in mir, ich bin noch auf der Suche nach dem GANZEN.

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doppelgängerin
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Beitrag So., 29.04.2018, 12:22

Habt vielen vielen Dank für eure Gedanken! Ich versuche mal auf das ein oder andere einzugehen...
Gewitter hat geschrieben: So., 29.04.2018, 09:08 Ich habe zB Borderline und das gehört nicht zu den dissoziativen Störungen.
Nein, das stimmt. Aber das Modell der "Strukturellen Dissoziation" erklärt sich den Punkt
Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung. eben so, dass die Person mehrere "emotionale Persönlichkeitsanteile" abgespalten hat.
Ein bisschen dazu lesen kann man glaube ich hier, bin mir aber nicht sicher, habe gerade leider keine Zeit, den Text nochmal zu lesen.:
https://dissoziation-und-trauma.de/sach ... ne-syndrom


Das zeigt dann wieder, dass es vielleicht doch "nur" ein Modell ist, mit dem geabreitet wird?
Jedenfalls wird davon ausgegangen, dass jeder Art von Trauma die Persönlichkeit zerstückeln kann - in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Es gibt den Begriff Ego-State-Disorder.
Demnach wären die "Rollen", die ein z.B Borderliner empfindet eben doch ein bisschen mehr "abgespalten", als bei einem Menschen ohne Traumafolgestörung...
?
Mh.

stern hat geschrieben: So., 29.04.2018, 07:05 Ist für dich denn neu, dass du dissozierst? "Dissoziative Störung" sagt für sich genommen nicht so viel aus, weil es "nur" der Überbegriff für verschiedene Formen von Dissoziationen ist.
Nein, natürlich nicht. Ich habe viele dissoziative Zustände. Mir wurde aber erst nach und nach bzw. durch die Therapie bewusst, was das ist und was alles dazu zählt.
Ich kenne Erstarrung, Derealisationen und Depersonalisationen.
Du kannst natürlich recht haben, dass die "Dissoziative Störung" sich "nur" auf diese Arten der der Dissoziation bezieht.
Mir macht aber gar nicht so sehr diese Diagnose Bauchschmerzen, sondern vielmehr, dass sie immer wieder von Anteilen spricht, bzw. meine Aussagen in diese Richtung hin deutet und dass das die Leute in der Klinik scheinbar (?) ähnlich sahen.
Da entsteht eben dann jene Angst, die Lisbeth auch nochmal so schön beschrieben hat: dass man damit mehr verschlimmbessert, als dass es gut ist. Und aber auch die Angst hin zu sehen.
Ich habe lange die Stimmen in meinem Kopf angebrüllt, sie sollen die Klappe halten und sich verpissen. Ich habe richtig aggressiv darauf reagiert. Seit ich zumindest zuhöre, ist es gar nicht mehr so wild und durcheinander in mir.
Also doch drauf einlassen? (Wobei ich von den Stimmen in der Therapie noch nie etwas erzählt habe - eben WEIL ich vermeiden wollte, dass sie noch überzeugter von ihrer Theorie ist...)



Liebe Lisbeth, dein Beitrag hat ganz viel Tröstendes für mich. Ich erkenne mich in vielem, was DU schreibst wieder.
Vielleicht hast Du Recht, und ich sollte wieder ein bisschen weg von all den Modellen und Theorien und mehr bei mir selbst bleiben und im Kontakt mit der Therapeutin bleiben diesbezüglich.

Es ist irgendwie auch die Angst falsch verstanden zu werden, die da mitschwingt.
Andererseits kann ich durchaus verstehen , wie sie zu dieser Theorie kommt. Es haben ihr unterschiedliche Anteile Briefe geschrieben, mit ganz konträren Aussagen, als das was ich sonst geäußert habe.
Aber ich würde lieber sagen: ICH habe in gewissen Zuständen jene Briefe geschrieben.

Es gab auch schon mehrmals "Wechsel" in der Stunde. Von kooperativ zu absolut ablehnend, hassend, sarkastisch. Ich habe dabei so gekämpft, wieder die Kontrolle zu bekommen und vernünftig weiter zu machen, es ging aber nicht.

Mh, und in der Klinik habe ich ja auch einigen Mist produziert - kein Wunder also. Es macht mich beschämt, ist mir unglaublich peinlich. Hinterher kann ich mir nicht erklären, wie ich so wahnsinnig bescheuert sein konnte. Und dennoch habe ich immer noch das Gefühl, ich hätte es vielleicht vermeiden können, anders machen können, es war vielleicht alles nur gespielt.

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Gewitter
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Beitrag So., 29.04.2018, 13:36

Danke für deinen Link.
Zitat von Doppelgängerin;
Aber das Modell der "Strukturellen Dissoziation" erklärt sich den Punkt
Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung. eben so, dass die Person mehrere "emotionale Persönlichkeitsanteile" abgespalten hat
Ja, das kann ich tatsächlich bestätigen. Ich habe einmal einer Psychologin gesagt, dass ich mich so fühle, als ob ich nicht immer die selbe Person wäre, weil ich mich eben manchmal komplett anders verhalte, wie ich es normalerweise mache. Dann hat man auch keinen Zugang zu den Gefühlen, die man in normalen Situationen hat.
Zitat von Doppelgängerin;
Mh, und in der Klinik habe ich ja auch einigen Mist produziert - kein Wunder also. Es macht mich beschämt, ist mir unglaublich peinlich. Hinterher kann ich mir nicht erklären, wie ich so wahnsinnig bescheuert sein konnte. Und dennoch habe ich immer noch das Gefühl, ich hätte es vielleicht vermeiden können, anders machen können, es war vielleicht alles nur gespielt.
Wenn du dich dort mit voller Absicht schlecht benommen hättest, hättest du Mist produziert. Bestimmt nicht, weil du dich auf Grund einer psychischen Erkrankung, deiner Meinung nach, seltsam verhalten hast. Das machen doch viele psychisch Kranke. Manche Dinge kann man dann auch gar nicht mehr bewusst steuern. Das geht einfach nicht.

An deiner Stelle, würde ich deiner Therapeutin das mit den Stimmen sagen. Sie scheint eine gute Therapeutin zu sein. Sie hat bei dir ja Symptome einer dissoziativen Störung bemerkt. Manche Therapeuten glauben ja gar nicht, dass es so etwas gibt.

Hier im Forum, sind ja leider einige User davon betroffen aber das Gute, sie können dir Ratschläge geben.
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lisbeth
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Beitrag So., 29.04.2018, 17:03

doppelgängerin hat geschrieben: So., 29.04.2018, 12:22 Das zeigt dann wieder, dass es vielleicht doch "nur" ein Modell ist, mit dem geabreitet wird?
Ich für mich finde es hilfreicher, das als wirklich als ein Modell zu sehen, nicht als "Tatsachenbeschreibung". Zum einen weil dieses Gebiet noch gar nicht gut erforscht ist, zum anderen, weil jeder Mensch wirklich anders ist und anders mit seinen und dieser Art von "Zuständen" umgeht.
Je nach dem Ausmaß der traumatischen Überforderung scheint das individuelle Bewußtseinssystem bestimmte dissoziative Reaktionsweisen als mehr oder weniger ausdifferenzierte Ausweichmöglichkeiten dauerhaft (also strukturell) zu etablieren, um traumatische Erfahrungen und Empfindungen isoliert, also nicht
integriert, zu speichern (d.h. abzuspalten) und sie auf diese Weise (zunächst) unschädlich zu machen.
Quelle: https://dissoziation-und-trauma.de/pdf/ ... iation.pdf Seite 5
Was für mich ganz wichtig war: Jenseits dessen, was man unmittelbar erlebt, in der Dissoziation (oder auch nicht): Diese Reaktion ist ein Umgang deiner Psyche damit, dass du in einer früheren (traumatischen?) Situation (oder ganz vieler solcher Situationen) überfordert warst. Das war zu einem früheren Zeitpunkt für dich wahrscheinlich überlebenswichtig, das so abzuspalten, auszublenden. Und das heißt für mich auch, es ist genauso ein Umgang mit so einer belastenden Situation wie Kampfreflex, oder Fluchtreflex... und Dissoziation kommt da dann eben auch in die Reihe mit rein, geht eher Richtung "Totstellen" (aber nicht ganz...)

Das hat für mich erstmal Druck rausgenommen. Die innere Abscheu mir selbst gegenüber reduziert, die Selbstverachtung, dass ich zu solchen "verrückten" Maßnahmen gegriffen habe, greifen musste.... Das es ein Stückweit auch erstmal eine "Reaktion" des autonomen Nervensystems ist, wie der Kampf- oder Fluchtreflex, und es damit auch meinem Einfluss (ein Stückweit) entzogen ist. Damals jedenfalls. Früher. Für mich war das eine Entlastung. Denn damit ist das erstmal so gewesen. Punkt.

Die nächste Frage ist, wie ich damit umgehe. Heute. Wie ich damit Umgangweisen finden kann. Damit (gut) leben kann. Da gab und gibt es mehrere Ebenen.

1. Im Alltag: Da will ich, muss ich funktionieren. Weil mein Job und ganz viel anderes davon abhängt. Das heißt, da heißt es für mich, ich muss möglichst schnell wieder sicheren Boden finden, wenn ich anfange zu dissoziieren. Weil irgendein (eigentlich harmloser) Trigger des Wegs dahergeflogen kam. Das geht für mich am besten über körperliche Reize: Druckpunkte, bewusstes Atmen, kaltes Wasser, Bewegung, mich im Raum orientieren... Was ich mir auch angewöhnt habe: Wenn es im Alltag zu solchen Situationen (gehäuft) kommt, dann nehme ich mir abends oder möglichst bald Zeit für mich selbst. Um hinzuschauen, was da passiert ist. Was mich getriggert hat. Um dem 'Kind in mir' (meistens sind es eher kindliche Zustände um die es bei mir dann geht) die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, Sicherheit zu geben, hinzuhören, was da an Grundbedürfnissen auf der Strecke geblieben zu sein scheint... Und - wenn möglich - das zu ändern.

2. im therapeutischen Kontext. Da fiel es mir ganz lange ganz schwer zu akzeptieren, dass es dort relativ sicher ist, diese Zustände dort "rauszulassen". Egal, wie befremdlich es mir selbst erscheint. Oder wie schräg ich das alles finde. Ein Blick von außen, durch die Therapeutin kann mir helfen, da mehr Sortierung zu finden. Mich selbst besser zu verstehen.
Wie genau das gehen kann, ich glaube dafür gibt es kein Patentrezept. Weil jeder da auch wieder anders ist, andere Bedürfnisse hat. Mir hat das IFS-Modell (Internal Family System) geholfen. (Da sind wir jetzt doch wieder bei Modellen). Da geht es darum mit den eigenen inneren Anteilen (und das IFS-Modell geht davon aus, dass jeder Mensch unterschiedliche und auch widersprüchliche Anteile in sich trägt) mit Mitgefühl zu begegnen, sie zu verstehen, was sie antreibt, was ihre Bedürfnisse sind. Und darüber anzufangen, die inneren Konflikte ein Stückweit 'aufzulösen'. Nicht einzuebnen im Sinne von "Unter den Teppich kehren". Sondern zu schauen: Was steckt dahinter? Welches Bedürfnis ist unterwegs auf der Strecke geblieben? Und dann zu versuchen, dem irgendwie zu begegnen, diesem Teil von mir das zu geben, was er gerade braucht. Und wenn es widersprüchliche Positionen gibt - aushandeln, Kompromisse finden, wie im normalen Familienleben auch. Und zu schauen, dass dabei keiner auf der Strecke bleibt.

Das Widersprüchliche in dir ist ja da, das geht auch nicht davon, dass du so tust, als wäre es nicht da. Könnte ja auch spannend zu sein, warum sich diese Widersprüchlichkeiten so vehement zu Wort melden müssen, oder? Vom Ausblenden wird es jedenfalls nicht besser werden, das kann ich dir versprechen (been there, done that ;-) )

Zu den Modellen nochmal: Das sind größtenteils Modelle. Manche passen besser, andere weniger gut. Vielleicht ist es wirklich egal, wo auf dieser Skala du dich gerade befindest. Und das muss ja auch nicht für immer so sein und bleiben. Kannst du deine Therapeutin fragen, wie sie das sieht, wie sie das wahrnimmt, oder traust du dich das nicht? Kannst du mit ihr darüber reden, was dir an dem Ganzen so viel Angst und Unbehagen bereitet? Warum da bei dir/in dir dieser innere Widerstand ist? Was brauchst du (von ihr, aber auch sonst), damit du dich da "sicherer" fühlen kannst, evtl. dir auch das alles gaaaaanz langsam und Schritt für Schritt mit ihr zusammen anschauen kannst?
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Beitrag Mo., 30.04.2018, 10:26

Hallo doppelgängerin, was mir als interessierter Laie hier gerade in den Sinn kam: gibt's vielleicht Seiten in dir, die einfach gar nicht wollen, dass deine Therapeutin dich wirklich sieht? Die irgendwie täterloyal sind, sich dadurch bedroht fühlen? Ich stelle mir das gerade etwas extremer vor, wie es jeder Mensch kennt, von wegen "innere Eltern" o.ä., die gerade dann auf den Plan gerufen werden, wenn man sich von dem wegbewegt, was diese eigentlich wöllten. Und für solche "Fremdanteile" ist eine Therapie und Hilfe für dich ja doch sehr bedrohlich.
LG scars
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Beitrag Mo., 30.04.2018, 11:35

Liebe Lisbeth, wow, hab dank für diese unglaublich lange und tolle Antwort! Das sind viele Infos für mich, viele Ideen und es tut mir durchaus gut von anderen zu lesen, wie ihr damit umgeht, auch, dass die Zweifel und Ängste scheinbar dazu gehören.

Du hast es ja nochmal geschrieben... Ich muss das wohl mehr Mut meiner Therapeutin klären
Die Zweifel betreffen ja auch sie. Wahrscheinlich werde ich die Lösung nicht hier im forum finden. Aber es hilft mir dich sehr, ordnet mich und macht mir Mut evtl das ein oder andere anzusprechen. Ich weiß noch nicht, ob ich mich traue, aber ich hoffe es!!

Hallo scars,
ja, das gibt es und es spielt sicher mit hinein.
Das, was die Therapie verweigert, teilweise sabotiert, zeigt sich doch immer wieder sehr deutlich. Es findet die Therapie lächerlich und sinnlos. Und es ist wütend auf die Therapeutin, hasst sie geradezu.
Es kann durchaus sein, dass ich auch davon beeinflusst bin, was meine Zweifel und Ängste diesbezüglich betrifft.
Auch die Angst, mich der Therapeutin zu zeigen ist sehr ausgeprägt, ist aber nochmal etwas anderes als dieses oben beschriebene täterloyale. Das sieht die Therapeutin als wirklich bedrohlich an.
Danke für deinen Gedanken, den hatte ich so noch nicht....

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Beitrag Mo., 30.04.2018, 13:28

doppelgängerin hat geschrieben: Mo., 30.04.2018, 11:35
Auch die Angst, mich der Therapeutin zu zeigen ist sehr ausgeprägt, ist aber nochmal etwas anderes als dieses oben beschriebene täterloyale. Das sieht die Therapeutin als wirklich bedrohlich an.
So rein von der Logik her: weil du dann wiederum Angst vor den destruktiven Anteilen hast, die auf den Plan gerufen werden, wenn du dich zeigst?

Hoffe ich quatsch hier nicht blöd rum und verwirre dich, habe in diesem Maße ja keine Erfahrung mit. Aber bei mir ist es z.B. so, dass ich auf bestimmte Dinge suizidal reagiere, auch nicht von "innen" heraus, sondern als eine Art Regulationsmechanismus, wovor ich selbst natürlich Angst habe, weil es kürzlich auch schon unkontrolliert wurde und entsprechend jetzt die Auslöser vermeide (primärer Auslöser momentan leider Therapie/Beziehung/Emotionen und das Darüber-Reden/sich zeigen an sich), so wie du es dann auch vermeiden möchtest, dich deiner Therapeutin zu zeigen und wirklich entschlüsselt zu werden (eigentlich ist eine passende Diagnose ja was Positives, weil es den Weg ebnen kann). LG scars
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Beitrag Mo., 30.04.2018, 13:45

Nein, in diesem Sinne ist eher die Angst davor, verletzt zu werden. Oder Angst vor dem "Guten" überhaupt.....
mir macht dad Angst, wenn sich jemand für mich interessiert. Vielleicht, weil ich in meiner Zeit der emotionalen Prägung damit schlechte Erfahrungen gemacht habe. Scheinbar ist das verknüpft : Interesse für mich = Wehtun oder unberechenbares Verlassenwerden.
Ich kenne das auch, dass ich da suizidal drauf reagiere. Und das empfinde ich aber dann schon als sehr fremdgesteuert und automatisiert. Da bin ich nicht mehr ich.

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Beitrag Mo., 30.04.2018, 14:26

Ja, ok, das ist dann was anderes - aber auch vollkommen verständlich. ;) Vielleicht brauchst du da einfach noch Zeit und positive Erfahrungen.
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Beitrag Di., 01.05.2018, 10:34

Ich habe ein bisschen gelesen, über DDNOS, und Co. Und ich bin diesbezüglich ein wenig zur Ruhe gekommen.

Ich muss sehen, wie ich mit meiner Therapeutin an dieser Stelle weiter mache. Ob ich sage, dass all das nicht stimmt und ich bitte nicht mehr von Teilen reden will, oder ob ich doch nochmal näher hin schauen mag. In mir ist es diesbezüglich ziemlich durcheinander und schwankend, aber ich bekomme mich wieder halbwegs alltagstauglich reguliert.

Eine Frage kam mir aber noch, und lässt mich nicht ganz los:
Würde ich es mir nicht zu einfach machen, wenn ich sage: Das war ich nicht, das war der oder der Teil.
gerade, wenn ich an die Klinik denke... Oh man, das war so schlimm und tat mir hinterher so leid!! Als ich suizidal zur Brücke ging und dann per Telefon auch noch eine Mitpatientin einweihte, die sich riesige Sorgen machte, und geradezu retraumatisiert wurde dadurch.....
Nein, ich war da nicht klar bei Verstand und ja, ich habe mich dabei höchstens von außen beobachtet. Aber muss ich nicht trotzdem für mein Verhalten gerade stehen? Wäre es nicht feige zu sagen, daß war der böse andere Teil, aber ich kann nichts dafür und würde so etwas Beklopptes nie tun??

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Beitrag Di., 01.05.2018, 11:11

doppelgängerin hat geschrieben: Di., 01.05.2018, 10:34 Nein, ich war da nicht klar bei Verstand und ja, ich habe mich dabei höchstens von außen beobachtet. Aber muss ich nicht trotzdem für mein Verhalten gerade stehen? Wäre es nicht feige zu sagen, daß war der böse andere Teil, aber ich kann nichts dafür und würde so etwas Beklopptes nie tun??
Ja - für dein Verhalten gerade stehen solltest du schon, im Sinne dessen, dass du anfängst die Verantwortung auch für deine „bösen anderen Teils“ zu übernehmen, weiter an dir zu arbeiten. Vergiss die Schuldfrage, deine Scham und was da sonst noch so rumspukt. Kann es gerade nicht in Worte fassen, aber ich vermute einen Denkfehler in deinem Kopf. ;-) LG scars
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