Stabilisierung <-> Trauma-Bearbeitung/-Konfrontation

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candle.
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Beitrag So., 17.08.2014, 22:10

Tipi tipi hoe hat geschrieben:
Wie als würde man den Verdrängungsmechanismus verstärken.
auf den Punkt brachte.
Hierzu wollte ich noch kurz etwas schreiben.

Was ich ja immer noch nicht in meinen Kopf bekomme ist, dass ich ja schon so ein halbes Leben hatte wo die Verdrängung ja fantastisch an die 30 Jahre funktioniert hatte. Heißt jetzt, dass ich etwas lernen muß, was mein Hirn schon vorzüglich konnte. Und so gesehen hatte ich schon auch meinen Frust, dass da jetzt etwas hochkommt und man mir in der Tagesklinik eher nicht zur Traumaverarbeitung riet.

Hochgekommen ist all das auch wegen dem Komplettzusammenbruch meines familiären Umfeldes, was ich nach wie vor als ganz wichtigen Stabilisator sehe, nur kann ich mir so ein Umfeld leider nicht herzaubern und schon gar nicht in dieser "Krankheit" wo ich erstmal unbewußt Ruhe und sozialen Rückzug gesucht habe.

Mir fällt kein besserer Vergleich dazu ein als der eines heftigen Schlaganfalles wo man Leben quasi ganz neu lernen muß, wobei man einem Schlaganfallpatienten wohl auch nicht raten würde zu warten bis er keine Angst mehr hat vor dem nächsten Schlaganfall, sondern an seiner Mobilität zu arbeiten.

Ich hoffe, meine Gedanken sind euch jetzt nicht zu verquer. Jedenfalls geht es mir den Umständen entsprechend gut- gerade.

candle
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Wandelröschen
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Beitrag So., 17.08.2014, 23:32

Jenny Doe hat geschrieben: dass es dieses nur Stabilisieren und nicht Verarbeiten dürfen ist, was zu einer zunehmenden Instabilität bei mir führte.
Das schreibt Landkärtchen auch und habe ich auch schon öfters von anderen gehört.

-> Zu langes Stabilisieren und nicht Verarbeiten kann also durchaus (und wohl gar nicht so selten) auch zu zunehmender Instabilität führen. Aussage des Theras dann: "Sie sind noch nicht stabil genug", also weiter stabilisieren, Teufelskreis

Zu Marietta,
die Sichtweise der von dir genannten Thera bin ich auch schon begegnet:
kaum Heilung, kostet sehr viel Kraft
Das das kein Zuckerlecken ist, das ist uns wohl allen klar. Auch kann es, wie montagne und AmyinmeinemHimmel schrieb (und ich auch kenne), zeitweilig zu einer Verschlimmerung der Symptome kommen bei der Traumabearbeitung.
marietta hat geschrieben: sie sähe sehr viel mehr Sinn darin, Menschen zu stützen und zu stabilisieren und zu schauen, dass ihr Umfeld stimmiger wird. So könnten sie auch mit ihren Traumata recht gut leben.
Ich würde da anstelle von „leben“ eher „funktionieren“ sagen, denn diesen Unterschied kenne ich inzwischen.

Und wie geht es dann weiter?
Die Therapie ist dann zu Ende, es geht einige Zeit ins Land, man hat gelernt, einige Trigger ganz gut zu umschiffen, ist stabiler geworden, funktioniert ganz gut im Leben… und nach fünf Jahren steht man wieder vor den Punkt, bei dem man damals die Therapie begann, weil der Geist der Vergangenheit dieses Mal an der Hintertür anklopft und den Fuß in die Tür stellt. (damals war´s halt die Terassentür).
Aber der damalige Thera sieht das ja in der Regel nicht, für ihn ist die Welt in Ordnung, seine Therapie erfolgreich, denn er hat ja den Patienten einigermaßen stabil und funktionierend ins Leben entlassen.

Aber vor den Geist der Vergangenheit kann man nicht dauerhaft davonlaufen, der holt einen irgendwann wieder ein, wenn man sich ihn nicht stellt. Und immer die Tür zuzuhalten kostet verdammt viel Energie, die einem am „leben“ hindert und einen nur „funktionieren“ lässt.
(ist halt inzwischen meine Erfahrung)
marietta hat geschrieben: Für mich ist das wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss, aber es ist bei diesem Thema wohl wie immer: Es gibt so viele Meinungen dazu wie es TherapeutInnen gibt...


Marietta schrieb, und ich denke, das sehen wir wohl alle, Traumabearbeitung kostet Kraft.
Ja, aber nicht nur die Kraft des Patienten, sondern auch die Kraft des Theras. Und da stellt sich die Frage, kann und will der Thera diese Kraft überhaupt aufbringen?
montagne hat geschrieben:Aber dieser Raum (…) darf nicht beschnitten werden, durch die Ängste der Therapeutin. (Und die Ängste dann vllt. noch dem Klienten zuschreiben.)
Das ist nämlich aus meiner Sicht auch ein nicht zu verachtender Punkt bzw. eine Erklärung für das ewige Stabilisieren.
Stabilisieren haben sie „gelernt“, da kennen sie sich aus, läuft in relativ bekannten Bahnen. An ein Trauma rangehen kostet mehr Kraft seitens des Theras, und der weiß nicht, wo die Reise hingeht, was natürlich Ängste auslöst in der Art, ob er den Patient auffangen kann und ob er die Baustelle mittragen kann, weil vielleicht ja auch noch eigenes bei ihm selber schlummert. Außerdem kann das, was da an Traumamaterial präsentiert wird, und wenn er dieses an sich ran lässt zu mittragen, durchaus an seinem Weltbild kratzen oder es sogar erschüttern. Also es kann durchaus zu einer sogenannten Sekundärtraumatisierung des Therapeuten kommen.
Den Gedanken hatte ja auch PP:
peppermint patty hat geschrieben:Ich weiss noch als ich auf Therasuche war - und ich bin explizit nur zu Theras mit Traumazusatzausbildung gegangen (Liste abgearbeitet) - da gab es einige die regelrecht ängstlich wirkten mit mir (wegen meiner Geschichte) arbeiten zu sollen/wollen. Wahrscheinlich gibt es eine gar nicht unerhebliche Quote von durch Konfrontation verursachte Traumatisierungen/Burnouts bei Theras. .
-> Also mal so in den Raum gestellt für den Therapeuten:
Traumabearbeitung kostet auch seine Kraft, löst ev. bei ihm selber Ängste aus und kann bei ihm zu einer Sekundärtraumatisierung führen. Stabilisierung des Patienten ist einfacher, führt auch erst einmal zu einer Verbesserung der Lebensumstände/Situation, vielleicht ist der Patient damit ja schon zufrieden, weil es ihm besser geht, …
Ziel erreicht
Gruß
Wandelröschen

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Wandelröschen
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Beitrag So., 17.08.2014, 23:41

montagne hat geschrieben:Letzlich ist es wohl auch hier wieder so, dass man für sich selbst die Verantwortung tragen muss, da man mit den Konsequenzen leben muss. Sich nicht unvorsichtig reinstürzen, wie ein Kopfsprung in unbekanntes Gewässer, aber auch spüre, wann man unnötig ausgebremst wird.
Ja, sehe ich auch so, auf sein Bauchgefühl hören. Und wenn das sagt, das der Zeitpunkt da ist zum Bearbeiten, zum Anschauen, zum drüber Reden, sich dann nicht ausbremsen lassen.
Ausgebremst wurde ich zu oft, gerade von meiner ersten Thera.
Bei einer Baustelle schauten wir zusammen etwas hin, konnte mich auch wieder distanzieren, war zwar heftig, auch hinterher erstmal, konnte damit aber aus meiner Sicht ganz gut klar kommen. Ich spürte, da ist noch mehr, da fehlt noch was, das ist noch nicht fertig. Aus meiner Sicht musste ich da nochmal hin. Und was bekam ich da zu hören, als ich das ansprach: „Frau Wandelröschen, da waren Sie schon, da brauchen Sie nicht nochmal hin!“ doch, ich schon, nur sie wollte da wohl nicht mehr hin (vielleicht zu schwer für sie, zu beängstigend).
Ich fühlte mich ausgebremst, mundtot gemacht. Mit meinem neuen Thera war ich später noch öfters da. Und jetzt ist es gut.
peppermint patty hat geschrieben: Ich habe mir auch noch mal Gedanken zur therapeutischen Beziehung und Konfrontation gemacht. In der Klinik (…) gibt es idR bei Intervalltherapie, die ja fast schon der Regelfall bei stat. Traumatherapie ist, nicht so eine enge Bindung an die Klientinnen. Von daher können sie sich zum einen sicher sein, dass die Klientinnen durch den stat. Rahmen sicher gehalten werden und andererseits sind auch sie geschützt, dass sie sich durch die nicht allzu enge Bindung schützen können.
Mir fällt der Schutzgedanke gerade auch deshalb ein, (…)
Ambulante Theras tragen aber die volle Verantwortung alleine. Da müssen sie vermutlich erst mal selbst Vertrauen zu den Klientinnen aufbauen - um zu schauen - ob dies beide "tragen" können. Ja, ich glaube es geht um gegenseitiges Vertrauen und beidseitige Übernahme von Verantwortung.
Dieser Gedanke kam auch schon mal und ich denke, er ist absolut zutreffend:
Das gegenseitige Vertrauen in einer guten therapeutischen Beziehung wirkt sehr stabilisierend, also nicht nur die ganzen „technischen“ Stabilisierungsmaßnahmen, also sehr dienlich für die Traumabearbeitung.

-> Zu langes Stabilisieren -> Ausbremsen, mundtot machen, ignorieren der Bedürfnisse des Patienten, Bedürfnisse des Theras (eigener Schutzgedanke) stehen im Vordergrund
Schneerose hat geschrieben: nebenbei konfrontiert sie mich "sanft", das fiel mir kürzlich auf...
z.B. mache ich Sport, und trinke täglich einen EiweissShake, nur das Ding bringe ich mit Milch nicht runter,
dann meinte sie ich solle es vielleicht mit Jogurt probieren, mit gutem Geschmack...ect.

und so nebenbei erwähnte sie:
"schmecht das vielleicht wie Sperma"? bäääh...

das ist sanft konfrontierend mit dem Trauma - finde ich.

Von meiner ersten Therapie ging ich jahrelang wie gerädert raus,
von ihr gehe ich jedesmal mit leichten Flügel raus...
einmal war ein schweres Gewitter im Anflung,
ihr Mann hat mein Auto in deren Garage gestellt...

das war so "fürsorglich" einfach ein echt schönes Gefül.
Der führsorgliche Umgang mit mir (in der Schematherapie groß geschrieben) und das sanfte Konfrontieren kenne ich auch. Ersteres führte zu einer sehr viel mehr vertrauensvollere Beziehung (und damit allein schon stabilisierend) und durch Zweiteres konnte auch er ausloten, wie ich mit (erst einmal „harmloseren“) Konfrontationen umgehe. So dass auch er mir immer mehr vertrauen konnte.
Schneerose hat geschrieben:stabil werden hat viel mit Vertrauen zu tun, und Vertrauen viel damit,
"das es einfach passt", wirklich passt, nicht "das Begehren" wo man durch die rosarote Brille schaut, sondern es passt einfach so menschlich.
Ja, sehe ich auch so, habe ich so erfahren.

Aus dem „Was gerade sch*** und was gerade gut ist“ – Thread:
candle. hat geschrieben:
Tipi tipi hoe hat geschrieben: -/+ ich frage mich manchmal, ob Stabilisierungsübungen eigentlich auch zu Verdrängung führen...?
++ mich erfolgreich stabilisiert = es geht mir gut
- ? mich erfolgreich stabilisiert = ich konfrontiere mich nicht?
Das habe ich mich auch schon gefragt. Ob es grundsätzlich dazu führt, weiß ich nicht, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Aber ja, in dem Moment ist es wohl auch eine Form der Verdrängung. Wie als würde man den Verdrängungsmechanismus verstärken.
candle
Ja, eine sehr interessante Sichtweise:

-> Stabilisierung eine Art der Verdrängung?
Tipi tipi hoe hat geschrieben: Vielleicht gibt es einfach auch unterschiedliche Zugänge - denn es gibt sehr wohl Traumatherapie, die sagt, Konfrontation ist nicht immer nötig - möglich... und deswegen aber nicht weniger heilend...
Heilend oder eher hilfreich?
Für eine Heilung kommt man mMn nicht um eine Konfrontation herum, denn dann muss die Sache auf den Tisch, angesehen werden, nur so kann sie bearbeitet werden und es kann zu einer Heilung kommen (muss aber nicht, ist aber mMn Voraussetzung). Ohne Konfrontation kann es doch höchstens hilfreich sein (auch Verdrängung kann erst einmal hilfreich sein), also zu einer Symtomverbesserung und eine bessere Lebenssituation führen, was aber na klar für den ein oder anderen Patienten auch langt (zumindest erst einmal), weil vielleicht auch die notwendigen Ressourcen für mehr auch (temporär) nicht zur Verfügung stehen.
Gruß
Wandelröschen

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Wandelröschen
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Beitrag So., 17.08.2014, 23:51

candle. hat geschrieben: Was ich ja immer noch nicht in meinen Kopf bekomme ist, dass ich ja schon so ein halbes Leben hatte wo die Verdrängung ja fantastisch an die 30 Jahre funktioniert hatte. (…) Und so gesehen hatte ich schon auch meinen Frust, dass da jetzt etwas hochkommt
Das ist das, was ich schrieb. Dauerhaft kann man vor den Geist der Vergangenheit nicht davonrennen. Irgendwann (und sei es nach 30 Jahren) holt er einen ein.
candle. hat geschrieben: Mir fällt kein besserer Vergleich dazu ein als der eines heftigen Schlaganfalles wo man Leben quasi ganz neu lernen muß, wobei man einem Schlaganfallpatienten wohl auch nicht raten würde zu warten bis er keine Angst mehr hat vor dem nächsten Schlaganfall, sondern an seiner Mobilität zu arbeiten.

Ich hoffe, meine Gedanken sind euch jetzt nicht zu verquer.
Nein, das passt.

Für mich geht Heilung nicht ohne Konfrontation/Bearbeitung. Alles andere ist hilfreich, aber eben nur temporär.
Gruß
Wandelröschen

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 10:12

Liebe Wandelröschen,
Wandelröschen hat geschrieben:Meiner Auffassung/Beobachtung nach wird seitens der Psychotherapeuten zu viel/zu lange auf Stabilisierung gesetzt als an die Bearbeitung der Traumata gegangen. Teilweise wird dann sogar ganz auf letzteres verzichtet bzw. ewig aufgeschoben (immer mit der Begründung, der Patient sein nicht stabil genug), bis dann die KK-Stunden der Therapie aufgebraucht sind, und der Patient sich dann (notgedrungen) mit dem etwas besseren Umgang mit seinen Symptomen (ist ja durchaus schon mal positiv) zufriedengibt.
ich weiß ja nicht, wie es in Deutschland ist, aber auf Basis meiner Erfahrungen in meinem Umfeld (Einblicke in Arbeit von KollegInnen, Vortrags- und Fortbildungsinhalte, Berichte von KlientInnen) empfinde ich Ihre Aussage als viel zu verallgemeinernd.

Meine Auffassung von Traumatherapie ist eher so (und damit stehe ich in keiner Weise alleine), dass Schwerpunkte stets im Dialog und reflektierend mit den KlientInnen gesetzt werden - es also in aller Regel keineswegs so ist, wie durch Ihre Zeilen klingt, nämlich dass TherapeutInnen "vorgeben", was zu geschehen hat, und die KlientInnen das dann mitmachen müssen, auch wenn es ihnen gar nicht passt. Wenn Therapieverläufe tatsächlich so wären (es ist ja nicht auszuschließen, dass derartiges vereinzelt doch vorkommt oder in einem früheren Stadium der Traumatherapieforschung - die betreffenden Psychotherapiespezialisierungen haben ja erst eine recht junge Vergangenheit - auch häufiger vorkam), wäre ein Frustrationsgefühl natürlich verständlich.

Herzliche Grüße,
R.L.Fellner

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hopelife
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Beiträge: 1430

Beitrag Mo., 18.08.2014, 10:28

Hallo in die Runde,

meine Symptome wurden auch mit Entspannung und verhaltenstherapeutischen Übungen behandelt.
Zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass es mir damit besser geht. Meine Therapeutin hat mich anfänglich immer sehr gestärkt auch bei Ängsten abends das Haus zu verlassen und ich habe es einmal geschafft in der Dunkelheit um den Block zu laufen, ohne dabei Wiedeerlebungen zu haben. Unsere therapeutische Beziehung war zum dem Zeitpunkt recht stabil und darauf möchte ich hier gerne hinaus. Als sie sich dann abrupt aus dem Staub machte, so brach die Ptbs wieder mit heftigen Albträumen aus. Ich hätte mir die Stunden Traumatherapie auch sparen können.
Letztlich merke ich, dass es die Beziehung zur Therapeutin war, die mich stärkte und beruhigte. In meiner neuen Therapie verhält sich das ähnlich. Wird die Beziehung als unsicher erlebt, verschlimmern sich meine Symptome, obwohl ich gegenwärtig keine Bearbeitung mache. Wird die Beziehung stabil erlebt, so kann ich auch Momente genießen, in denen ich das frühere als vorbei bezeichnen kann und es mich nicht so einholt.
Ich würde auch keine Bearbeitung mehr wollen, wenn sie nicht intensiv begleitet wird.
Was ich hier nur einwerfen wollte ist der Beziehungsaspekt in der Therapie. Wenn die vertraute Beziehung wackelt, so beginnt der Kreislauf wieder von vorne.
Das konnte ich bei mir jedenfalls beobachten.
Mir helfen Stützpfeiler im Umfeld. Mein Partner kennt meine Ängste und ist auch per Telefon eine Stütze, wenn es mal einbricht. Ich kenne meine Nachbarn sehr gut usw... das alles gibt mir Halt, wenn ich abends alleine bin und Panik bekomme. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn die Nachbarn nicht da sind, ich wenig Leben um mich herum habe oder ich nicht mit Sicherheit sagen kann, dass jemand ans Telefon geht, wenn ich anrufe. Sobald ich mit einer vertrauen Person spreche verschwinden die Symptome meist vollständig wieder. Da mein Traumatisierung unter sechs begann, so sieht kaum ein Therapeut eine wirkliche Chancen auf Heilung. Ich kann nur den Umgang damit erlernen.
Was natürlich schmerzt, ist die Vorstellung, dass es immer ein Teil von mir bleiben wird, einen den ich annehmen muss. Ich glaube, dass wichtigste was ein Traumapat. erlernen kann ist der positive Umgang mit sich selbst. Trigger vermeiden, in sich spüren, was und wer einem gut täte. Ich glaube zumindestens das konnte ich in der vorigen Therapie erreichen, um Symptome zu mildern oder anzufangen. Das klappt nicht immer, weil ich viele Auslöser noch nicht kenne, aber von denen ich weiß, die meide ich und dazu gehört auch, dass ich mich nicht zwingen im Dunkeln auf die Straße zu gehen, auch wenn meine Therapeutin damals diese Art der Experimente befürwortet hat und wenig empathisch war, wenn ich meine Angst schilderte, da kamen dann so Sätze wie: "Es ist doch aber vorbei und du wohnst ja nicht in Syrien, wo man jetzt Angst haben muss auf die Straße zu gehen. "
Ich glaube sie war nach einigen Stunden in denen sich nichts bewegte nur noch ungeduldig.

Einen Gruß in die Runde
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!


Jenny Doe
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weiblich/female, 56
Beiträge: 5037

Beitrag Mo., 18.08.2014, 11:18

Lieber Herr Fellner,

vielleicht haben Sie Zugriff auf die Studien? Sie vermitteln einen kleinen Einblick in die Situation in Deutschland. Ähnliches, wie bie der PTBS, gilt auch für Angststörungen, wie Zwangserkrankungen. Diese Studien füge ich jetzt hier nicht ein; bei Interesse können sich mich gerne über PM kontaktieren.

Was passiert nach der stationären Stabilisierung mit komplex traumatisierten PTB-Patientinnen?
Die Bedeutung von Stabilisierung und Konfrontation für die Behandlung traumatisierter Frauen
Rita Rosner, Christine Henkel, Katharina Ginkel und Robert Mestel
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie
Verlag Hans Huber
Volume 58, Number 2 / 2010
http://www.psycontent.com/content/l1qn812476g1106j/
Bei Patienten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTB) und zusätzlicher komplexer Thematik erfolgt in Deutschland im stationären Setting überwiegend eine Stabilisierung. Angenommen wird dabei, dass die erfolgreich Stabilisierten in einer ambulanten Folgetherapie mit einem traumakonfrontativen Verfahren behandelt werden. Die hier vorliegende Arbeit hat zwei Ziele:
Erstens soll eine quantitative Literaturübersicht zum Thema Stabilisierung und Konfrontation bei komplex Traumatisierten gegeben werden. Hier zeigte sich, dass Stabilisierung überwiegend kleine bis mittlere Effekte erzielt und dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen insgesamt erfolgreicher erscheinen. Zweitens soll die Inanspruchnahme von Folgebehandlungen nach stationärer Stabilisierung erfasst werden. Dazu wurden 147 sexuell traumatisierte Frauen, die eine stationäre, vorwiegend stabilisierende integrative Behandlung erhielten, nachuntersucht. Während sich die allgemeine psychische Belastung am Ende des stationären Aufenthalts stark verbesserte, zeigten sich nur kleine bis mittlere Effekte im Bereich der posttraumatischen Symptomatik. Nur ein geringer Teil der Stichprobe erhielt eine Traumakonfrontation in den vier Jahren nach der stationären Behandlung. Daraus und aus der Literaturübersicht kann abgeleitet werden, dass das stationäre Setting für Traumabearbeitung genutzt werden sollte.
Versorgungsrealität bei der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung
Christoph Kröger, Sören Kliem, Nico Bayat Sarmadi, Joachim Kosfelder
Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Hogrefe Verlag
ISSN 1616-3443
Volume 39, Number 2 / 2010
Seiten: 116-127
http://psycontent.metapress.com/content ... 02741n122/
Theoretischer Hintergrund: Verschiedene stabilisierende und traumafokussierende Verfahren wurden in Behandlungsleitlinien zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) empfohlen. Fragestellung: Welche Verbreitung haben diese Verfahren im klinischen Alltag? Welche prädiktive Bedeutung hat der Einsatz traumafokussierender Interventionen für die von Therapeuten eingeschätzte Verbesserung der Symptomatik?
(...)
Ergebnisse: Über ein Drittel der befragten Therapeuten setzten Vorstellungsübungen zur Stabilisierung und Distanzierung ein. Interventionen der dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) wurden hingegen kaum angewendet.
(...)

Stabilisierung vor Konfrontation in der Traumatherapie – Grundregel oder Mythos?
Verhaltenstherapie 2008;18:109–118
Online publiziert: 9. Juni 2008
http://content.karger.com/ProdukteDB/pr ... tNr=224158
(...)
Im deutschen Sprachraum wird von Fachgesellschaften und in Lehrbüchern postuliert, dass vor einer Konfrontation mit der traumatischen Erinnerung unbedingt eine Stabilisierung zu erfolgen habe. Die Evidenz aus den vorliegenden randomisierten kontrollierten Therapiestudien zeigt dagegen, dass die sogenannten traumafokussierten Therapieverfahren (Varianten der kognitiven Verhaltenstherapie, der Expositionstherapie und EMDR) am erfolgreichsten sind. Diese werden auch von den internationalen Fachgesellschaften empfohlen oder vorgeschrieben. Die traumafokussierten Verfahren beinhalten alle eine unmittelbare Konfrontation und es ist keine oder nur eine rudimentäre Stabilisierung vorgesehen. Expositionstherapien führen nicht häufiger zu Verschlechterungen, werden nicht häufiger verweigert und nicht häufiger abgebrochen. Es gibt also keinen Beleg dafür, dass Expositionsverfahren gefährlicher sind als stabilisierende Verfahren oder von den Patienten schlechter akzeptiert und toleriert werden. Die Datenlage spricht auch nicht für die Notwendigkeit einer Stabilisierungsphase für komplex traumatisierte Patienten, wie erwachsene Patienten nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit. Entgegen der häufig vertretenen Lehrmeinung ist eine Stabilisierungsphase in der Traumatherapie nicht notwendig und negative Effekte der Stabilisierung können nicht ausgeschlossen werden.
(...)
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


Waldschratin
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Beiträge: 4199

Beitrag Mo., 18.08.2014, 11:42

Teil 1 :
hopelife hat geschrieben:Letztlich merke ich, dass es die Beziehung zur Therapeutin war, die mich stärkte und beruhigte. In meiner neuen Therapie verhält sich das ähnlich. Wird die Beziehung als unsicher erlebt, verschlimmern sich meine Symptome, obwohl ich gegenwärtig keine Bearbeitung mache. Wird die Beziehung stabil erlebt, so kann ich auch Momente genießen, in denen ich das frühere als vorbei bezeichnen kann und es mich nicht so einholt.[...]Was ich hier nur einwerfen wollte ist der Beziehungsaspekt in der Therapie. Wenn die vertraute Beziehung wackelt, so beginnt der Kreislauf wieder von vorne. Das konnte ich bei mir jedenfalls beobachten.
Mir helfen Stützpfeiler im Umfeld. Mein Partner kennt meine Ängste und ist auch per Telefon eine Stütze, wenn es mal einbricht. Ich kenne meine Nachbarn sehr gut usw... das alles gibt mir Halt, wenn ich abends alleine bin und Panik bekomme. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn die Nachbarn nicht da sind, ich wenig Leben um mich herum habe oder ich nicht mit Sicherheit sagen kann, dass jemand ans Telefon geht, wenn ich anrufe. Sobald ich mit einer vertrauen Person spreche verschwinden die Symptome meist vollständig wieder.
Wegen dieser Abhängigkeit von äußeren Umständen und Gegebenheiten bin ich erst in Therapie gegangen.Das hab ich nie als "stabilisierend" erlebt und empfunden,sondern an sowas hat sich für mich der Grad meiner Beeinträchtigung erst so richtig deutlich gemacht.Und wie dringend ich Hilfe brauchte und eben NICHT mehr alleine damit klarkam.
hopelife hat geschrieben:Da mein Traumatisierung unter sechs begann, so sieht kaum ein Therapeut eine wirkliche Chancen auf Heilung. Ich kann nur den Umgang damit erlernen.
Das hab ich auch nur zu oft gehört,von verschiedenen Theras,und das bestätigt das,was Wandelröschen schreibt.
Hat sich aber in meinem Fall so rein gar nicht so ereignet.Im Gegenteil : Obwohl ich eigentlich schon von Mutterleib an heftigste und über 15 Jahre anhaltende Traumatisierungen (Wobei ich da jetzt nicht gekränkten Narzissmus und dergleichen meine,sondern schon Psychotrauma im Sinne körperlicher und seelischer Gewalt bis hin zur Folter,das unterscheidet sich aus meiner eigenen Erfahrung raus in der Bearbeitung doch ganz schön) erlebt hab,haben mir 40 Stunden Traumatherapie "gereicht",bei einem Thera,der nun nicht grade zu den "Betüttlern" gehörte und wo`s auch in der Hauptsache VT-technisch zuging und die Beziehung zwischen uns nicht im allervorderster Front stand,um seither die meisten Traumakonfrontationen alleine hingekriegt zu haben.Er hat mir das für mich beste Handwerkszeug gezeigt dadurch,daß er MIT mir meine schon vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten mir zugänglich zu machen half.

Was mir auch sehr geholfen hat,war sein pragmatischer und "undramatischer" Umgang mit Trauma aller Art.Von ihm hab ich gelernt,meine "Ansprüche" in Richtung `"Keiner darf mir wehtun" mal etwas realistischer zu sehen und damit auf den Boden der Tatsachen zu landen.(Bevor jetzt gleich wieder allerhand Aufschreie durch die Reihen gehen : Ich meine das nicht „verharmlosend“ bzgl. Traumatisierungen,sondern ich meine damit schlichtweg den Umstand,daß KAUM jemand OHNE Trauma durchs Leben kommt und daß die Kehrseite eines „unbeschwerten“ Lebens ohne Beeinträchtigungen nun auch nicht grade „gesunde“ Menschen hervorbringt...)
Er hat mich auch vorsichtig drangeführt und mir zuerst Stabi beigebracht,aber als ich ihm immer öfter rückmeldete,daß ich an ne Konfrontation dran will,weil ich das als mein eigentliches Ziel in der Therapie ansah,da ging er mit.Erstmal,indem er mir Konfrontation mit angenehmen Erinnerungen beibrachte,damit ich ein Gefühl dafür bekam,wie sowas in einem lebendig werden kann und wie unmittelbar man dann im Erleben selber wieder drinsitzt.

Er hat aber auch nie nen Hehl draus gemacht,daß das,was ich erlebt hab,die Hölle war,und zwar jedes einzelne Erlebnis wieder - und daß sich da dran auch in der und durch die Bearbeitung nix ändern wird.Damit hat er mir sogar sehr weitergeholfen,weil mal eins NICHT diesen Anspruch an mich stellte,so schreckliche Dinge "dezent" und ohne Beeinträchtigung dabei für mich (und wohl v.a. meine Umwelt....) abgearbeitet zu bekommen.Für mich war das damals der beste Beweis dafür,daß er mir tatsächlich glaubt,daß ich erlebt hab,was ich erzähle,und nicht rumdramatisiere.Im Fokus stand für ihn,daß ich nicht „abrutschte“ und v.a.,daß ich nicht mit den bisherigen Bewältigungsmechanismen wie der Eßsstörung oder nem Sui-Versuch reagierte,sondern dem „Neuen“ ne Chance gab.Und da hat er standgehalten und ist schlicht und einfach dagewesen,ohne mir je meine eigene Verantwortung dabei abzunehmen.


Waldschratin
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 11:44

Teil 2:
Dafür hat er mir als besten "Anker" immer wieder mitgegeben,daß es nicht mehr JETZT passiert,auch wenn ichs in der Bearbeitung so erleben mag,und daß ich JETZT jede Menge anderer und besserer Möglichkeiten habe,mich gewehrt und draus befreit zu bekommen,als damals als Kind.Also auch da wieder sein Fokus,ich soll dem „Neuen“ am Umgang damit ne Chance geben.

Es ist wahrscheinlich so,daß ich es mit Konfrontationen weitaus leichter hatte als andere Traumatisierte,weil ich multipel war und es immer jemanden von uns gab,der eben NICHT mit ins allgemeine Wiedererleben eintauchen mußte bei der Verarbeitung.Und wir uns gegenseitig so nach und nach zu unterstützen lernten (Auch mit der DIS ging er nach anfänglichen leichten "Berührungsängsten" schnell recht pragmatisch damit um und "nahm",was er eben von mir "geboten" bekam als Arbeitsgrundlage).
Trotzdem : Wer verarbeiten,sprich konfrontieren möchte (Das seh ich auch wie Wandelröschen),der wird um ne Belastung durch die Traumagefühle und entsprechende Beeinträchtigungen im Hier und Jetzt einfach nicht drumrum kommen.

Den "Anspruch" zu haben,daß es nicht wehtun und nicht anstrengend sein darf,schließt meiner Meinung nach ne Konfrontation schon aus,denn das MUß ja ne Bauchlandung werden.

Andererseits seh ich auch kein "Muß" zur Konfrontation.Es sind ja nicht nur die ganz persönlich vorhandenen Fähigkeiten und Umstände IN einem,die das "mitbestimmen",inwieweit man sich konfrontieren kann und/oder möchte.Sondern das liegt ja auch mit an den äußeren.
Ich kanns nicht nur verstehen,sondern finde es einfach nur klug,wenn eins ne Konfrontation erstmal auf später verlegt,weil grade die Kinder klein sind z.B.,oder der Job die Lebensgrundlage sichert etc.pp.
Für manche ergeben sich daraus dann vielleicht sogar lebenslange Modelle,mit Stabi zurechtzukommen - und warum auch nicht?Das mag jeder entscheiden aufgrund seiner eigenen Lage und dessen,was er sich für sein Leben wünscht.

Ich kenn ja auch ein paar Betroffene,die nun schon Mitte/Ende 60 sind (eine davon schon an die Mitte 70 geht) und damit ein recht gutes Leben hinbekommen haben,ihre Kinder "erfolgreich" erzogen und auch selber von sich sagen,ein gutes Leben zu haben.Ich denke,DA dran mißt sich,was man tun sollte oder wie man es tun sollte als Traumatisierter.
Zuletzt geändert von Waldschratin am Mo., 18.08.2014, 11:51, insgesamt 1-mal geändert.


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Beitrag Mo., 18.08.2014, 11:47

Teil 3:
Ich seh auch gar nicht so nen großen Unterschied im "Kraftaufwand" zwischen Verdrängung/Distanzierung und Konfrontation/Verarbeitung.Das Eine braucht halt auf weitaus längere Sicht nen etwas "dezenteren" Kraftaufwand mit nur ab und zu mal "Spitzen" drin,das Andere braucht viel Kraftaufwand über kürzere Zeit mit weniger "Erholungsmöglichkeiten" dazwischen,dafür besteht da die Möglichkeit auf "Befreiung" von der Last an sich.Gut,dafür zahlt man aber auch den Preis der Konfrontation.
Also da seh ich kein "besser oder schlechter" und schon gar kein "richtig oder falsch" dabei.

Was die klare Sicht drauf verschleiert,so hab ich das jedenfalls erlebt,ist der Umstand,daß man sich in der Zeit der Verdrängung/Distanzierung ja gar keine Vorstellungen davon machen kann,WIE verdammt kraftaufwendig das ist,sich das Erlebte mitsamt der Gefühle ständig von der Seele gehalten zu bekommen.Weils ja der "gewohnte",verinnerlichte Zustand ist,der einzige,den man bis dato kennt.Und man von daher gar nicht ermessen kann,was man da Tag für Tag leistet.

Für mich war das wie ne Offenbarung,als ich das erste Mal in meinem Leben sowas wie innere "Lastfreiheit" erlebt hab.Als ich das erste Mal ne Ahnung davon bekam,wie es sich lebt OHNE diese ständige Anstrengerei - einfach,weil Erlebtes zur bloßen Erinnerung geworden war und sich mein Geist und meine Seele (und mein Körper wohl auch...) nicht mehr ständig abstrampeln mußten,das in irgendwelche dunklen Kämmerleins weggehalten zu bekommen.

Ich bin jetzt seit Anfang 20 dabei,mit meinen Traumatisierungen zurechtzukommen.Also schon ein recht langer Weg mit vielen unterschiedlichen Ausprobierereien über die Zeit.
Hab dabei erlebt,wie es ist,Opfer sein zu müssen - dann aber durch meine Arbeit daran vom Opfer zur Überlebenden zu werden.Das war schon mal ein großer Schritt,ein tolles,befreiendes Erleben.
Dann schaffte ich es aber auch noch von der Überlebenden zur "Ehemaligen" - und das hatte nochmal ne ganz andere Qualität von Freiheit und Lebendigkeit,unvorstellbar für mich,das je erreichen zu können,als ich noch am Anfang stand.Leider auch unvorstellbar für so manche der Theras,die bis dahin meinen Weg gekreuzt hatten....

Und inzwischen hab ich noch nen Schritt geschafft,von der "Ehemaligen" zu nem ganz normalen Menschen mit halt einigen miesen Erinnerungen.Auch wenn es nach wie vor "Inseln" gibt in mir,die mich mal wieder hinbringen zur Notwendigkeit einer Bearbeitung.

Was ich in meiner derzeitigen Therapie jetzt mache,erlebe ich als ganz was anderes.Nämlich tatsächlich die Beziehungsarbeit,ebenso wie die Bearbeitung narzisstischer Kränkungen und natürlich als "Frühgestörte" der ganze Bindungs- und Vertrauenskram.Aber das kann und will ich persönlich nicht mit der Traumaarbeit über einen Kamm scheren,auch wenn es sich ständig in vielerlei Ebenen überschneidet bzw. ergänzt.

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Zuletzt geändert von Waldschratin am Mo., 18.08.2014, 11:54, insgesamt 1-mal geändert.


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 11:51

@ Herr Fellner,

noch was aus eigener Erfahrung. Ich kann kaum beschreiben, wie schwer es für mich in Deutschland war einen Therapeuten zu finden, der Trauma- und Angstkonfrontation anbietet. Nachdem ich vier Jahre lang die oben erwähnte PA gemacht habe, während der nur ich "stabilisiert" (ich präferiere "chronifiziert") wurde, geriet ich erneut an eine Therapeutin, diesmal VT, die ebenfalls nur stabilisierte und selbst nach drei Jahren Therapie eine Angstkonfrontation für zu gefährlich hielt.
Da die Stabilisierungstherapie bei mir zu keiner Verbesserung führte - vielmehr war das Gegenteil der Fall, die PTBS chronifizierte sich und die Angststörung wurde immer schlimmer, so schlimm, dass ich letztendlich gar nicht mehr fähig war auf die Straße zu gehen - suchte ich gezielt nach einer Therapeutin, die sowohl Trauma- als auch Angstkonfrontation anbot. Vergeblich. Egal wen ich anrief, alle gaben mir zu verstehen, dass sie nach Huber/Reddemann arbeiten und "erst mal" stabilisieren. Eine Konfrontation sei doch viel zu gefährlich, das würde nur retraumatisieren, ...
Mein Vorteil war schließlich, dass ich wusste, welches Therapeutenausbildungsinstitut in Deutschland Therapeuten in Konfrontationstherapie ausbildet. Ich suchte schließlich nach Therapeuten, die von diesem Institut ausgebildet wurden und fand eine. Sie war leider nicht kassenzugelassen. Ich schrieb einen Brief an meine Krankenkasse, in dem in der Kasse schilderte, wie aussichtslos es ist einen Therapeuten zu finden, der Konfrontationstherapie anbietet. Schließlich wurde mir von der Kasse diese nicht kassenzugelassene Therapeutin bewilligt.
Die Therapie bestand erst mal darin, die ganze "Stabilisierung" wieder zu "durchbrechen". Denn ich hatte während der "Stabilisierung" nichts anderes gelernt als, als wie ich am besten vermeiden, unterdrücken und verdrängen kann, ... nämlich dadurch, dass ich einfach alles in den Tresor stecke und die Tür zu mache. Das war nicht Stabilisierung, das war Aufbau von Vermeinungsverhalten. Ich musste also erst mal wieder umlernen, nämlich nicht zu vermeiden.
Hinzu kam, dass sich durch die Stabilisierungstherapie die PTBS bei mir chronifizieren konnte. Denn es wurde ja nicht an und mit dem Trauma gearbeitet, das Trauma/die Angst wurden vielmehr einfach nur weggesperrt. Doch dieses Wegsperren ging bei mir volle Kanne nach hinten los. Zu Therapiebeginn hatte ich ab und an mal Intrusionen, durch die Stabilisierungstherapie kam es zu einem Rebound-Effekt ("Denken sie nicht an einen weißen Bären"). D.h., aus den anfänglichen gelegentlichen Intrusionen wurden 24 Stunden Intrusionen. Je mehr ich versuchte zu vermeiden, desto schlimmer und häufiger wurden die Intrusionen. Meine Konfrontationstherapeutin hatte somit alle Hände voll damit zu tun, erst mal die Schäden der Stabiliserungstherapie zu beheben, sprich, das Vermeidungsverhalten wieder abzubauen und durch Konfrontation die Anzahl der Intrusionen wieder zu reduzieren.
Ich bin mehr als glücklich, dass ich diese Konfrontationstherapeutin gefunden habe. Das, was die Vortherapeuten in 7 Jahren durch ihre Stabilisierungstherapie nicht erreichen konnten, nämlich eine Besserung meiner Befindlichkeit, schaffte die Konfrontationstherapeutin mittels Konfrontation in nicht mal 60 Therapiestunden.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Schneerose
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 12:04

Sehr geehrter Herr Fellner, ein wenig sehe ich das aber auch wie Wandelroeschen. Vor allem bei Th.Methoden, wo die Eigenverantwortung sehr gefordert ist und alles sich auf das Hier u. Jetzt bezieht, besteht große Gefahr, dass der Patient überfordert wird und sich Stabilität daher nicht ausreichend einstellen kann und so nie Trauma therapeutisch gearbeitet wird. Verschiedene Sichtweisen beider Parteien erschweren dies enorm. Aber alles ist für jeden Lehrzeit. Man kann nur hoffen, dass Patienten die Stärke dafür automatisch in sich tragen. Therapeuten meinen es sicher in erster Linie gut, jedoch unterschätzt auch ein Fachmann manchmal die Wucht eines Traumas, und überschätzt dazu sein Können. Für den Th.nicht einfach, für den Patienten jedoch fatal. Freundliche Gruesse
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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hopelife
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 15:42

Hallo Waldschratin,

erstmal beachtlich, wie präzise Du das alles beschreiben kannst und mit welch einer Kraft du an Dir arbeitest.

Ich kann leider gerade ohne meine Maus nicht zitieren.

Das mit der Abhängigkeit versuche ich für meinen Teil nicht so negativ zu sehen, hat alles wahrscheinlich seine Vor und Nachteile.

Für mich fungieren diese Stützen als kleine Inseln, kleine Ufer, aber es ist ja nicht auszublenden, dass es auch eine starke Form der Abhängigkeit darstellt und auch nicht gesund ist.
Diese Angst, dass ein wichtiger Stützpfeiler wegbricht, die macht dann wieder andere Baustellen.
Ich würde auch behaupten, je nachdem wie jem.Konfrontation für sich selbst definiert, das ich auch eine hatte. Das ständige Reden darüber bezeichnete meine Thera damals als Konfrontation. Ich würde das nie wieder so machen, denn ich neige dann dazu
mich wirklich an das Bein der Therapeutin festzuklammern und meine Hilflosigkeit in dieser Phase, die kann absolut kein Mensch tragen und aushalten, bzw ich möchte sie niemanden mehr antun.
Es ist wohl ein Ziel diese Stabilität ins sich selbst zu finden und sie auch so zu fühlen und an diesem Punkt scheitere ich wohl doch oftmals noch.

LG, hopelife
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!

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Beitrag Mo., 18.08.2014, 17:21

Hallo Herr Fellner,
danke für Ihre Antwort, möchte noch kurz drauf eingehen.
R.L.Fellner hat geschrieben: wäre ein Frustrationsgefühl natürlich verständlich.
Oh, kommt da bei Ihnen ein Frustrationsgefühl meinerseits an? Ne, ne, da kann ich Sie beruhigen. Unsereins hat eine sehr erfolgreich verlaufende Therapie jetzt hinter sich, von Frustration keine Spur.
In dieser Therapie kam es nicht zu einer ewiglangen Stabi-Phase, im Gegenteil. Es ging relativ schnell an Konfrontation (allerdings nicht sofort mit den schwerwiegenden Traumata).
In der Therapie davor, die unsereins abbrechen musste, stand Stabi auch nicht laufend im Vordergrund oder wurde ewig gemacht, denn außer der schwerwiegenden Traumata gab es noch genügend harmlosere Baustellen, die mit meiner Ex-Thera angegangen wurden (auch teilweise erfolgreich).
R.L.Fellner hat geschrieben: dass Schwerpunkte stets im Dialog und reflektierend mit den KlientInnen gesetzt werden - es also in aller Regel keineswegs so ist, wie durch Ihre Zeilen klingt, nämlich dass TherapeutInnen "vorgeben", was zu geschehen hat, und die KlientInnen das dann mitmachen müssen, auch wenn es ihnen gar nicht passt.
.
Die meisten schwer traumatisierte Patienten, die sich zum ersten Mal in Therapie begeben, weil es ihnen sehr schlecht geht, sie unter diversen Beeinträchtigungen leiden, haben in der Regel (und das behaupte ich jetzt einfach mal, ohne mich auf 96 Studien zu berufen) nicht gerade das größte Selbstbewusstsein. Sie wissen nicht, welche Diagnose sie haben (und ob die stimmt, die ihnen der Therapeut gibt, sei mal dahingestellt), und wie das dann zu behandeln ist. Der Thera wird selbstverständlich wohl dem Patienten vorschlagen, wie vorgegangen werden kann (also nicht „vorgeben“), wobei er natürlich nur die Möglichkeiten vorschlagen wird, die er „beherrscht“ und für sinnvoll (also schon mal seine Bewertung) erachtet. Wenn Sie etwas für nicht sinnvoll erachten, werden Sie es wohl auch nicht vorschlagen. Und der Patient kennt sich in seiner Not (wenn überhaupt) nur wenig darin aus, was es überhaupt für Interventionsmaßnahmen gibt. Klar wird er Thera, wenn der Patient leise äußert „hm, ich weiß nicht so recht, trau mich nicht …“ nicht dem Patient die vorgeschlagene Intervention aufdrücken und sagen, „das machen wir jetzt, das müssen sie tun“. Wenn allerdings der Patient den leisen Wunsch vorsichtig äußert, da eventuell mal hinzuschauen, sich also mit dem Trauma zu konfrontieren (irgendwie), und der Therapeut dann sagt, er fände es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so angebracht, noch lieber etwas warten, weil der Patient aus seiner Sicht noch zu instabil sei, wird der Patient doch nicht mit fester selbstbewusster Stimme sagen, „doch, ich will das jetzt, ich fühle mich absolut stabil genug“. Der Patient wird eher (vielleicht sogar verunsichert) sagen, „na ja, wenn Sie meinen, dann warten wir noch ein bisschen“, weil er denkt, der Thera kennt sich da schließlich besser aus als man selber, der ist vom Fach, der hat da Erfahrung. Ist doch das gleiche in grün wie bei Ärzten.
Gruß
Wandelröschen

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Beitrag Mo., 18.08.2014, 17:25

hopelife hat geschrieben: Wenn die vertraute Beziehung wackelt, so beginnt der Kreislauf wieder von vorne. Das konnte ich bei mir jedenfalls beobachten.
Mir helfen Stützpfeiler im Umfeld. Mein Partner kennt meine Ängste und ist auch per Telefon eine Stütze, wenn es mal einbricht. Ich kenne meine Nachbarn sehr gut usw... das alles gibt mir Halt, wenn ich abends alleine bin und Panik bekomme. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn die Nachbarn nicht da sind, ich wenig Leben um mich herum habe oder ich nicht mit Sicherheit sagen kann, dass jemand ans Telefon geht, wenn ich anrufe. Sobald ich mit einer vertrauen Person spreche verschwinden die Symptome meist vollständig wieder.
Was du hier beschreibst, diese allgemeine Stabilisierung, ist aber eigentlich keine Stabilisierung im traumatherapeutischen Sinne, denn da solltest du lernen, selber dich wieder zu stabilisieren bzw. bei auftretenden Triggern eben nicht in die totale Instabilität abzudrifften.

Du machst deine Stabilität von äußeren Faktoren abhängig und bist dann, sollten die wegfallen (und das haben äußere Faktoren nun mal so an sich), wieder total instabil. Das bringt dich nicht weiter. Genau das war einer der Gründe, warum ich überhaupt erst in Therapie gegangen bin. Mit diesen äußeren Faktoren, die ich mir ja schon selbst schaffte und kontrollierte, funktionierte ich doch ganz gut.

Waldschratin hat eine interessante Signatur, sehe ich gerade, total passend:
Jede Liebe, die von einer Sache abhängig ist, hört auf, wenn die Sache aufhört; die aber, die von keiner Sache abhängig ist, hört niemals auf. (Aus dem Talmud)
Und jetzt ersetze „Liebe“ mit „Stabilität“ und „Sache“ mit „äußeren Faktoren“
hopelife hat geschrieben: Da mein Traumatisierung unter sechs begann, so sieht kaum ein Therapeut eine wirkliche Chancen auf Heilung. Ich kann nur den Umgang damit erlernen.
Das sehen zum Glück nicht alle Theras so, auch wenn man das sehr oft liest - und ich sehe es auch anders, aus eigener Erfahrung. Meine Traumatisierungen begannen schon im Mutterleib und dauerten bis weit in die Pubertät. Und wenn auch kein ritueller Missbrauch dabei war, streng deine Phantasie an, trifft alles zu, zu genüge, die heftigsten Sachen. Und doch, es ist Heilung möglich, ich sehe mich von vielem geheilt, habe also nicht nur den Umgang damit gelernt.
hopelife hat geschrieben: Ich glaube, dass wichtigste was ein Traumapat. erlernen kann ist der positive Umgang mit sich selbst.

Ob es das wichtigste ist, will ich jetzt nicht sagen, aber gut ist es für jeden Menschen auf jeden Fall.
hopelife hat geschrieben: Trigger vermeiden, in sich spüren, was und wer einem gut täte. Ich glaube zumindestens das konnte ich in der vorigen Therapie erreichen, um Symptome zu mildern oder anzufangen.
vermeiden, mildern, abfangen
Das kann durchaus ein erstes Ziel sein, führt aber definitiv nicht zur Heilung (und mir wäre das langfristig definitiv zu wenig). Natürlich, wenn die eigenen Ressourcen (noch) nicht mehr hergeben, ist das ja schon mal mehr als nichts.
Gruß
Wandelröschen

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