Verantwortung für das Gelingen einer Psychotherapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Peonia
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Beitrag Di., 15.07.2014, 08:52

Das ist ein sehr verkürzter Verantwortungsbegriff, denn man kann durchaus für etwas verantwortlich sein, ohne schuldig zu sein.

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stern
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Beitrag Di., 15.07.2014, 15:06

Ich bin gestern zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mir bereits seeehr schwer damit tue, wenn ich be-antwort-en sollte, was Ver-antwort-ung (genau) ist. Und das nicht nur wegen meiner Matschbirne. Aber auch. Aufgrund meiner Therapiesituation fällt mir auch umso mehr auf, dass der Begriff "Antwort" enthalten ist. Ich hätte gerne manche Antworten von meiner Thera . Will an der Stelle aber nicht zu sehr abschweifen und versuchen auf der abstrakten Ebene zu bleiben.

Um mir ein paar Anregungen zu holen, habe ich gestern mal google (wikipedia) bedient. Noch unschlüssig, was ich teile
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortung . Ein paar Ideen:
Der Begriff der Verantwortung bezeichnet nach verbreiteter Auffassung die Zuschreibung einer Pflicht zu einer handelnden Person oder Personengruppe (Subjekt) gegenüber einer anderen Person oder Personengruppe (Objekt) aufgrund eines normativen Anspruchs, der durch eine Instanz eingefordert werden kann und vor dieser zu rechtfertigen (zu beantworten) ist.
(...)
Verantwortung ist ein Begriff der Möglichkeit. Notwendigkeit ist unabweisbar, Unmöglichkeit nicht erfüllbar. Unabweisbares und Unmögliches sind der menschlichen Entscheidung entzogen und damit nicht Gegenstand der Verantwortung. Verantwortung kann eine zukunftsorientierte oder eine vergangenheitsorientierte Bedeutung haben. Prospektiv ist die Verpflichtung, einen bestimmten Handlungserfolg herzustellen oder die Anforderungen an eine bestimmte Aufgabe oder Rolle einzulösen, (...)
(...)
Retrospektiv wird festgestellt, wer für das Ergebnis einer Handlung verantwortlich ist.
(...)
Der Begriff der Schuld deckt nur einen Teil des Begriffsfeldes von Verantwortung ab. (...) Schuld tritt erst ein, wenn jemand seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist, obwohl er anders hätte handeln können. Dann kann die Rechtfertigung des Handelns nicht mehr gelingen.
(...)
Im moralischen Sinn wird ein Verstoß als verantwortungslos bezeichnet, wenn jemand sich um seine Verantwortung nicht angemessen gekümmert hat. Damit ist dann häufig eine Abwertung der Person verbunden.
(...)
Im traditionellen Verständnis setzt Verantwortung unabdingbar Handlungsfreiheit voraus. Dies entspricht der Auffassung, dass der Akteur aufgrund einer Entscheidung tatsächlich auch anders hätte handeln können.
Worin ich mir sicher bin: Dass ich moralische Verantwortung und Vorantwortung (im Sinne normierte Pflichten) unterscheiden würde. Durch Einbezug der "moralischen Verantwortung" wird die Dimension weiter gefasst und subjektiverer und freiwilligerer Natur als irgendwelche Pflichten (durch Therapieverträge, Grundsätze professionellen Handelns für die der Thera die Verantwortung zu tragen hat). Anders formuliert: Man (und das sowohl Thera als auch Therapeut) kann mitunter für mehr Verantwortung übernehmen als "offiziell" "Pflicht" wäre. Bei meiner Thera hatte ich (bis vor einiger Zeit) immer den Eindruck, sie berücksichtigt auch die menschlichliche Seite (also über ethische Berufspflichten hinaus)

Neben normativer und moralischer Verantwortung (als Verantwortungsarten) kommt mir ganz spontan noch z.B. folgendes in den Sinn: Prozessverantwortung.

Auch müsste man=ich wohl die Verantwortung sich selbst und anderen (Therapeut, Patient) unterscheiden. Ich glaube, auch die Verantwortung, die man für sich selbst übernimmt hat Einfluss auf die "therapeutische Dyade". Also zum Bleistift: Wenn ein Therapeut nicht ausreichend Selbstfürsorge betreibt bzw. sich nur unzureichend oder zu viel abgrenzt kann das positiven und negativen Effekt auf die Beziehung/Therapie habe.

Das erstmal als Gedanken.
Liebe Grüße
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Christie
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Beitrag Di., 15.07.2014, 16:24

In meiner Therapie sehe ich das so:

1. Ich habe die Verantwortung für das Wollen der Therapie. Dr. Freud motiviert mich nicht dazu, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er mich aktiv aufhalten würde, wenn ich gehen wollte.
2. Ich habe die Verantwortung, die Therapie nach meinem Wissen so zu gestalten, dass sie zu einer Linderung meiner Symptome führt.
3. Dr. Freud hat die Verantwortung, nach seinem Wissen in diese Gestaltung lenkend einzugreifen. Er hat die Verantwortung, sich dabei nicht von eigenen Bedürfnissen steuern zu lassen. Falls er das doch tun sollte, ist er dafür verantwortlich zu machen – anders als ich, da er das kraft seiner Ausbildung und therapeutischen Rolle erkennen und unterlassen kann.
4. Wir beide haben die Verantwortung, die therapeutische Beziehung trotz ihrer persönlichen Färbung von einer privaten zu unterscheiden. Er hat die Verantwortung, mir das unter den gegebenen Umständen möglichst leicht zu machen; die hab ich ihm gegenüber nicht.
5. Bezugnehmend auf die Ausgangsdebatte bzgl. abruptem Therapieabbruch: Dr. Freud hat die Verantwortung, sich klar zu äussern. Und ich hab die Verantwortung, ihn zu hören zu versuchen.

Die Liste wäre noch längst nicht zu Ende und ich komm schon zu dem Schluss: ich empfinde die Verantwortungen bei Dr. Freud und mir als graduell.


LG
Christie

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MissX
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Beitrag Di., 15.07.2014, 21:42

Jeder Mensch (der dazu psychisch in der Lage ist) ist verantwortlich für das eigene Handeln.

Anders ist es mM auch in der Therapiesituation nicht.

Deshalb trägen beide die Verantwortung.

Ob eine Therapie gelingt oder scheitert, hängt mit dem Handeln von Therapeut und Patient zusammen. Und damit auch mit zwei Verantwortungbereichen.

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Rabe
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 15:26

Der Therapeut/die Therapeutin trägt die Verantwortung für das Gelingen der Therapie.

Damit will ich nicht sagen, dass Patient oder Patientin die Therapie passiv über sich ergehen ließe wie die kaputte Uhr den Uhrmacher und seine Werkzeuge, nein, er oder sie trägt dazu bei, sogar wesentlich.

Aber das, was uns pünktlich zur Stunde kommen, mitarbeiten, Anregungen umsetzen, Übungen machen, sich an Vereinbarungen halten, die eigene Destruktivität einschränken lässt - das sind die gesunden Anteile.
Schön, wenn es Patient oder Patientin gelingt, sie zu aktivieren; was aber, wenn nicht? Der Arzt ist für das Kranke da, also ist Therapeut/Therapeutin dafür zuständig, den richtigen Umgang mit der Störung zu finden. Andernfalls könnten wir uns ja selbst helfen.

Was wohl die meisten in eine Therapie bringt, ist der Wunsch nach einer Veränderung, die sie jedoch nicht selbst herbeiführen können.

Die Veränderung geht von Therapeut/Therapeutin aus.

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Wandelröschen
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 19:48

Rabe hat geschrieben: Was wohl die meisten in eine Therapie bringt, ist der Wunsch nach einer Veränderung, die sie jedoch nicht selbst herbeiführen können.
Die Veränderung geht von Therapeut/Therapeutin aus.
Hallo Rabe,

da muss ich dir vehement widerspechen!
Wenn der Patient an seinen eingefahrenen dysfunktionalen Mustern festhält, kann der Thera sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln und es wird keine Veränderung geben.
Etwas verändern heißt, etwas anders machen, und das kann man nur selber!
Der Thera kann dir dabei helfen, indem er dir Wege aufzeigt, aber gehen muss man die selber!
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 19:57

völlig fauk rabem patienten können die veränderung NUR selbst herbeiführen und sonst keiner.
..:..

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stern
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 20:18

Formal(-juristisch) gesehen schuldet der Therapeut eine Dienstleistung, die professionell durchzuführen ist... oder in anderen Worten: Ein Bemühen um seelische Heilung (des Patienten). Nicht aber den Erfolg (Gesundung/Heilung). Insofern kann er für letzteres auch nicht in Verantwortung genommen werden.
Liebe Grüße
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Christine_Walter
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 20:38

für mich liegt die verantwortung ganz klar auf beiden seiten. alles auf den therapeuten zu schieben wäre ein bisschen zu einfach. wenn ich als patient zb mich ständig nur "ausjammern" will und kontinuierlich die wirkliche arbeit verweigere, kann ich nicht vom therapeuten erwarten, dass er mich auch nach zehn stunden noch verständnisvoll zur mitarbeit motiviert bzw. dies versucht.


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 23.07.2014, 22:09

@ Wandelröschen
Wenn der Patient an seinen eingefahrenen dysfunktionalen Mustern festhält, kann der Thera sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln und es wird keine Veränderung geben.
Etwas verändern heißt, etwas anders machen, und das kann man nur selber!
Der Thera kann dir dabei helfen, indem er dir Wege aufzeigt, aber gehen muss man die selber!
Hmm, ... teils teils.

Wenn man sich mal die Studien zur Wirksamkeit einzelner Therapiemethoden (z.B. kognitive Restrukturierung) anschaut, so ist erkennbar, dass es keine Methode gibt, die 100% der Klienten hilft. Die gibt es auch in der Medizin nicht.
Mir ist es deshalb etwas zu einfach zu sagen, der Therapeut zeigt Wege auf, der Klient muss sie selber gehen. Es ist ja auch möglich, dass der aufgezeigte Weg für den (einzelnen) Klienten falsch ist, sprich, er zu denen gehört, denen eine Methode nicht hilft.
Wenn der Klient an dysfunktionalen Mustern festhält, dann ist es Aufgabe des Therapeuten herauszukriegen, warum er daran festhält und es ist seine Aufgabe, nach anderen Wegen zu suchen, um den Klienten zu helfen.

Das andere ist, dass es Störungen gibt, da kann man dem Klienten noch so viele Wege aufzeigen, er schafft es nicht sie zu gehen. Spontan fällt mir die endogene Depression ein. Die einen Depressiven sprechen besser auf Therapie (z.B. Kognitive Restrukturierung) an, die anderen besser auf Antidepressiva.

Man kann nicht jedem Klienten mittels Therapie helfen und nicht jede Methode hilft jedem gleichermaßen. Wege, die Therapeuten aufzeigen, können zudem für den einzelnen Klienten falsch sein. Deshalb ist es mir etwas zu einfach zu sagen, der Therapeut zeigt auf, der Klient muss sie selber gehen. Für mich gilt stets, sich den Einzelfall anzugucken.

@ Stern
Ein Bemühen um seelische Heilung (des Patienten). Nicht aber den Erfolg (Gesundung/Heilung).
Dem stimme ich zu. Ich denke, dass man mal weg muss davon, dass Therapie jedem helfen muss. Keine Methode hilft 100% der Klienten. Somit kann kein Therapeut ein Erfolgsversprechen abgeben. Er kann (und muss) sich bemühen, dem Klienten zu helfen, doch eine Erfolgsgarantie gibt es nicht.
Insofern kann er für letzteres auch nicht in Verantwortung genommen werden.
Sehe ich auch so. Wenn eine Chemotherapie einem Krebskranken nicht hilft, dann ist ja auch nicht der Arzt verantwortlich, wenn der Patient stirbt. Verantwortlich wäre er, wenn er z.B. eine OP, die das Leben des Patienten gerettet hätte, nicht durchgeführt hätte. Ähnlich wie in der Psychotherapie. Es ist die Verantwortung des Therapeuten Heilungsmöglichkeiten anzubieten. Es hängt vom Klienten ab, ob er sie in Anspruch nimmt und ob er darauf anspricht. Die Therapie kann wirken oder auch nicht. Woran es lag, dass sie (nicht) wirkte erfährt man nur, wenn man sich den Einzelfall anguckt.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


Jenny Doe
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Beiträge: 5037

Beitrag Mi., 23.07.2014, 22:39

Wenn der Patient an seinen eingefahrenen dysfunktionalen Mustern festhält, kann der Thera sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln und es wird keine Veränderung geben.
Noch eine kleine Ergänzung: Wann sind denn Muster dysfunktional?
Diese Diskussion habe ich mit meiner Therapeutin bis zum Umfallen geführt, weil es ihr nicht gelang, mich von meiner Zwangsstörung zu "heilen". Meine Thera fand mein Kontrollzwang dysfunktional und irrational. Ich nicht, bis heute nicht. Ich finde ihn normal und gesund.
Wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass drei Mal ein Blitz in meiner Wohnsiedlung eingeschlagen ist und sämtliche Fernseher zerstört hat, dass der Toaster mal eben Flammen fängt und der Pürierstab vor sich her qualmt, eine Lampe Feuer fängt und die Sicherung nicht rausspringt, dass zehn Mal im Jahr die Feuerwehr gerufen werden muss, weil mal wieder ein Kamin brennt, wenn man von der Therapie nach Hause kommt und nun zum dritten Mal 3 Feuerwehrwagen vor dem Haus nebenan stehen, ...
dann kann mir ein Therapeut noch so oft sagen, dass mein Kontrollzwang, meine Ängste und mein Gedanken dysfunktional und irrational sind. Ich bin da völlig anderer Meinung.

Das mal als Beispiel dafür, dass sich Therapeuten auf den Kopf stellen können, wenn Klienten an, aus ihrer Sicht, dysfunktionalen und irrationalen Mustern festhalten.
Da hilft mir die kognitive Verhaltenstherapie nicht die Bohne. Ich konnte z.B. auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass ... nur mit "100%" antworten, eben weill es meine gehäufte Erfahrung ist.

Bin ich jetzt dafür verantwortlich, dass mir eine solche Therapie nicht hilft, dass ich nicht einfach den Weg gehen kann, den mir die Therapeutin aufgezeigt hat? Oder wäre die Therapeutin dafür verantwortlich gewesen, hinzugucken, warum ich die scheinbar dysfunktionalen und irrationalen Mustern nicht aufgeben kann und mir bei der "Verarbeitung" der Erfahrungen zu helfen? Oder bin ich vielleicht einfach bzgl. des Kontrollzwangs therapieresistent und uneinsichtig, da ich mein kontrollverhalten nicht dysfunktional und irrational halte?

Wer ist jetzt verantwortlich? sie? Ich? Oder wir beide gleichermaßen?
Und: Kann man von "verantwortlich" sprechen, wenn Therapieresistenz vorliegt?
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Thread-EröffnerIn
Widow
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Beitrag Do., 24.07.2014, 02:05

Verzeihung, ich bin ein schlechter host von/für threads.
hopeless81 hat geschrieben:Ich finde immer noch, dass Psychotherapie zu sehr auf die leichte Schulter genommen wird und viele der Meinung sind, eine "gute therapeutische Beziehung" (was auch immer das sein soll) reiche aus.
[...]
Beide Seiten müssen sich im Vorfeld bewusst sein, dass so eine Therapie IMMER einen Eingriff ins Gehirn darstellt. Eigentlich vergleichbar mit einer Operation.
[...]
Da wäre ich dann wieder bei dem leidigen Thema der Aufklärung, die nicht ausreichend praktiziert wird.
ad 1: Die Zahlen sagen anderes. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass dieses Forum hier nicht "repräsentativ" für Psychotherapieverläufe ist ...
ad 2: Kann eine ambulante Psychotherapie bewirken, dass jemand seine Beine dauerhaft nicht mehr bewegen kann, für den Rest seines Lebens erblindet oder bis ans Ende seiner Tage nicht mehr sprechen kann?
ad 3: Jene vielbeschworene Aufklärung - findet die denn in der Hausarzt-Praxis statt, wenn der eine "Rotlichtbestrahlung" verschreibt, einen neuen Hustensaft, einen Rollator oder die Überweisung zur Koloskopie (wohlgemerkt: Das alles ist mitunter tödlich!)?! Solche "Aufklärungen" habe ich bislang ausschließlich vor Operationen bei Krankenhausärzten erlebt. Machen wir uns doch nix vor: Auch im medizinischen Bereich muss man als "Patient" (lat. = "Dulder"!) mitdenken! Und übrigens auch im Krankenhaus, sobald da was schiefgeht - und dann in einem Ausmaß, das gerade in einer solchen Situation vom Patienten gerade nicht mehr zu leisten ist.

Broken Wing hat geschrieben:im Falle eines Nichtgelingens lasse ich ihn nicht von irgendwelchen unbewussten Gefühlen daherfaseln.
Mit Deutungen wird sich der Therapeut bei mir ohnehin schwer tun, da ich Nachvollziehbarkeit verlange. Seine Eindrücke von mir nehme ich ernst, aber eine Herumfühlerei wird es nicht.
Dein Frust färbt auch das hier. - Ist ja verständlich.
Doch "faselt" niemand (auch ein Therapeut nicht) "daher", wenn es um "unbewusste Gefühle" geht - der Witz ist ja: Die sind da, nur merkt man sie, wenn überhaupt, immer erst hinterher und nur im Gespräch (das kann durchaus auch ein Selbstgespräch sein).
Dass "Deutungen" "Nachvollziehbarkeit" per definitionem ausschließen würden, ist eine echte Broken Wing-Koine! Nur find ich sie diesmal noch nicht einmal lustig, tut mir leid.
Doch da bin ich ja schon ganz grauenhaft an der "Herumfühlerei" mit meinem Leidtun - und das wollen wir doch nicht! Drum: Ich find's schön, wenn Du in diesem ptf was schreibst!

Jenny Doe hat geschrieben:Wie lautet deine subjektive Antwort?
Meine persönliche vorläufige Antwort auf Psychotherapieresistenz lautet: Ja, die gibt es. Doch dann muss schon im Kindesalter mit dem Psychotherapieren begonnen worden und damals ganz viel entsetzlich fehlgegangen sein, um eine solche Resistenz auszubilden.
Und ich glaube immer noch daran, dass man sogar eine solche Resistenz auflösen kann.

Christie hat geschrieben:2. Ich habe die Verantwortung, die Therapie nach meinem Wissen so zu gestalten, dass sie zu einer Linderung meiner Symptome führt.

Deine Symptome haben aber eine wichtige Funktion: Bei einigen Menschen besteht die Funktion der Symptome sogar darin, überhaupt leben zu können. - Was, wenn 'Symptomleidensdruck' und 'Überlebenkönnen qua Symptom' sich die Waage halten?

MissX hat geschrieben:Jeder Mensch (der dazu psychisch in der Lage ist) ist verantwortlich für das eigene Handeln.
Das ist ja gerade die Frage!
Ich denke auch: Wer ambulant therapiefähig ist, ist (mindestens) potentiell auch in der Lage, für das eigene Handeln verantwortlich zu sein. - Nur: Was umfasst das eigene Handeln? Auch eine scheiternde Psychotherapie?

Rabe hat geschrieben:Der Therapeut/die Therapeutin trägt die Verantwortung für das Gelingen der Therapie.
[...]
das, was uns pünktlich zur Stunde kommen, mitarbeiten, Anregungen umsetzen, Übungen machen, sich an Vereinbarungen halten, die eigene Destruktivität einschränken lässt - das sind die gesunden Anteile.
Schön, wenn es Patient oder Patientin gelingt, sie zu aktivieren; was aber, wenn nicht? Der Arzt ist für das Kranke da, also ist Therapeut/Therapeutin dafür zuständig, den richtigen Umgang mit der Störung zu finden. Andernfalls könnten wir uns ja selbst helfen.

Was wohl die meisten in eine Therapie bringt, ist der Wunsch nach einer Veränderung, die sie jedoch nicht selbst herbeiführen können.

Die Veränderung geht von Therapeut/Therapeutin aus.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich hier von (den in diesem ptf üblichen) ambulanten Therapien ausgegangen bin: Wenn jemand nicht mehr über genügend "gesunde Anteile" (warum denke ich da immer an Leipziger Allerlei?!) verfügt, um zur Stunde zu gehen, dann gehört sie/er nach dem, was ich weiß, in keine ambulante Therapie.
(Das "Mitarbeiten, Umsetzen, Machen, Halten, Einschränken" ist schon eine Stufe weiter - das muss auch in einer ambulanten Therapie m.E. zunächst nicht sein.)

- Das mit dem Veränderungswunsch, da habe ich mein persönliches "Nope, that's not mine", drum sage ich dazu nix.

Wie soll eine die/den PatientIn betreffende "Veränderung" von der/dem TherapeutIn ausgehen? Muss sich zunächst die/der TherapeutIn verändern?

Wandelröschen hat geschrieben:Etwas verändern heißt, etwas anders machen, und das kann man nur selber!
Der Thera kann dir dabei helfen, indem er dir Wege aufzeigt, aber gehen muss man die selber!
Das halte ich wiederum für etwas kurzsichtig (jetzt muss ich an Quantenphysik denken und daran, dass alles, was beobachtet wird, durch das Beobachten nicht mehr es selbst ist ...): Wenn man etwas anders macht, weil einem einer dabei zuschaut, dann macht man das nicht ganz allein anders, sondern auch durch und mit dem, der dabei zuschaut. - Erst recht, wenn der einem den Weg gezeigt hat: Der Weg, den man dann geht, wenn er einem aufgezeigt worden ist, ist keiner, den man ganz allein geht. (Ein anderer hat ihn im Geiste gesehen, ist ihn dort ein Stück weit abgeschritten - und: Seien wir doch ehrlich: Nur deshalb können wir, die wir hier in diesem Forum sind, uns überhaupt auf diesen neuen Weg für uns einlassen, wenn überhaupt.)
(Das wäre auch mein Antwort @Sinarellas gewesen.)


Die nachfolgenden postings (danke, stern, Christine_Walter, Jenny Doe) vertiefen ebenfalls Manches, was hier bereits angesprochen worden ist, drum erlaube ich mir, das nicht zu kommentieren.


Wie unterschiedlich und differenziert es hier gesehen wird, wer welche Verantwortung für das Gelingen einer Psychotherapie trägt, finde ich beeindruckend! Ich freue mich auf weitere Meinungen!

Mit herzlichem Gruß in die Runde
Widow

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hope_81
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Beitrag Do., 24.07.2014, 06:49

Widow hat geschrieben:

ad 1: Die Zahlen sagen anderes. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass dieses Forum hier nicht "repräsentativ" für Psychotherapieverläufe ist ...
ad 2: Kann eine ambulante Psychotherapie bewirken, dass jemand seine Beine dauerhaft nicht mehr bewegen kann, für den Rest seines Lebens erblindet oder bis ans Ende seiner Tage nicht mehr sprechen kann?
ad 3: Jene vielbeschworene Aufklärung - findet die denn in der Hausarzt-Praxis statt, wenn der eine "Rotlichtbestrahlung" verschreibt, einen neuen Hustensaft, einen Rollator oder die Überweisung zur Koloskopie (wohlgemerkt: Das alles ist mitunter tödlich!)?! Solche "Aufklärungen" habe ich bislang ausschließlich vor Operationen bei Krankenhausärzten erlebt. Machen wir uns doch nix vor: Auch im medizinischen Bereich muss man als "Patient" (lat. = "Dulder"!) mitdenken! Und übrigens auch im Krankenhaus, sobald da was schiefgeht - und dann in einem Ausmaß, das gerade in einer solchen Situation vom Patienten gerade nicht mehr zu leisten ist.
zu 1) Ja, die Zahlen sagen anderes. Um was für Stichproben handelt es sich bei diesen Studien? Welche "Erkrankungen" haben die Patienten/Klienten? Wird die gesamte Bandbreite befragt, oder nur Patienten mir vergleichsweise "harmlosen" seelischen Leiden? ( Nur weil ich schlechte Erfahrungen gemacht habe, bin ich nicht
per se gegen Psychotherapie. So schwarz/weiß denke ich dann -Gott sei dank- doch nicht.)

zu2) finde ich ein wenig lachhaft, sorry. Psychotherapie war, ist und bleibt arbeit am Gehirn. "kognitive Umstrukturierung". Manipulation (muss ja nicht immer schlecht sein) der Gedankengänge. Veränderung neuronaler Korrelate (what fires together, wires together...Hebbsche Lernregel).

zu3) Findet sie vielleicht nicht, merkwürdigerweise machen sich die Menschen dort aber eher schlau. Es ist schön,
dass Du mitdenkst. Viele Menschen in akuten seelischen Krisen können das mit unter vielleicht gar nicht mehr, sondern müssen vertrauen.

Na ja.....
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli


Jenny Doe
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Beitrag Do., 24.07.2014, 07:11

Ich finde immer noch, dass Psychotherapie zu sehr auf die leichte Schulter genommen wird und viele der Meinung sind, eine "gute therapeutische Beziehung" (was auch immer das sein soll) reiche aus.
ad 1: Die Zahlen sagen anderes.
Die Diskussion, obs DIE therapeutische Beziehung ist oder nicht, die FÜR DEN Therapieerfolg verantwortlich ist, hatten wir ja schon oft geführt. Doch wie kommt denn die gute therapeutische Beziehung zustande?. Auch Beziehungsaufbau, Herstellung eines Vertrauenverhältnisses, Vermitteln eines Sicherheitsgefühls usw. basieren auf nichts anderem als auf therapeutischen Methoden. In jedem Therapieverfahren gibt es Verhaltensregeln für den Therapeuten, die zum Aufbau einer guten Beziehung zum Klienten verhelfen sollen. So gibt z.B. die Gesprächstherapie vor: Bedingungslose positive Wertschätzung, Empathie und Kongruenz. In der Verhaltenstherapie loben Verhaltenstherapeuten ihre Klienten mit dem Ziel, bestimmte Verhaltensweisen bei ihnen aufzubauen. Wenn Klienten dann z.B. sagen, "es war die Empathie, die mir geholfen hat", "es war die Wertschätzung, die mir mein Therapeut entgegengebracht hat", ... dann meinen Klienten damit meist die "gute Beziehung" zum Therapeuten, die geholfen hat. Sie verkennen aber, dass das nichts anderes als Methoden sind.
Aber das ist jetzt Off-topic, ... denke ich.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Rabe
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Beitrag Do., 24.07.2014, 14:09

@widow
Wie soll eine die/den PatientIn betreffende "Veränderung" von der/dem TherapeutIn ausgehen? Muss sich zunächst die/der TherapeutIn verändern?
Ja,
wobei ich die Therapiestunde als ein gemeinsames In-Szene-Setzen betrachte, als ein Handeln in Rollen, deren Spielanleitung und Textbuch größtenteils aus der Biographie des Patienten oder der Patientin stammen.
TherapeutIn hat die Aufgabe zu verstehen, was gerade geschieht, und dann anders darauf zu reagieren (auch innerlich), als es die Erfahrungsmuster vorgeben - vor allem die Erfahrungsmuster von Patient/Patientin, doch auch die eigenen, sofern sie destruktiv sind.

Damit es weniger esoterisch klingt:
Das ist ähnlich wie in jenen Situationen, in denen ein Kind brüllt und unausstehlich ist, die etwas erfahrenere Erwachsene aber weiß, dass dieses Verhalten manchmal ein Zeichen von Kummer ist, also nicht zurückbrüllt und auch keine erzieherischen Maßnahmen ergreift, sondern ruhig bleibt, das Kind in den Arm nimmt, jedenfalls bei ihm bleibt. Das Kind sagt nach einer Weile etwas wie "das ist alles so ungerecht", weint und kann dann erzählen, was los war.

Was den Veränderungswunsch betrifft zwei nicht zusammenpassende Ideen:
- der Wunsch muss nicht lauten, dass alles gut werden soll, in aller Spitzfindigkeit ist auch etwas verstehen zu wollen ein Wunsch nach einer Veränderung, vom Nichtwissen zum Wissen halt
- Suizidalität ist meinem Verständis nach die radikalste Ausdrucksform des Wunsches nach einer Veränderung, die man selbst nicht herbeiführen kann, mit dem Tod als herbeiführbarer Lösung

Auch in ambulaten Therapien kann sich die Destruktivität gegen die gesund-vernünftigen Handlungsoptionen durchsetzen. Zwei Seelen, ach ... Es können Ambivalenzen (als Folge von Scham zum Beispiel, wenn man eigentlich über etwas Wichtiges, aber eben Peinliches sprechen möchte) dafür sorgen, dass man zwar pünktlich aus dem Haus geht, sich dann aber so vertrödelt, dass man doch deutlich zu spät kommt. Oder dass man anstatt vom Schwierigen zu sprechen, den Therapeuten mit einem seiner Lieblingsthemen ablenkt. Hoffentlich merkt dann eines von beiden, dass man an etwas vorbeiredet, und weist auch darauf hin.

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