Behandeln Psychotherapeuten nur leichte Störungen?

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

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Jenny Doe
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Beitrag Di., 26.08.2014, 11:16

@ Stern

Die Deutsche Psychptherapeutenvereinigung fühlt sich immer angegriffen, egal was man sagt. Gleichzeitig sind es jedoch die Therapeuten selbst die Klienten am Telefon sagen "Sorry, ich habe schon eine Multiple Persönlichkeit in Therapie / Ich behandle schon zwei Traumaklienten / Ich habe schon vier Depressive, , ... mehr kann ich nicht leisten".
Ich empfinde das nicht als Angriff gegen Therapeuten, sondern als Realität. Wenn jeder Therapeut mal selbst reflektieren würde und gucken würde, wieviele schwierige Klienten er denn selbst in Therapie hat, dann würden sie vielleicht mal begreifen, dass das kein Angriff gegen sie ist. Kein Therapeut (sofern er noch ein Privatleben hat) kann nur schwere Fälle nehmen. Eine Borderline, ein Traumatisierter, ein Depressiver, ... das sind Klienten, die vom Therapeuten mehr verlangen an Kraft, Zeit, Energie, ... als ein Student, der im Studium überfordert ist. Ich finde es logisch, verständlich und nachvollziehbar, wenn ambulante Therapeuten sagen "ich kann nicht mehr leisten". Ich kann es nachvollziehen, wenn Therapeuten z.B. sagen "ich behandle zwei Traumatisierte, mehr geht nicht, den Rest meiner Klienten wähle ich aus den leichten Fällen aus". Ambulante Therapie hat nun mal Grenzen. Und damit hat Lütz Recht: Es gibt einen ambulanten Versorgungsengpass für Menschen mit schweren Störungen.
Lütz geht es nicht, wie die Deutsche Psychptherapeutenvereinigung behauptet darum, das Leid psychisch Kranker runterzuspielen. Im Gegenteil: Ihm geht es um das wohl der Klienten, wenn er sagt, dass es einen ambulanten Versorgungsengpass für Menschen mit schweren Störungen gibt.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 12:27

Jenny Doe hat geschrieben:Die Frage ist jedoch, ob wirklich alle Probleme, die man als Rentner, Student, Berufstätiger, ... hat in die Psychotherapie gehören, die für die Heilung von Störungen und Krankheiten zuständig ist. Wenn es aus Burn Out eine Depression wird, oder Renter eine Depression entwickeln, weil sie unter ihrem Abbau leiden, ... klar gehört das dann in die Therapie. In manchen Fällen würde vielleicht eine Beratung ausreichen, z.B. "Wie gehe ich mit Studiumsbelastungen um? oder "Wie kann ich alterbedingte Defizite kompensieren?".
Aber so ist es doch heute schon, dass die Krankenkasse nur für krankheitswertige Störungen eine Therapie übernimmt. Und bei allgemeinen Studiumsbelastungen, die aber nicht krankheitswertig sind, ist die Studienberatung angezeigt.

Bei signifikanter Erkrankung greift eine fokussierte Beratung zu kurz...

Versorgungsengpass gilt es generell, zumindest gehe ich (wie viele andere Stimmen das auch sehen) von einer Unterversorgung aus. Und ich tendiere auch dahin, dass ies nicht unbedingt leicht ist, mit einer schweren Störung einen Platz zu finden... tedenziell schwere als bei leichteren Störungen.
als ein Student, der im Studium überfordert ist.
Was wie gesagt kein PT-Fall ist...
Liebe Grüße
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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 12:37

Und Lütz ist schon sehr speziell... das muss man auch dazu sagen. Dazu seine Büchervermarktung. Weiß nicht. Ich kann nicht alles ernst nehmen, z.B. Lütz:
Oma ist der bessere Psycho-Doktor
(...)
Therapeuten sind Leute, die gut in der Schule waren, anschließend sehr, sehr viele Bücher gelesen haben und dann in kleinen, hässlichen Räumen mit gestörten Menschen ihre Zeit verbracht haben. Wir können einen Waschzwang therapieren, das ist auch sehr nützlich. Ein Waschzwang kann die Hölle auf Erden sein. Aber wir sind nicht allkompetent. Ein Therapeut hat nicht mehr Lebenserfahrung als ein guter Freund oder eben ein altes Mütterchen, das schon einige Krisen durchlebt hat. Auch wenn er das vielleicht nie zugeben würde.http://www.fr-online.de/wissenschaft/ps ... easer.html
Damit tut er ja so als geht es darum, in einer PT Lebenserfahrung zu vermitteln (was sogar noch Oma besser könnte). Dabei ist PT die Behandlung signifikanter Krankheiten.

Wobei es ja durchaus gut sein kann, mit Oma oder Freunden zu reden (! also nicht falsch verstehen)... nur bei signifikanten Störungen ist es nunmal so, dass das Umfeld auch nicht unbedingt helfen kann. Manches vielleicht nicht nachvollziehen kann. Oder dann irgendwelche Weisheiten wie "A*sch zusammenkneifen" oder "früher ist man auch nicht zum Psychotherpeuten gegangen" usw. hört.
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Wandelröschen
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Beitrag Di., 26.08.2014, 13:35

stern hat geschrieben: Aber so ist es doch heute schon, dass die Krankenkasse nur für krankheitswertige Störungen eine Therapie übernimmt. Und bei allgemeinen Studiumsbelastungen, die aber nicht krankheitswertig sind, ist die Studienberatung angezeigt.
stern hat geschrieben:
als ein Student, der im Studium überfordert ist.
Was wie gesagt kein PT-Fall ist...
Meine Güte, Stern, bist du blauäugig?
Das zwischen Theorie und Praxis ein himmelweiter Unterschied ist, ist dir schon bekannt, oder?
Natürlich zahlt die KK nur für krankheitswerte Störungen. Und natürlich weiß das ein Thera und schreibt dann selbstverständlich nur den Kürzel einer krankheitswerten Störung auf den Antragsformular der KK, sonst könnte er sich die Sache von vorneherein sparen. Für den Antrag einer Kurzzeittherapie benötigen die meisten Theras kein Gutachterverfahren. Es überprüft kein Mensch, ob das, was auf diesem Erstantrag steht, auch der Realität entspricht und ob der Thera das auch behandelt!
Es gibt diverse Therapeuten, die als zweites Standbein ein berufliches Couching anbieten, ganz offiziell. Und die Berufstätigen, die das in Anspruch nehmen, bekommen eine offizielle Rechnung diesbezüglich und können es ggf. von der Steuer absetzen. Und für die Mittellosen, die das nicht von der Steuer absetzen können, gibt es halt die KK. Das ist Realität.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 14:14

Nee, ich habe keine blauen Augen . Persönlich glaube ich nicht, dass das Regelfall ist, dass der Therapeut dem Studenten, der sagt, ich bin mit dem Studium überfordert, dann Lern- und Erholungstipps oder was weiß ich gibt.

Das schlägt für mich wieder eher in die Kerbe: Die Therapeuten die, faulen S*cke, arbeiten betreiben oft nur Hobbypraxen (vgl. viewtopic.php?f=41&t=32184) und machen es sich leicht, indem sie nur leichte Fälle annehmen... sogar so leicht, dass sie Leute behandeln, die gar nicht krank sind.

Lütz ist eben sehr speziell und nicht gerade für PT-Freundlichkeit bekannt.
KV Hessen widerspricht Dr. Manfred Lütz
Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV Hessen) hat heute der Darstellung des bekannten Psychiaters und Theologen Dr. Manfred Lütz widersprochen, dass Psychotherapeuten zu einem großen Teil gesunde Menschen behandeln.
(...)
Die These des Kölner Psychiaters erklärt sich möglicherweise durch die eingeschränkte Sicht eines Psychiaters am Krankenhaus. „Bezogen auf die gesamte psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung und damit eben auch auf den Bereich der Niedergelassenen können wir die These nur als Verkennung der Versorgungsrealität zurückweisen“, erklärt Michael-Josef Ruh, der den Vorstand der KV Hessen in psychotherapeutischen Fragestellungen berät. „Je nach Indikation erhalten die Betroffenen entweder eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung.“
http://www.kvhessen.de/fuer-die-presse/ ... red-luetz/
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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 14:33

Wandelröschen hat geschrieben:Dann ging besagte Person auf Anraten von mir mal zu einem anderen Facharzt gleicher Richtung, aber noch mit zusätzlicher osteopathischer Prägung. Der machte sie darauf aufmerksam, dass die Ursachen für ihre Beschwerden auch an einer ganz anderen Stelle im Körper sein könnten, behandelte etwas an einer Stelle, wo sie eigentlich keine Beschwerden hatte, und siehe da, ihre Beschwerden gingen weg.
Und das ist dann Ärztepfusch. Es braucht ja einen Konsiliarbericht, in dem zu bestätigen ist, dass keine körperliche Verursachung gegeben ist. An der Stelle müsste man die Ärzteschaft kritisieren, die eine körperliche Erkrankung falsch eingeschätzt hat und eine Psychotherapie empfohlen hat.

Bei mir war es umgekehrt (Hausarztpraxis): Es hieß, Psychologen (Krankenkasse) gibt es nicht (sic!). Für Dinge, die sich im Kopf abspielen, sei ein Psychiater zuständig (nachdem es zunächst hieß, ich solle vertrauen, dass die dort verschriebenen Medikamente schon helfen werden, was aber nicht der Fall war). Es gäbe ansonsten nur Beratungsstellen. DIESES MAL habe ich mich selbst informiert, um eine passende Behandlung zu erhalten... die genau genommen um einiges früher sinnvoller gewesen wäre. Wie auch immer...: Gibt jedenfalls auch nicht wenige Ärzte, die es immer noch nicht gerne sehen, dass Psychotherapeuten in die Versorgung ebenfalls aufgenommen wurde (und somit das ärztliche Podest nicht mehr so hoch steht). Lütz gehört für mich dazu.
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Jenny Doe
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Beitrag Di., 26.08.2014, 14:59

@ Wandelröschen
Es überprüft kein Mensch, ob das, was auf diesem Erstantrag steht, auch der Realität entspricht und ob der Thera das auch behandelt!
Zustimm. Die allererste Therapie, die ich gemacht habe, war aufgrund von Burn-Out, Mobbing und Stress am Arbeitsplatz sowie psychosomatischen Beschwerden. War kein Problem für die Therapeutin mich zu behandeln. Es wurde halt im Gutachterbericht "begründet" "schlechte Kindheit", deshalb "emotional instabil", Diagnose "Borderline". Wenn man will, dann kann man sich alles so zurecht interpretieren, so dass aus allem eine psychische Störung wird, deren Ursache im Klienten liegt. Dass ich in einer Beziehung lebte, keinen Kratzer an den Armen habe, ... das alles konnte der Gutachter nicht sehen. Ebenso konnte der Gutachter nicht sehen und wissen, dass meine Kollegen reihenweise die Frührente einreichten, weil alle unter den Arbeitsbedingungen litten. Hätte er davon Kenntis gehabt, hätte er die Therapie vermutlich abgelehnt.
In den anderen Therapien lief es ähnlich ab. Die Therapeuten sagten mir ehrlich, dass sie dem Gutachter nicht die Wahrheit schreiben werden. Man dürfe nicht zuviel Postives, aber auch nicht zuviel Negatives schreiben, da sonst die Therapie nicht bewilligt werden würde.
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pandas
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Beitrag Di., 26.08.2014, 15:43

Es gibt ja auch die Linie, die dafür plädiert, dass Gutachterverfahren an sich weiter zu reduzieren.

Es ist ja schon so, dass für 25 Stunden Therapie bei einem KK-Therapeuten in einem der drei KK-Verfahren kein Gutachten erforderlich ist; es gibt einen ernstgenommenen Vorschlag dies auf 60 Stunden zu erhöhen.

Denn man kann es durchaus auch so sehen:
Die Grenzlinie zwischen psychischer Störung ja oder nein kann recht dünn sein, ist Auslegungssache und bei einem, zu Recht aus Datenschutzgründen vollkommenen anonymen Gutachterverfahren nicht kontrollierbar.
Jeder weiß, dass die Diagnose beim selben Patienten je nach Therapeuten sehr unterschiedlich sein kann.

Deswegen gibt es ganz offiziell den Gedanken, anzuerkennen, dass jeder gefährdet ist, eine psychische Störung zu entwickeln und es deshalb gar nicht verkehrt ist, wenn jeder bei Anmelden eines Bedarfs bei einem Therapeuten eine Theapie erhalten kann - nun bis zu 60 Stunden. Es gibt ja durchaus im KK-System auch den Gedanken der Prävention.
Das fließt da auch mit hinein und eben die Anerkennung einer Vulnaribilität für psychische Krankheiten aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklung (- das gab es mE auch schon früher, aber da war die Therapie an sich noch nicht so weit entwickelt, um das auffangen zu können-).
Nun könnte man auch hier fragen: Aber dann kann man ja gar nicht verhindern, dass ein vollkommen psychisch gesunder Mensch diese 60 Stunden Psychotherapie erhält. Nur schließt sich das dadurch aus, dass ein vollkommen psychisch gesunder Mensch gar kein Interesse daran hätte, 60 Stunden in einem Therapiezimmer zu verbringen. Hypochondrie zählt hier nicht als Argument, denn das wäre ja gerade eine psychische Störung.
Es gibt ja den Nachweis, dass recht viele Menschen bereits nach 50 Stunden Therapie diese freiwillig wieder beenden, ohne eine Verlängerung zu beantragen - sie haben das Gefühl, es geht ihnen wieder gut und wollen folglich keine Zeit mehr beim Therapeuten verbringen ...
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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 15:54

Ach, Lütz ist (auch) Theologe... vielleicht hat er Angst, dass im seine Schäfchen untreu werden, vgl. z.B. "Psychotherapie kann weniger als echte Seelsorge" (Manfred Lütz).

Absolut nichts gegen Seelsorge... nur wie will der Pfarrer oder ein guter Freund demjenigen mit einer signifikanten Zwangsstörung oder Essstörung helfen. Dass "nur reden" oder "nur Beziehung" richtet es eben oft nicht (hatten wir ja erst kürzlich ). Und was will man von jemands Urteil über PT auch erwarten, der sagt: "Denn jede gute Psychotherapie ist bloß eine im besten Sinne manipulative künstliche Beziehung auf Zeit für Geld." (Manfred Lütz)

Derjenige mit schwerer Depression ist oftmals doch gar nicht in der Lage eine PT zu absolvieren.

Und vielleicht stellen die schweren Störungen ja auch nicht die Mehrheit dar (wobei man wohl genauer definieren müsste, was das ist... nicht bei jeder Erkrankung stuft man wie z.B. bei Depressionen ab).
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Arthur
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Beitrag Di., 26.08.2014, 16:03

Manfred Lütz - über dessen Vorträge ich mich kringelig lachen könnte - hat das Interesse sowohl das Einzugsgebiet der Psychiatrie als auch das der Seelsorge vor den Therapeuten zu schützen. Drum geb ich in diesem Punkt nicht viel auf seine Meinung - auch wenn ich vieles was er sagt richtig finde.

Ist es nicht eine große Sorge, die Menschen davon abhält sich Hilfe zu suchen, die Angst man würde sich öffnen und dann in seinem Leiden nicht ernstgenommen zu werden? Unsere Gesellschaft ist reich genug, um für schwere und leichte Fälle eine gute Versorgung bereitzustellen - der politische Wille muss halt nur da sein.

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leere
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Beitrag Di., 26.08.2014, 16:57

Jeder der Hilfe braucht sollte diese auch bekommen. Allerdings sollte man schon die Ressourcen (Mensch und Geld) dort einsetzen wofür diese gedacht sind. Psychotherapie ist für die Behandlung von psychischen Störungen gedacht und wird deshalb von der Krankenkassebezahlt. Dass die Psycho Branche gerne ihren Einsatzbereich auf die besorgten Gesunden erweitern möchte ist verständlich, denn damit verdienen alle mehr Geld und irgendwie Hilfe kann doch jeder gebrauchen. Das Problem entsteht dort wo psychische Störungen diagnostiziert werden wo keine sind, damit der Therapeut über die Krankenkasse abrechnen kann. Denn der Hilfesuchende will oder kann die Leistung nicht bezahlen. Somit fehlen die Ressourcen an den Stellen wofür Sie gedacht waren. Außerdem wird dadurch die Statistik verfälscht was sowieso schon ein großes Problem darstellt. So viele psychisch Kranke kann es gar nicht geben.

Leere


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Beitrag Di., 26.08.2014, 17:13

leere hat geschrieben: So viele psychisch Kranke kann es gar nicht geben.
Warum nicht?

ich denke es geht um unterschiedliche Dinge, die so nicht in einen Topf geworfen werden sollen:

Es ist so, dass recht viele approbierte Psychologen Menschen mit schwereren psychischen Störungen nicht behandeln wollen, da sie dies als zu anstrengend, nervziehend etc. empfinden; ist wohl auch schichtbezogen, ein Großteil der Akademiker kommt ja immer noch aus Akademikerhause, psychologische Therapeuten zusätzlich aus sogenannten desöfteren bessergestellten Familien, denn ein familiäres Pölsterchen ist für die Therapieausbildung hilfreich. Da sieht man nicht so ganz, warum man sich denn nun Aggressionen etc. aussetzen sollte, dafür hätte man einen anderen Beruf gewählt ...
Das ist ein Problem, aber man sollte deshalb nicht sagen, Menschen mit leichten psychischen Störungen haben vielleicht gar keine, sondern wollen ein Coaching auf KK-Kosten machen.
Und auch nicht den Gedanken, dass jedes Gesellschaftsmitglied vulnerabel ist wegschieben; es bleibt so, dass KK auch präventiv gedacht ist. Mit einer OP sollte man auch nicht unbedingt warten, bis die Knochen schon ganz zerstört sind.
Das Problem entsteht dort wo psychische Störungen diagnostiziert werden wo keine sind, damit der Therapeut über die Krankenkasse abrechnen kann. Denn der Hilfesuchende will oder kann die Leistung nicht bezahlen. Somit fehlen die Ressourcen an den Stellen wofür Sie gedacht waren.
Wie ich erläutert habe, denkt man da mittlerweile schon anders, d.h. man geht davon aus, dass ein gewisser Grundbedarf an Therapie besteht, auch aufgrund der Vulnerabilität und deshalb denkt man daran, die Gutachterpflicht und ausführliche Diagnostik für Therapien bis zu 60 Stunden ganz abzuschaffen. Erst wer mehr Bedarf hat, muss ausdiagnostiziert und beschrieben werden.
Das macht durchaus auch Sinn; denn die Grenze zwischen Alltagsfrust und erster Depression ist nunmal fließend.
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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 17:14

Vielleicht ist schlichtweg das Angebot für Menschen in Lebenskrisen (ohne Erkrankung) zu dünn? Also Beratungsangebote.

Dahin gehen ja auch Meinungen, dass man durch Beratungsangebote den Zulauf in die Psychotherapie (präventiv) eindämmen könnte (also dass damit auch entgegengesteuert wird, dass sich etwas als Krankheit manifestiert, wenn jemand notfalls zeitnah ein paar Beratungstermine benötigt). Nur wohin können sich Betroffene wenden? Zu z.B. kirchlichen Einrichtungen hat ja nicht jeder eine Affinität.

Man könnte in der Tat die politische Entscheidung treffen, (auch) mehr Beratungangebote anzubieten (bei lebensbelastenden Ereignissen). Nur bei Störungen reicht das nicht unbedingt... da besteht eher die Gefahr der Chronifizierung.
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pandas
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Beitrag Di., 26.08.2014, 17:17

stern, das stimmt,

aber für manche "Bereiche" wurden durchaus Beratungsangebote ausgebaut,

wie z.b. Wildwasser für von sM Betroffene, Weisser Ring für Kriminalitätsopfer, die Gewerkschaften bieten Mobbingberatung an etc.
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Beitrag Di., 26.08.2014, 17:47

@ stern & pandas
Vielleicht ist schlichtweg das Angebot für Menschen in Lebenskrisen (ohne Erkrankung) zu dünn? Also Beratungsangebote.
Das denke ich auch. Dass Gewerkschaften Mobbingberatung anbieten ist mir z.B. neu. Ich habe heute Mittag schon mal darüber nachgedacht, welche Beratungstellen ich eigentlich kenne. Eigentlich nur solche wie Wildwasser, Zartbitter. Aber für andere Probleme fällt mir keine entsprechende Beratungsstelle ein.
Und Studenten könnten theoretisch die Beratung an der Uni in Anspruch nehmen. Vielen behagt es jedoch nicht so sehr, so ein uniinternes Angebot anzunehmen. Das ist für sie so, als würden sie ihrem Arbeitgeber erzählen, welche Probleme sie so haben.

@ leere
Allerdings sollte man schon die Ressourcen (Mensch und Geld) dort einsetzen wofür diese gedacht sind. Psychotherapie ist für die Behandlung von psychischen Störungen gedacht und wird deshalb von der Krankenkasse bezahlt.
Genauso sehe ich das auch.
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