Therapien haben Nebenwirkungen. Ebenso, wie man sich nicht sofort mit Schmerzmittel zubomben sollte, muss man auch nicht "prophylaktisch" zu einem Therapeuten, weil das Leben gerade ein paar Ansprüche stellt. Ich fürchte, das könnte im Falle einer wirklichen psychischen Erkrankung dann die Wirkung schmälern.
Zugleich gehen viele nicht in Therapie, die es nötig hätten. Nicht nur, weil sie keinen Platz finden, sondern auch aus Scham.
chaosfee hat geschrieben:Allerdings nimmt die Stigmatisierung psychischer Krankheiten ab, […]
Das ist so eine Sache. Auf der einen Seite stimmt das durchaus. Auf der anderen Seite sind es gerade Medienberichte, dass Burn-Out ja eine schicke Modediagnose wäre, die man sich wie eine Straußenlederhandtasche als Geschenk für viel Arbeit umhängt, die dazu beitragen, dass psychische Krankheiten wieder stigmatisiert werden. Ich könnte jedes Mal platzen, wenn ich höre (immer von Menschen, die selbst kein Burnout hatten), dass es Burn-Out nicht gäbe (nur, weil es nicht im DSM steht). Dass genau deswegen, weil es diese Krankheit "nicht gibt" sie zu einer lächerlichen Eitelkeits- und Faulheitskrankheit wird. "Will ja nur ein bisschen Urlaub machen …" So etwas ist ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die an Burn-Out erkrankt waren/sind. Die vielleicht nie wieder ein normales Leben führen können, sogar auf der Intensivstation landeten, dauerhafte psychische und physische Schäden zurückbehalten und beinahe gestorben wären. Auf einmal werden sie als narzistische Hypochonder hingestellt, die doch nur für ihren beruflichen Einsatz getätschelt werden wollen.
Burn-Out soll besser als Depression klingen? Nicht mehr. So, wie man Depressiven Faulheit vorwirft, ja nur nicht zu "wollen", es sich "leicht zu machen" und so weiter, gilt das mittlerweile auch für Burn-Out. Damit werden von hinten herum psychische Krankheiten wieder Stigmatisiert, diesmal aber auf eine andere Weise. Wer zum Therapeuten geht, mag jetzt nicht als "verrückt" gelten, aber dafür als faul und wehleidig.
Ebenso, wie jeder, der mal schlechte Laune hat, meint, er wäre depressiv. Klar, dass so jemand dann den Eiertanz um Tabletten, Klinik und Therapie nicht verstehen kann, weil er hat ja auch rausgefunden, indem er den Ar*** hochbekam.