Spiegel: Artikel zum Thema Alkoholismus

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Stacheldraht
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Beitrag Do., 07.06.2012, 10:03

Ach, mein Wille über Dinge nachzudenken und mir Argumente genau anzuschauen ist schon immer sehr ausgeprägt gewesen und von guten Argumenten lasse ich mich auch gern überzeugen. Zumal meine Meinung bei diesem Thema ja eh nicht wirklich gefestigt ist. Zumal ich unterscheiden kann zwischen dem Hass auf meinen Vater und dem Thema an sich. Insofern kann ich zu dem Schluss kommen, dass das allgemeine so zu bewerten ist und das spezielle anders.

LG Stacheldraht
Lache und die ganze Welt wird mit dir lachen. Weine und du weinst allein.
Oldboy

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mitsuko
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Beitrag Do., 07.06.2012, 11:01

Alkoholikerin war ich zwar nie, aber dafür süchtig nach anderen Drogen. Ich habe damals begonnen diese Drogen zu konsumieren, nachdem ich es jahrelang bewusst nicht getan hatte und auch völlig klar darüber war, dass ich sie nicht nehmen brauche und Gefahr laufe süchtig zu werden wenn ich damit anfange. Ich bin der Meinung, dass ich damals diese Entscheidung gefällt habe und es mir auch möglich gewesen wäre sie anders zu fällen. Insofern würde ich nicht von Krankheit sprechen, noch sehe ich meine Drogensucht als Ausdruck von Willensschwäche. Ich mochte mein Leben damals nicht, mir ging es schlecht und ich wollte mich davon ablenken. Das hätte ich auch auf eine andere Art tun können, aber wesentlich ist für mich, dass ich eben nicht in der Lage war ein eigenständiges Leben zu führen, mit dem ich zufrieden sein konnte. Ich denke nicht, dass ein glücklicher Mensch süchtig wird. Ich glaube, dass Menschen allgemein dann den Wunsch haben sich mithilfe von Drogen oder Alkohol zu betäuben, wenn sie sehr unglücklich sind und sich nicht selbst zu helfen wissen.
Es wird ja immer wieder versucht eine einfache Formel für oder gegen Sucht zu finden. Ich verstehe nicht, weshalb es so schwer ist damit zu leben, dass viele Dinge eben komplex statt monokausal und simpel sind.

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Anne1997
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Beitrag Do., 07.06.2012, 14:18

@Stacheldraht: Sorry, wollte alles andere als überstülpend wirken und sicher ist meine Geschichte nur mein Beispiel. Du hast anderes erlebt. Von solchen Geschichten konnte und kann ich viel lernen. Deshalb: danke für deine Hinweise.
Lieben Gruß, Anne

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Passat
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Beitrag Do., 07.06.2012, 19:08

Stacheldraht hat geschrieben:Ich finde nicht, dass das eine Frage der persönlichen Sicht ist, da es ja um eine wissenschaftliche Frage geht. Insofern ist es im Grunde uninteressant, was man dafür eine Meinung hat.

[...]

Mein Vater hatte es natürlich leicht, in dem er meinte, dass war ja nur eine Krankheit und er konnte da ja nichts für.
Reuige Alkoholiker, die wenigstens im Nachhinein Verantwortung für den Schaden übernehmen, den sie angerichtet haben, habe ich noch nicht kennengelernt. Die Reaktion deines Vaters würde ich daher eher als die Regel ansehen. Darum bin ich auch positiv verwundert, dass du Nico, all die Verantworung auf dich nimmst. Respekt!

Ich finde, dass es nur eine Frage der persönlichen Sicht ist. Die Wissenschaft hat jene Alkoholismuserfahrungen auf einer anderen Ebene gemacht. Daher sind hier eigentlich Statements wie die von Nico als trockener Alkoholiker am wertvollsten, um an den Kern der Sache heranzukommen.

Mein Statement - und ich vermute mal - das aller anderen Mitschreiber auch, beruht mehr oder weniger auf Spekulation - auf rein theoretischen Was-wäre-wenn-Hypothesen.

Da einige sich skeptisch gegenüber der Selbstverantwortlichkeit geäußert haben, die meiner Meinung nach in erster Linie bei jedem Betroffenen selbst liegen müßte, will ich noch hinzufügen, dass Hilfestellungen natürlich zeitweise wichtig sind. Doch die Verantwortung für den Umgang mit Alkohol trägt im Allgemeinen wohl niemand sonst als der Trinker selbst. Und auch wenn er bereits auf Hilfe angewiesen ist, liegt es an ihm, die Hilfe auch anzunehmen und sich dann selbst aus dem Gröbsten herauszuziehen.
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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Nico
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Beitrag Do., 07.06.2012, 19:43

Nein Respekt brauche ich dafuer wirklich keinen Passat, ich kenne uebrigens gar nicht so wenige Ex- Alkis die ganz klar die volle Verantwortung uebernehmen und nichts beschoenigen. Meines Erachtens ist dies eine Grundvoraussetzung um dauerhaft trocken bleiben zu koennen.
Das damit nicht automatisch klar ist, dass auch von den Angehoerigen alles verziehen wird, ist wohl logisch. Ein ernsthaft und nachhaltig trockener Alki wird zwar alles daran setzen um Verzeihung zu erlangen, aber er wird auch akzeptieren wenn dies nicht moeglich ist.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Passat
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Beitrag Do., 07.06.2012, 19:58

Wie gesagt, Nico, von Ex-Alkoholikern wie dir, habe ich Derartiges noch nicht gehört. Deshalb kannst du ruhig den Respekt, den zumindest ich dir in dieser Hinsicht zolle, annehmen.

Die Alkoholiker, die mir am nächsten standen (eigene Familie und Familie des Freundes-/Bekanntenkreises) haben es nicht überlebt. Sie haben sich totgesoffen. Sie nahmen keine Hilfe an. Das ist meine Erfahrung. Zwar trinke ich gerne - und phasenweise auch nicht wenig - aber der Alkohol könnte mir keine Sucht werden.

Ja, das Verzeihen der Angehörigen...
Interessant finde ich in dem Zusammenhang vor allem die Co-Abhängigkeiten, die sich ergeben; Angehörige, die so ihrem Liebsten bis zum Ende zur Seite stehen, ihm gar den Alkohol besorgen ... und selbst dadurch immer kränker werden...
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Nico
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 12:04

Passat das ist nix persoenliches, aber fuer mich gilt halt einfach, dass mir niemand Respekt zollen braucht weil ich gesoffen hab, warum sollte ich dann Respekt verdienen weil ich aufgehoert habe ?

Alkoholiker die sich zutodegesoffen haben, kannst du nicht mit langfristig trockenen Ex - Alkis vergleichen. Als langfristig trocken verstehe ich alles ueber 10 Jahre.
Das mit dem annehmen von Hilfe ist halt so eine Sache.
Grundsaetzlich waere es zielfuehrend wenn Angehoerige Hilfe anbieten, jedoch nicht aufdraengen wuerden. Zuallererst muss sich der Betroffene selbst helfen, dann muss der Betroffene um Hilfe bitten und erst dann sollten Angehoerige helfen. Leider wird diese Reihenfolge nur in den seltensten Faellen eingehalten.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Passat
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 12:34

Nico, ich zolle dir keinen Respekt, weil du aufgehört hast zu saufen - sondern weil deine Haltung und Selbstreflexion im Nachhinein respektabel scheinen (z. B. im Gegensatz zu Stacheldrahts Vater, der seine Verfehlungen mit der "Krankheit" entschuldigt).

Die Alkoholiker, die ich kannte/kenne, helfen weder sich selbst, noch nehmen sie Hilfe an. Dem Alkoholismus scheint tendenziell ein Programm eingeschrieben zu sein, die Selbstzerstörung bis zum Ende konsequent durchzuziehen. Es heißt ja auch, ein Alkoholiker trinke bis zur Schwelle zwischen Leben und Tod - und erst dann mobilisiert er Kräfte, sich entweder den Rest zu geben oder ins Leben zurückzukehren.
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Nico
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 13:35

"Den" oder "einen" Alkoholiker gibt es nicht.
Es ist bei JEDEM ein bissl anders, ich kenne Faelle da hat es z.B. gereicht, dass ihm der Schwager klipp und klar gesagt hat was Sache ist und wo es hinfuehren wird und derjenige hat keinen Tropfen mehr angeruehrt. Andere wiederum haben tatsaechlich so lange gesoffen bis sie jaennerlich verreckt sind.
Wieder andere hatten das volle Programm schon durch, unzaehlige Entzuege, Delirium tremens,innere Blutungen usw.usw. und urploetzlich hat es geklappt und sie waren staubtrocken.
Ich z.B. war gar nicht sooo schlecht beieinander im Vergleich zu anderen. Beginnende Fettleber und leichte Stoerungen des Nervensystems, aber mir hat es gereicht. Heute waere ich sicher schon lange unter der Erde.
Alkoholismus ist ein sehr breites Thema fuer Insider, Laien verallgemeinern da halt rigoros.
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power
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 13:36

auch ich bin der ansicht, dass alkoholismus prinzipiell multifaktorielle gruende hat. ich bin selbst kind einer alkoholkranken mutter und wenn ich mir ihre lebensgeschichte ansehe (auch ihre alkoholgeschichte sozusagen), weiss ich ehrlich nicht, ob es fehlende willensstaerke, eine krankheit oder wie auch der artikel spekuliert: eine soziogenetische konstante, die dem menschen immanent ist.

sie find im alter von etwa 19 jahren an zu trinken, das ging dann einige jahre...bis ihr mann (mein vater) sagte, er verlasse sie, sollte sie nicht aufhoeren. von heut auf morgen keinen schluck mehr, dann kam ich...13 jahre trocken und von heut auf morgen fing sie wieder an als ich 12 jahre alt war. innerhalb 2 jahre versaufte sie alles: ihre familie, ihr geschaeft, ihr geld...heute ist sie ein pflegefall, da sie 2 schlaganfaelle hatte, doch das interessante an der sache ist: seit dem schlaganfall 1999 trinkt sie keinen schluck alkohol mehr. von heut auf morgen. was sagt uns das?

gibt es vll doch ein areal im hirn, welches, wenn man es stimuliert, beschaedigt, reizt, ... quasi den suchtfaktor ausschaltet? mit willen kann das ja nicht viel zu tun haben...und interessant ist auch, sie rauchte immer schon und auch nach monatelanger rauchfreier zeit nach dem anfall hat sie wieder angefangen. warum fing sie mit dem rauchen wieder an aber mit dem trinken nicht? hat das dann doch mit willensstaerke zu tun?

zusaetzlich muss ich dazu sagen, liegt alkoholismus in unserer familie, auch ihr bruder war/ist alkoholkrank...er jedoch hat die kurve noch gekriegt. ich weiss aus erfahrung, dass meine grosseltern zwar keine alkis sind, aber sie trinken jeden tag ihr glas wein...also vll doch in die wiege gelegt gepaart mit einer sehr negativen familiendynamik und einer individuellen lebenserfahrung, welche 2 kinder zu alkis werden liess, die anderen 2 jedoch nie suechtig wurden?

ich finde meine familiengeschichte im grunde sehr interessant und ich bin bis heute noch auf keinen gruenen zweig gekommen, warum a) 2 zu alkis wurden, 2 jedoch nicht, b) meine mutter das 1. mal von heut auf morgen komplett trocken wurde und es beim 2.mal nicht ansatzweise schaffte und c) sie seit ihren schlaganfaellen keinen schluck mehr anruehrt...

lg power
Ein Tag ohne lachen ist ein verlorener Tag!

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Nico
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 14:03

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich grosse Erklaerungsversuche oder Ursachenvorschungen nie wirklich interessiert haben. Natuerlich hab ich so einiges gehoert und gelesen, das Suchtzentrum im Gehirn wurde angeblich schon laengst identifiziert usw...,
Aber eigentlich ist es doch ganz einfach, solange ein Alkoholiker trinkt ist er " krank" trinkt er nicht, ist die Krankheit besiegt, es liegt in seinen Haenden.
Die Suche nach eventuellen Ursachen und Gruenden ist auch eine Suche nach Entschuldigungen.
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Jugendstil
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 15:40

Aber eigentlich ist es doch ganz einfach, solange ein Alkoholiker trinkt ist er " krank" trinkt er nicht, ist die Krankheit besiegt, es liegt in seinen Haenden.

Das meinte ich oben. Nur sollte man bedenken, "aufhören und Hände in den Schoß legen" reicht auch nicht immer aus. Ein Abhängiger der nur das Suchtmittel weg lässt, ist vor allem ohne Selbsthilfegruppe eher Rückfall gefährdet.

Eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit kann sehr hilfreich sein, um Situationen zu meistern die sonst durch das Suchtmittel "aufgefangen" (oder besser "weggedrückt") wurden.
Die Suche nach eventuellen Ursachen und Gruenden ist auch eine Suche nach Entschuldigungen.
Kann es sein, ja.

Jugendstil

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Nico
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Beitrag Fr., 08.06.2012, 17:22

Jugendstil hat geschrieben:Nur sollte man bedenken, "aufhören und Hände in den Schoß legen" reicht auch nicht immer aus. Ein Abhängiger der nur das Suchtmittel weg lässt, ist vor allem ohne Selbsthilfegruppe eher Rückfall gefaehrdet.
Jugendstil
Stimmt absolut !
Obwohl es auch da die beruehmten Ausnahmen von der Regel gibt.
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