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Di., 03.04.2012, 20:44
Was hier teilweise beschrieben wird ist in meinen Augen aber keine Abhängigkeit. Aber gut, ich gebe zu, dass ich mitunter eine sprachliche Pedantin bin. :D
Abhängigkeit impliziert doch, dass man eine Dosissteigerung braucht, sein sonstiges Leben vernachlässigt und ist kurzum negativ besetzt, da sie sich negativ auf das Leben des einzelnen und oft auch auf dessen soziales Umfeld auswirkt.
Aber was Geheimgeheim und abendrot beschreiben ist doch vielmehr eine Konzentration der eigenen Kräfte, um eine Gesundung in Gang zu bringen. Ich meine, jemand der nach einem Unfall wöchentlich zur Krankengymnastik muss und der sich nun ständig damit auseinandersetzt, ob sein Knie jemals wieder beweglich wird oder nicht, dem wird man doch auch keine Abhängigkeit von seinem Physiotherapeuten vorwerfen, nur weil er immer zu diesem einen bestimmten will und sich nun gar nicht wohl fühlt, wenn der mal vertreten wird oder eine Stunde ersatzlos ausfällt.
Bei Krankheiten, die einen extrem belasten finde ich es absolut normal, dass man sich ständig damit auseinander setzt. Ganz egal, ob man eine heroische Wunde vorzeigen kann oder so ein seltsamer psychisch angeschlagener Mensch ist.
Ich meine, wenn ich mich nicht endlich überwunden hätte meine Depressionen zum Therapeuten zu schleppen, dann würde ich hier weiter täglich ein Stück mehr Richtung endgültigem Untergang hinwirken, täglich spüren, wie das Loch in meinem Inneren mich mehr zerfrisst und irgendwann wäre ich vermutlich nicht einmal mehr zum Einkaufen hinaus gegangen und dann...
Insofern ist es für mich selbstverständlich, dass ich nun ständig an die Therapie denke. Nur schon allein, weil sie für mich eine enorme Veränderung bedeutet: ein mal die Woche muss ich meine Höhle verlassen, muss ich in dem Rumpieksen, was ich die letzte Zeit mit aller Macht verdrängt habe und einmal die Woche erfahre ich, wie es ist etwas erzählen zu dürfen, ohne dass mir jemand ins Wort fällt. Für mich war bislang normal: höchstens einmal im Monat jemanden sehen, wenn ich Glück hab, darf ich mal einen halben Satz ausreden, danach geht es mir schlechter als vorher und ich verkrümel mich wieder solange es nur geht. Es geht gar nicht anders, als dass dies ein enormes Echo in mir hervor ruft und ich viel darüber nachdenke, was mir mein Thera gesagt hat oder mir vorgeschlagen hat!
Aber wäre doch schlimm, wenn es nicht so wäre! Immerhin geht man ja dahin, um sein verqueres Denken in humanere Bahnen zu lenken (nicht für die anderen, sondern für sich; für die anderen werde ich wohl eher unbequemer), damit man selbst auf lange Sicht wieder gesünder mit sich selbst umgehen kann. Insofern kann ich mir gar nicht vorstellen, wie eine Therapie funktionieren soll, wenn man sich nicht zwischen den Stunden mit dem Besprochenen beschäftigt.
Ich habe nun erst 9 Sitzungen hinter mir (davon 5 probatorische), bin also noch ziemlich frisch dabei und nun fällt bei mir eine Woche wegen Ostern aus und ja, das ist schlimm für mich. Ich geh immer donnerstags hin und meist geht es mir dann wenigstens über's Wochenende besser und meist ab Montag hat mich die Depression dann wieder in ihren Fängen, so dass ich derzeit froh bin, wenn endlich wieder Donnerstag ist. Aber vielleicht passt ja auch hier der Vergleich zur Krankengymnastik!? Direkt nach der Stunde macht man die nächsten Tage zu hause noch enthusiastisch seine Übungen, aber im Laufe der Woche sinkt die Euphorie und man sieht nur wieder, wie unbeweglich das Knie ja noch ist und denkt sich, ach, das bleibt ja doch immer etwas steif. Aber dann hat man wieder seinen Termin und die Physiotherapeutin erklärt einem, dass man für bestimmte Fortschritte wohl blind gewesen ist und weist einen auf einen kleinen, aber doch vorhandenen Fortschritt hin. Wenn das dann eine Woche mal ausfällt, ist man pessimistischer und übt vielleicht nicht mehr so, wie man sollte.
Insofern ist das meine bestehende Angst, da der Donnerstag naht und ich diese Woche daheim bleiben muss und ich schon wieder merke, wie ich morgens aufwache, nicht aufstehen mag, wie mich alles niederdrückt... und dann steh ich irgendwann doch auf, zieh die Vorhänge auf und lüfte. Für mich ist das ein Fortschritt, den ich nicht mal zu achten gewusst hätte, wenn mein Thera mir das neulich nicht unter die Nase gerieben hätte.
Insofern brauche ich meinen Therapeuten derzeit eindeutig, damit er mir bei der Heilung hilft. Abhängig bin ich dennoch nicht von ihm.
Eine Abhängigkeit würde ich eigentlich nur dann sehen, wenn der Fokus von der Therapie weg hin zum Therapeuten geht. Wenn der Therapeut einen nicht mehr unterstützt, sondern einen im Grunde an der kurzen Leine hält. Wenn er einem also nicht mehr zeigt: "Schau, Du hast vielleicht gestern die Vorhänge nicht aufgezogen, aber die 6 Tage davor. Das ist ein Fortschritt und Du darfst auch mal einen Rückschlag haben."
Sondern stattdessen einem suggeriert: "Neeneee, also ohne meine Unterstützung wirst Du es nie schaffen die Vorhänge aufzuziehen."
Lache und die ganze Welt wird mit dir lachen. Weine und du weinst allein.
Oldboy