Stabilisierung <-> Trauma-Bearbeitung/-Konfrontation

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hopelife
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Beitrag Di., 19.08.2014, 15:00

Jenni das kenn ich auch.
es wäre heute nicht so wie es ist,
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Jenny Doe
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Beitrag Di., 19.08.2014, 15:03

@ hopelife
Jenni: das kenn ich auch.
Biste auch so traumatisiert wie ich von der Stabi? Da lebt man echt in Todesangst
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


kaja
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Beitrag Di., 19.08.2014, 15:34

Die Tresorübung ist die einzige Imagination die ich in meiner gesamten Therapie gemacht habe. Ich habe mich wirklich sehr lange damit abgemüht und als es endlich funktioniert hat empfand ich es durchaus aus hilfreich.
Damit hatte ich überhaupt erst die Chance mit dem Therapeuten in Kontakt zu treten und ihm nicht einfach vor die Füße zu kübeln (im wahrsten Sinne des Wortes).

Allerdings hat er in regelmäßigen Abständen dafür gesorgt das der Tresor geöffnet und zumindest mal gut durchgelüftet wird. Den Zahn das Ganze so einfach wegsperren zu können und damit ist der Fall erledigt, hat er mir direkt zu Anfang bereits gezogen.
Ich hätte es nämlich durchaus nett gefunden den Tresor einfach nicht mehr zu öffnen.
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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 16:06

Wandelröschen hat geschrieben:zu den anderen schreibe ich später noch was, muss gleich weg.
Deinen Bericht musst du echt in dreifacher Größe hier reinschreiben, vor allem, dass sich auch die Theras das hinter die Ohren schreiben. Ich gebe dir unendlich viele Dankes dafür.
Man müsste "nur" Leitlinien etwas modifizieren, die eine pronlogierte Stabilisierung eher fördern... und in gleichem Atemzug auf evtl. Nebenwirkungenüberlanger Stabilisierung hinweisen.

So kann der Thera (oft) locker irgendeinen Grund finden oder mit irgendeiner Richtline winken, warum Konfronation (noch) nicht möglich ist... bzw. was noch zu stabilsieren ist.

Nichtsdestotrotz hat Stabilisierung selbstverständlich eine Bedeutung.
Liebe Grüße
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hopelife
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Beitrag Di., 19.08.2014, 17:14

Es gibt sehr gute Traumastationen. Dort ist dann auch immer jemand ansprechbar und es folgt immer eine Stabilisierung und eine Aufarbeitung. In der Stabilisierungsphase kann man sechs Wochen nach hause und in der Exposition bleibt man stationär.
Manchmal dauert eine Sitzungen bis zu 3 Zeitstunden.
Medikamentös kann man bei Bedarf oder Notwendigkeit versorgt werden, nachts ist jemand da.
Zusätzlich kann man das Programm dort nutzen. Koch und Enspannungsgruppen etc. Man ist zwischen den Stunden abgelenkt oder kann sich auch zurückziehen. Die eine Traumaklinik in Dresden hat sogar Einzelzimmer. Ich glaube für mich, dass ich ambulant keine Experimente mehr durchfühen würde, aber das entscheidet ja jeder für sich.
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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 19:15

Landkärtchen hat geschrieben:Eine Traumatherapeutin sagte mir mal, dass es viele Therapeutinnen gibt, die nicht gerne in die Traumaaufarbeitung gehen. Größtenteils aus Selbstschutz. Sie teilen dies aber ihren Patientinnen nicht mit und dadurch kommt es mitunter zu jahrelangen Stabilisierungen.
Glaube ich sofffoorrrt . Weiß den genauen Fachbegriff nicht, aber es soll es in der Tat geben, dass der Therapeut im Zuge der Behandlung mit-traumatisiert werden kann (und ähnliche Symptome entwickelt). Und ich kann mir vorstellen, dass einige gibt, die davor Angst haben und prophylaktisch (bewusster oder unbewusster) auf die Durcharbeitung mit dem Patienten verzichten.

Ich weiß nicht, ob man in der Ausbildung auch lernt, wie man sich davor schützen kann. Vermutlich. Eine der Traumatheras aus der Klinik war so positiv vom Wesen her, das Patienten sehr angetan waren... das war nicht ein Ansatz à la wir arbeiten jetzt ressourcenorientiert. Sondern sie strahlte das aus und hatte den entsprechenden Blick auf den Menschen. Mittlerweile hat sie sich selbstständig gemacht... und ich nehme an, sie wird nicht mehr ausschließlich mit traumatisierenden Menschen arbeiten. Aber ich denke, es ist nicht sooo leicht und kann Spuren hinterlassen, wann man sich über Jahre Stunde für Stunde selbst damit auseinanderzusetzen muss (als Therapeut). Sofern man "anspruchsvoll" arbeitet...

Nur sollte das auch nicht zu Lasten des hilfesuchenden Patienten gehen, der entsprechenden Bedarf hat.
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Wandelröschen
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Beitrag Di., 19.08.2014, 20:38

Stern hat geschrieben: Weiß den genauen Fachbegriff nicht, aber es soll es in der Tat geben, dass der Therapeut im Zuge der Behandlung mit-traumatisiert werden kann (und ähnliche Symptome entwickelt).
-> Sekundärtraumatisierung
Stern hat geschrieben: nur hängt das (...) eben auch eng mit der Frage zusammen, dass Konfro auch Risiken hat, schädigen kann und nicht bei jedem sinnvoll ist. Ich wüsste echt nicht, wie man den Aspekt außen vorlassen sollte, wenn das sogar ein recht wesentlicher zu sein scheint.
Das hört sich ja so an, als sei die Wahrscheinlichkeit für Risiken und Schädigungen bei einer Konfrontation sehr hoch, so dass die Theras deswegen die Finger besser davon lassen sollten (zum Schutz des Patienten).

Aber was befürchten denn die Theras, was glauben die denn, was für ein schlimmer Schaden entstehen könnte um dieses „große“ Risiko nicht einzugehen.
Der Traumatisierte wird doch schon laufend getriggert, hat Flashs und ist dieser inneren Hölle laufend ausgesetzt, weil Schutzmechanismen schon nicht mehr funktionieren. Deswegen ist man ja in die Therapie gegangen. Wenn die Schutzmechanismen noch wirken täten, würde man doch noch weiterhin wie in den vielen Jahren zuvor prima funktionieren und gar nicht sich den Stress einer Therapie antun.
Was könnte passieren? Man fängt wieder vermehrt an, sich z.B. selbst zu verletzen, man dissoziiert … Man „benutzt“ verstärkt wieder die alten dysfunktionalen Bewältigungsstrategien. Und es kommen vielleicht noch der ein oder andere Trigger mehr dazu. Das haben wir doch aber alles schon auf der Platte. Und wer vorher nicht suizidgefährdet was, wird sich auch nicht gleich umbringen.
Wir können eigentlich nur gewinnen.

Aus meiner Sicht liegt die Angst für Schäden, hauptsächlich beim Thera (-> Sekundärtraumatisierung) und wird dadurch abgewehrt, indem diese Angst des Theras für die eigene Schädigung als „Fürsorge“ für den Traumapatienten verkauft wird.
Stern hat geschrieben: Dann wird halt verzichtet. Motto: Lieber (passiv) auf manche Interventionen verzichten als in Gefahr laufen, aktiv das Risiko eingehen, etwas falsch zu machen...
Oh je, was meinst du, wie oft irgendetwas in der Therapiesitzung falsch gemacht wird, bestimmt nicht nur einmal in 100 Jahren. Da sollte man nicht nur auf manche Intervention verzichten, sondern Therapie am besten gleich abschaffen. Das kennt doch jeder von uns, auch wenn wir eine erfolgreiche Therapie hinter uns haben, gab es dabei immer wieder Stunden, die voll daneben waren (um es mal harmlos zu umschreiben), …

Hallo Jenny Doe,
das, was du in deinen letzten Beiträgen schriebst, kann in nur voll unterstreichen.
Jenny Doe hat geschrieben: Wenn man die Erfahrung macht, dass das Ereignis vorbei ist, heute keine Gefahr mehr besteht, dann lernt man dadurch auch, dass man nicht mehr dissoziieren muss. Aber das muss man eben lernen und dazu ist die Erfahrung notwendig, dass eine Konfro nicht schlimm ist, da heute keine Gefahr mehr besteht.
Aber genau diese Erfahrung enthalten Stabilisierungstherapeuten dem Klienten vor, weil sie ihnen suggerieren, dass es noch heute gefährlich ist, so gefährlich, dass sie selbst Angst haben müssen, so gefährlich, dass es besser ist, lieber alles in einen Tresor zu stecken und ans Meer zu "fahren", so gefährlich, so dass es besser ist alles zu vermeiden, was mit dem Trauma zusammenhängt.
Genau genommen ist das Verwehren von Konfrontation schon fast unterlassene Hilfeleistung.
Gruß
Wandelröschen

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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 21:02

Wandelröschen hat geschrieben:Der Traumatisierte wird doch schon laufend getriggert, hat Flashs und ist dieser inneren Hölle laufend ausgesetzt, weil Schutzmechanismen schon nicht mehr funktionieren. Deswegen ist man ja in die Therapie gegangen. Wenn die Schutzmechanismen noch wirken täten, würde man doch noch weiterhin wie in den vielen Jahren zuvor prima funktionieren und gar nicht sich den Stress einer Therapie antun.
Geht ja nicht jeder primär wegen der Traumatisierung in Therapie, sondern vielleicht eher wegen vordergründigen Ängsten, Depressionen, einer ES, Zwang, usw. Es gibt, wie gesagt, meiner Meinung nach sehr wohl Leute, die (funktionale oder nicht funktionale) Schutzmechanismen aufgebaut haben und mithin nicht dauertraumatisiert oder -angetriggert durch die Gegend laufen... und da kann man schon abwägen.
Was könnte passieren? Man fängt wieder vermehrt an, sich z.B. selbst zu verletzen, man dissoziiert … Man „benutzt“ verstärkt wieder die alten dysfunktionalen Bewältigungsstrategien. Und es kommen vielleicht noch der ein oder andere Trigger mehr dazu.
Das haben wir doch aber alles schon auf der Platte. Und wer vorher nicht suizidgefährdet was, wird sich auch nicht gleich umbringen.
Soweit Symptomverschlechterung abgefedert werden kann (z.B. durch Stabi) finde ich das persönlich vorzugswürdig. Für meinen Teil. Die Trauma-Symptomatik ist auch individuell und nicht unbedingt identisch, die sich dann abzeichnen kann. Auch meine Thera beschwerde sich schon mehrmals, dass die Therapie eigentlich schon in den Endzügen war, aber ein noch geplanter Klinikaufenthalt Patienten zurückließ, die jenseits von gut und böse waren. Habe ich ja selbst erlebt, in welcher Verfassung Patienten teilweise entlassen wurden (ich will mal nicht so bösartig sein und schiebe es mal auf angesprochene Finanzierungsaspekte... auch stationäre Aufenthalte sind nicht beliebig ausdehnbar, in der Psychosomatik zumindest nicht).

Da hätte man sich die Therapie auch sparen können, wenn man sich dann wieder vermehrt verletzt, usw.
Aus meiner Sicht liegt die Angst für Schäden, hauptsächlich beim Thera (-> Sekundärtraumatisierung) und wird dadurch abgewehrt, indem diese Angst des Theras für die eigene Schädigung als „Fürsorge“ für den Traumapatienten verkauft wird.
Wenn das gemacht wird, ist es natürlich eine Sauerei, keine Frage.

Angst sollte nicht signalisiert werden... da stimme ich vollends zu. Insbes. wenn sie der Patient ohnehin hat.

Allerdings sehe ich Stabi nun auch nicht als Verdrängung an... sondern als etwas, dass erstmal ein paar üble Symptomatiken etwas abpolstern und Auseinandersetzung erleichtern kann.

Nicht jede Konfro, die so richtig hart war, so dass man sich einen Orden in Sachen Leidensfähigkeit verpassen darf, bringt auch etwas... sondern nur wenn sozusagen Verarbeitungskapazität vorhanden ist.
Liebe Grüße
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Wandelröschen
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Beitrag Di., 19.08.2014, 21:59

Stern hat geschrieben: Geht ja nicht jeder primär wegen der Traumatisierung in Therapie, sondern vielleicht eher wegen vordergründigen Ängsten, Depressionen, einer ES, Zwang, usw. Es gibt, wie gesagt, meiner Meinung nach sehr wohl Leute, die (funktionale oder nicht funktionale) Schutzmechanismen aufgebaut haben und mithin nicht dauertraumatisiert oder -angetriggert durch die Gegend laufen... und da kann man schon abwägen.
Kannst du dich noch erinnern, was ich dir vor ein paar Seiten schrieb?
Wandelröschen hat geschrieben: Um es auch dir klar zu machen: Ich habe den Eindruck, dass in der Traumatherapie zu lange nur auf Stabilisierung gesetzt wird und der Patient, auch wenn er selber in Konfrontation möchte, damit vertröstet wird, er sei noch nicht stabil genug dafür. Ich möchte wissen, ob andere ebenfalls solche Erfahrungen gemacht haben (oder von anderen wissen), und wenn ja, mal Ideen sammeln, woran das liegt, weil mich dieses halt interessiert.
Es ging/geht mir um Traumapatienten, die Traumatherapie machen (machen würden).
Gruß
Wandelröschen

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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 22:04

Trotzdem (also trotz bewusster Traumatisierungen) kann eine komorbide Störung oder eine Beziehungsstörung (phasenweise) vordergründiger in Erscheinung treten... soll gar nicht so selten sein, soweit ich weiß.
Zuletzt geändert von stern am Di., 19.08.2014, 22:11, insgesamt 2-mal geändert.
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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 22:09

Wandelröschen hat geschrieben:Aus meiner Sicht liegt die Angst für Schäden, hauptsächlich beim Thera (-> Sekundärtraumatisierung) und wird dadurch abgewehrt, indem diese Angst des Theras für die eigene Schädigung als „Fürsorge“ für den Traumapatienten verkauft wird.
Ich würde differenzieren, ob jemand in Hinblick auf den eigenen Selbstschutz handelt => Offenheit gegenüber dem Patienten wäre dann nur fair. Oder ob der Thera Angst hat, aber das auf den Patienten abwälzt => nicht o.k., kann aber evtl. auch eigene Abwehr sein.

Oder ob man versucht im Sinne des Patienten zu handeln, aber die Situation falsch einschätzt (also z.B. dass jemand den angenommen Stabilisierungsbedarf gar nicht hat). => Verständigung ist wichtig.
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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 20.08.2014, 03:50

@ Wandelröschen
Das hört sich ja so an, als sei die Wahrscheinlichkeit für Risiken und Schädigungen bei einer Konfrontation sehr hoch, so dass die Theras deswegen die Finger besser davon lassen sollten (zum Schutz des Patienten).
Wenn mein Posting zu Off-Topic sein sollte und nicht zu deiner Thematik passen sollte, sag Bescheid, oki?

Also: Was ich mich schon häufiger gefragt habe ist: Es ist ja fast egal welches Traumabuch man zu Hand nimmt. In nahezu allen Büchern (gibt Ausnahmen) liest man als Klient (oder auch als Therapeut) "Konfrontationstherapie retraumatisiert". Ein Klient, der sowas liest, ist der überhaupt noch in der Lage sich unvoreingenommen auf eine Konfrontation einzulassen? Oder sitzt ihm die Angst im Nacken, dass er retraumasiert werden könnte? Hat er vielleicht sogar die Erwartung, dass es zu einer Retraumatisierung kommt? Wird er durch eine solche Beeinflussung vielleicht sensibilisiert und achtet bewusst auf negative Gefühle bei der Konfrontation? Nimmt er durch diese Vorbeeinflussung vielleicht Dinge als retraumatisierend wahr, die er ohne diese Beeinflussung anders wahrgenommen hätte, wie z.B. "so eine Konfro ist natürlich heftig, weil ich mir erlaube hinzugucken und mich einzulassen, aber da muss ich durch, danach gehts mir besser"?

Mir fällt dazu der "Nocebo-Effekt" ein. Den kenn ich selber auch: Ich muss nur die Packungsbeilage von Medikamenten lesen und schon leide ich unter allen Risiken und Nebenwirkungen des Mediaments.
Wie ist es, wenn man als Klient über Risiken und Nebenwirkungen einer Konfrontationstherapie aufgeklärt wird? Kommt es da vielleicht auch zu einem Nocebo-Effekt?

Wenn man Klienten schon vor Therapiebeginn prophezeit, dass es bei einer Konfrontation zu einer Retraumatsierung kommt, kann man dann überhaut noch sagen, wie eine Konfrontation wirklich wirkt?
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


montagne
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Beitrag Mi., 20.08.2014, 07:19

Ich denke, ich verstehe schon was stern meint, zumindest gingen meine Gedanken in eine ähnliche Richtung.
Ich bin nicht primär wegen eines "Traumas" zur Therapie, sodnern wegen Problemen und Symptomen im Hier und Jetzt (dachte aber, dass kann was mit den Dingen zu tun haben, die ich erlebt hatte).
Und meine Art mit dem umzugehen, wass ich erlebt habe ist Vermeidung auf jeder Linie. Trotzdem möchte ich mich inszwischen mit dem was war auseinandersetzen. Hat bei mir aber auch lange gedauert, dass konkret zu wünschen und für machbar zu halten.

Und von der ersten Phase der Bearbeitung eines, wie gesagt eng umgrenzten TRaumas, welches ich im Erwachsenenalter erlebt habe, was bei mir Symptome einer PTSB ausgelöst hat, was jedoch dennoch, würde ich sagen, weniger gravierend war, als das, was ich als Kind erlebt habe, habe ich aber eins für mich erlebt, wie ich ja auch schon schrieb:
Obwohl ich zu Beginn der Bearbeitung lange stabil war, wir Stabilisieurngsübungen gemacht haben (die mir kaum noch was gebracht hatten, aber gut) und ich gut im Leben stand/stehe, was ja oft auch als stabilisierender Faktor genannt wird, ging es erstmal ganz schön bergab. Ich bekam diverse Symptome, für die ich zwar eh anfällt bin, aber starke Symptome hatte ich nie, außer kurz nach dem Trauma. Nun bekam ich es volle Breitseite.

Ist mir jetzt auch verständlich, da eben Vermeidung mein Modus ist und plötzlich hatte ich aufdrängende Erinnerungen, Gefühle, Ängste zu sterben wie in der Situation wohl. Nur hatte ich es in der Situation abgespalten und plötzlich kam es. Denke in meinem Fall ne gewisse Einengung im präsuizidalen Sinne war schon da. Ich hatte mit dieser Heftigkeit nicht gerechnet. Es ging ja über Monate. Da kriegt man schon Angst, ob es nochmal wieder weg geht und gut wird.

Insofern verstehe ich die Sorge meiner Therapeutin und auch allgemein von Therapeuten. Von einer weiß ich zumindest, dass es wirklich nicht die Dinge an sich sind, vor denen sie Angst hat, mit denen sie nicht umgehen kann. Da hat sie mir klar signalisiert und gezeigt, damit kann sie umgehen. Aber sie hat halt Angst mich nicht gut genug halten zu können, die auftretende Krise nicht gut genug auffedern zu können.
Dies wird noch schwieriger, wenn man berufliche und familiäre Verpflichtungen hat. Denn es geht ja nicht darum, dass man mal ne Woche ein Unwohlsein hat. Es ist länger und gravierender.

Und ich denke, es wird sehr viele Menschen geben, die eher vermeiden, die wegen komorbiden Symptomen zur Therapie kommen und wo man dann entscheiden muss, belässt man es bei ener mäßigen Besserung oder geht man in die Vollen, will mehr, hat aber auch wirklich de facto mehr Risiko?
Das muss jeder Klient erstmal für ich entscheiden. Es ist mit Nichten so, als hätten die Klienten nichts zu verlieren.
amor fati

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stern
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Beitrag Mi., 20.08.2014, 10:10

Langzeitfolgen können m.W. sehr vielfältig sein (naturgemäß wird sich die Frage bei jemandem, dessen Trauma sich erst seit 3 Monaten zugetragen hat, eher nicht stellen). Und so kann ja jemand, der einige schwere Traumata erlebte, aktuell akut vorwiegend/vordergründig von meinetwegen einem Zwang "erschlagen" werden (und weniger vom Trauma oder einer PS an sich). Und da stellt sich schon die Frage: Stabilisiert man eher... oder sagt man: ja, klaaar, wecken mir mal die Geister, die da weitgehend ruhen, um ja tief genug zu arbeiten und um jeden potentiellen Herd auszumerzen... bloss nicht zu lange mit Stabilisierung aufhalten (könnte ja schädlich sein und Risiken einer Konfro auch nicht erwähnen... könnte ja negativ beeinflussen). Hmmmmm.

Ob eine Vorgehensweise (egal ob eine der Stabi oder Konfro) zur Retraumatisierung führt, hängt (für mich) schlichtweg davon ab, ob man es dann verarbeiten kann oder nicht. Wenn nein, war es eher eine Re-Traumatisierung (re = lat.: wieder, erneute) bzw. "Wiederbelebung".

Ach, ich weiß nicht... vielleicht liegt die Lösung in dem, was Herr Fellner geschrieben hat:
Meine Auffassung von Traumatherapie ist eher so (und damit stehe ich in keiner Weise alleine), dass Schwerpunkte stets im Dialog und reflektierend mit den KlientInnen gesetzt werden - es also in aller Regel keineswegs so ist, wie durch Ihre Zeilen klingt, nämlich dass TherapeutInnen "vorgeben", was zu geschehen hat, und die KlientInnen das dann mitmachen müssen, auch wenn es ihnen gar nicht passt.
Wenn das gegeben ist, stellt sie die Frage nach zu lange Stabi vielleicht nicht. Äh, und ich weiß selbstverständlich, dass nicht mit jedem Thera (bzw. zu jeder Zeit über jedes Thema) Verständigung möglich ist. Wenn letzteres nachhaltig der Fall ist und der Patient merkt, dass ihm das schadet, werden sich ggf. Weg trennen (müssen)... weil Therapie findet ja zu zweit (in Beziehung, ja ja) statt...
Liebe Grüße
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Beitrag Mi., 20.08.2014, 11:05

Jenny Doe hat geschrieben:Also: Was ich mich schon häufiger gefragt habe ist: Es ist ja fast egal welches Traumabuch man zu Hand nimmt. In nahezu allen Büchern (gibt Ausnahmen) liest man als Klient (oder auch als Therapeut) "Konfrontationstherapie retraumatisiert".
Echt... ich finde i.d.R. eher die Vorgehensweise, Indikationen, etc. erläutert und weniger evtl. Nebenwirkungen... durchaus aber auch Hinweise (wie sie teilweise auch auf Klinik-HPs zu finden sind), dass zu früh oder unsachgemäß angewendete Konfro evtl. auch schaden kann. Einschränken muss ich das natürlich auf die Literatur, die ich gelesen habe.

Nun ja, DASS manche Theras die Stabi verlängern, sollte mMn auch nicht dazu führen, dass Patienten unnötig als Versuchskarnickel fungieren, indem dann zu früh konfrontiert wird, weil man alles wegdiskutiert. Sinnvoll wäre dann eher eine genauere Orientierung, wann was wie angezeigt ist... und ggf. Überarbeitung von Leitlinien. Mit dem Nachteil: Exakt hellsehen kann man Therapieverläufe nie.

Zu sagen, "oooooccchhhh, was soll schon passieren" oder "kennen wir doch eh", wäre/ist MIR persönlich zu einfach (und für MICH auch nicht zufriedenstellend). Denn wie immer im Therapietheater: Im Zweifel bade ich als Patient auch alles aus. Und daher möchte ICH auch eine möglichst sachdienliche Aufklärung inkl. Behandlung. Realismus finde ich persönlich am zuträglichsten für mich. Und och, ich glaube meiner stat. Thera durchaus, dass die Klinik zum Beispiel auch gelegentlich Leute aufsammeln muss, denen Hellinger-Behandlungen nicht so zuträglich waren. Ist schon schwer genug... finde ich. Da brauche ich nicht noch ZUSÄTZLICHES Zeugs, was evtl. vermeidbar ist, indem man schaut, dass die Vorgehensweise möglichst (für mich) stimmig ist. Und äh, Symptomatiken und wie diese sich anfühlen muss mir im Zweifel niemand erklären...
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