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Sa., 18.07.2020, 16:49
Hallo Mathilda,
ich meditiere mal mehr und mal weniger regelmäßig, seit Jahren schon. Und bin unbedingt dafür, weil es mir sehr viel bringt.
Meine Empfehlung wäre aber: fang lieber mit kleineren Schritten an. Vor allem wenn du jetzt schon weißt, dass du mit dem, was du möglicherweise in der Stille erlebst, vielleicht nicht ganz so leicht klarkommen wirst. Da finde ich eine Woche Schweige-Retreat echt ambitioniert.
Ich habe mal im Rahmen eines MBSR-Aufbaukurses einen so genannten "Tag der Stille" gehabt, den wir als Gruppe gemeinsam im Seminarzentrum verbracht hatten. Diese 10 h fand ich schon ziemlich herausfordernd, das hat ziemlich viel in mir aufgewühlt, und da war ich sozusagen durch den Kurs (und regelmäßiges Meditieren zuhause) "im Training". Mein Empfinden war, dass ich durch das Schweigen und den dadurch reduzierten Kontakt viel stärker auf mich selbst zurückgeworfen war, und ja, das kann ziemlich schwierig sein, je nachdem in welcher Situation man sich grade so befindet.
Mit dem Meditieren ist es eigentlich wie beim Sport. Du würdest auch nie von dir erwarten, aus dem Stand und ohne Training einen Marathon zu laufen. Man fängt mit kleineren Einheiten an, macht regelmäßige Pausen, steigert das Pensum. Und es kommt nicht so sehr drauf an, ständig ganz lange Strecken "am Stück" zu schaffen, das ist kein Hochleistungssport. Wenn die Achtsamkeits/Meditationspraxis etwas verändern soll bei dir, dann kommt es gerade darauf an, das regelmäßig zu machen, so dass es ein Teil deines alltäglichen Lebens wird. Das heißt auch nicht immer, dass du still auf dem Meditationskissen sitzen musst und die Augen geschlossen hältst. Du kannst das beim Zähneputzen machen, beim Weg auf die Arbeit, beim Sport, zb bei Dehnübungen oder beim Laufen. Achtsamkeit heißt zB nichts anderes als das, was du gerade tust, bewusst zu tun, und dich mit allem was dir zur Verfügung steht drauf zu konzentrieren. Und dann zu schauen, was man dabei Neues entdeckt.
Ich würde dir für den Einstieg eher einen Meditations/Achtsamkeitskurs empfehlen, bzw. MBSR bzw. MSC (mindfulness based stress reduction bzw. mindful self compassion). Die werden teilweise auch als Präventionskurs von der Krankenkasse bezuschusst. Bei mir hat das gut funktioniert, und zu so einem Termin, den ich mir in den Kalender schreibe, gehe ich eher hin, als wenn ich mir das "einfach so" vornehme. Oder es gibt inzwischen auch viele gute Achtsamkeitsapps, die dir täglich einen Impuls liefern, der dich dann durch den Tag begleitet. Ein regelmäßiger Termin am Tag bzw. in der Woche hilft dir auch eher, diese Praxis in deinen Alltag zu integrieren. Als wenn man sich eine Woche aus dem Alltag rausnimmt und hinterher wieder einsteigt...
LG von lisbeth
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott