Kleine Kurzgeschichte, die ich mal geschrieben habe.
Sie spazierte langsam den gepflasterten Weg entlang, in der Hand ihren Koffer, ihr Herz voll aufkeimender Freude und Hoffnung. ‚Ich freue mich‘, dachte sie verwundert und schaffte es endlich dieses Gefühl einzuordnen, was sie nach Tagen quälte. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, lachte sie laut auf und murmelte: „Ich freue mich, ok, habe es verstanden ...“ Die allzu menschenleere Umgebung hatte sie am Anfang verunsichert, jetzt kam sie ihr ganz gelegen. Sie stellte sich vor wie sie wohl auf jemand anderen wirkte. Eine junge Frau von schlanker Gestalt, dazu braune Jeans und eine pinke Bluse, passend zu ihren auffallend pinken Haaren. Die mitten auf dem Weg einfach laut loslachte. So eine Situation konnte sie zum Glück meiden, ihre Haare waren jedoch ein beständiges Ärgernis. Diese hatten schon mehr Blicke am Bahnhof angezogen, als ihr lieb waren. Jedem einzelnen hatte sie in die Augen gesehen, in der stillen Aufforderung das Offensichtliche laut auszusprechen: „Hey, du siehst nicht wie eine der Einheimischen aus. Du kommst von woanders oder?“ Fast alle hatten den Blick abgewandt, ein paar verlegen, ein paar verunsichert. Im Zug hatte zu ihrer kleinen Freude die gleiche Isolation geherrscht wie hier wo sie ausgestiegen war, bis auf den freundlichen Mann in Uniform, der sie nach ihrem Fahrschein gefragt hatte. Nicht das sie menschenscheu war. Sie war es nur mehr Leid, immer wieder das Gefühl zu haben, nicht hierhin gehören zu dürfen.
‚Aber habe ich es nicht verdient, nach all dem was ich... was wir damals durchgemacht haben? Nach all dem Schmerz und Opfern...?‘ „Damals“ hatte ihr Leben aus harten Drill und ewiger Sorge um die Zukunft bestanden. Und Furcht. Furcht um ihre jüngere Schwester, Furcht um den Tod ihrer Freunde. Furcht zu sterben und sie alle nie wieder zu sehen. Damals. In einer anderen Welt. In einem anderen Universum. Sie schien fast zu spüren wie die Klauen der Vergangenheit wieder nach ihr griffen, sie in diesen dunklen Strudel ertränken zu versuchten. Eine kleine Windböe scheuchte ein paar Rosenblätter in die Luft und riss sie aus ihren düsteren Gedanken. Sie sah ihnen bei ihrem seltsamen Tanz durch die Luft zu, bis sie in der Ferne verschwanden. Ein kleiner Nachzügler streifte ihre Wange, sanft wie ein zarter Kuss. ‚Willkommen‘ schien sie fast zu sagen. Etwas aufgemuntert setzte sie ihren Weg fort.