Allein im Ausland- schwere Essstoerung doch keine Chance auf

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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Allein im Ausland- schwere Essstoerung doch keine Chance auf

Beitrag So., 19.08.2012, 04:54

Bin seit einem Monat mit einem Freiwilligendienst in Argentinien. Ich habe zuhause seit ich ca 15-16 war immer schon ein komisches bis gestoertes Essvehalten. Das eine mal hungere ich extremst, mach kranke Diaeten und will nie mehr als 600kcal essen. Bin bei minimal 64kg. Dann probier ich eine Weile zu kotzen, es funktioniert nicht richtig. Mache mal mehr Sport mal weniger, mein Essverhalten aendert sich aber im Alter von 16 bis 17 so, dass ich frrustriere. Ich kotze nicht mehr, esse einfach zu viel und zu gerne. In unregelmaessigen Abstaenden bekomme ich Reueattacken und versuche meine max.600kcal- Zeiten wiederzubeleben. Naechste Fressperiode. Ich nehme zu bin in den schlimmsten Zeiten bei 79kg... Mein Selbstwertgefuehl ist am Boden... Ich versuche mich an den verschiedensten Abnehmtechniken, mache mir immer neue Ziele, Anspornideen oder Zeitfenster. Mein Gewicht schwankt so zwischen 70 und 76. Irgendwann nach meinem 18. Geburstag beginne ich "richtig" zu kotzen. Ich verliere an Gewicht. Zeitweise begleite ich das akribisch und versuch es durch Sport etc noch zu foerdern, zeitweise kuemmere ich mich gar nicht. Ich gehe auf alle Partys, erlebe unglaublich viel mit Freunden, und erfreue mich zusaetzlich einer nie dagewesenen unheimlich grossen Begeisterung des anderen Geschlechts. Es ist ueberwaeltigend. Natuerlich gab es in dieser Phase auch schlechte Momente. Manchmal ging nichts mehr, ich bekam nichts raus. Dann war pure Verzweiflung. Ich versuchte maximal einmal am Tag zu kotzen, manchmal waren es 3mal, manchmal gar nicht. Doch in meiner Erinnerung leuchtet diese Zeit dennoch. Fuer den doch grossen Gewichtsverlust reichte allen die Begruendung, dass ich vegan war (war ich auch aus moralischen Gruende). Vorallem lange Wochenenden oder Urlaube taten mir gut, ich war "ganz normal". Damals hatte ich das Kotzen eher als grosse Liebe zum Essen und einer fehlenden Staerke an Zurueckhaltung interpretiert. Heute weiss ich, dass ich schlichtweg die meiste Zeit alles damit verarbeitete, in mich reinfrass und wieder rauskotzte. Bin an sich ein stiller Mensch, zeige meine Gefuehle nicht und rede nicht freiwillig darueber. Daher dieser Weg der Vearbeitung.
Auf jeden Fall hatte ich auch Phasen, in denen ich damit aufhoeren wollte. Hab mir Selbsthilfebuecher ausgeliehen, mir selbst Briefe geschrieben, alles aufgelistet und und und. Dann hab ich mal wieder viel gegessen, aber nicht gekotzt. Dann nochmal und dann hatte ich die Panik, dass ich so nur wieder dick werde. Also wieder erbrochen. Das ist meine schlimmste Angst, wieder dick zu werden. Ich habe Angst die extreme Anerkennung und Beliebtheit dadurch zu verlieren. Aber, was mich vielleicht von anderen Essgestoerten unterscheidet, ich will nicht zwangsweise abnehmen. Ein paar Kilos weniger waern nicht schlecht. Liege jetzt ca zwischen 65 und 69, schon lang nicht mehr gewogen... Traumgewicht 60-63 aber lieber durch Sport und gesunde Ernaehrung erreichen. Aber es ist mir wichtiger nicht zuzunehmen... Ich weiss, dass ich eine echt gute Figur hab mit allem was dazugehoert. Kurvig aber schlank, darauf bin ich auch stolz. Ich wuerde sie nur noch etwas perfektionieren wollen
Das Problem ist das Psychische, das merke ich jetzt hier in Argentinien. Ich habe zuhause mit niemandem darueber geredet. Ich stand oder stehe fest im Leben, habe praktisch ein Musterleben ohne den Zwang, ein perfektes Leben zu haben. Habe gutes Abitur, Studiumsplaene, viele gute Freunde, eine allerbeste Freundin, viele Bekannte, eine tolle Familie, viele Hobbies und viele verschiedene Interessen... Naja, wie man sichs vorstellt. Und das mit dem Kotzen dacht ich(naiv), hoert spaetestens in Argentinien dann auf. Hab es einen Monat ohne Kotzen ausgehalten. Doch aufgrund grosser Schwierigkeiten mit der Gastfamilie hab ich immer mehr Frustration in mir gesammelt. Und jetzt vor einer halben Woche zum ersten Mal so richtig allein zuhause, habe ich jetzt 4 Tage am Stueck mindestens 2mal gekotzt.
Dass ich das hier alles schreibe und damit meine psychische Stoerung anerkenne, liegt daran, dass ich den absoluten Endpunkt erreicht habe. Einfach eingekauft- gefressen und erbrochen. Es ist sogar viel schlimmer als daheim, da ich hier weit weniger Kontakte und Unternehmungsmoeglichkeiten habe, mich also nicht gut ablenken kann.
Ich weiss nicht was ich tun soll. Wachte heute auf, hab alle Reste von gestern aufgeputzt und gekotzt... Absolute Endstation- bis hier und nicht weiter!

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Beitrag So., 19.08.2012, 04:56

2. Teil:

Aber ich habe trotzdem auch Hoffnung. Ich bin dabei, den Gastelternwechsel in die Wege zu leiten, hab auch schon mit Ansprechpartnern geredet und ich werde verstanden, so ist die Veraenderung- egal welcher Art- nur noch eine Frage der Zeit. Ich brauche einen geregelten Tagesablauf (den ich auch zuhause nicht hatte), und dafuer werde ich kaempfen, denn ich denke das waere mir schon eine entscheidende Stuetze, das werde ich auch hinbekommen!
Habe mir auch vorgenommen, wenn ich gefrustet bin, mich erstmal zu Sport und/oder frischer Luft zu zwingen... Das kann tatsaechlich hilfreich sein. Ich habe wirklich die Hoffnung es zu schaffen, wie mit dem Rauchen- veraenderte Umgebung- neues Leben- neue Angewohnheiten. Hab seit 4 Jahren viel geraucht, aber hier einfach aufgehoert. Daher erhoffe ich mir, auch das Kotzen aufzugeben. Hab immerhin noch 5 Monate zeit dafuer, wieder heimkommen ist erstmal ein weit entferntes Problem. Leider habe ich heute doch gemerkt, dass ich eigentlich in Therapie muesste, was mir hier jedoch nicht moeglich ist.
Daher wendete ich mich an dieses Forum. Meint ihr es ist zu schaffen, mit so einer Geschichte und Vergangenheit alleine dagegen zu kaempfen? Ist das moeglich? Habt ihr vielleicht wichtige Tipps? Ich bin eigentlich eine sehr starke Persoenlichkeit, ich weiss, dass ich vielleicht nie voellig unbeschwert essen kann, vielleicht auch nicht will. Aber ich wuerde gerne den Weg zu einer sehr gesunden und ausgewogenen Ernaehrung mit viel Sport schaffen. Will auch meinen veganen Lifestyle perfektionieren, hauptsaechlich aus moralischen Gruenden, die mir bedeutende Werte meines Selbstbildes sind. Aber auch, um das bewusste Essenund vorallem Leben zu lernen.
Wie gesagt, ich habe ein Ziel und kann mit viel Hoffnung, Traeumen und Visionen auch sehr stark sein... Ich selbst glaube ich kann das schaffen, haenge meine Hoffnungen im Moment (aber) an den Wechsel. Ist das faules, passives Wunschdenken um mein akutes Problem zu vertuschen und durch aeussere Abhaengigkeiten meiner Verantwortung zu entziehen?

Ich hoffe, jemand liesst meine Nachricht trotz der gewaltigen Laenge. Hat sich in den Jahren trotz viele Tagebuecher wohl einiges angestaut...

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Anne1997
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Beitrag So., 19.08.2012, 06:09

Liebe "Gestrandete",

da hat sich wirklich einiges "angestaut": in Form von Tagebüchern, Verhaltensmustern, Reflektionen usw.

Denke schon, dass Du erst einmal ohne Therapie einiges erreichen könntest.
Deine Ansätze in diese Richtung sind ja da: das Finden einer neuen Gastfamilie mit geregelterem Tagesablauf.
Dir selbst einen einigermaßen geregelten Tages-/Wochenablauf ermöglichen in Bezug auf Ernährung, Sport (Verhaltensbeboachtung, Liste führen etc.).
Zwang hilft nicht so viel, Du solltest kleinere "Ausschläge" nicht von vornherein verurteilen ("Kotzanfälle" reduzieren).
Generell würde ich Dir schon zu einer Therapie bzw. Beratung raten, allein aufgrund Deiner Andeutungen des Ungeregelten, der Dauer Deines problematischen Essverhaltens und dass Du nie mit jemanden darüber geredet hast (warum eigentlich - trotz bester Freunde?).

In Argentinien (und auch in Brasilien) selbst, das weiß ich von einem Bekannten, gibt es sehr viele psychotherapeutische Beratungs- und Therapieangebote.
Bedingt durch die europäische Einwanderer ab den 1940er Jahren, schwappte eine große "Psychotherapiewelle" (v.a. anfänglich die Psychoanalyse) in dieses Land.
Hier kannst Du einen Artikel mit einigen Infos lesen. Oder siehe hier: Link 2.
Vielleicht könntest Du ja eines davon nutzen (leichter wohl als Selbstzahler, für Europäer sehr preiswert....).

Noch eine Idee: Über das professionell online (kostenlos!) arbeitende Beratungsnetz kannst Du Dir erste Unterstützung in Form von Online-Beratung holen. Es ist eine ziemlich umfassende Webseite, klick' Dich durch!
Und noch eine Anmerkung: Du scheinst mir reflektiert und "schlau" genug, so dass Dir natürlich bewusst ist, dass es es vielen so geht bzw. ging wie Dir: "alles bestens, super Leistungen, super Familie und Freundeskreis; habe ja gar kein Problem ...." - Auch damit kann/darf man Therapie bzw. Beratung in Anspruch nehmen, wenn es noch das Andere gibt, dass Wissen darum, dass etwas nicht "geregelt" erscheint, nicht mehr kontrollierbar, ein Verhalten einen einschränkt, Leidensdruck entsteht.

Wünsche Dir alles Gute beim Finden neuer Gasteltern und gute Erfahrungen im Freiwilligendienst!
Buen día y un buen tiempo en Argentina,
Anne

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