Behandeln Psychotherapeuten nur leichte Störungen?

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Jenny Doe
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Behandeln Psychotherapeuten nur leichte Störungen?

Beitrag Do., 22.05.2014, 03:23

SWR2 Forum Bloß keine Kranken!
Behandeln Psychotherapeuten nur leichte Störungen?

Sendung vom Mittwoch, 14.5. | 17.05 Uhr | SWR2
http://www.swr.de/swr2/programm/sendung ... index.html

Es diskutieren: Barbara Lubisch, Deutsche Psychotherapeutenvereinigung
Dr. Manfred Lütz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Köln
Gesprächsleitung: Ralf Caspary
Der Psychiater Manfred Lütz spricht von einem Skandal, einer Tragödie. Er diagnostiziert den Zusammenbruch der ambulanten Versorgung von psychisch schwer kranken Menschen. Psychotherapeuten würden bevorzugt leichte Störungen wie "Burnout" behandeln und wirklich akut Bedürftige, wie zum Beispiel schwer depressive Menschen, müssten zu lange auf einen Termin warten. Die deutsche Psychotherapeutenvereinigung protestiert. Hier schüre ein Psychiater Vorurteile gegen die Therapeuten. Gibt es tatsächlich einen Versorgungsengpass? Kann eine Psychotherapie Menschen mit schweren Störungen helfen?
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Peonia
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Beitrag Do., 22.05.2014, 08:32

Es ist schon etwas merkwürdig, dass die Therapieplätze nie reichen, obwohl immer mehr Therapeuten zugelassen werden. Entweder es werden immer mehr Menschen psychisch krank - oder es nehmen immer mehr therapeutische Hilfe in Anspruch, die in einer Psychotherapeutenpraxis eigentlich nichts verloren haben.

Ich kenne zwei Therapeuten privat und beide geben zu, dass sie einen Patientenmix anstreben, weil die Arbeit sonst nicht zu stemmen ist. Zwangsstörungen und Depressionen mit ein bisschen Burn Out mischen und den Rest mit leichten Hausfrauendepressionen auffüllen, das geht angeblich am besten.
Das hört sich nun etwas zynisch an, ist aber nicht so gemeint.
Einer von beiden behandelt z.B. keine Borderliner mehr, weil ihm zu oft Patienten privat auf die Pelle gerückt sind (Telefonanrufe nachts, zu Hause an Feiertagen aufgetaucht, die Ehefrau vor dem Haus abgepasst). Er nimmt diese Patienten nicht mehr, obwohl er weiß, dass sie Hilfe nötig haben. Er sagt, seine Ehe wäre ihm sonst um die Ohren geflogen.

Interessant finde ich, dass beide sagen, Burn Out ist keine psychische Erkrankung. Es sei entweder ein anderer Name für eine Depression, mit dem die Patienten besser leben können. Burn Out haben Manager etc.., die wahnsinnig aktiv waren und sich überarbeitet haben. Klingt viel besser als depressiv. Wenn es nur eine Überlastung ist, dann muss die Last geändert werden - ggf. mit einem Berufswechsel, wenn der Beruf ursächlich für die Überforderung ist.

An der Kritik ist sicherlich etwas Wahres dran, aber die Wahrheit liegt - wie so oft - in der Mitte.


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Jenny Doe
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Beitrag Do., 22.05.2014, 10:07

@ Peonia,
Es ist schon etwas merkwürdig, dass die Therapieplätze nie reichen, obwohl immer mehr Therapeuten zugelassen werden.
so wirklich blicke ich da auch nicht durch. Mal lese ich Studien, dass die Zahl psychisch Kranker zugenommen hat, am nächsten Tag lese ich eine, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Zahl stabil ist.

Merkwürdig finde ich das auch. Es gibt ja noch die Argumentation, dass die Anzahl der Psychotherapeuten eigentlich reichen würde, wenn alle auch wirklich Vollzeit arbeiten würden.
Interessant finde ich, dass beide sagen, Burn Out ist keine psychische Erkrankung.
Das Problem ist, dass es noch nicht genügend Studien gibt. Burn-Out wurde (bisher) nicht in den DSM aufgenommen, weil das Phänomen noch nicht hinreichend erforscht ist. Es ist noch nicht klar, ob Burn-Out = Depression ist bzw. wie man Burn-Out von Depression abgrenzen kann und muss. Solange etwas nicht in den Diagnosehandbüchern steht, so lange gilt etwas offiziell auch nicht als Krankheit oder Störung und die Therapeuten dürften es eigentlich nicht diagnostizieren. Finde ich logisch, denn man muss ja erst mal Kriterien haben, anhand denen man beurteilen kann, ob ein Burn-Out vorliegt oder nicht oder eine andere Störung. Solange keine einheitlichen Diagnosekriterien vorliegen, kann eine Diagnose nicht objektiv und einheitlich diagnostiziert werden. Derzeit ist es so, dass Burn-Out nach subjektiven Kriterien der Therapeuten diagnostiziert wird. Das stößst natürlich auf Kritik, da subjektive Urteile die Gefahr der Fehldiagnosen erhöht. Wenn etwas bei zu vielen Klienten diagnostiziert wird, dann stellt sich irgendwann logischerweise die Frage, ob das Diagnostizierte nicht in Wahrheit normal ist. Denn wenns jeder hat, dann kanns nicht unnormal sein.
Obwohl bisher keine einheitliche oder gar international konsentierte Definition des Burn-out-Syndroms existiert und Burn-out noch keinen Eingang in die aktuellen Versionen gängiger Klassifikationssysteme (Internationale Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision, ICD-10 und Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4th Revision, DSM-IV) (2, 3) gefunden hat, wird in der Praxis diese Diagnose gestellt und als Ausgangspunkt für weiterführende Therapien herangezogen
Modediagnose Burn-out
http://www.aerzteblatt.de/archiv/117040 ... e-Burn-out

Siehe auch (bezieht sich auf DSM V):
Burnout ist weiterhin keine Krankheit
http://www.spiegel.de/gesundheit/psycho ... 38447.html
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chaosfee
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Beitrag Do., 22.05.2014, 21:34

Peonia hat geschrieben:s ist schon etwas merkwürdig, dass die Therapieplätze nie reichen, obwohl immer mehr Therapeuten zugelassen werden. Entweder es werden immer mehr Menschen psychisch krank - oder es nehmen immer mehr therapeutische Hilfe in Anspruch, die in einer Psychotherapeutenpraxis eigentlich nichts verloren haben.
Das finde ich gar nicht komisch. Werden denn überhaupt immer mehr Therapeuten zugelassen? Meiner Meinung nach stagniert die Zahl seit geraumer Zeit. Allerdings nimmt die Stigmatisierung psychischer Krankheiten ab, siehe Burnout, das heißt es begeben sich Leute in Therapie, die es früher nicht getan hätten, obwohl sie auch schon früher psychisch krank waren. Nur sind sie damals eben durch die Haus- und Facharztpraxen getingelt. Das sollte sich dann an einer sinkenden Zahl von Patienten mit unklaren Beschwerden in diesen Praxen zeigen.
Peonia hat geschrieben:Einer von beiden behandelt z.B. keine Borderliner mehr, weil ihm zu oft Patienten privat auf die Pelle gerückt sind (Telefonanrufe nachts, zu Hause an Feiertagen aufgetaucht, die Ehefrau vor dem Haus abgepasst). Er nimmt diese Patienten nicht mehr, obwohl er weiß, dass sie Hilfe nötig haben.
Vielleicht hätte er in seiner Ausbildung lernen sollen, mit "diesen Patienten" so umzugehen, dass sie nicht sein Privatleben zerstören.
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Peonia
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Beitrag Fr., 23.05.2014, 15:12

chaosfee hat geschrieben: Vielleicht hätte er in seiner Ausbildung lernen sollen, mit "diesen Patienten" so umzugehen, dass sie nicht sein Privatleben zerstören.
Da er aus privaten Gründen seine Praxis im privaten Haus hat (haben muss), wurde das immer mal wieder schwierig mit Patienten, die sich mehr Nähe gewünscht haben. Er hat gesagt, das könne er nur mit einer räumlichen Trennung lösen, die aber im Moment nicht möglich ist.

Mit mangelnder Ausbildung hat das sicherlich nichts zu tun. Er hat lange Zeit Patienten behandelt, die auf der "Warteliste" für eine stationären Aufenthalt waren, viele davon suizidgefährdet. Das das irgendwann an die Substanz geht, ist doch nachvollziehbar. Ich habe größten Respekt vor ihm. Er ist kein Trottel, der seine Zulassung im Lotto gewonnen hat.


chaosfee
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Beitrag Sa., 24.05.2014, 20:27

Ich habe damit doch gar nicht deinen Therapeuten kritisieren wollen. Eher die Ausbildung, nach der sich offensichtlich viele Therapeuten bei einer ganzen Reihe von Patienten nicht in der Lage sehen, diese zu behandeln. Dein Therapeut ist ja nicht der einzige.
Mein Therapeut hat auch die Praxis im Wohnhaus, und er behandelt schwerpunktmäßig Borderline. Möglich ist das also schon. Soweit ich weiß, bildet er sich aber auch regelmäßig fort und tauscht sich mit Kollegen aus.
Es sind eben nicht immer die schwierigen Borderliner Schuld, wenn's nicht funktioniert.
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Krang2
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Beitrag Di., 01.07.2014, 08:41

Diese Kritik, daß die ambulante Versorgung schwerer Störungen mangelhaft ist, existiert schon länger und ist sehr berechtigt (wer es nicht glaubt, kann Praxen anrufen und nachfragen). Teilweise führt das dann sogar dazu, daß schlecht oder unzureichend behandelte Patienten Straftaten begehen und dann im Maßregelvollzug landen, der aus allen Nähten platzt und wo die psychiatrische und therapeutische Versorgung noch schlechter ist. Diese Mangelversorgung betrifft vor allem Menschen mit Psychosen (wobei nur die wenigsten Straftaten begehen).

Das Grundproblem ist, daß Gesundheit zu wertvoll ist, als daß man sie der Privatwirtschaft überlassen sollte - übrigens genauso wie Strom oder Wasser. Das ist eine politische Entscheidung, da sind den Therapeuten nur bedingt Vorwürfe zu machen. Es ist nachvollziehbar, daß sich Therapeuten auf die Klientel spezialisieren, die mit weniger Belastung mehr Geld einbringt. Nun gibt es aber keine politische Lobby für psychisch Kranke, im Gegenteil, es herrschen in keinem anderen Bereich so viele Vorurteile und Mißverständnisse in der Öffentlichkeit. In der Politik wird eben nur auf die nächste Wahl geschaut und wo man kürzen kann, nicht, was langfristig sinnvoll wäre.


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Jenny Doe
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Beitrag Mo., 25.08.2014, 12:53

Peonia schrieb: Es ist schon etwas merkwürdig, dass die Therapieplätze nie reichen, obwohl immer mehr Therapeuten zugelassen werden. Entweder es werden immer mehr Menschen psychisch krank - oder es nehmen immer mehr therapeutische Hilfe in Anspruch, die in einer Psychotherapeutenpraxis eigentlich nichts verloren haben.
-->
(...) Die vor 2013 geltende Bedarfsplanung ging von einem unrealistisch niedrigen Bedarf aus. Dass sich seitdem bundesweit 1300 Psychotherapeuten mehr niederlassen können, hat an den langen Wartezeiten aber offenbar nichts geändert.
(...)
Lange Wartezeiten
http://www.fr-online.de/wirtschaft/term ... 07766.html
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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 25.08.2014, 19:48

Noch zwei Beispiele.

Leichtere Fälle, hm, was ist das?
Früher gingen viele Menschen wegen Lebensprobleme zum Seelsorger, der sich um ihr Seelenheil kümmerte, und nicht nur um das spirituelle. Da heutzutage wesentlich mehr Menschen mit Kirche nichts mehr am Hut haben wie früher, diese Menschen aber auch jemanden für ihr Seelenheil brauchen, geht’s halt zum Psychotherapeuten, der sich ihre kleinen und großen Nöte anhört und reflektiert. Zahlt die KK nicht? Doch, steht dann eben was von F 32.0 auf dem Antrag, reicht für eine Kurzzeittherapie als Begründung. Für eine Kurzzeittherapie sind die meisten Therapeuten nicht gutachterpflichtig, liegt also vollkommen in ihrem Ermessen, was sie auf den Antrag schreiben.

Oder die psychosomatische Schiene, hatte ich erst vor Kurzem zweimal im Verwandtenkreis.
Es gab körperliche Beschwerden, der Arzt versuchte dieses und jenes ohne deutliche Verbesserung. Die betroffene Person war sehr lange Krank geschrieben, denn mit den vorhandenen körperlichen Beschwerden konnte sie nicht arbeiten. Als der behandelnde Facharzt mit seinem Latein am Ende war, meinte er, es müsse psychische Ursachen haben und verwies an einen Psychotherapeuten. Diese Verwandte schwärmte dann von dem Therapeuten (von sich aus wäre sie nie auf die Idee gekommen, dort hin zu gehen), wie toll es doch wäre, endlich mal jemanden zu haben, mit dem sie über alle Probleme reden könne, der richtig zuhört (was ihr Mann nicht machte) und sie ernst nimmt, … Aber an ihren körperlichen Beschwerden hatte sich nichts geändert. Dann ging besagte Person auf Anraten von mir mal zu einem anderen Facharzt gleicher Richtung, aber noch mit zusätzlicher osteopathischer Prägung. Der machte sie darauf aufmerksam, dass die Ursachen für ihre Beschwerden auch an einer ganz anderen Stelle im Körper sein könnten, behandelte etwas an einer Stelle, wo sie eigentlich keine Beschwerden hatte, und siehe da, ihre Beschwerden gingen weg. Soviel zur Psychosomatik, nur weil der Arzt mit seinem Latein am Ende ist. Auch diese Patienten, die eigentlich gar nicht zum Psychotherapeuten bräuchten (und von sich aus auch gar nicht erst auf die Idee gekommen wären, dorthin zu gehen), bevölkern die Praxen.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


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Jenny Doe
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Beitrag Mo., 25.08.2014, 21:13

Wandelröschen schrieb: Leichtere Fälle, hm, was ist das?
Das wird zunehmend mehr in Expertenkreisen diskutiert, z.B.

Experte: Menschen dürfen nicht zu Patienten gemacht werden
http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/283153/
(...)
Die Entwicklung ist bedenklich: Wir machen immer mehr Menschen zu Patienten oder Klienten einer Beratergesellschaft, sagt Professor Wolfgang Schneider, Direktor der Rostocker Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin.
(...)
So würde oftmals eine psychotherapeutische Behandlung indiziert und vorgenommen, obwohl eine niedrigschwellige Beratung den Klienten in die Lage versetzen könnte, seine Probleme eigenständig und selbstverantwortlich zu lösen.
(...)
Aber wir dürfen nicht alles zu professionellen Problemen definieren und somit Menschen bedürftig und abhängig machen.
(...)
Früher gingen viele Menschen wegen Lebensprobleme zum Seelsorger, der sich um ihr Seelenheil kümmerte, und nicht nur um das spirituelle.
Heute gibt es Beratungsstellen und es wird inzwischen diskutiert, ob nicht vielleicht zu viele Menschen in Psychotherapien landen, denen mit einer Beratung nicht minder geholfen werden kann.

Ich stimme dem zu. Ich habe kürzlich gelesen, dass sich Therapeuten auf dem demografischen Wandel vorbereiten wollen und Therapiemethoden für ältere Menschen und deren spezifischen Probleme entwickeln wollen. Gewiss gibt es den ein oder anderen älteren Klienten, der in Therapie richtig wäre, aber ich beobachte, dass normale Entwicklungsaufgaben, die jeder Mensch in seinem Leben zu bewältigen hat, zunehmend mehr von Psychotherapeuten übernommen werden. Psychotherapie sollte dazu da sein, um Störungen/Krankheiten zu heilen und nicht normale Entwicklunsaufgaben.

Gewiss gibt es viele Erkärungen dafür, warum die Anzahl der Therpeuten vielleicht nie reichen wird.

Schaue ich mir meine "Therapiekarriere" an, dann wundert es mich nicht, dass zunehmend mehr Therapeuten benötigt werden. Zwei Beispiele aus meiner Erfahrungsschatztruhe, die ich um weitere Punkte ergänzen könnte:
- haben wir schon drüber diskutiert: Es wurde zu lange stabilisiert. Da in den 4 Jahren Psychotherapie keine Arbeit mit dem Trauma erfolgte, war eine weitere Therapie nötig.
- Es wird zu wenig integrativ therapiert. In der Psychoanalyse lernte ich nicht, wie ich mit Problemen umgehen kann, mir wurden keine Bewältigungsstrategien vermittelt. In der VT hingegen ging es bei einigen Themen bei mir nicht tief genug (in erster Linie, weil VT nur 80 Stunden bekommt und einfach die Zeit fehlte). Ich kam nicht umhin eine weitere Therapie machen zu müssen.

Therapie hilft, aber ich sehe Verbesserungsbedarf was die Behandlung angeht.
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Krang2
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Beitrag Di., 26.08.2014, 08:46

Ich lese mal wieder die Überschrift und kann das nur bestätigen - aus eigener Erfahrung, mich will keiner therapieren...


pandas
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Beitrag Di., 26.08.2014, 10:08

Hallo Jenny,

manchmal widersprichst Du Dir aber selbst: Neulich hast Du geschrieben, daran, dass die Anzahl der Studierenden, die psychotherapeutishe Hilfen in Anspruch nehmen, sehe man, dass die Belastung im Studium gestiegen sei und psychische Krankheiten hervorrufe.

Das Argument, dass vielleicht die Inanspruchnahme gestiegen ist (auch durch Angebot und mehr gesellschaftliche Hinleitung), aber die Belastung im Studium schon immer einem Studium entsprechend war, aber Studierende nicht so schnell auf psychische Probleme hin sich untersuchen lassen haben, sondern alleine zurechtgekommen sind (oder auch nicht, aber keine Hilfe bekommen haben) wolltest Du nicht gelten lassen.

Warum soll das beispielsweise mit alten Menschen nicht so sein?
Warum sollten diese weniger psychotherapeutische Hilfe bekommen als andere Zielgruppen?
Auch ist diese Gruppe von vielen psychosozialen Belastungen betroffen: schneller gesellschaftlicher Wandel (erneuter Anstieg von Kriegsbedrohung = Retraumatisierung), Einsamkeit, Alzheimer-Risiko, Risiko der Arbeitslosigkeit ab 50, Altersarmut.
Da zu sagen, dies sei eine "Masche" der Beratungs- und Psychoindustrie, um ihr Arbeitsvolumen zu erhöhen, halte ich für sehr unangemessen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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stern
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Beitrag Di., 26.08.2014, 10:27

Die Deutsche Psychptherapeutenvereinigung widerspricht Lütz u.a. mit folgenden Argumenten:
Lütz verkenne den Leidensdruck psychisch kranker Menschen völlig und bagatellisiere diese. Die Mär, Psychologische Psychotherapeuten behandelten nur „leichte“ Erkrankungen und nur Psychiater seien zur Behandlung „wirklich“ Kranker befähigt ist schlicht und einfach Unsinn, unterstrich Hentschel.
(...)
Hentschel ist verärgert über die immer wieder unternommenen Versuche aus den Reihen der Psychiater, die Qualifikation der Psychologischen Psychotherapeuten herabzusetzen. „Letztlich wird damit den Patienten geschadet. In der Realität ist es so, dass 80 Prozent der Psychotherapien im ambulanten Bereich von Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchgeführt und erfolgreich und zielgerichtet zum Wohle der Betroffenen abgeschlossen werden“.
http://www.deutschepsychotherapeutenver ... ranker.pdf
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


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Jenny Doe
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Beitrag Di., 26.08.2014, 10:48

@ pandas
manchmal widersprichst Du Dir aber selbst: Neulich hast Du geschrieben, daran, dass die Anzahl der Studierenden, die psychotherapeutishe Hilfen in Anspruch nehmen, sehe man, dass die Belastung im Studium gestiegen sei und psychische Krankheiten hervorrufe.
Richtig, die Belastung ist gestiegen, genauso wie am Arbeitsplatz oder auch im Alltag (z.B. Anstieg der Reizmenge).
Die Frage ist jedoch, ob all diese Menschen in der Psychotherapie richtig sind oder ob bei solchen "leichten Problemen" (sofern daraus keine handfeste Depression geworden ist) eine Beratung ausreichen würde, z.B. eine Beratung, in der Studenten einen Umgang mit den Studien-Belastungen vermittelt wird.
Warum soll das beispielsweise mit alten Menschen nicht so sein?
Warum sollten diese weniger psychotherapeutische Hilfe bekommen als andere Zielgruppen?
Ich denke, du hast mein Posting nicht verstanden.
Wenn ältere Menschen eine psychische Störung entwickeln, logisch sollten die dann auch Psychotherapie bekommen.
Die Frage ist jedoch, ob wirklich alle Probleme, die man als Rentner, Student, Berufstätiger, ... hat in die Psychotherapie gehören, die für die Heilung von Störungen und Krankheiten zuständig ist. Wenn es aus Burn Out eine Depression wird, oder Renter eine Depression entwickeln, weil sie unter ihrem Abbau leiden, ... klar gehört das dann in die Therapie. In manchen Fällen würde vielleicht eine Beratung ausreichen, z.B. "Wie gehe ich mit Studiumsbelastungen um? oder "Wie kann ich alterbedingte Defizite kompensieren?".
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Rezna
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Beitrag Di., 26.08.2014, 10:50

Therapien haben Nebenwirkungen. Ebenso, wie man sich nicht sofort mit Schmerzmittel zubomben sollte, muss man auch nicht "prophylaktisch" zu einem Therapeuten, weil das Leben gerade ein paar Ansprüche stellt. Ich fürchte, das könnte im Falle einer wirklichen psychischen Erkrankung dann die Wirkung schmälern.

Zugleich gehen viele nicht in Therapie, die es nötig hätten. Nicht nur, weil sie keinen Platz finden, sondern auch aus Scham.
chaosfee hat geschrieben:Allerdings nimmt die Stigmatisierung psychischer Krankheiten ab, […]
Das ist so eine Sache. Auf der einen Seite stimmt das durchaus. Auf der anderen Seite sind es gerade Medienberichte, dass Burn-Out ja eine schicke Modediagnose wäre, die man sich wie eine Straußenlederhandtasche als Geschenk für viel Arbeit umhängt, die dazu beitragen, dass psychische Krankheiten wieder stigmatisiert werden. Ich könnte jedes Mal platzen, wenn ich höre (immer von Menschen, die selbst kein Burnout hatten), dass es Burn-Out nicht gäbe (nur, weil es nicht im DSM steht). Dass genau deswegen, weil es diese Krankheit "nicht gibt" sie zu einer lächerlichen Eitelkeits- und Faulheitskrankheit wird. "Will ja nur ein bisschen Urlaub machen …" So etwas ist ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die an Burn-Out erkrankt waren/sind. Die vielleicht nie wieder ein normales Leben führen können, sogar auf der Intensivstation landeten, dauerhafte psychische und physische Schäden zurückbehalten und beinahe gestorben wären. Auf einmal werden sie als narzistische Hypochonder hingestellt, die doch nur für ihren beruflichen Einsatz getätschelt werden wollen.
Burn-Out soll besser als Depression klingen? Nicht mehr. So, wie man Depressiven Faulheit vorwirft, ja nur nicht zu "wollen", es sich "leicht zu machen" und so weiter, gilt das mittlerweile auch für Burn-Out. Damit werden von hinten herum psychische Krankheiten wieder Stigmatisiert, diesmal aber auf eine andere Weise. Wer zum Therapeuten geht, mag jetzt nicht als "verrückt" gelten, aber dafür als faul und wehleidig.

Ebenso, wie jeder, der mal schlechte Laune hat, meint, er wäre depressiv. Klar, dass so jemand dann den Eiertanz um Tabletten, Klinik und Therapie nicht verstehen kann, weil er hat ja auch rausgefunden, indem er den Ar*** hochbekam.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

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