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So., 16.06.2013, 20:16
Vermutlich kommt da halt auch mein Schuldgefühl zur Geltung, das in meinen Träumen immer vorkommt? Gestern fiel es mir wieder ein, wie meine Mutter hysterisch gebrüllt hat, wenn ich sagte, dass ich Angst habe: Es war eigentlich immer dasselbe, fast täglich: Wenn meine Mutter oder mein Opa sagten, sie wären um 19 Uhr zu Hause, dann war ich glücklich bis um zehn vor sieben. Dann wurde ich unruhig. Um fünf vor sieben brach die Panik aus. Ich lief unruhig in der Wohnung umher und fing an, mir die Haare auszureißen. Um eine Minute vor sieben war ich sicher: "Sie ist tot oder entführt". Und wenn es dann sieben Uhr war, dann ließ sich gar nichts mehr vor Anderen verbergen. Sie waren fast immer pünktlich; das war nicht das Problem. Aber sie kamen eben auch nie vor meinem Panikanfall. Als ich alt genug war, kam dann immer noch ein Orgasmus, was besonders prickelnd war...
Im Grunde - nur ohne Orgasmus - läuft es bis heute so.
Also, wenn ich dann in diesem unruhig-panischen Ton sagte: "Wann kommt Opa?", dann ging es los: "Jetzt hör aber auf! Du bist doch verrückt! Plemplem! So was wie du gehört in die Irrenanstalt! Hier oben hast du sie nicht mehr alle! Du machst mich wahnsinnig, verstehst du? Krank! Ich halte das nicht mehr aus mit dir!"
Also hab ich versucht, diese Angst zu unterdrücken. Die Zeichen hätte man natürlich sehen können. Aber wir haben geschwiegen, so gut es eben ging. Die Mutter meiner Freundin meinte mal zu ihr: "Du solltest mit Klein-Titus zum Psychologen gehen" - ich dachte: "Oh, prima, endlich!" - aber passiert ist natürlich nichts. Kein Psychologe, wie auch sonst kein Arzt. Weil meine Mutter panische Angst vor Ärzten hatte. Ich hätte regelmäßig zum Orthopäden gemusst und sie ist nicht gegangen. Wenn es sich dann doch mal nicht vermeiden ließ, meinte meine Mutter zu mir: "Der ist böse, der schimpft immer" - ja klar, kein Wunder...
So was kommt jetzt alles hoch, und v.a. sehe ich ihre hysterischen Augen, höre ihre überdrehte Stimme, fühle meine Unruhe. Das Gefühl dazu ist neu und richtig heftig. Und manchmal vermischt sich dieses Gefühl mit der Ahnung, wie wohl mein Therapeut reagiert, wenn ich in der Stunde unruhig werde und sage: "Ich hab Angst. Geh nicht weg" - dabei ist er dabei immer ganz lieb. Er würde sicher nicht sagen: "Sie machen mich wahnsinnig" - aber ich kann es nicht gut trennen von der Reaktion meiner Mutter.