Wie unbewusst ist das Unbewusste?
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Wie unbewusst ist das Unbewusste?
Im Grunde sagt die Frage schon alles - keine Ahnung, ob wer darauf antworten mag; es ist so wenig greifbar, aber ich frag es mich gerade wirklich: Wie unbewusst ist das Unbewusste?
Ich bin jetzt ungefähr in der Mitte meiner Analyse und komme zum ersten Mal an einen Punkt, der mir definitiv nicht geheuer ist. Bisher konnte ich dem, was mir dort begegnete, immer gut folgen. Meine Gefühle erschienen mir klar, meine Träume waren aufschlussreich. Die Beziehung zum Therapeuten wie aus dem Lehrbuch.
Lehrbuch - das Stichwort: Wenn man sich zum ersten Mal oder auch im Laufe der Therapie so informieren möchte, was einen wohl erwarten würde, dann wird einem gesagt, dass es darauf hinaus läuft, in einer Analyse das Unbewusste zu erforschen. Alles klar, dachte ich mir. Ich las von Patienten, die Migräne hatten und nicht wussten, dass diese Migräne im Zusammenhang mit frühkindlichen Erfahrungen steht. Ich las von allen möglichen Symptomen, deren Ursache dem Patienten völlig unbewusst war. Nicht nur die Ursache, sondern dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen Symptom und Ursache existiert, sei unbewusst. Der Patient liebt und hasst den Therapeuten und weiß nicht, dass er damit eigentlich die Mutter (oder den Vater) meint.
Ich dachte mir immer: Komisch, dass die Patienten das nicht merken... dass da immer einer extra deuten muss: "Übrigens, Sie meinen gar nicht mich. Sie meinen eigentlich Ihre Mutter". Ich hab das bisher immer gefühlt, wo der Unterschied und wo die Parallelen zwischen Analytiker und Mutter sind. Ich hatte nie das Gefühl, dass da was unbewusst war.
Ein bisschen seltsam war es mit den Träumen: Ich träume oft von Schuldgefühlen - die waren mir in der Tat nicht bewusst. Aber das ließ sich schnell erklären.
Auch die Liebesgefühle wundern mich nicht wirklich.
Aber ich frag mich, was das jetzt ist: Kann es sein, dass man wirklich unbewusst den Kern seiner Symptomatik in die therapeutische Beziehung mitbringt und es NICHT merkt? Dass man plötzlich wirklich nicht mehr weiß, ob das alles 'nur' Übertragung ist? Dass man felsenfest davon überzeugt ist, der Analytiker würde einen hassen? Würde einen abschieben wollen? Ich bin deshalb am Zweifeln, weil es gar keine Anhaltspunkte dafür gibt. Läuft das mit der Re-Inszenierung so perfekt, dass man dort automatisch das fühlt, was einen als Kleinkind so massiv geschädigt hat? Und dass man so verwirrt ist, dass man nicht erkennt, dass die eigentliche Ursache für diese heftigen Gefühle außerhalb der therapeutischen Beziehung liegt? Kann das wirklich sein, dass man so reingelegt wird von seinem Unbewussten? Schleicht sich einfach durch die Hintertür!
Also, ist das Unbewusste wirklich 'richtig' unbewusst? Hm, die Frage ist wirklich extrem bescheuert, merke ich gerade... Aber das ist doch total faszinierend, dass man all das unbewusst mit in die Therapie bringt. Ich hab das nie gewollt. Ich wollte überhaupt gar nix übertragen. Ich wollte artig dort sitzen und gesittete Gespräche führen. Na gut, ein bisschen Zuneigung nehme ich gerne mit. Ein bisschen Wut und Enttäuschung, O.K. - aber die nackte Panik? Exakt dieselbe Hilflosigkeit, wie ich sie als Kind gefühlt hab? Wo kommt die so plötzlich her? Und vor allem: Wie funktioniert das überhaupt?
Ich bin jetzt ungefähr in der Mitte meiner Analyse und komme zum ersten Mal an einen Punkt, der mir definitiv nicht geheuer ist. Bisher konnte ich dem, was mir dort begegnete, immer gut folgen. Meine Gefühle erschienen mir klar, meine Träume waren aufschlussreich. Die Beziehung zum Therapeuten wie aus dem Lehrbuch.
Lehrbuch - das Stichwort: Wenn man sich zum ersten Mal oder auch im Laufe der Therapie so informieren möchte, was einen wohl erwarten würde, dann wird einem gesagt, dass es darauf hinaus läuft, in einer Analyse das Unbewusste zu erforschen. Alles klar, dachte ich mir. Ich las von Patienten, die Migräne hatten und nicht wussten, dass diese Migräne im Zusammenhang mit frühkindlichen Erfahrungen steht. Ich las von allen möglichen Symptomen, deren Ursache dem Patienten völlig unbewusst war. Nicht nur die Ursache, sondern dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen Symptom und Ursache existiert, sei unbewusst. Der Patient liebt und hasst den Therapeuten und weiß nicht, dass er damit eigentlich die Mutter (oder den Vater) meint.
Ich dachte mir immer: Komisch, dass die Patienten das nicht merken... dass da immer einer extra deuten muss: "Übrigens, Sie meinen gar nicht mich. Sie meinen eigentlich Ihre Mutter". Ich hab das bisher immer gefühlt, wo der Unterschied und wo die Parallelen zwischen Analytiker und Mutter sind. Ich hatte nie das Gefühl, dass da was unbewusst war.
Ein bisschen seltsam war es mit den Träumen: Ich träume oft von Schuldgefühlen - die waren mir in der Tat nicht bewusst. Aber das ließ sich schnell erklären.
Auch die Liebesgefühle wundern mich nicht wirklich.
Aber ich frag mich, was das jetzt ist: Kann es sein, dass man wirklich unbewusst den Kern seiner Symptomatik in die therapeutische Beziehung mitbringt und es NICHT merkt? Dass man plötzlich wirklich nicht mehr weiß, ob das alles 'nur' Übertragung ist? Dass man felsenfest davon überzeugt ist, der Analytiker würde einen hassen? Würde einen abschieben wollen? Ich bin deshalb am Zweifeln, weil es gar keine Anhaltspunkte dafür gibt. Läuft das mit der Re-Inszenierung so perfekt, dass man dort automatisch das fühlt, was einen als Kleinkind so massiv geschädigt hat? Und dass man so verwirrt ist, dass man nicht erkennt, dass die eigentliche Ursache für diese heftigen Gefühle außerhalb der therapeutischen Beziehung liegt? Kann das wirklich sein, dass man so reingelegt wird von seinem Unbewussten? Schleicht sich einfach durch die Hintertür!
Also, ist das Unbewusste wirklich 'richtig' unbewusst? Hm, die Frage ist wirklich extrem bescheuert, merke ich gerade... Aber das ist doch total faszinierend, dass man all das unbewusst mit in die Therapie bringt. Ich hab das nie gewollt. Ich wollte überhaupt gar nix übertragen. Ich wollte artig dort sitzen und gesittete Gespräche führen. Na gut, ein bisschen Zuneigung nehme ich gerne mit. Ein bisschen Wut und Enttäuschung, O.K. - aber die nackte Panik? Exakt dieselbe Hilflosigkeit, wie ich sie als Kind gefühlt hab? Wo kommt die so plötzlich her? Und vor allem: Wie funktioniert das überhaupt?
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Das Unbewußte ist - nomen est omen - tatsächlich unbewußt.titus2 hat geschrieben:Also, ist das Unbewusste wirklich 'richtig' unbewusst?
Allerdings gibt es da auch Abstufungen. Es gibt unbewußte Inhalte, die halbwegs bewußt/unbewußt sind und andere Inhalte, die völlig unbewußt sind. Meist ist es so, dass der Verstand das Unbewußte aus Selbstschutzgründen unter Verschluss halten will. Solche Abwehrmechanismen sind für denjenigen nur sehr schwer zu durchschauen, dafür ist dann ja auch der Therapeut/Analaytiker da. Und nicht selten Menschen, die uns "ärgern".
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Hm, aber so extrem erlebe ich es zum ersten Mal. Dass meine Angst so allgemein von früher kommt, weiss ich. Aber dass sich das wirklich in einer Art Theaterstück nochmal alles so wiederholt, ohne dass ich merke, dass das der Fall ist, das ist wirklich komisch.
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@ Titus:
Ihr Problem:
1. Sie lesen zu viel Fantasy.
2. Sie sind zu lange in Therapie.
3. Es ist nicht Ihr Unbewusstes, das Sie reinlegt, sondern Ihr Therapeut und Ihre Fähigkeit, sich in etwas hineinzureiten.
4. Hilflosigkeit ist Hilflosigkeit. Sie wird sich auch deshalb anfühlen genauso wie damals.
Genauso wie Ihre 10-€-Scheine meinen zum Verwechseln ähnlich sind.
5. Unbewusst ist tatsächlich unbewusst. Sonst müsste es anders heißen und Freud wäre schlampig gewesen - oder vielleicht war er es auch, keine Ahnung.
6. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dass etwas aus schutzmechanistischen Gründen unbewusst bleibt, hat das auch einen triftigen Grund. Es wäre dann nicht klug, es wieder hervorzuzaubern.
Ihr Problem:
1. Sie lesen zu viel Fantasy.
2. Sie sind zu lange in Therapie.
3. Es ist nicht Ihr Unbewusstes, das Sie reinlegt, sondern Ihr Therapeut und Ihre Fähigkeit, sich in etwas hineinzureiten.
4. Hilflosigkeit ist Hilflosigkeit. Sie wird sich auch deshalb anfühlen genauso wie damals.
Genauso wie Ihre 10-€-Scheine meinen zum Verwechseln ähnlich sind.
5. Unbewusst ist tatsächlich unbewusst. Sonst müsste es anders heißen und Freud wäre schlampig gewesen - oder vielleicht war er es auch, keine Ahnung.
6. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dass etwas aus schutzmechanistischen Gründen unbewusst bleibt, hat das auch einen triftigen Grund. Es wäre dann nicht klug, es wieder hervorzuzaubern.
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Ach so, und du meinst, wenn man nur fest genug die Augen zumacht, dann ist das Unheil verschwunden?
Damit aber, also, wenn Du "exakt dieselbe Hilflosigkeit" jetzt wieder fühlst (Dich also an ihr Urbild erinnerst), bist Du doch über Dein Ubw schon hinaus, hast es bewusst machen können, oder?titus2 hat geschrieben:Ein bisschen Wut und Enttäuschung, O.K. - aber die nackte Panik? Exakt dieselbe Hilflosigkeit, wie ich sie als Kind gefühlt hab? Wo kommt die so plötzlich her? Und vor allem: Wie funktioniert das überhaupt?
Soweit ich weiß, gibt's aber auch ein Ubw, an das man wirklich nicht mehr heran kommt, auch nicht psychoanalytisch (das vorsprachliche, primärprozesshafte Ubw, oder in anderer PA-Terminologie: ans prozedurale Gedächtnis). Da geht nur rudimentäre Annäherung.
Zu Deiner Titel-Frage meine persönliche Antwort: Das Ubw ist grundsätzlich verdammt unbewusst. Ich glaub aber, dass man an Teile davon rankommt. - Immer im Nachhinein. Und nie so, dass man sich wirklich sicher sein kann.
Titus, ich glaube, es kommt immer das zum Vorschein, was "reif" für die Bearbeitung ist. Und dann kann es sich auch halb unbewußt noch einmal selbst inszenieren. Eines Deiner Themen sind ja Selbstablehnung/somit kommt es auch schnell zur Ablehnung anderer, daher wiederum Deine Angst von anderen abglehnt zu werden. Ein anderes Thema das sich zu dieser Problematik hinzugesellt ist, Moral im Sinne von Gut und Böse, Wörter, die Du in diesem Kontext auch oft verwendest. Das alles spielt sich jetzt in einem Theaterstück ab und bietet Dir eine Chance genauer hinzuschauen.
Zuletzt geändert von Chumani am Sa., 15.06.2013, 22:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Hallo, Widow,
ehrlich gesagt, schummle ich dabei ja auch: Ich nehme also einfach an, dass es vermutlich so sein wird, dass das dasselbe ist wie früher. Weil es sich exakt so anfühlt, v.a. aber auch weil ich weiß, dass so was in einer Analyse vorkommt, dass Altes plötzlich wieder auftaucht und man es in die Beziehung hineinbringt. Es ist eher nicht so, dass ich denke: "Ach, das kenne ich. Ist ja nur dieselbe Angst wie früher", sondern es fühlt sich wirklich so an, als sei es etwas Neues, etwas, das quasi zufällig gerade entstanden ist. Aber nur weil ich weiß, dass das irgendwie unwahrscheinlich wäre und dass es auch unwahrscheinlich ist, dass ein Therapeut jemanden behandelt, den er hasst, rekonstruiere ich das irgendwie.
ehrlich gesagt, schummle ich dabei ja auch: Ich nehme also einfach an, dass es vermutlich so sein wird, dass das dasselbe ist wie früher. Weil es sich exakt so anfühlt, v.a. aber auch weil ich weiß, dass so was in einer Analyse vorkommt, dass Altes plötzlich wieder auftaucht und man es in die Beziehung hineinbringt. Es ist eher nicht so, dass ich denke: "Ach, das kenne ich. Ist ja nur dieselbe Angst wie früher", sondern es fühlt sich wirklich so an, als sei es etwas Neues, etwas, das quasi zufällig gerade entstanden ist. Aber nur weil ich weiß, dass das irgendwie unwahrscheinlich wäre und dass es auch unwahrscheinlich ist, dass ein Therapeut jemanden behandelt, den er hasst, rekonstruiere ich das irgendwie.
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Chumani, es könnte aber auch sein, dass es zum Vorschein kommt, obwohl die Zeit noch nicht reif ist, oder? Oder meinst du, der Therapeut kann das wie mit einem ferngesteuerten Auto lenken? Das wäre ja dann noch Unheimlicher.
Spannend - und das ist wirklich auffällig - finde ich auch, dass ich ihm gegenüber in dieser Situation exakt dieselben Befürchtungen habe, wie ich sie meiner Mutter gegenüber hatte: Ich hab Angst vor dem 'Objektverlust' und traue mich nicht, darüber offen zu reden, weil ich Angst hab, den Anderen damit zu überfordern. Ich hatte immer Angst, dass meine Mutter sterben würde und hab das nie so 'ausleben' können, weil sie dann ausgetickt ist. Ich hab also immer nur andeuten können, wie es in mir drinnen aussieht - und es sah wirklich schlimm aus. Und nun ist es genau dasselbe: Ich deute mehr oder weniger gefasst an, wovor ich Angst habe, aber ich halte immer noch den Deckel drauf. Weil ich mir denke: "Das hält der nicht aus, wenn du ihn jetzt wirklich vollheulst und ihn anflehst, dich nicht zu verlassen". Also, zusammenfassend: Meine eigene Angst vor der Trennung halte ich eher aus als die Angst davor, ihn damit zu belasten. Und das ist wirklich 1:1 das, was ich von früher kenne. DAS spüre ich auch.
Spannend - und das ist wirklich auffällig - finde ich auch, dass ich ihm gegenüber in dieser Situation exakt dieselben Befürchtungen habe, wie ich sie meiner Mutter gegenüber hatte: Ich hab Angst vor dem 'Objektverlust' und traue mich nicht, darüber offen zu reden, weil ich Angst hab, den Anderen damit zu überfordern. Ich hatte immer Angst, dass meine Mutter sterben würde und hab das nie so 'ausleben' können, weil sie dann ausgetickt ist. Ich hab also immer nur andeuten können, wie es in mir drinnen aussieht - und es sah wirklich schlimm aus. Und nun ist es genau dasselbe: Ich deute mehr oder weniger gefasst an, wovor ich Angst habe, aber ich halte immer noch den Deckel drauf. Weil ich mir denke: "Das hält der nicht aus, wenn du ihn jetzt wirklich vollheulst und ihn anflehst, dich nicht zu verlassen". Also, zusammenfassend: Meine eigene Angst vor der Trennung halte ich eher aus als die Angst davor, ihn damit zu belasten. Und das ist wirklich 1:1 das, was ich von früher kenne. DAS spüre ich auch.
Nein, ich glaube wirklich, dass nur das zum Vorschein kommt, was reif dafür ist. Es sei denn, es wird auf Biegen und Brechen von einem Aussenstehenden zum Vorschein gezwungen. Aber auch da: wenn das Unbewußte nicht bereit dafür ist, wird es wieder ins Unbewußte zurückgehen. Es wird also geleugnet. Das ist ja auch der Fall z.B. wenn Jemand unvorhergesehen stirbt. Die erste Reaktion ist ein "Nein, das ist nicht wahr!" Und es braucht manchmal eine sehr sehr lange Zeit um das überhaupt zu begreifen.titus2 hat geschrieben:Chumani, es könnte aber auch sein, dass es zum Vorschein kommt, obwohl die Zeit noch nicht reif ist, oder? Oder meinst du, der Therapeut kann das wie mit einem ferngesteuerten Auto lenken? Das wäre ja dann noch Unheimlicher.
Okay, jetzt bist Du wieder an dem Punkt. D.h. Du müßtest Deinem PAler zutrauen, dass er das aushält. Das ist ja auch das, was er Dir immer wieder zu sagen versucht: dass er Dich in Deiner destabilisiertesten Stimmung nicht fallen lassen wird und dass er mit Dir als Patientin eine Verantwortung eingegangen ist. Es ist quasi eine Aufforderung von ihm an Dich! Allerdings hast du keine andere Wahl als das Risiko einzugehen, denn die Angst gehört einfach dazu. Die Sicherheit, nach der du Dich sehnst, bekommst Du erst, wenn das Schlimmste hinter Dir ist. Und Du siehst ja auch, so sehr Du versuchst, die Sicherheit jetzt schon herzustellen, will das irgendwie nicht so recht gelingen. Es ist wie mit dem Kind, das schwimmen lernen soll. Die Theorie reicht nicht aus um das Gefühl zu erreichen.titus2 hat geschrieben:Ich hatte immer Angst, dass meine Mutter sterben würde und hab das nie so 'ausleben' können, weil sie dann ausgetickt ist.
Aber dass Du diese Befürchtungen Deiner Mutter gegenüber hattest, hast Du doch durch die Therapie erst in Dein Bewusstsein geholt (oder habe ich da was falsch in Erinnerung)?titus2 hat geschrieben:dass ich ihm gegenüber in dieser Situation exakt dieselben Befürchtungen habe, wie ich sie meiner Mutter gegenüber hatte
Also wäre damit doch ein Beweis dafür erbracht, dass das Ubw ziemlich lange ziemlich unbewusst sein kann ... ?
Sorry, bin grad etwas HC-destruktiv unterwegs, aber ich halte das nicht für eine vollständige Fehleinschätzung ...titus2 hat geschrieben:Ich hatte immer Angst, dass meine Mutter sterben würde und hab das nie so 'ausleben' können, weil sie dann ausgetickt ist. Ich hab also immer nur andeuten können, wie es in mir drinnen aussieht - und es sah wirklich schlimm aus. Und nun ist es genau dasselbe: Ich deute mehr oder weniger gefasst an, wovor ich Angst habe, aber ich halte immer noch den Deckel drauf. Weil ich mir denke: "Das hält der nicht aus, wenn du ihn jetzt wirklich vollheulst und ihn anflehst, dich nicht zu verlassen".
Mal abgesehen davon, dass der Dich natürlich verlassen wird. Bestenfalls, wenn Du in der depressiven Position angekommen sein und das ordnungsgemäß trauerverarbeitet haben wirst.
(Btw: Dass die 'mit dem Schluck intus Theater spielen', dessen bin ich mir sicher - das geht aber auch nicht anders. Es brennt auf der Zunge, im Mund- und Rachenbereich, aber der Rest, der brennt auf der Bühne - jede Stunde: Ein bengalisches Feuer oder ein verreckendes Zündholz, aber immer auf der Bühne und immer ganz klar [bestenfalls] in der Rollenidentität.)
Zuletzt geändert von Widow am Sa., 15.06.2013, 22:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Ja, Chumani, genauso sieht es wohl tatsächlich aus! War mir noch gar nicht so aufgefallen: der Vergleich mit dem Schwimmenlernen. Ich laufe immer vor meiner Angst weg: Sie ist da, und ich versuche, sie zu umgehen, indem ich mir ein Sicherheitsnetz aufbaue, das die Angst kontrollierbar macht: Z.B. den Kindern ein Handy am besten noch um den Hals hängen - meine Tochter (13) war vorhin mit einer Freundin schwimmen, und ich hab noch gedacht: "So ein Schei.ße aber auch, dass man im Wasser kein Handy bei sich haben kann!" - weil ich diese Illusion brauche, die Kinder jederzeit erreichen - um nicht zu sagen: kontrollieren! - zu können.
Und ja, vermutlich wird es erst dann besser werden, wenn ich mich dem stelle. Also, irgendwie war mir das vorher theoretisch auch schon klar. Aber als ich es dann gefühlt hab, auf einmal so real, da dachte ich mir: "Das ist jetzt aber doof!" und: "Er müsste mir doch nur - was er ja zähneknirschend auch tut - ständig versichern, mich nicht zu verlassen; DANN könnte ich ja auch die Angst besiegen" - aber so läuft es tatsächlich nicht. Kein Handy dieser Welt und kein Therapeuten-Mantra dieser Welt können meine Angst besiegen; ich kann das nur selbst.
Und ja, vermutlich wird es erst dann besser werden, wenn ich mich dem stelle. Also, irgendwie war mir das vorher theoretisch auch schon klar. Aber als ich es dann gefühlt hab, auf einmal so real, da dachte ich mir: "Das ist jetzt aber doof!" und: "Er müsste mir doch nur - was er ja zähneknirschend auch tut - ständig versichern, mich nicht zu verlassen; DANN könnte ich ja auch die Angst besiegen" - aber so läuft es tatsächlich nicht. Kein Handy dieser Welt und kein Therapeuten-Mantra dieser Welt können meine Angst besiegen; ich kann das nur selbst.
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Widow, ja, dass ich ihm gegenüber dieselben Befürchtungen habe à la: "Er ist zu schwach und hält es nicht aus", das konnte ich selbst ganz gut erkennen. Und auch natürlich, dass meine Mutter überhaupt so schwach war und ihre Persönlichkeit so labil war - das wusste ich als Kind ja natürlich nicht. So was entwickeln wir dann im Gespräch. Aber so ein ganzes Horrorszenario, das man nicht mal eben in einem Gespräch analysieren und dann als 'alles klar' abhaken kann, das ist neu!
Ja, klar, er wird mich verlassen - aber doch nicht 'so', hoffe ich. Ich meinte das mit dem Anflehen auch nicht so: "Ich flehe den an, und dann heiratet er mich aus Mitleid", sondern eher so, dass wir uns das angucken können. Witzigerweise - ist das so witzig? - hatte ich doch immer geradezu Sehnsucht danach, mal meine Gefühle bei ihm 'ausbrechen' zu lassen - so eine Ahnung, dass da irgendwas ist. Aber ich wusste nicht, was. Ich wollte nur, dass das, WAS da ist, sich auch bei ihm zeigt. Und ich glaub, jetzt ist es da. Aber ich zeige es immer noch nicht so richtig. Ich versuche, das vernünftige Mädchen zu sein, das ihm keinen Kummer macht. Ich könnte schreien und stampfen und wegrennen - und wiederkommen - und toben und schluchzen. So fühlt es sich an. Und was ich mache, ist ein sachliches: "Ich habe Angst, dass Sie mich nicht aushalten" - ich sag das so, als meinte ich: "Ich hab Angst, mir mein Kleidchen mit Tee zu bekleckern" - dabei geht es um meine verdammte Existenz. Ich kann mir - für mich selbst - kaum eine Angst vorstellen, die schlimmer ist.
Und das würde ich ihm gerne zeigen, so wie ich es gerne meiner Mutter gezeigt hätte!!!!!!! Ich will sagen können: "Guck dir das an und lauf nicht weg!" Komisch, mir erscheint das fast das Zentrale zu sein. Nicht so was wie: "Guck es dir an un dann mach es wieder gut", sondern nur: "Guck es dir an und halte es aus!" - ich will sehen, dass man mich aushält! Und gerade in der letzten Stunde meinte er zu mir: "Sie sind nicht nicht aushaltbar!" - und ich hab gar nicht verstanden, worauf er das bezieht.
Das Ende - ja, klar, es wird kommen. Meine Hoffnung ist, dass ich dann wirklich reifer bin. Früher dachte ich ja noch, ich würde nach der Analyse rausspazieren so glänzend und strahlend wie ein Auto nach der Waschanlage. Wie naiv kann man sein?
Ja, klar, er wird mich verlassen - aber doch nicht 'so', hoffe ich. Ich meinte das mit dem Anflehen auch nicht so: "Ich flehe den an, und dann heiratet er mich aus Mitleid", sondern eher so, dass wir uns das angucken können. Witzigerweise - ist das so witzig? - hatte ich doch immer geradezu Sehnsucht danach, mal meine Gefühle bei ihm 'ausbrechen' zu lassen - so eine Ahnung, dass da irgendwas ist. Aber ich wusste nicht, was. Ich wollte nur, dass das, WAS da ist, sich auch bei ihm zeigt. Und ich glaub, jetzt ist es da. Aber ich zeige es immer noch nicht so richtig. Ich versuche, das vernünftige Mädchen zu sein, das ihm keinen Kummer macht. Ich könnte schreien und stampfen und wegrennen - und wiederkommen - und toben und schluchzen. So fühlt es sich an. Und was ich mache, ist ein sachliches: "Ich habe Angst, dass Sie mich nicht aushalten" - ich sag das so, als meinte ich: "Ich hab Angst, mir mein Kleidchen mit Tee zu bekleckern" - dabei geht es um meine verdammte Existenz. Ich kann mir - für mich selbst - kaum eine Angst vorstellen, die schlimmer ist.
Und das würde ich ihm gerne zeigen, so wie ich es gerne meiner Mutter gezeigt hätte!!!!!!! Ich will sagen können: "Guck dir das an und lauf nicht weg!" Komisch, mir erscheint das fast das Zentrale zu sein. Nicht so was wie: "Guck es dir an un dann mach es wieder gut", sondern nur: "Guck es dir an und halte es aus!" - ich will sehen, dass man mich aushält! Und gerade in der letzten Stunde meinte er zu mir: "Sie sind nicht nicht aushaltbar!" - und ich hab gar nicht verstanden, worauf er das bezieht.
Das Ende - ja, klar, es wird kommen. Meine Hoffnung ist, dass ich dann wirklich reifer bin. Früher dachte ich ja noch, ich würde nach der Analyse rausspazieren so glänzend und strahlend wie ein Auto nach der Waschanlage. Wie naiv kann man sein?
titus, ich weiß nicht, ob dieses Forum hier nicht Erwartungen weckt, die jenseits dessen sind, was man als statistischer Durchschnittspatient von einer Psychoanalyse bekommen kann ...
Ich bin so eine statistische Durchschnittspatientin.
Deshalb halt ich hier jetzt meine Klappe.
(Nur dies noch: Musstest Du früher auch immer die Kartoffeln aufsetzen und bewachen, derweil Deine Erzeugin in ihren eigentlich täglich sicheren Tod mit dem Auto fuhr? Meine holte auf diesem - in meinem Kopf da vor dem Kochtopf mit den Salzkartoffeln [die zu kochen ich übrigens seit 25 Jahren mich weigere] - Einbahnstraßenweg meinen Vater abends von der Arbeit ab, und ich lernte durch tausendunddrei Verspätungen, dass sie tot sind -, nein: aber dass sie jederzeit tot sein könnten. Deine Mutter bekam Herzattacken auf dem Sofa? Hm. --- Ich überleg grad: was wohl angenehmer ist: anwesend Sein beim vermeintlichen Sterben, oder es sich vorstellen? Wieso fallen mir jetzt die Mechanismen von Horrorfilmen ein?)
Ich bin so eine statistische Durchschnittspatientin.
Deshalb halt ich hier jetzt meine Klappe.
(Nur dies noch: Musstest Du früher auch immer die Kartoffeln aufsetzen und bewachen, derweil Deine Erzeugin in ihren eigentlich täglich sicheren Tod mit dem Auto fuhr? Meine holte auf diesem - in meinem Kopf da vor dem Kochtopf mit den Salzkartoffeln [die zu kochen ich übrigens seit 25 Jahren mich weigere] - Einbahnstraßenweg meinen Vater abends von der Arbeit ab, und ich lernte durch tausendunddrei Verspätungen, dass sie tot sind -, nein: aber dass sie jederzeit tot sein könnten. Deine Mutter bekam Herzattacken auf dem Sofa? Hm. --- Ich überleg grad: was wohl angenehmer ist: anwesend Sein beim vermeintlichen Sterben, oder es sich vorstellen? Wieso fallen mir jetzt die Mechanismen von Horrorfilmen ein?)
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Hm, also um ganz ehrlich zu sein - ich tu so, als würde es ob der späten Stunde niemand mehr lesen: Dieses Forum erweckt bei mir überhaupt keine Erwartungen in Bezug auf die Analyse. Es gibt zwei Frauen, deren Weg für mich so eine Art Vorbildcharakter darstellt (und die wissen das auch). Aber ansonsten bin ich eher desillusioniert, was das betrifft. Zu viele Geschichten von Missbrauch und Unfähigkeit. Oder: Ende ungewiss - wie bei dir, vermutlich.
Da ich aber nicht bestreiten kann, in der Analyse unheimlich viel zu begreifen, bin ich weiterhin optimistisch. Keine Ahnung, woher ich den Optimismus nehme - vor allem, da ich sonst NIE etwas Gutes sehen kann. Ich sehe immer nur das Ende, den Tod, das Unglück. Aber in der Analyse ist es anders, meistens jedenfalls.
Nee, bei mir war das anders: Meine Mutter war ja fast immer um mich rum. Aber sie hat mir immer irgendwie injiziert, dass der Tod überall lauert. Wenn ich zur Schule ging, hieß es: "Geh mit niemandem mit" - andere Eltern wünschen ihren Kindern vielleicht einen schönen Tag oder so. Meine Mutter wünschte mir, dass ich nicht verschleppt würde. Das hat sie durchgezogen, bis ich Mitte 20 war. Aber weil sie darüber nie reden konnte, über IHRE Angst, hat sie sie auf mich übertragen. Ich bin dann ihre Angst geworden. Und dafür konnte sie mich hassen. Wie praktisch.
Zu spät kam sie nie. Wenn sie 'weg' war, dann höchstens, weil sie einen Kater hatte, da sie ihren Alkoholkonsum oft nicht im Griff hatte. Dann hieß es: "Mama geht es so schlecht, lass mich in Ruhe" - und ich malte mir aus, sie würde sterben.
Da ich aber nicht bestreiten kann, in der Analyse unheimlich viel zu begreifen, bin ich weiterhin optimistisch. Keine Ahnung, woher ich den Optimismus nehme - vor allem, da ich sonst NIE etwas Gutes sehen kann. Ich sehe immer nur das Ende, den Tod, das Unglück. Aber in der Analyse ist es anders, meistens jedenfalls.
Nee, bei mir war das anders: Meine Mutter war ja fast immer um mich rum. Aber sie hat mir immer irgendwie injiziert, dass der Tod überall lauert. Wenn ich zur Schule ging, hieß es: "Geh mit niemandem mit" - andere Eltern wünschen ihren Kindern vielleicht einen schönen Tag oder so. Meine Mutter wünschte mir, dass ich nicht verschleppt würde. Das hat sie durchgezogen, bis ich Mitte 20 war. Aber weil sie darüber nie reden konnte, über IHRE Angst, hat sie sie auf mich übertragen. Ich bin dann ihre Angst geworden. Und dafür konnte sie mich hassen. Wie praktisch.
Zu spät kam sie nie. Wenn sie 'weg' war, dann höchstens, weil sie einen Kater hatte, da sie ihren Alkoholkonsum oft nicht im Griff hatte. Dann hieß es: "Mama geht es so schlecht, lass mich in Ruhe" - und ich malte mir aus, sie würde sterben.
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