Macht Therapie noch Sinn?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Tristezza
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 11:51

Magdalena85 hat geschrieben:... weil ich eigentlich immer dachte, dass ich recht gute Menschenkenntnisse habe... aber nun hat sich herausgestellt, dass ich diesen Menschen eindeutig zu viel Vertrauen entgegengebracht habe... und weil ich nicht weiß, was ich in diesem Verlauf für eine Rolle gespielt hab, was ich falsch gemacht habe, dass diese Beziehungen so böse geendet sind... irgendwas muss ich doch getan haben, dass diese Menschen mich plötzlich so abschieben, so eiskalt geworden sind...
Nun ja, du magst für dein Alter eine gute Menschenkenntnis haben, aber du bist noch ziemlich jung und wirst deshalb noch Erfahrungen mit Menschen machen, die deine Meinung im Positiven wie im Negativen verändern. Vor allem schließt man in deinem Alter vielleicht noch zu sehr von sich auf andere. Mein Eindruck von dir ist, dass du ein warmherziger Mensch bist. Und deshalb meinst du jetzt, dass du etwas schlimmes getan haben musst, weil die anderen plötzlich eiskalt zu dir geworden sind. Denn du selbst würdest dich in ähnlichen Situationen nie verhalten wie diese.

Nach meinem Eindruck gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die schlechte ist: Du musst noch einiges über andere Menschen lernen. Die gute ist: Du bist in Ordnung, wie du bist.

Es gibt leider viele narzisstische Therapeuten. Ich hätte das früher auch nicht gedacht, schließlich haben sie doch einen helfenden Beruf ergriffen ... doch die Erfahrung hat mich eines anderen belehrt. Vermutlich kommt bei einer so engen Bindung, wie du (und ich) sie zu deinen Therapeuten hattest, das Negative ihrer Persönlichkeit eher durch als wenn ihr mehr auf Distanz gewesen wärt?

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Magdalena85
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 21:33

Liebe Tristezza,
Tristezza hat geschrieben:Mein Eindruck von dir ist, dass du ein warmherziger Mensch bist. Und deshalb meinst du jetzt, dass du etwas schlimmes getan haben musst, weil die anderen plötzlich eiskalt zu dir geworden sind. Denn du selbst würdest dich in ähnlichen Situationen nie verhalten wie diese.
Ja, ich glaube ich kann lieb und warmherzig sein... ich kann aber auch wirklich anstrengend sein und wenn ich verletzt bin, auch richtig ekelhaft und gemein... was ich aber eben nie bin, ist eiskalt, da hast du schon irgendwie recht. Bei mir sind eben immer Gefühle dabei und darum fällt es mir schwer zu verstehen, dass Therapeuten ihre Gefühle scheinbar so an und abstellen können, wie sie es gerade brauchen.
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass Therapeuten sich quasi seelisch prostituieren... und so ist es wahrscheinlich wirklich, sie geben uns Nähe und Verständnis, aber die ist eben nur gekauft und im Grunde bin ich es ja selber Schuld, wenn ich mir einrede, dass eine echte, authentische Beziehung dahinter steht... sie müssen sich doch abgrenzen, sonst würden sie ja selbst verrückt werden.
Mein Therapeut (also vllt. nicht der Kliniktherapeut, aber der andere) hing da nicht emotional drin, der konnte die Angelegeheit weitesgehend sachlich betrachten und dann auch sachlich handeln.... Meine Verzweiflung und Enttäuschung jetzt, zeigt vielleicht, dass ich einfach falsche Erwartungen und Ansprüche hatte...
Tristezza hat geschrieben:Es gibt leider viele narzisstische Therapeuten. Ich hätte das früher auch nicht gedacht
Das klingt, als hättest du auch sehr enttäuschende Therapieerfahrungen gemacht... darf ich fragen, warum du in Therapie bist/ warst?
Glaubst du nicht, dass wir vielleicht unbewusst falsche Erwartungen haben... und hast du eine Erklärung woher die kommen? Ich würde so gerne lernen mir das, was ich bei diesen Therapeuten gesucht habe, selbst geben zu können... aber ich weiß absolut nicht wie...

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lamedia
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 22:06

Hallo Magdalena,

noch mal ganz pragmatisch gedacht zum Thema weitere Therapie: Das Thema Borderline tauchte ja öfter mal auf. VIelleicht kannst Du da einen klinischen Test machen lassen. Dann gibt es eventuell gleich viel bessere Behandlungsrichtlinien:

Es heißt ja immer, dass bei Borderline (und verwandten) Störungen die Abbruch-Rate in Therapien sehr hoch sei. Ich glaube zum einen, dass es dafür wirklich richtig, richtig gute Therapeuten und Methoden braucht, die sich nicht verwickeln und verstricken lassen und trotzdem Halt, Stabilität und Sicherheit geben können. Eben die Grenzen wahren, ohne abweisend zu sein.

Zum anderen gibt es sicher aufgrund der "Störung" (meine ich nicht abwertend, kenne ich ja auch) so was wie eine "unbewußte Therapeutenwahl", mit der man alte unsichere, enttäuschende, traumatische Beziehungserfahrung wiederholt. Diese Therapeuten müssen dann einfach schlecht für einen sein.

Ein Ausweg wäre vielleicht, sich über spezielle Borderline-Zentren, Netzwerke, Kliniken Rat zur Therapeutensuche zu holen. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie soll z.B. gute Erfolge und wenig Abbrüche vorweisen. Sie wird in verschiedenen Kliniken angeboten. Da geht es auch ganz besonders um Affektregulation. Vielleicht eine Möglichkeit?

LG,
lamedia

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Magdalena85
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 23:07

Hallo Lamedia,

Vielen lieben Dank für deine Tipps.
lamedia hat geschrieben:Das Thema Borderline tauchte ja öfter mal auf. VIelleicht kannst Du da einen klinischen Test machen lassen.
Ja, eigentlich wollte ich bei meinem letzten Termin mit meinem Psychiater die Sache nochmal besprechen und ihn auch mal fragen, was denn genau in den Klinikberichten drin stand (leider hat mir meine Verzweiflung/ Wut mal wieder dazwischengefunkt und nun möchte ich ihn nicht mehr um einen Termin bitten, weil er mir beim letzten Mal schon zu verstehen gegeben hat, dass er sich nicht mehr für mich zuständig fühlt)... er ist von sich aus nie näher auf diese Diagnose eingegangen... und es beschäftigt mich schon sehr, vor allem weil diese Tendenzen meiner Meinung nach erst in den letzten 3 Jahren so verstärkt auftreten und ich im Nachhinein selbst erschrocken über mein Verhalten bin... eigentlich wehre ich mich gegen diese Diagnose, weil ich denke, dass ich auch schon oft gezeigt habe, dass ich ganz anders sein kann... ich hatte früher eher das Problem, dass ich zu angepasst war... dass ich immer allen alles recht machen wollte, ich war zwar schon immer impulsiv und emotional, aber ich hatte das besser unter Kontrolle.
lamedia hat geschrieben:Es heißt ja immer, dass bei Borderline (und verwandten) Störungen die Abbruch-Rate in Therapien sehr hoch sei. Ich glaube zum einen, dass es dafür wirklich richtig, richtig gute Therapeuten und Methoden braucht, die sich nicht verwickeln und verstricken lassen und trotzdem Halt, Stabilität und Sicherheit geben können. Eben die Grenzen wahren, ohne abweisend zu sein.
Ja, ob ich nun Borderliner bin oder nicht... ein Therapeut der das richtige Mittelmaß findet und damit vor allem verlässlich und konstant ist (auch wenn ich mal wieder austicke) ist sicherlich wichtig für mich.
lamedia hat geschrieben:Ein Ausweg wäre vielleicht, sich über spezielle Borderline-Zentren, Netzwerke, Kliniken Rat zur Therapeutensuche zu holen. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie soll z.B. gute Erfolge und wenig Abbrüche vorweisen. Sie wird in verschiedenen Kliniken angeboten. Da geht es auch ganz besonders um Affektregulation. Vielleicht eine Möglichkeit?
Ja, das ist eine gute Idee... von der DBT habe ich auch schon gehört, mich aber noch nicht näher damit auseinander gesetzt... geht das auch ambulant? Klinik ist für mich momentan leider keine Alternative, da ich zu Hause mittlerweile Verpflichtungen/ Verantwortungen habe, die ich nicht auf andere abwälzen möchte. Weiß jemand wie man einen Therapeuten finden kann, der danach arbeitet... muss ich dann quasi die Therapeutenliste durchtelefonieren und jeden danach fragen oder gibt es vllt. extra Listen... ich google gleich selbst nochmal... aber falls jemand da schon Erfahrung hat, ich freu mich über jeden Tipp...

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Tristezza
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Beitrag Mi., 06.07.2011, 19:59

Magdalena85 hat geschrieben:Das klingt, als hättest du auch sehr enttäuschende Therapieerfahrungen gemacht... darf ich fragen, warum du in Therapie bist/ warst?
Wegen Depressionen und einer PS, zu der u.a. emotional-instabile Anteile gehören. Über die enttäuschenden Therapieerfahrungen berichte ich ausführlich in meinem Blog.
Magdalena85 hat geschrieben:Glaubst du nicht, dass wir vielleicht unbewusst falsche Erwartungen haben... und hast du eine Erklärung woher die kommen? Ich würde so gerne lernen mir das, was ich bei diesen Therapeuten gesucht habe, selbst geben zu können... aber ich weiß absolut nicht wie...
Ich denke, dass wir frühkindliche Bedürfnisse und Gefühle auf unsere Theras übertragen. Diesen Anspruch, sich das, was man bei den Theras sucht, selbst geben zu können, höre ich immer wieder. Bei mir funktioniert das aber auch nicht wirklich. Ich habe in Therapien einiges gelernt, z.B. Gefühle zu äußern, Kritik zu üben, offener zu werden, meine Bedürfnisse zu achten. Aber mir selbst etwas zu geben, wozu man normalerweise einen anderen braucht? Bei mir funktioniert dieser oft gehörte Spruch nicht. Vielleicht helfen Imaginationen, wenn man richtig damit arbeitet - die relativ oberflächlichen Imaginationsübungen, die ich bisher gemacht habe, haben mir aber nichts gebracht. Mir hat es aber viel gebracht, wenn Therapeutinnen sich wirklich - natürlich im therapeutischen Rahmen - auf meine Bedürfnisse eingelassen habe, sei es den Wunsch nach Empathie oder sogar körperlicher Nähe.

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Magdalena85
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Beiträge: 18

Beitrag Mi., 06.07.2011, 21:07

Liebe Trsitezza,
Tristezza hat geschrieben:Ich denke, dass wir frühkindliche Bedürfnisse und Gefühle auf unsere Theras übertragen.
Ja, nur verstehe ich nicht woher das bei mir kommt... ich komme sicherlich nicht aus einer perfekten Familie, meine Mutter überfordert, mein Vater abwesend... aber dennoch wusste ich, dass sie mich lieben... ich finde, ich habe nicht das Recht so zu fühlen.
Tristezza hat geschrieben:Aber mir selbst etwas zu geben, wozu man normalerweise einen anderen braucht? Bei mir funktioniert dieser oft gehörte Spruch nicht.
Zur Zeit kann ich mir das auch noch nicht vorstellen... ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob das wirklich möglich ist... nur muss ich doch darauf hoffen. Ich kann doch nicht den Rest meines Lebens in dieser Abhängigkeit leben...?!

Im Moment ist es wieder ganz schlimm und da frag ich mich dann, ob es je wirklich gut werden wird...

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Tristezza
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Beitrag Do., 07.07.2011, 10:02

Magdalena85 hat geschrieben:Ja, nur verstehe ich nicht woher das bei mir kommt... ich komme sicherlich nicht aus einer perfekten Familie, meine Mutter überfordert, mein Vater abwesend... aber dennoch wusste ich, dass sie mich lieben... ich finde, ich habe nicht das Recht so zu fühlen.
Vielleicht haben sie dich geliebt, aber nicht so, wie du es als Kind gebraucht hättest. "Liebe" kann ja auch etwas sehr Vereinnehmendes sein - so war es jedenfalls bei meiner Mutter. Da war sehr viel Brauchen von ihrer Seite im Spiel. Vielleicht war das bei dir ähnlich? Und das Problem bei einem abwesenden Vater (bei mir das Gleiche, wenn auch physisch anwesend) ist, dass da niemand ist, der diesen Mangel an echter Mutterliebe ausgleichen kann. Außerdem: Wer weiß, was wir als Säuglinge erlebt und gefühlt haben? Wie wir uns da emotional verlassen gefühlt haben, trotz aller späteren Zuwendung der Mutter, an die wir uns erinnern? Deine Gefühle haben auf jeden Fall ihre Berechtigung, sie kommen ja nicht aus dem Nichts.
Magdalena85 hat geschrieben:Ich kann doch nicht den Rest meines Lebens in dieser Abhängigkeit leben...?!Im Moment ist es wieder ganz schlimm und da frag ich mich dann, ob es je wirklich gut werden wird...
Von wem fühlst du dich im Moment denn abhängig? Du hast zur Zeit ja keine therapeutische Begleitung. Ist es dein Partner?

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Magdalena85
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Beitrag Mo., 11.07.2011, 20:24

Tristezza hat geschrieben:Von wem fühlst du dich im Moment denn abhängig? Du hast zur Zeit ja keine therapeutische Begleitung. Ist es dein Partner?
Nein, ich glaube zwar schon, dass ich meinen Partner brauche und ohne ihn eingehen würde... aber ich fühle mich nicht so abhängig von ihm, weil es dort eben auf Gegenseitigkeit beruht. Ich weiß, dass er mich liebt, dass sagt und zeigt er mir jeden Tag. Ich versteh es zwar absolut nicht und manchmal hab ich geradezu das Bedürfnis ihn wachzurütteln und ihm klar zu machen, dass er jemand Besseres verdient hat... aber alles an ihm zeigt mir, dass es ihm wirklich ernst ist. Aber gerade deswegen versteh ich nicht, warum ich über diese Therapeuten- Sache nicht hinweg komme. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht darüber nachdenke... manchmal bin ich einfach nur traurig und enttäuscht, manchmal wütend und voller Hass, manchmal verzweifelt... ich weiß nicht warum ich nicht einfach damit abschließen kann, warum mir das immer noch so nahe geht.
Ich finde es auch meinem Partner gegenüber unfair, weil er mir so viel gibt und das scheinbar nicht genug ist.

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