ich habe Lust auf einen kleinen Erfahrungsaustausch und würde mich freuen, mal eure Sicht auf die folgende Sache zu erhalten.
Seit 2014 bin ich in psychoanalytischer Therapie, die in diesem Jahr nach 340 Stunden endet. Ich bin noch unsicher, ob ich sie selbstfinanziert weiterführe oder sie beende.
Mein Grundproblem waren psychosomatische Störungen (Übelkeit/Durchfall), die mich 2014 so intensiv plagten, dass ich unbedingt mit einer Therapie starten wollte.
Nun haben wir viel erreicht, ich verstehe mich viel besser und kann mit den Symptomen einerseits umgehen, andererseits weiß ich auch, wodurch diese ausgelöst werden (z.B. angestaute Aggressionen, wenn ich "nicht sage, was ich denke").
Mein Wunsch für die Analyse war immer, dass diese psychosomatischen Beschwerden aus meinem Leben verschwinden.
Je weiter die körperlichen Symptome zurückgingen, desto deutlicher wurde mir, dass mein Problem viel eher in einer Hemmung liegt. Eine Hemmung vor Leuten zu sprechen, sie zu treffen usw. Ich dachte immer, dass ich durch die Übelkeit so isoliert war, musste mir dann aber eingestehen, dass die Übelkeit in mancherlei Hinsicht sogar die "bessere" Wahl war. Denn das Leiden daran, dass man "nicht so kann, wie man eigentlich will" empfinde ich manchmal wesentlich schlimmer als starkes körperliches Leiden.
Was aber am scheinbar immer schlimmer wird, ist meine grenzenlose Selbstkritik. Ich muss dazu sagen, dass ich bald den Master beende und weder im Bachelor noch im bisherigen Masterstudium jemals eine Note, die schlechter als 1,3 war, geschrieben habe. Aber selbst eine Masterarbeit mit 1,0 ist nicht gut genug - ich kann einfach eigene Leistungen nicht anerkennen. Wenn ich sie dann doch anerkenne, dann allenfalls in einer Art und Weise, die arrogant und überlegen wirkt (es ist ja gerade diese Nichtanerkennung der eigenen Leistung, die arrogant wirkt).
Es stellt sich bei mir nie ein Gefühl ein, dass ich mich "auf mich selbst verlassen kann". Bei jeder Klausur bin ich wieder am Abgrund und ich könnte vorher fast alles verwetten, dass ich sie nicht bestehe. Hinterher weiß ich dann zwar schon, dass das wieder ein Volltreffer war - aber auch hier erlebe ich keine große Erleichterung. Andere Menschen würden sich doch unglaublich darüber freuen, wenn sie erst dachten, dass nichts funktioniert, und dann eine solche Wende eintritt.
Mittlerweile habe ich die zweite Wohnung gekauft (ich bin neben dem Studium selbstständig). Hier "auf der Baustelle" zeigt sich diese Selbstdestruktion dann noch mehr. Als ich Freunde in die erste Wohnung einlud, musste ich die Raumgestaltung in jedem einzelnen Zimmer relativieren. "Das war im Angebot, das war gar nicht teuer" usw. Natürlich war es nicht im Angebot. Dieses permanente "Herunterspielen" führt doch genau zum Gegenteiligen: Es wirkt alles noch überheblicher. Es ist aber fast wie ein Zwang. Ich muss dazu allerdings sagen: Ich könnte stundenlang über mich selbst lachen und viele Bekannte führen mir "mein Verhalten" häufig vor Augen, indem sie mich karikieren. Wir können dann alle so herzhaft lachen - vielleicht ist das der einzige "positive Aspekt" dieses Verhaltens.
Nun stehe ich vor einer neuen Sanierung, da die alte Wohnung nicht groß genug war. Doch auch die neue wird zu klein sein, ja selbst ein Haus in bester Lage wird meinen Anforderungen wohl nicht entsprechen. Diese Grenzenlosigkeit, alles immer wieder toppen zu müssen - ich finde das ausgesprochen anstrengend.
Mein Vater meinte letztens zu mir, ob ich keine vergoldeten Lichtschalter verbauen möchte. Augenblicklich platzte es aus mir heraus: Aus Platin massiv - das wäre wohl noch etwas, das mich reizen würde. Auch darüber haben wir gelacht - sehr sogar. Es war wohl auch nicht ganz ernst gemeint, doch etwas ist dran, selbst in diesem spaßigen Vergleich.
Auch diese "wirtschaftlichen" Erfolge kann ich kaum anerkennen. Ich denke, es war ein großer Zufall, dass ich zu dieser Selbstständigkeit in einer bestimmten Nische gekommen bin.
Nun allerdings der Kontrast zu meinem persönlichen Auftreten. Jemand, der mich zum ersten Mal sieht, würde denken, dass ich ausgesprochen schüchtern und "erfolglos" bin. Ich bin ein absoluter "Ja-Sager" im Kontakt mit anderen Menschen, habe meiner damaligen Freundin in jeder Klausur geholfen, habe alle Studienleistungen für sie gemacht. Es sind also zwei völlig verschiedene Persönlichkeitsanteile in mir und ich kann nur in einem sadomasochistischen Schema denken: Entweder werde ich dominiert oder ich dominiere andere Menschen (nicht im sexuellen Sinne). Ich bin entweder am Boden oder kurzzeitig auf Wolke 7 (wobei ich Erfolge trotzdem nicht anerkenne).
Ich frage mich wirklich, wie ich ein gesundes Mittelmaß finden kann, das es mir erlaubt, ein Leben zusammen mit Freunden, mit schönen Erlebnissen, zu führen.
Ich würde mich sehr über Eure Antworten freuen!
