Was bedeutet 'aufgefangen werden' in der PT?

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today
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Was bedeutet 'aufgefangen werden' in der PT?

Beitrag Mi., 09.02.2011, 17:16

Hi,

also ich lese öfter, dass man vom Therapeuten "aufgefangen" wird.
Was bedeutet das?

Danke
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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Blaubaum
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 17:53

Hallo today,

ich glaube, der Patient hat durch die verständnisvolle Haltung des Therapeuten im Rahmen der interpersonellen supportiven Psychotherapie möglicherweise zum "ersten mal im Leben" das Gefühl, ganz und bedingungslos angenommen zu werden, wie er/sie ist, ohne Rücksicht auf Andere nehmen zu müssen, ohne sich verstellen zu müssen.

Keine Notwendigkeit, Stärke vorzuspielen, keine Ängste und Sorgen müssen unter der Decke gehalten werden (wo geht das schon im normalen Leben?), es erinnert den Patienten an die unbedingte Annahme seiner selbst durch z.B.die Mutter oder den Vater (deren Fehlen in der Kindheit ja auch sicher schon einen wesentlichen Teil des Problems ausmacht).

Aufgefangen werden.....man fliegt, hat den Bodenkontakt verloren, kein festes Fundament unter den Füssen, fühlt sich hilflos.......und wird aufgefangen durch diese bedingungslose Annahme.
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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Gast
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 18:09

Hallo today,

ich bin wohl nicht besonders geeignet, darauf zu antworten. Bezogen auf meine Erfahrung würde ich das Bild bzw. die Formulierung nicht verwenden. Für mich trifft besser, mit Hilfe des Th. bei desolater Situation in/bei mir selber einen Haltepunkt gefunden zu haben, oder die Möglichkeit bekommen zu haben, etwas anders zu sehen, was mir wieder Mut für die Zukunft gibt. Das "Auffangen" kann viel bedeuten. Verstandenwerden, eine abgeänderte Perspektive, Bestätigung der Wahrnehmung und und und. Alles, was dazu beiträgt.

Gruß
Anastasius

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lachansonette
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 18:23

ich verstehe unter aufgefangen werden, dass ich gelernt habe, ich kann mich meinem therapeuten öffnen, ohne angefeindet/ausgelacht uä zu werden. inzwischen weiß ich, ich kann mich öffnen, auch schmerzhafte erinnerungen, erfahrungen erzählen, werde ernstgenommen, und wenn ich im gespräch dann ein tief bekomme, heule, schmerzhafte sachen wiedererlebe sorgt mein therapeut dafür, dass ich nicht in diesem tief rausgehe, sondern dass ich mich sicher, gefestigt fühle. das und viel mehr bedeutet für mich "aufgefangen werden"

lg

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today
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 19:35

Bedingungslos angenommen werden usw. klingt nach einer Illusion.
In sich selbst einen Haltepunkt wiederfinden klingt nach eigenem (Auffang)Netz.
Bei Anfeindungen/Auslachen sollte man machen, dass man fortkommt, Pappnasen gibts auch gratis.

Verstanden werden kann ich nachvollziehen, das ist, was mich an meiner jetztigen Therapeutin neugierig macht, was ich aber auch als Gefahrenpotential empfinde, eben weil sie einziger Adressat für Ver-rücktheiten ist.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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Blaubaum
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 19:56

today hat geschrieben:Bedingungslos angenommen werden usw. klingt nach einer Illusion.
Für ein Baby, das vollkommen schutzlos auf seine liebenden und sorgenden Eltern angewiesen ist, ist es keine Illusion.

Um einen Haltepunkt in sich selbst zu finden müssen Menschen erst einmal gehalten werden, und zwar recht lang und intensiv und vor allem verlässlich.

Die Zuwendung durch einen professionellen Therapeuten ist sicherlich Illusion, aber sie tut gut. Ein Mensch aus dem eigenen persönlichen Umfeld kann das bis zu einem gewissen Grad sicher auch, aber er ist persönlich involviert und deshalb verletzlicher als ein Profi.
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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lachansonette
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 20:04

zitat:Bei Anfeindungen/Auslachen sollte man machen, dass man fortkommt, Pappnasen gibts auch gratis.
---> ja, aber wer das im leben im übermass erlabt hat, behält womöglich vieles für sich, obwohls wichtig wär, darüber mit dem therapeuten zu sprechen. und gehe ich nciht zu einem therapeuten, um dinge zu besprechen, die ich mit anderen nicht besprechen kann/will? um aussenstehende, professionelle hilfe zu bekommen?
today, deinen letzten satz versteh ich nicht. warum gefahrenpotential?

lg

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 20:14

Hallo Alle:

in diesem "alten" Thread war das Aufgefangenwerden auch mal Thema. Villt hilft es ja weiter...

http://www.psychotherapiepraxis.at/pt-f ... e&start=46

im letzten Absatz unten am ersten Beitrag geht's los (fett gedruckt)

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schmetterling.1983
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 20:23

Liebe today,

was es terminologisch bedeutet weiß ich nicht, aber da ich gestern das Gefühl hatte und auch in meinem Blog davon geschrieben habe...ich verstehe es so, dass ich über etwas gesprochen habe, dass so schmerzlich ist, das ich es eigentlich nicht deutlich aussprechen kann, weil ich dann schnell so traurig werde, dass ich fast der Meinung bin das Leben hat keinen Sinn. Da dieser Gedanken gang so belastend ist spreche ich lieber nicht darüber, habe es aber aus einem bestimmten Anlass doch mit meiner Thera getan. Sie hat diese Situation sehr geschätzt und erkannt wie schwer und kritisch es für mich war.
In der Art und Weise wie Sie mit mir sprach hat sie mich nicht weiter abfallen lassen (Traurigkeit, ...), mir aber dennoch gezeigt, das weglaufen viell. nicht die richtige Möglichkeit ist, weil es dann nicht besser wird und Sie sich mit mir dem annehmen will, dass sie es versteht, dass es mich so sehr bedrückt und vieles mehr.
Die Worte die sie mir an dem Tag mitgegeben hat und das Eingreifen in einen scheinbar hoffnungslosen Gedankengang, dessen Umlenkung und "auffangen", annehmen, aktzeptieren neue Richtung zeigen, Hoffnung geben, obwohl ich in meiner Verzweiflung und Wut und Angst sogar kurz auf Sie geschimpft habe, dass hat mir das bezeichnete Gefühl vermittelt.
Ich hoffe meine Erklärung war verständlich.
Schön ist eigentlich alles, wenn man es mit Liebe betrachtet.
Christian Morgenstern

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Beitrag Mi., 09.02.2011, 21:31

Hallo today,
In sich selbst einen Haltepunkt wiederfinden klingt nach eigenem (Auffang)Netz.
So meine ich das nicht. Therapie, so sehe ich meine Erfahrung, ist ein Gemeinschaftswerk. Der Erfolg liegt weder ausschließlich bei dem einen noch dem anderen. Ähnlich sehe ich das mit dem Aufgefangen-"Werden".
today hat geschrieben:Bedingungslos angenommen werden usw. klingt nach einer Illusion.
Das sehe ich auch so. Es klingt für mich irgendwie schräg, in einer künstlichen Beziehung im Rahmen einer Dienstleistung von jeweils 50 Minuten bedingungslos angenommen zu werden. Mir jedenfalls wäre das Gefühl von Wohl-Wollen lieber, würde mir vollauf reichen. Damit könnte/konnte ich viel anfangen beim Auffangen.

Gruß
Anastasius

Gruß
Anastasius

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today
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 21:51

today, deinen letzten satz versteh ich nicht. warum gefahrenpotential?
Weil sie der einzige Adressat für Ver-rücktheiten ist. Fürs sich-Mitteilen.
Schweigepflichtig.
So ganz hoffnungslos fängt man keine Kommunikation an, nicht mal mit einem bezahlten Therapeuten.
Und diese Hoffnung beäuge ich, will sie nicht haben.
Sie ist der Türöffner, um eine reingewürgt zu bekommen.
Für diesen zweiten Therapieanlauf habe ich mich anfangs so zugedröhnt, dass ich kaum noch sprechen konnte. Das war das Ergebnis der ersten Therapie - Angstzustände.
Und was ich bis hierher wieder aufgebaut habe, das will ich nicht kaputt machen.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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Blaubaum
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 21:56

Anastasius hat geschrieben: Es klingt für mich irgendwie schräg, in einer künstlichen Beziehung im Rahmen einer Dienstleistung von jeweils 50 Minuten bedingungsöos angenommen zu werden.
Doch, sowas gibt's. Bei einem Therapiegespräch, einer Thaimassage......
Daran ist nichts schräges. Die Neutralität der behandelnden Person ist eine Voraussetzung dafür, dass es funktioniert. Nur, wer gibt es schon gerne zu, dass seine Bedürfniswelt und auch der Zugang zur Heilung etwas mit ganz basalen, aus frühester Kindheit stammenden Bedürfnissen zu tun haben könnte.

Profis: Viele Menschen erzählen ihrem Frisör, Kneipenwirt, Taxifahrer oder auch in einem (anonymen) Psychoforum Dinge über sich selbst, die sie sonst keinem erzählen mögen, auch nicht engen Freunden oder Familienmitgliedern. Ganz einfach, weil da nichts von ihnen verlangt wird, keine Position zu wahren ist, Kaschierungen des wahren Seelenzustandes nicht nötig erscheinen. Und der Rahmen ist von vornherein abgesteckt. Keine Missverständnisse, keine Erwartungen der Gegenseite.
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 22:58

Hallo Blaubaum,
Blaubaum hat geschrieben:Doch, sowas gibt's.
Nur, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich habe nicht behauptet, das gäbe es nicht. Wer sich da bedingungslos angenommen fühle, leide quasi unter falscher Wahrnehmung.
Wer es so wahrnimmt, für den ist es so. Nur gesagt, für mich klingt das schräg, bedingungslose Annahme unter künstlichen, genau reglementierten Rahmenbedingungen. Hat was von partiell-bedingungslos. Hängt eben sehr davon ab, was man darunter versteht. Für mich steht es in einem "natürlichen" Rahmen, wenn es da natürlich auch leider viel zu selten vorkommt.

Gruß
Anastasius

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Blaubaum
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Beitrag Mi., 09.02.2011, 23:37

Hallo Anastasius,

ich glaube, ich verstehe, was Du meinst. Nur, wenn es vielen Menschen möglich wäre (ich hielte es eigentlich für wünschenswert), die psycho-sozialen oder leichtgradigen, neurotischen psychischen Probleme im privaten Umfeld erfolgreich zu bearbeiten, dann wären die meisten Therapeuten in der Tat überflüssig. Sind sie aber nicht, wie man sieht.

Toll wäre es sicher, wenn man seine Probs dort bearbeiten könnte, wo sie entstehen oder wo sie sich auswirken. Aber dazu ist offensichtlich kaum jemand bereit oder in der Lage. Es fehlt an Objektivität, an Gerechtigkeitsgefühl, an Hingabe, an der Bereitschaft, sich auch mal "die Finger schmutzig zu machen" oder sich Nachteile einzuhandeln, an menschlicher Wärme, an Geradlinigkeit, an Egolosigkeit. Deshalb braucht es professionelle Mobbingberater, Gesprächstherapeuten, Familienaufsteller, Wohlfühlmasseure.....

Die professionalisierte Gesellschaft eben. Ein Armutszeugnis für uns alle, aber leider wahr.
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nordic
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Beitrag Do., 10.02.2011, 00:47

für mich bedeutet "aufgefangen werden", dass der therapeut mich stabilisieren kann, wenn ich von etwas überwältigt werde und das gefühl habe, nicht mehr zurecht zu kommen.

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