Zum Begriff der 'Störung'

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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Tristezza
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 09:54

Titus, mit Transparenz meinte ich nicht das Fachsimpeln und Sprechen über Diagnosen. Das ist in Analysen auch eher unüblich. Und ich meine nach wie vor, dass Analyse meistens nichts bringt, wenn man nur einen intellektuellen Austausch betreibt (ich selber habe in meiner Analyse bisher kaum neue Erkenntnisse bekommen, ich weiß aufgrund therapeutischer Vorerfahrungen viel über mich, deshalb geht es bei mir primär um die Beziehungserfahrung und ums Fühlen). Und ich finde es auch gut, dass du nicht mehr immer alles ganz genau wissen musst. Ich habe dein letztes Posting aber so interpretiert, dass du dich jetzt komplett fallen lässt/fallen lassen möchtest (regressiver Wunsch). Und das fände ich zumindest bei einem weniger kompetenten Thera bedenklich. Und es erscheint mir als ein wichtiges Thema von dir.

(Hab deinen letzten Beitrag noch nicht gelesen.)

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leberblümchen
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 09:59

Hallo, ich glaube, so schlimm ist es nicht - dazu bin ich einfach viel zu kritisch. Aber vielleicht ist das auch der Grund für dieses modifizierte Verfahren? Wer weiß, was mit mir geschieht, wenn ich erst mal auf der Couch gelandet bin

Vielleicht bin ich zu blöd, den Begriff der Transparenz zu verstehen. Kannst du mir mal ein Beispiel geben, was damit gemeint sein soll? Ich dachte, das bezieht sich darauf, dass man gesagt bekommt, was man tut und warum man das tut und was man alternativ tun könnte. Aber wie würde das dann in einer analytischen Therapie aussehen? Kann ich mir nicht so vorstellen.

Danke.

Ach so, noch mal als Ergänzung, von wegen Regression: Ich neige leider dazu, mich entweder über- oder unterlegen zu fühlen Daher kann das schon sein, dass ich in bestimmten Situationen scheinbar oder anscheinend nicht fähig bin, mich angemessen zu verhalten. Also, wie man hier vielleicht schon mal bemerkt hat, wirke ich dann entweder etwas aggressiv, abwehrend oder überheblich - oder ich fühle mich regelrecht unfähig. So, wie ein Backfisch, der zum ersten Mal ausgeht So sieht im wesentlichen meine Psyche aus.
Zuletzt geändert von leberblümchen am Fr., 30.03.2012, 10:02, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:01

titus2 hat geschrieben:Wenn ich noch mal so darüber nachdenke, dann ist das ja nun wirklich nicht so, dass wir nicht auch über die kognitive Ebene gehen.
Im Optimalfall bzw. "normal" läuft ja beides nazezu automatisch beides mit... mal bewusster, mal weniger bewusst. Denke das passt schon soweit. Kognitionen heißt ja nicht Fachsimpeln, Gefühle theoretisieren, etc. Aber wenn Kogntionen nicht auch da wären, würde es wenig bringen...

Wenn nur ein Kanal angesprochen wird oder das eine hinter dem anderen stärker zurücktritt (ich selbst könnte mitunter z.B. soweit rationalisieren, dass es dann schon wieder Abwehr wäre ) isses halt nicht so optimal. Iss so... kann es gerade nicht begründen.
Wenn ich hier sitze und schreibe oder in einem Buch etwas nachlese, bin ich dabei total emotionslos. Da regt sich nichts, wenn ich von allen möglichen Störungen lese, die ich vielleicht habe oder auch nicht. Und in den Stunden ist es halt anders: Da kommt alles irgendwie hoch und es fühlt sich wirklich ganz anders an. Obwohl die Thematik ja genau dieselbe ist.
Das schrieb ich sinngem. ja oben auch, das für mich etwas spürbar sein muss (mein Kopf ist eh "stark"). Nur einerseits schreibst du, isses so stimmig, dass du deine Störung nicht kennst... andererseits machst du dir doch Gedanken, liest Fachbücher wärst neugierig. Hast aber sinngem. geschrieben (wenn ich mich hoffentlich nicht irre, ansonsten sehe es mir bitte nach): Würdest es aber nicht den Thera direkt fragen. In anderen Worten: Hört sich für mich eher ambivalent an als vollends stimmig.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 30.03.2012, 10:09, insgesamt 2-mal geändert.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:06

Würdest es aber nicht den Thera direkt fragen.
Hm, stimmt. Ich glaube, das liegt daran, dass ich ja weiß, dass er auch auf zwei Ebenen 'funktioniert': Einmal ist da natürlich der ganze theoretische Schnickschnack. Und dann eben die Beziehung zum Patienten. Und ich will nicht in diese Ebene reinrutschen, in der wir dann womöglich eher 'über mich' als 'mit mir' reden.

Vielleicht ist mit 'Transparenz' auch einfach nur gemeint, dass die Gefühle erklärt werden? Wenn das so ist, dann ist unsere Beziehung in jedem Fall transparent. Dann war das vielleicht ein Missverständnis. Entweder ich selbst hab irgendeine Idee, warum ich jetzt das und das empfinde und was das bedeuten könnte. Oder er sagt so was wie: "Das könnte daran liegen, dass..." Ne, aber das wäre dann ja so was wie eine Deutung, oder?
Zuletzt geändert von leberblümchen am Fr., 30.03.2012, 10:18, insgesamt 1-mal geändert.

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stern
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:16

titus2 hat geschrieben:Hm, stimmt. Ich glaube, das liegt daran, dass ich ja weiß, dass er auch auf zwei Ebenen 'funktioniert': Einmal ist da natürlich der ganze theoretische Schnickschnack. Und dann eben die Beziehung zum Patienten. Und ich will nicht in diese Ebene reinrutschen, in der wir dann womöglich eher 'über mich' als 'mit mir' reden.
Hört sich schon nachvollziehbar an ... nur ist die Trennung der beiden Ebenen so gegeben (oder doch eher Angst o.ä da.. z.B. den Kontakt zu verlieren o.ä.), da beide Ebenen ja doch eher verwobenen sind.

Also selbst wenn man mit dem Thera etwas fachliches bespricht (natürlich nimmt das in einer Therapie, egal welche, eher weniger Raum ein... zumindest soweit es keine Störungen gibt) läuft ja die Beziehung auch mit. Iss ja nicht plötzlich weniger Beziehung da oder gar eine andere... auch der Kontakt ("mit mir") ist weiterhin gegeben. Bestenfalls erstreckt sich der Gesprächsinhalt dann mal nicht auf die Beziehung direkt, sondern ein anderes Thema.

Auch berücksichtigt ein Thera auch theoretische Grundlagen (muss er auch... sonst wäre es keine seriöse Therapie)... nur im Optimalfall merkt der Patient das nicht so, obwohl es genauso da ist (außer es wäre wirklich eine nicht fundierte Therapie).
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Tristezza
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:31

titus2 hat geschrieben:Vielleicht ist mit 'Transparenz' auch einfach nur gemeint, dass die Gefühle erklärt werden? Wenn das so ist, dann ist unsere Beziehung in jedem Fall transparent. Dann war das vielleicht ein Missverständnis. Entweder ich selbst hab irgendeine Idee, warum ich jetzt das und das empfinde und was das bedeuten könnte. Oder er sagt so was wie: "Das könnte daran liegen, dass..." Ne, aber das wäre dann ja so was wie eine Deutung, oder?
Puh, Titus ... mir fehlt leider (da bei der Arbeit ) gerade die Zeit, mir diesen Gedankengang ganz transparent zu machen ... Definition von Transparenz hin oder her, mir ging es einfach darum, dass man selber mit wachen Augen und Ohren durch den therapeutischen Prozess geht und nicht "einfach was mit sich machen lässt". Dazu gehört auch nachzufragen, wenn man therapeutische Interventionen nicht nachvollziehen kann (wie in meinem Fall kürzlich das Nicht-Gratulieren) und nachzuhaken, wenn der Thera mit der Deutung mal wieder leicht daneben liegt ...

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stern
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:40

titus2 hat geschrieben:Vielleicht ist mit 'Transparenz' auch einfach nur gemeint, dass die Gefühle erklärt werden?
Vielleicht blöde Frage... aber kann man Gefühle erklären. Ein (wirkliches) Gefühl IST IMO einfach da (oder eben nicht da).

Mag bei anderen anders sein... aber sobald ich nachdenke, warum empfinde ich jetzt so, bin ich oft ratzfatz wieder weg vom Gefühl (bzw. i.a.W.: Fange ich wieder zu rationalsieren an). Was zumindest bei mir eher erklärungswürdig ist, wenn irgendwelchen krasseren pathologischen Prozesse ablaufen...

Wenn es darum geht, woran etwas liegt, dann geht es um Erklärung, Deutung (oder wie auch immer man das nennen mag)... was die kognitive Seite/Wahrnehmung anspricht (wobei wie gesagt die emotionale trotzdem beteiligt ist) und üblicherweise auch eine Facette der Therapie ist... im weiteren Sinne schaffen Erklärungen natürlich auch Transparenz. Ansonsten geht es mir wie Tristezza (also mir geht es ähnlich):
Dazu gehört auch nachzufragen, wenn man therapeutische Interventionen nicht nachvollziehen kann (wie in meinem Fall kürzlich das Nicht-Gratulieren) und nachzuhaken, wenn der Thera mit der Deutung mal wieder leicht daneben liegt ...
egal ob man das nun Transparenz (die viele Facetten umfasst) nennt oder nicht.
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leberblümchen
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 10:43

Tristezza: Ach so, aber dann hab ich mich vermutlich unklar ausgedrückt - ich fühle ja nicht, dass etwas nicht stimmt. Insofern hab ich ja derzeit keinen Anlass, irgendwo nachzuhaken. Ich fühle mich da einfach sicher. Und das, obwohl ich sonst die Erste bin, die sich bei jedem Wehwechen eine zweite Meinung, oder am besten noch eine dritte, holt.

Ich glaube, wir hatten das schon mal - die Frage, wieviel Fallenlassen vertretbar und förderlich ist, sozusagen. Ich kann mich ja nicht überall fallenlassen. Aber wenn schon, dann richtig. Für mich hat das was mit Vertrauen zu tun. Da ich ja aber so ein übervorsichtiger Mensch bin und das Böse für mich überall lauert, mache ich mir eigentlich keine Sorgen, dass ich hier an der falschen Stelle entspannt und unbesorgt bin.

Ich hatte den Begriff der Transparenz eher so verstanden, dass einem erklärt wird, was man in der Therapie warum tut. Und irgendwie brauch ich das tatsächlich nicht.

Stern: Ich erlebe es schon so, dass man Gefühle erklären kann. Ist doch spannend, die Frage: Warum reagiere ich in einer bestimmten Situation (meistens) auf eine bestimmte Art? Hm, irgendwie macht das für mich gerade den Reiz aus, diese Gefühle zu erleben und gleichzeitig zu versuchen, ihnen auf den Grund zu gehen.

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stern
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Beitrag Fr., 30.03.2012, 12:13

titus2 hat geschrieben:Stern: Ich erlebe es schon so, dass man Gefühle erklären kann.

Klar... darin bin ich sogar Meisterin , deswegen sehe ich es gemischt... was natürlich für andere nicht stimmig sein braucht. Einerseits:
Ist doch spannend, die Frage: Warum reagiere ich in einer bestimmten Situation (meistens) auf eine bestimmte Art? Hm, irgendwie macht das für mich gerade den Reiz aus, diese Gefühle zu erleben und gleichzeitig zu versuchen, ihnen auf den Grund zu gehen.
ja... teils, wie oben gesagt, wenn ich irgendwelche pathologischen Prozesse orte... ansonsten brauche ich nicht tiefsinniger jedes angemessene Gefühl erklären können. Sonst besteht bei mir wirklich die Gefahr, dass dann (bei mir) die Rationalisierung bzw. Kopflastigkeit zu sehr grüssen könnten, je mehr ich hinterfrage. Ich meine, darin bin ich eh Meisterin, dass Theras tendenziell den Fokus davon sogar etwas weglenkten aka: Was würde passieren, wenn sie das mal unterlassen würden (aber klar, Menschen ticken unterschiedlich.. also bei dir kann das auch anders sein).

Davon abgesehen: Erklärungen sind für mich schön und gut (ist schon teils nützlich, teils erfüllen sie für mich eine Funktion, derer und deren background ich mir grob bewusst bin)... ändern können sie bei mir aber nur bedingt viel, sondern wesentlicher für Änderungen sind bei mir Erfahrungen. Um nicht zu sagen (aber nicht sagen wollend, dass es bei dir so ist!) - las ich auch mal in einem Ratgeber (sinngem.): Sehr viel Warum-Fragen kann auch Indikator sind, dass man Angst hat, etwas zu verändern... also Abwehr bzw. Stagnation, wenn es dabei im wesentlichen bleibt (ein Verständnis für sich ist aber natürlich aufzubauen). Kann's dzt. nicht so gut wiedergegeben.
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