Schuldgefühle am Tod meines Vaters!

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Overjack
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Schuldgefühle am Tod meines Vaters!

Beitrag Mi., 01.07.2009, 12:08

Hallo liebe Community!

Ich habe das Bedürfnis, mich auszusprechen und Meinungen anderer Herzuziehen. Deshalb habe ich mich registriert, bin also neu hier...

Mein Vater ist am 18.06. verstorben. Er war gerademal 52 Jahre alt. Ich habe ihn sehr geliebt, er war ein wunderbarer Mensch, der noch sehr viel vorhatte...

Es gab keinerleich Anzeichen. Er kam mit meiner Mutter von einem Spaziergang wieder, es war ein sonniger Tag. Er setzte sich ins Wohnzimmer und ich unterhielt mich ganz normal mit ihm. Erzählte ihm von meinem neuen Arbeitsplatz. Er war sehr stolz auf mich und meinen Bruder. Dann plötzlich sackte er nach rechts zur Seite und es hörte sich so an, als ob er schnarchte. Ich sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte.

Meine Mutter rannte herbei, ich rief den Notarzt. Mein Bruder rannte nach draußen, um den Rettungswagen abzufangen. Alles ging so schnell. Mein Vater atmete nur noch ganz schwer. Wir haben ihn in eine liegende Position gebracht und kurze Zeit darauf hat meine Mutter eine Herz-Massage und Mund-zu-Mund-Beatmung bei ihm durchgeführt.

Kurze Zeit später kam der Rettungsdienst und hat versucht, ihn 20 Minuten lang zu reanimieren. Vergebens. Der Notarzt meinte, er sei bereits tot gewesen, als sie eintriefen.

Es ist alles so schrecklich. Ich war der letzte Mensch, mit dem er sich unterhalten hat. Für meine Mutter ist eine Welt zusammengebrochen. Sie waren seit über 30 Jahren glücklich verheiratet. Sie hatten noch sehr viel geplant. Wollten ein schönes Leben verbringen, wenn wir ausgezogen sind. Zum Glück habe ich als Halt meine Freundin, die mir beisteht und mit der ich demnächst zusammenziehe.

Ich tröste mich damit, dass sein Tod sehr schnell ging. Er hat wahrscheinlich nichts gesprürt. Er war glücklich, als es passierte. Und es war innerhalb der Familie. Nur natürlich viel viel zu früh....

Was mich plagt, sind SChuldgefühle:
Der Arzt hat ihn nämlich sofort von der Couch auf den Boden gelegt für die herzmassage. Dies hatte ich in der Situation nicht erkannt. Es fiel mir hinterher ein!!

Ich habe auch nach den Symptomen gegoogelt - mein Verdacht ist, er hatte einen Schlaganfall. Danach setzten sehr schnell die Vitalfunktionen aus. Vielleicht wäre er noch am Leben, wenn ich meine Mutter von ihm weggezogen hätte, wenn wir ihn auf den Boden gelegt hätten....

Ich mache mir so große Vorwürfe!! Es lässt sich leider nicht mehr rückgängig machen. Aber es würde mein Gewissen sehr beruhigen, wenn ich nur wüsste, dass dies nichts hätte bewirken können.

Mein Vater war herzkrank. Aber er hatte in den letzten Jahren sehr viel dafür getan. Ernährung komplett umgestellt. Jeden Tag auf seinem Heimtrainer (Fahhrad), viel an Gewicht abgenommen, sehr aus sich geachtet. Es ist so ungerecht, dass er gestorben ist. Ich habe einen regelrechten Hass auf seinen Vater, da er noch am Leben ist. Er hätte an seiner Stelle sein müssen!!

Ich hoffe, ihr könnt meine Gedanken nachvollziehen. Wie seht ihr die Situation? Habt ihr ähnliche Erfahrungen erlebt? Ich bin um jede Antwort dankbar.

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candle
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 13:30

Hallo Overjack!

Herzliches Beileid. Das ist für die Angehörigen eine schlimme Geschichte insofern, dass man keinen Abschied mehr nehmen kann. Ich habe mal etwas ähnliches erlebt.

Du hast keine Schuld!

Das mag Dich sicher jetzt nicht beruhigen, aber nach den Vorfällen, denke ich, dass er einfach sofort tot war. Du hättest nichts mehr tun können.

Was Du weißt ist, dass er Herzkrank war- wenn es Dich beruhigen könnte, schaue doch mal dieses Schreiben von dem Arzt an, vielleicht hilft es, Dir das Gefühl zu nehmen oder spreche mit dem Hausarzt Deines Vaters.

Ich wünsche Dir Alles Gute!

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 18:57

Hallo Overjack,

mein Beileid!

Mir ging es vor 5 Jahren mit meinem Vater ähnlich. Er war 56. Ich kann deinen Schock und das Unverständnis gut nachvollziehen.

Die Schuldfrage war damals für mich sehr wichtig. Erst suchte ich sie bei den Ärzten, etc., später bei mir. Wen ich lange Zeit nie beschuldigte, war mein Vater selbst.

Du schreibst, dein Vater sei herzkrank gewesen. Er hat sehr viel für sich getan, aber was hat er getan, um euch auf einen solchen immer möglichen Notfall vorzubereiten?

So wie du deinen Vater beschreibst, war er jemand, der niemandem groß zur Last fallen wollte. Sicherlich würde er es gerne sehen, dass du dir jetzt keine Schuldgefühle machst und wegen ihm unglücklich bist.

Dir alles Gute!

Sandy

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Overjack
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Beitrag So., 12.07.2009, 16:05

Vielen Dank für eure Antworten! Mir geht es schon ein wenig besser. Vorwürfe mache ich mir manchmal immer noch. Die Bilder kommen und gehen.

Die kommende Woche ist seine Beerdigung. Das wird auch hart werden - besonders für meine Mutter. Sie tut mir so leid.

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SamuelZ.
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Beitrag So., 12.07.2009, 17:25

Hallo Overjack,

Es ist gut, dass ihr alle beisammen seid an diesem Tag. Bild

Dir und deiner Familie viel Kraft für den Abschied!

Liebe Grüße
Sandy

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Eve...
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Beitrag So., 12.07.2009, 17:29

Mein Vater starb auch so: Er fiel um und war kurze Zeit später tot. Herzinfarkt.

Es ist Schicksal. Mit Schuldgefühlen tut man sich selbst etwas an; es ändert leider nichts.

Das einzige, was helfen kann, ist loszulassen, auch die Schuldgefühle. Wir haben nicht auf alles im Leben - und auch nicht im Tod - Einfluss; das müssen wir lernen, anzuerkennen.

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Overjack
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Beitrag Do., 16.07.2009, 08:00

Ich melde mich wieder, da mich die Schuldgefühle wieder überkommen.

Der Punkt ist der: Eine Herzmassage ist nur wirkungsvoll, wenn der Betroffene auf einer harten Unterlage liegt. Dies war ja wie beschrieben nicht der Fall. Aber ich habe es einfach nicht registriert. Der Rettungsdienst hat richtig gehandelt - er hat ihn von der Couch auf den Boden gelegt und dann mit der Wiederbelebung begonnen. Aber die ersten Minuten sind die wichtigsten!!

Der Gedanke, dass ich meinen Vater hätte retten können, dass das Leben meiner Mutter wieder lebenswert wäre, beschäftigt mich.

Ich habe darüber schon mit meiner Freundin und meinem Bruder, auch mit meinem besten Freund gesprochen. Sie haben natürlich leicht reden bzw. wollen vermutlich auch nur trösten, wenn sie sagen: Dich trifft keine Schuld!

Vielleicht wäre er noch am Leben.
Vielleicht wäre sein Gehirn auch so beschädigt, dass es im Endeffekt noch schlimmer wäre für ihn.
Aber allein den Gedanken, dass er vielleicht noch am Leben wäre, wenn man sich doch bloß in dieser einen Situation anders verhalten hätte.

Da, wo er mich am meisten gebraucht hat in seinem Leben, habe ich versagt! Das kann ich mir nicht verzeihen...

Meine Mutter kann ich auf diese Thema jedenfalls nicht ansprechen: Sie hat sich ja eh schon Vorwürfe gemacht, dass sie die Herzmassage falsch durchgeführt hat. Wenn ich meine Bedenken auch noch äußere, dann macht sie sich verrückt! Das ist nicht gut für sie....

Richtig Gewißheit wird man vermutlich nur durch eine Autopsie finden können - aber die wird nicht durchgeführt, da die Ursache bekannt ist.

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Laura13
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Beitrag Do., 16.07.2009, 08:31

Overjack hat geschrieben: Der Punkt ist der: Eine Herzmassage ist nur wirkungsvoll, wenn der Betroffene auf einer harten Unterlage liegt. Dies war ja wie beschrieben nicht der Fall. Aber ich habe es einfach nicht registriert. Der Rettungsdienst hat richtig gehandelt - er hat ihn von der Couch auf den Boden gelegt und dann mit der Wiederbelebung begonnen. Aber die ersten Minuten sind die wichtigsten!!
Lieber Overjack,
ich kann nachvollziehen wie du dich fühlst....und mir hat es eigentlich nur geholfen, wenn diese Schuldgefühle kamen und kommen, mir die FAKTEN vor Augen zu führen:
Da ich Krankenschwester bin, weiß ich auch fachlich etwas Bescheid.
Lass dir gesagt sein: Wenn jemand so, wie dein vater von einer Minute auf die andere total "weg" ist, dann hat er vermutlich eine schwere Hirnblutung oder einen Herzinfarkt, der so massive Schäden hinterlässt, dass auch die Sanitäter nichts mehr retten hätten können. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass du so Jemanden wieder ins Leben zurück holen kannst ist sehr unwahrscheinlich. Die meisten Wiederbelebungen, selbst bei Fachpersonal bringen nichts mehr, glaub mir das!!!
Außerdem darfst du nicht vergessen, dass DU aus der Position des Angehörigen, der unter Schock steht, gehandelt hast! Es ist SUPER, dass du überhaupt, oder dass ihr überhaupt in der Lage ward, etwas zu tun!!! Es gibt Leute, die sind vor Entsetzen so gelähmt, dass sie nichts machen können außer den Notruf absetzen....
Ob mit oder ohne harte Unterlage....ich glaube, dass man deinen Vater nicht mehr hätte retten können und WENN DOCH, dann hätte er mit Sicherheit schwerste Hirnschäden davon getragen und wäre ein "beatmeter Schwerstpflegefall" geblieben....hätte er DAS gewollt????
Der Gedanke, dass ich meinen Vater hätte retten können, dass das Leben meiner Mutter wieder lebenswert wäre, beschäftigt mich.
DU BIST NICHT VERANTWORTLICH für das Leben deiner Mutter!!!
Ich würde dir ganz ganz dringend raten, eine Psychotherapie zu machen, da du ein schlimmes Trauma erlitten hast und die Schuldgefühle dich plagen.
Glaub mir, es wird dir helfen, das mit Hilfe eines Therapeuten zu verarbeiten!!!
Ich habe darüber schon mit meiner Freundin und meinem Bruder, auch mit meinem besten Freund gesprochen. Sie haben natürlich leicht reden bzw. wollen vermutlich auch nur trösten, wenn sie sagen: Dich trifft keine Schuld!
Genauso habe ich das auch empfunden...immer...die wollen mich nur trösten.Die denken eigentlich auch, dass ich schuld bin und sagen es nur nicht....Ja, ja, das kenne ich....ES iST NICHT DEINE SCHULD...und keiner gibt sie dir....aber, das kann man keinem ausreden, das ist ein Verarbeitungsprozess....REDEN, immer wieder reden und den anderen glauben....
Da, wo er mich am meisten gebraucht hat in seinem Leben, habe ich versagt! Das kann ich mir nicht verzeihen...
Schreiben....hat mir sehr geholfen...schreib deinem Vater einen Brief oder stell dir vor, er kann dich hören...rede mit ihm! Sag ihm, was du fühlst...versuche dir einmal vorzustellen, was ER wohl sagen würde zu deinen Schuldgefühlen...er würde das nicht so sehen wie du...er würde sagen: Es ist passiert, keiner kann etwas dafür, keiner war auf so was vorbereitet, es war unvorhersehbar....DU bist nicht schuld an meinem Tod.
Er würde nicht wollen, dass du so leidest. Er würde vielleicht sagen, dass du dein Leben genießen sollst, weil du ja gesehen hast, wie schnell es vorbei sein kann und dass er in deinem Herzen und in dir weiter leben will. Glaubst du nicht auch?

Es ist schlimm, wenn man einen geliebten Menschen so verliert. Es ist Schock und Schmerz....geh bitte zu deinem Hausarzt und lass dich zu einem Psychotherapeuten überweisen, zu einem, der sich mit Traumata auskennt, damit du das verarbeiten kannst und wirklich Abschied nehmen und um deinen Vater trauern kannst...ohne Schuldgefühle.

Laura
Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.

Rainer Maria Rilke

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