Emotionale Enttäuschungen in der Psychotherapie

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R.L.Fellner
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Emotionale Enttäuschungen in der Psychotherapie

Beitrag Mi., 26.11.2008, 22:54

Liebe ForumsbesucherInnen,

seit einiger Zeit habe ich - und scheinbar auch einige von Ihnen, die schon länger im PT-Forum dabei sind -, den Eindruck, dass sich hier, "zufällig" oder auch nicht, emotionale Enttäuschungsberichte über Psychotherapien häufen.

Da ich nicht davon ausgehe, dass sich innerhalb von 6-12 Monaten die Zahl der - ich sage mal: "merkwürdig" agierenden - TherapeutInnen verzehnfacht hat, vermute ich eher, dass andere Gründe für dieses Zunehmen einschlägiger Berichte vorliegen ... Gründe, die vielleicht eher im zwischenmenschlichen Bereich zu suchen sind. Fast immer geht es in den hier vorgebrachten Berichten darum, "nicht verstanden" oder "in den Bedürfnissen nicht wahrgenommen" zu werden, dass "eine andere Sprache gesprochen wird" oder ein Gefühl existiert, "in der eigenen Individualität abgelehnt zu werden". Was mich zur Frage bringt, was genau da schief lief, aber auch, was sich denn die Betroffenen von ihrer Psychotherapie erwarteten: nur emotionalen Zuspruch oder emotionales Auftanken?
Es macht mich stutzig, wenn ich lese, dass die Beschäftigung mit dem, was emotional zwischen TherapeutIn und KlientIn stattfindet, mehr und mehr Raum in den Sitzungen einnimmt, während die Beschäftigung mit dem eigentlichen Problem immer mehr in den Hintergrund tritt.

Was mich zur Frage - speziell an jene von Ihnen gerichtet, die bereits erfolgreich eine Psychotherapie abgeschlossen haben oder zumindest positive, stärkende Erfahrungen dadurch gemacht haben - bringt: was war denn rückblickend für Sie besonders wichtig? Wie ging es Ihnen mit dem schwierigen Gleichgewicht zwischen emotionaler Nähe und schützender Distanz? Wie machen Sie heute das "richtige" Ausmaß von einerseits Zuspruch und Stärkung, andererseits Fo(ö)rdern und Verstörung v.S. der TherapeutInnen fest?

Vielleicht gibt es dazu ein paar Gedanken - ich finde es zunehmend ungut, daß hier noch kein Thread existiert, in dem auch "über" das, was in derartigen Threads abgeht und zum Ausdruck kommt, gesprochen werden kann. Vielleicht überschätze ich das aber auch, dann kann ich mich ja wieder still zurückziehen.

Liebe Grüße,
Richard L. Fellner

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metropolis
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Beitrag Do., 27.11.2008, 00:47

Lieber Herr Fellner,
ich kann mich Ihrer Wahrnehmung, dass im Forum sehr oft von emotionalen Enttäuschungen in der Therapie die Rede ist, nur anschließen.
Aber ist das wirklich so ungewöhnlich? Ich meine, dies ist schließlich ein Selbsthilfe-Forum. Natürlich finden sich hier gehäuft die (Ex)Patienten ein, die ein Problem mit ihrer Therapie haben oder von ihrem Therapeuten verletzt oder enttäuscht wurden. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass man ein großes Bedürfnis hat sich an das Forum zu wenden, wenn die Therapie und die therapeutische Beziehung gut funktioniert. Wo läge da der Sinn? Oder vielmehr was haben Sie denn für Beiträge im Bereich Erfahrung mit Psychotherapie erwartet. Ich halte das durchaus für eine normale Entwicklung. Oder trat es vorher so viel weniger hier im Forum auf? Kann ich nicht beurteilen.

Was ich jedoch nicht so normal finde, ist die Neigung von manchen, in Schilderungen von Threaderöffnern zu viel hineinzuinterpretieren, ohne dass man den konkreten Zusammenhang kennt. Ich meine, das sind meistens äußerst subjektive Berichte. Da sollte man sich mit Bewertungen und Verurteilungen vorsichtig verhalten. Die berüchtigten Ferndiagnosen zu vermeiden, gelingt eben nicht allen. Und oft werden auch alte eigene Konflikte und Wut wegen schlechten Erfahrungen in die Antworten miteingeflochten. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache, wenn die Threads nur zum Frust ablassen dienen.
Aber glücklicherweise sind die meisten Antworten sehr hilfreich und es finde es auch sehr vernünftig und besonnen, wenn immer wieder dazu geraten wird, Konflikte mit dem Therapeuten und enttäuschte Erwartungen direkt in der Therapie anzusprechen.

Weiterhin muss ich sagen, dass die therapeutische Beziehung natürlich eines der zentralen Themen in einer Therapie ist. Die sollte auch immer wieder überprüft und angesprochen werden. Und man kann aus solchen Diskussionen viele hilfreiche Schlüsse ziehen. Von daher kann ich schon verstehen, dass dieser Bereich oft hier zur Sprache kommt. Aber vielleicht denke ich auch nur so, weil ich von der Psychoanalyse so überzeugt bin.
Aber man muss doch auch zugeben, dass das korrekte und professionelle, aber zugleich auch mitfühlende Verhalten des Therapeuten von höchster Wichtigkeit ist. Psychotherapeut ist ein äußerst schwieriger und verantwortungsvoller Beruf (wie ich mir vorstellen kann) und es gibt wahrscheinlich auch nicht wenige, die dieser Verantwortung nicht gewachsen sind. Es wurde bereits schon mal erwähnt, dass es „saugefährlich“ sein kann, wenn der Therapeut sich nicht immer wieder überprüft und hinterfragt.
Deshalb halte ich es nicht für falsch, wenn Patienten die Augen offen halten. Ich kann dabei nur hoffen, dass sie dann auch genauso in der Lage sind sich selbst zu hinterfragen, wenn sie das schon von ihrem Therapeuten erwarten.

In diesem Sinne.

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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(V)
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Beitrag Do., 27.11.2008, 01:06

Werter Hr. Fellner,

auch mir ist das schon aufgefallen, und gerade wenn jemand sehr unsicher über die Auswahl eines Therapeuten ist, halte ich diese negative Häufungen nicht gerade für motivierend. Anderseits liegt es wohl in der Natur des Menschen, dass über das Negative mehr reflektiert (sprich: auch geschrieben) wird, denn wenn alles gut und glatt läuft, muss man ja auch nicht viel darüber nachdenken.

Ihre Fragen finde ich allerdings außergewöhnlich schwer zu beantworten, weil sie nur die Sicht des Klienten ansprechen. Dabei sagten Sie ja bereits, dass diese Schwierigkeiten wohl v.a. im ZWISCHEN-menschlichen stattfinden. Die Wechselwirkungen und Interaktionen sind es doch worum es geht. Dazu gehören natürlich einerseits die Fertigkeiten des/der Therapeuten, aber mindestens ebenso wichtig ist doch die Eigenverantwortung der Klienten.
was war denn rückblickend für Sie besonders wichtig?
Ich glaube, in all den verschiedenen Formulierungen der Enttäuschungen versteckt sich als gemeinsamer Nenner oft nur das „FÜR WAHR genommen werden wollen“, d.h. im Sinne von ernst genommen. Man muss kein 100%ig Verständnis haben, nicht die exakt gleiche Sprache sprechen und man muss auch nicht als 100%ig ganzheitliche Person wahrgenommen fühlen etc., damit man sich ernst („für wahr“) genommen fühlt.

Sehr, sehr wichtig ist, dass beide Partein sich wirklich klar und einig über ihre gegenseitigen Erwartungen sind. So erwartet der Klient eben z.B. ernst genommen zu werden, und der Therapeut eine gewisse Form der Mitarbeit etc. Enttäuschungen sind ja meistens unabdingbar mit einer Erwartungshaltung verknüpft.
Wie ging es Ihnen mit dem schwierigen Gleichgewicht zwischen emotionaler Nähe und schützender Distanz?


Auch dies scheint mir eine Frage nach der Eigenverantwortung zu sein. Ich selbst entscheide, was ich annehme und was nicht, was ich persönliche nehme und was nicht.

Wenn also die emotionale Nähe mit mir durchzugehen droht, mache ich mir klar, dass dies alles „nicht persönlich“ ist, dies schließlich nur sein oder ihr Beruf sei, und dass früher oder später – in absehbarer Zeit - auf jeden Fall der Abschied und ein Loslassen erfolgen muss und wird. Im Gegensatz zu anderen Formen der emotionalen Nähe gibt es hier kein „Wenn“ und „Falls“ und kein Bitten und Betteln wie z.B. bei Liebesbeziehungen, sondern wenn die Therapie vorbei ist, ist sie vorbei. Das weiß man vorher, und im Notfall sollte man sich das immer wieder klar machen.

Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, aber manchmal vergleiche ich es auch mit einem Besuch bei einem Schulmediziner. Wenn ich mich vor diesem nackt entblösen muss und er ein paar intime Stellen abtasten muss, nimmt man das dies ja auch nicht als Zeichen der Zuneigung, sondern sieht es distanziert und unpersönlich.
Wie machen Sie heute das "richtige" Ausmaß von einerseits Zuspruch und Stärkung, andererseits Fo(ö)rdern und Verstörung v.S. der TherapeutInnen fest?
Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass ein manchmal nötiges Vor-den-Kopf-stoßen vorangekündigt wird. Zum Beispiel: „Achtung, jetzt kommt etwas, dass Sie vermutlich nicht mögen werden, aber ich glaube, Sie sind bereit, damit umzugehen, auch wenn’s vielleicht erst mal was länger dauert.“ Denn nach so einer Vorankündigung ist man vorbereitet, geht nicht automatisch in die Gegenwehr und außerdem versteckt sich dahinter sogar noch ein Kompliment, dass einen sogar noch motiviert, denn der/die Therapeut/in glaubt ja an einen, dass man damit umgeht kann – früher oder später - das will man natürlich auch nicht enttäuschen und bemüht sich folglich umso mehr, auch wenn man es im Moment noch nicht kann.

Käme so etwas aber quasi aus dem Nichts, wäre man leicht geneigt es als urplötzlichen Angriff mißzuverstehen.

Auch was Zuspruch angeht, hilft es mir beim Annehmen (über das ich ja selbst entscheide), wenn mein Gegenüber seine Absicht klar und deutlich macht.

Beispielsweise tue ich mich ja sehr schwer damit, Komplimente anzunehmen von jemand, der nur einen Ausschnitt von mir kennt oder nur meine schlechten (problembelasteten) Seiten, weil ich mir dann oft denke: „Natürlich muss er das sagen, dafür wird er ja bezahlt. Und ich sehe es eben anders. Punkt.“ Wenn dann weiterhin Zuspruch kam, immer mehr und vielleicht sogar übertriebener, wäre leicht die Versuchung da gewesen sich „nicht ernst genommen“ zu fühlen in der Eigenwahrnehmung. Doch dann kam meist ein Satz wie: „Nicht, dass Sie es falsch verstehen, ich will Ihnen ja nur Mut machen!“. Und dann wußte ich woran ich bin und konnte sehr viel besser entscheiden ob und was ich davon annehme oder nicht. Selbst wenn ich konkret keines der Komplimente annehmen konnte, blieb immer noch seine gute Absicht, die ich für mich werten konnte. Ohne solche Absichtserklärungen hätte ich sicherlich manchmal eher gezweifelt...

Liebe Grüße,
Gothika

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chicheringrün
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Beitrag Do., 27.11.2008, 01:28

Gothika hat geschrieben:Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass ein manchmal nötiges Vor-den-Kopf-stoßen vorangekündigt wird. Zum Beispiel: „Achtung, jetzt kommt etwas, dass Sie vermutlich nicht mögen werden, aber ich glaube, Sie sind bereit, damit umzugehen, auch wenn’s vielleicht erst mal was länger dauert.“ Denn nach so einer Vorankündigung ist man vorbereitet, geht nicht automatisch in die Gegenwehr und außerdem versteckt sich dahinter sogar noch ein Kompliment, dass einen sogar noch motiviert, denn der/die Therapeut/in glaubt ja an einen, dass man damit umgeht kann – früher oder später - das will man natürlich auch nicht enttäuschen und bemüht sich folglich umso mehr, auch wenn man es im Moment noch nicht kann.

Käme so etwas aber quasi aus dem Nichts, wäre man leicht geneigt es als urplötzlichen Angriff mißzuverstehen.
Ist es nicht gerade das, was eine Therapie erreichen soll? Z.B. etwas aus dem Nichts kommendes als urplötzlichen Angriff zu verstehen, weil man es in der Welt da draußen sonst auch als Angriff auffasst? Wie soll man denn sonst therapiert werden, wenn man unterscheidet in "in der Therapie vorgekommene Situationen" und "in der Welt vorkommende Situationen"? Dann stellt man sich auf die Situation in der Therapie ein, wartet z.B. auf eine Vorankündigung, doch in der "Welt" kommt keine Vorankündigung. Also ich sehe da die Gefahr, dass die Therapie an dem eigentlichen Problem, wegen dem man ja in Therapie ist, vorbei geht.
Bemüht man sich in diesem Fall nicht, nur den Therapeuten nicht zu enttäuschen?

Vielleicht habe ich dich auch nicht richtig verstanden, bin müde.
"Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten."
Willy Brandt

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(V)
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Beitrag Do., 27.11.2008, 01:59

Hmm. Ich fasse den Therapieraum eher als eine Art Übungsraum auf. Im Positiven wie Negativen. Vielleicht vergleichbar wie in einem Kampfsport: dort lernt man ja auch kämpfen, ohne dass es zu Verletzungen kommt obwohl draußen "reale Gefahren" lauern. In einem "sicherem Rahmen". Welcher sich natürlich dem Entwicklungsstand regelmässig anpasst.

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Elfchen
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Beitrag Do., 27.11.2008, 08:09

Lieber Herr Fellner
...was war denn rückblickend für Sie besonders wichtig? Wie ging es Ihnen mit dem schwierigen Gleichgewicht zwischen emotionaler Nähe und schützender Distanz? Wie machen Sie heute das "richtige" Ausmaß von einerseits Zuspruch und Stärkung, andererseits Fo(ö)rdern und Verstörung v.S. der TherapeutInnen fest?
Besonders wichtig war für mich, ein vis à vis zu haben, das mir zuhört und reflektiert.
Da ich persönlich niemals emotionale Nähe von einer Therapeut/in erwarte, hatte ich niemals Probleme damit. Mir genügt es, wenn ich verstanden werde. Wenn ich das Gefühl hatte/habe, dass sie zu sehr "mitgeht" mache ich hauptsächlich durch die Körpersprache (z.B. Arme verschränken, aufrichten) klar, dass hier meine Grenze ist.

Ich hatte ehrlich gesagt Mühe mit dem Thread mit dem provokanten Titel. Ein/e Therapeut/in ist ein Mensch, der eine Dienstleistung anbietet. Ob er "gut" oder "schlecht" ist, liegt im Bedürfnis, Krankheitsgrad und Sympathie des Patienten.
Ich verstehe heute viel besser, wie schwierig es sein kann, Therapeut zu sein, mit all den überzogenen Erwartungen von Menschen, die es sowieso "besser wissen"oder nicht akzeptieren, dass das Gegenüber auch ein Mensch ist und somit nicht "unfehlbar".

Ich sehe die Therapie als eine Chance für mich und mein Weiterkommen und nicht als Tummelfeld für unrealistische Erwartungen, emotionale Zuwendung oder gar als Kampfplatz. Ich muss mich auch nicht mit dem Therapeuten "messen" oder unrealistische Heilserwartungen an ihn/sie stellen.
Ich bin sehr dankbar für all das, was mich weiter gebracht hat, im klaren Bewusstsein, dass es trotz allem eine Dienstleistung ist.
Und ganz wichtig: ich bin mir bewusst, dass ich für den Therapeuten eine Patientin bin, und er/sie für mich der/die Therapeut/in.
Mit dieser Einstellung ist auch mal ein persönliches Wort, Humor und ein vermeintlicher "Fehler" möglich.

Liebe Grüsse!
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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Affenzahn
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Beitrag Do., 27.11.2008, 08:39

R.L.Fellner hat geschrieben:was war denn rückblickend für Sie besonders wichtig?
Sie meinen wohl hier nicht den Erfolg der Therapie, obschon der natürlich am wichtigsten ist.
R.L.Fellner hat geschrieben:Wie ging es Ihnen mit dem schwierigen Gleichgewicht zwischen emotionaler Nähe und schützender Distanz? Wie machen Sie heute das "richtige" Ausmaß von einerseits Zuspruch und Stärkung, andererseits Fo(ö)rdern und Verstörung v.S. der TherapeutInnen fest?
Das sind alles wichtige Dinge, aber gerade weil ich damit in der Therapie keine wesentlichen Probleme hatte, hatte und habe ich dafür auch keinen Massstab (oder nur einen Massstab ohne Skala). Ich bin überzeugt, dass sich Psychotherapeuten darüber viel mehr Gedanken machen als ihre Patienten ...

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lamedia
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Beitrag Do., 27.11.2008, 11:50

Hallo liebes Forum,

ich hatte mich ja auch im Zusammenhang eines solchen Themas angemeldet. Vielleicht weil ich sowohl die "enttäuschte" als auch die "realistische" Position in mir selbst kenne, bzw. sich langsam eine Entwicklung von der einen zur anderen Position ergeben hat.

Die Frage, wie es zu solchen Enttäuschungen kommt, ist sicher nicht allein mit "falschen Erwartungen" von KlientInnen zu erklären, sondern durch auch durch Konstellationen, in der auf derartige Übertragungen mit spezifischen Gegenübertragungen reagiert wird, was - natürlich nicht zufällig - zu einer Re-Inszenierung eines mit sich geführten Grundkonflikts werden kann.
Insofern ist es für mich überhaupt nicht überraschend, dass je nach Übertragungsintensität und Reaktivität des Therapeuten (oder auch andersherum) verschiedene Formen von "Enttäuschungen", "Mißtrauen", "Befremden" resultieren.

Bei mir war es so, dass u.a. meine biographische Geschichte von emotionaler Vernachlässigung und Verunsicherung dazu geführt hat, dass ich in der Therapiesituation sehr stark nach Halt und Zuwendung gesucht habe, so dass die Grenzen der Therapie mich sozusagen geschmerzt haben. Es ging so weit, dass ich dachte, dass alle diagnostischen und therapeutischen Manuals, überflüssig wären und ich einfach eine intensive Zuwendungstherapie brauche.

Ich weiß selbst noch nicht genau, wie es dazu kam, dass ich diese Ansprüche nicht mehr habe. Oder wenn sie auftauchen, mich davon distanziere. Vielleicht liegt es daran, dass "meine" Störung inzwischen zu existentiell geworden ist, als dass ich noch Energie hätte, die therapeutische Beziehung zu manipulieren oder zu bewerten ??

Jedenfalls muß ich nun genau die Frage, was denn nun "sonst" hilfreich ist, neu bewerten und bin noch zu keiner abschließenden Antwort gekommen. Vielleicht habe ich eingesehen, dass es eben nicht das grenzenlose Verständnis, auch nicht die Zuneigung eines Therapeuten ist, die mich weiterbringen. Sondern eine verschüttete Ressource in mir selbst, die ich wieder aktivieren möchte. Allerdings ist diese in einem Umfeld von Verständnis und Zuneigung leichter zu wecken....

Herzlich,
mediasres

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münchnerkindl
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Beiträge: 9792

Beitrag Do., 27.11.2008, 12:43

Also was ich von einer Therapie erwarten würde ist daß sie ein "sicherer" Raum ist.

* wo ich nicht beim Aufkommen eines Kommunikationsproblems sofort die Alleinverantwortung in die Schuhe geschoben bekomme, zB per "sie wollen sich nur nicht damit konfrontieren blabla"
* wo ich als Mensch mit all meinen menschlichen Gefühlen und Regungen gesehen werde und wo keine primitive "Umerziehung" stattfinden soll, a la abgefertigt werden mit Anschuldigungen wie , "sie sind agressiv und der Sinn einer Therpie ist es daß ich sie damit konfrontiere" und ich mich einfach unterordnen und die Klappe halten soll.
*wo ich nicht der Müllabladeplatz für zweifelhafte Ideologien des Therapeuten bin, sei die esoterisch, verhaltenstherpeutisch oder anders, mit der mich der Therapeut quasi zwangsbeglücken will.
*wo der Therapeut selbstverständlich retraumatisierende Aktionen und Unverschämtheiten jeder Art unterlässt.

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powergirl
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Beiträge: 314

Beitrag Do., 27.11.2008, 14:13

Tagchen


Ich kann irgendwie mit dem Thema des Threads nichts anfangen, denn es sollte eine Therapie so ablaufen das der/die KlientIn so akzeptiert und toleriert wird was sie/er erlebt(e), durchgemacht hat.

Der/die PsychotherapeutIn hat den Grund gemeinsam mit dem/der KlientIn zu erarbeiten und zu bearbeiten.

Klar kommen während der Sitzung Gefühle und Gedanken hoch was der/die TherapeutIn nicht so nachzuvollziehen kann aber ich denke mal das wird auch bei der Ausbildung zu diesem Beruf gelehrt das keine emotialen Entäuschungen gar nicht aufkommen bei der/dem KlientIn.

Sollte allerdings der Fall aufkommen, ist immer noch die Möglichkeit gegeben über dieses Problem zu sprechen und wenn es gar nicht mehr geht kann man ja den/die TherapeutenIn wechseln.

Bei meiner Psychotherapie war das noch nie der Fall mein Therapeut geht auf mein Problem ein wir analysieren und bearbeiten es so gut es geht.

So meine Gedanken dazu....
powergirl


Hast ein Ziel im Auge, wirst es auch erreichen

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Torsade_de_pointes
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Beitrag Do., 27.11.2008, 14:45

was habe ich bisher als negativ erlebt:


emotionale erpressung, manipulationsversuche, entwertung und der versuch in therapeutische abhängigkeit gebracht zu werden, zu eingeschränkte denkweisen und zu häufige bewertungen im sinne von "normal" und "nicht normal", zuviele pauschalisierungen und verallgemeinerungen - also zu wenig platz für individualität, zu wenig reflexion in form von mitgehen und spiegeln - aufgrunddessen der therapeut mit seinen eigenen katastrophen in berührung kommt und plötzlich in seinem eigenen muster schwingt, desinteresse, und wie schon gesagt, das schlimmste war die emotionale erpressung. Diagnosen sind schlimm und unnötig meiner meinung nach - und die vorgabe einer geschätzten therapiedauer finde ich auch schlimm. finde ich auch nicht unbedingt nötig. macht bloß unbehagen und es ist gar nicht gesagt wie lange es braucht, denn wirklich empirisch ist diese wissenschaft ja nicht.


was ich bisher als positiv erfahren habe:

sehr gute spiegelreflexion und das erkennen einer jeden einzelnen gefühlsregung die soeben passiert ist. das dauert zwar alles etwas länger, es übersieht aber nichts. alles kommt dran, nichts wird ausgelassen. jede regung wird wahrgenommen und ernst genommen. toll.
dann: sokratische fragen erlebe ich als sehr gut. offenheit, offenheit, offenheit. ein freier geist der gegenüber sitzt und nicht bewertet. ein therapeut der nicht nur nach einer schule therapiert sondern erweiterte ansätze bietet.
ein therapeut der auch mal ein paar minuten länger macht wenn es das gerade braucht und nicht mitten in der spannendsten phase abbricht weil 45 min um sind und weil 90 euro eh so wenig geld sind.
also die empathie ist besonders wichtig und daß der therapeut nicht in seine eigenen katastrophen rutscht und dann den spieß umdreht plötzlich auch patient ist und ich als patient plötzlich der feind bin der dann erpreßt oder manipuliert werden muß, und vor allem auch dann noch entwertet. brrrrrrrr***

für mich ist es fakt, daß es in jeder berufssparte nur wenige kapazunder gibt, der rest ist so mittel und viele sind auch ganz schlecht. so wie in jeder sparte ist das bei den therapeuten auch so.



lg

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carö
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Beitrag Do., 27.11.2008, 15:12

hallo herr fellner,
Es macht mich stutzig, wenn ich lese, dass die Beschäftigung mit dem, was emotional zwischen TherapeutIn und KlientIn stattfindet, mehr und mehr Raum in den Sitzungen einnimmt, während die Beschäftigung mit dem eigentlichen Problem immer mehr in den Hintergrund tritt.
manche therapieformen arbeiten aber genau mit der emotionalen beziehung zwischen klient und therapeut .. z.B. die analytischen verfahren. sicher auch noch andere, mag mir jetzt aber darüber kein urteil erlauben.

ich selbst mache eine sog. klassische analyse und es gab viele emotionalen enttäuschungen meinerseits in der therapie. und es gab auch von seiten des therapeuten schwere zeiten, die er mit mir hatte, die ich aber glücklicherweise erst viel später in einer art rückschau mitbekommen habe und auch verstehen und verarbeiten konnte. natürlich darf es nicht bei diesen enttäuschungen bleiben, es muss auch gute zeiten des verstanden- und gehalten- und des sich-angenommen-fühlen geben. sonst wird es kaum weitergehen in so einer therapie.

aber ja, ich stimme ihnen zu, dass nur kuscheln und nur halten und nur bestätigen einen definitiv nicht weiterbringen wird ... auch wenn die stimmigkeit zwischen den beiden beteiligten beziehungspartnern in der therapie den wichtigsten rahmen bilden, um dissonanzen, konfrontationen, zeitweiliges sich unverstanden-fühlen auch zu tragen.

wenn es mal wieder schwer auszuhalten ist, ein kritisches feedback zu bekommen, dann hilft mir inzwischen, dass ich besser als früher sehen kann, dass es mich dazu bringen kann meinen blick zu erweitern, die welt da draussen differenzierter wahrzunehmen, über meine eigenen wahrnehmungsgrenzen hinauszugehen...
mir fallen dann oft so "banale" sätze ein: kritik übt man nur ein freunden oder feed-back ist ein geschenk! das hilft mir, wenn das kuschelbedürfnis stärker wird, als der austausch zwischen zwei getrennten individuen, die nicht immer auf gleicher wellenlänge sind (und selbstverständlich nicht sein können und müssen).

ich glaube das derartige ent - täuschungen zwangsläufig auch ein teil der therapie sein müssen, weil man ja oftmals mit überhohen erwartungen, wünschen etc. in eine therapie kommt und erst auch lernen muss, dass einem gegenüber "nur" (eher zum glück) ein mensch sitzt, der zwar fachwissen und hoffentlich die nötige emphatie besitzt, aber eben doch kein guru, kein heiler, kein zauberer ist, der alles auffangen kann, alle wünsche erfüllen kann, alles wieder gutmachen kann. sicherlich gehen nicht alle klienten und patienten mit so einer haltung heran, aber es gibt eben solche, die das tun. und so ungewöhnlich oder selten scheint das ja nicht zu sein.

diese zeiten der enttäuschung auszuhalten (und hier ist sicherlich auch der therapeut gefordert, das zu bearbeitende aushaltbar zu machen bzw. dazu hilfestellung zu geben) und sie ausreichend zu be- und zu verarbeiten halte ich als einen wesentliche teil auf dem wege dahin, miteinander wirklich ins gespräch zu kommen... viele der sog. "eigentlichen" themen lösen sich im zuge der beziehungsklärung. das ist zumindest meine erfahrung im rahmen einer analytischen therapie... bzw. ist ein tragfähiger boden, der nicht allzuviele täuschungen über das miteinander in sich trägt m.E. die voraussetzung, um über die "eigentlichen themen" sprechen zu könne und sie zu verarbeiten....
das wird glaube ich oft vernachlässigt, deswegen brennen m.E. diese nicht verarbeiteten enttäuschungen manchmal noch im nachhinein so sehr.

ob diese enttäuschtungs-threads sich hier derzeit häufen, kann ich nicht so recht beurteilen. ich glaube eher das das so wellen sind.

viele grüße

caro
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Aditi
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Beitrag Do., 27.11.2008, 16:55

caro hat geschrieben:manche therapieformen arbeiten aber genau mit der emotionalen beziehung zwischen klient und therapeut .. z.B. die analytischen verfahren. sicher auch noch andere, mag mir jetzt aber darüber kein urteil erlauben.

ich selbst mache eine sog. klassische analyse und es gab viele emotionalen enttäuschungen meinerseits in der therapie.

aber ja, ich stimme ihnen zu, dass nur kuscheln und nur halten und nur bestätigen einen definitiv nicht weiterbringen wird ... auch wenn die stimmigkeit zwischen den beiden beteiligten beziehungspartnern in der therapie den wichtigsten rahmen bilden, um dissonanzen, konfrontationen, zeitweiliges sich unverstanden-fühlen auch zu tragen.
@all
wenn ich das hier und die obigen threads lese, da entsteht bei mir der eindruck, dass ich eine tolle therapeutin habe - ja, ich weiss, meine ist gut!

ich mache eine sogenannte klassische analyse. mir war bislang gar nicht bewusst, dass es hier um bewusste emotionale beziehung geht. und würde meine therapeutin versuchen zu kuschlen, oder nur zu halten oder nur zu bestätigen, hätte ich sofort das weite gesucht!!
ich sehe es für mich so: therapie ist eine bezahlte beziehung! indem ich mir dieser tatsache bewusst bin, schütze ich mich davor in emotionale verstrickungen mit meiner therapeutin zu gelangen. es ist ihr job, mich zu begleiten, zu unterstützen, mir neue wege aufzuzeigen. gehen muss ich den weg sowieso selber. sie ist weder mutter, vater, freundin, geliebte, beschützerin ect. für mich. sie vermittelt mir, wie es sein hätte können, wäre ich als kind beschützt, geliebt, anerkannt und wertgeschätzt worden und hilft mir dabei, mich JETZT selber zu lieben, zu schützen, anzuerkennen, wertzuschätzen.

"arbeiten" muss ich schon selber an MIR! das kann mir keine therapeutin abnehmen.

mlg
aditi

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Aditi
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Beitrag Do., 27.11.2008, 17:14

R.L.Fellner hat geschrieben: Was mich zur Frage - speziell an jene von Ihnen gerichtet, die bereits erfolgreich eine Psychotherapie abgeschlossen haben oder zumindest positive, stärkende Erfahrungen dadurch gemacht haben - bringt: was war denn rückblickend für Sie besonders wichtig? Wie ging es Ihnen mit dem schwierigen Gleichgewicht zwischen emotionaler Nähe und schützender Distanz?
Liebe Grüße,
Richard L. Fellner
um darauf noch einzugehen.
die fakten meinerseits: als ich mich entschloss, therapie zu machen, waren meine körperlichen beschwerden bereits so heftig, dass ich immerhin "schul-ärzte" konsultierte und deren salben, tabletten wirkungslos waren. der leidensdruck war also groß genug. damals dachte ich, ich gehe in maximal 10 sitzungen und bin "geheilt".
seit 6 jahren bin ich nun bereits in therapie und ich kann von mir sagen, es ist ganz unglaublich, wie viel sich seither verändert hat. meine körperlichen beschwerden sind vollkommen verschwunden. mein gefühl für mich selbst wird immer besser. ich habe einen neuen job (mit 52 jahren) erlernt (die ängste davor und während dessen waren unglaublich). ich bin meiner selbst sicherer geworden und gehe mutig und interessiert veränderungen an.
alles das wäre ohne gute therapeutische begleitung, da bin ich mir sicher, nicht möglich gewesen.
genauso sicher bin ich mir allerdings auch, dass die therapeutische begleitung ALLEIN dafür zu wenig gewesen wäre. ich besuche seit 7 jahren eine GUTE selbsthilfegruppe und ich lese viel und bin bereit an MIR zu arbeiten. die/der beste thera ist zum scheitern verurteilt, denke ich, wenn der klient nicht bereit ist, an sich zu arbeiten und die notwendigkeit dessen nicht erkennt.
und die notwendigkeit erkennt man oft erst dann, wenn der leidensdruck groß genug ist.

mlg
aditi

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today
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Beitrag Do., 27.11.2008, 17:19

Es macht mich stutzig, wenn ich lese, dass die Beschäftigung mit dem, was emotional zwischen TherapeutIn und KlientIn stattfindet, mehr und mehr Raum in den Sitzungen einnimmt, während die Beschäftigung mit dem eigentlichen Problem immer mehr in den Hintergrund tritt.
Kommt drauf an, was das eigentliche Problem ist.
Ab und an ist wohl der Therapeut, so als Stellvertreter fürs Zwischenmenschliche.

Bei mir auch. Tapete kann ich schon selber aussuchen.
Aber war ein langer Weg, bis er aufgehört hat, auf irgendwelche "eigentlichen Probleme" zu fokussieren.
Irgendwann hab ich gesagt, ich denk mir keine Therapieziele mehr aus. Und damit keine "eigentlichen Probleme".

Manche Wege entstehen beim Gehen.
Es geht mir jetzt gut mit ihm.
und tschüss, das ist mir zu viel wortzensur hier

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