viele Jahre Gewalt und Missbrauch - aber keine Folgen

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Alhambra
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viele Jahre Gewalt und Missbrauch - aber keine Folgen

Beitrag Mo., 13.10.2008, 16:33

Hallo Forum,

ich würde gerne Mal ein paar Erfahrungen am anderen 'Pol' der Möglichkeiten, wie sich so eine Seele verhalten kann, austauschen.
Wie viele Leute hier im Forum habe auch ich als Kind und Jugendliche schwere körperliche und sexuelle Misshandlungen erlebt. Ich habe auch einige körperliche Schäden davongetragen, die ich leider mein Leben lang behalten werde. Mit 24 ist es mir gelungen, mich von meinem Vater und den anderen Beteiligten radikal abzuschotten und zum Teil auch strafrechtlich erfolgreich zu sein.

Heute ist es so, dass es mir vollkommen gut geht. Natürlich hatte ich auch viele verzweifelte Zeiten, ging in Hoffnungslosigkeit auf und habe mir nicht vorstellen können, wie die Welt sich jemals ändern könnte. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass mir davon irgendetwas Dunkles, Ungreifbares geblieben ist. Wenn ich hier und da an schlimme Episoden zurückdenke, dann ist das schon auch belastend, aber ich kann auch wieder aufhören, daran zu denken und habe nicht das Gefühl, dass das irgendwie mein Leben dominiert. Ich habe auch viel gelernt in all den jahren, über mich selbst und auch andere Menschen. Das sind auch Entwicklungsschritte in Bezug auf mich selbst, die ich nicht missen will. Heute bin ich verheiratet, habe ein Kind, das zweite ist in Planung, wir bauen ein Häuschen im Grünen...

Nun ist es so, dass ich nie eine Therapie gemacht habe; ich hatte immer und habe auch heute gute Freunde, mit denen ich reden konnte/kann, was auch immer wieder mal hilfreich ist, aber eigentlich gar nicht so oft notwendig. Mir geht es rundum gut und manchmal komme ich mir eben dadurch irgendwie total komisch und unwirklich vor, als wäre da irgendetwas verkehrt gelaufen...dann höre ich in mich hinein, ob da noch irgend etwas schlummert, was ich nicht bemerke. Aber da finde ich nichts - es geht mir einfach gut.
Wem geht es wie mir? Wer von euch kennt das? Ich würde mich sehr freuen, von anderen Leuten zu hören, die mit schlimmen Erfahrungen ganz zufrieden leben können. Wie geht es euch damit? Kommt ihr euch auch komisch vor?

Viele Grüße
Alhambra

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Aditi
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 18:01

hallo alhambra,
viele Jahre Gewalt und Missbrauch - aber keine Folgen
nicht nur die formulierung deines threads finde ich interessant, sondern dein ganzes post. das wort "aber" ist, was ich so interessant finde. kaum einer, der es nicht sorgsam pflegt. kennst du die wirkung von "aber"? ein weiser mann sagte mal: "alles, was vor aber steht, ist eine lüge." nun, so dramatisch würde ich es nicht ausdrücken. allerdings ist es mir bis heute nicht gelungen, diese behauptung zu widerlegen. nicht, dass es nicht wahr wäre, was wir vor aber sagen. wir nehmen es nur nicht mehr wirklich wahr. was dem aber folgt, fügt der wahrheit nicht, wie wir glauben, noch mehr wahrheit hinzu, sondern löscht sie aus.
und so fragte ich mich zuerst auch: was tust du in einem psycho-forum, wenn es dir soooo gut geht? niemals bin ich, als ich noch "unbewusst" und "verdrängend" auf diesem planeten unterwegs war - es mir also rundum scheinbar gut ging - auf die idee gekommen nach einem psychoforum ausschau zu halten.
Mir geht es rundum gut und manchmal komme ich mir eben dadurch irgendwie total komisch und unwirklich vor, als wäre da irgendetwas verkehrt gelaufen...dann höre ich in mich hinein, ob da noch irgend etwas schlummert, was ich nicht bemerke. Aber da finde ich nichts - es geht mir einfach gut.
was hindert dich daran, die tatsache, dass es dir rundum gut geht einfach zu genießen? was genau fühlt sich komisch an?
Ich würde mich sehr freuen, von anderen Leuten zu hören, die mit schlimmen Erfahrungen ganz zufrieden leben können. Wie geht es euch damit? Kommt ihr euch auch komisch vor?
hm! ich lebe inzwischen mit meinen schlimmen erfahrungen auch sehr gut. das heisst, sie haben nicht mehr die macht über mich, die sie mal hatten. der unterschied: ich komme mir nicht komisch vor.

mlg
aditi

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Alhambra
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Beitrag Mo., 13.10.2008, 22:05

Liebe Aditi,

jetzt habe ich eine ganze Weile über Deine Einwände zu meinem 'Aber' nachgedacht - es fällt mir aber etwas schwer, zu verstehen, was Du mir damit sagen willst. Wenn "alles vor dem Aber eine Lüge" ist, dann hieße das, meine Vergangenheit ist eine Lüge. Ich nehme jetzt mal nicht an, dass Du mir das unterstellst. Wahrscheinlich willst Du eher sagen, dass 'keine Folgen' eine Lüge (oder weniger wahr oder wahrheitsumkehrend, wie Du schreibst) ist. Wenn Du das meinst, dann würde mich das schon sehr interessieren, wie Du auf diesen Gedanken kommst - jetzt weniger auf Basis eines Spruches, sondern mehr auf Basis dessen, was Dich an meinem Posting darauf bringt, meine Aussage im Titel anzuzweifeln. Das wäre ja eigentlich das, womit ich mich gerne auseinandersetzen möchte.
Ich habe einfach versucht, gemäß den Forenregeln einen aussagekräftigen Titel zu wählen, der den Leuten, die die Übersicht sehen, ungefähr andeutet, um welche Themen es in diesem Thread gehen soll. Und um kurz bei der Wort-Deuterei zu bleiben: ich glaube schon, dass das Wörtchen 'aber' eine ganz sinnvolle Sache in unserer Sprache ist, da es in uns Menschen doch viele widersprüchliche Sachen gibt, die eben durchaus gleichzeitig wahr sein können. "Ich will ins Kino, aber habe keine Lust, aus dem Haus zu gehen." "Ich liebe Dich, aber will heute Abend lieber allein sein." usw.
So ist es eben auch bei mir mit dem wohl fühlen und dem komisch fühlen. Einerseits fühle ich mich gut, habe keine Flashbacks, keine Ängste oder Magersucht, keine Dissoziationen und was all die vielen anderen Betroffenen hier im Forum so erzählen. Ich genieße mein Leben sehr und finde viele schöne Dinge in der Gegenwart. Auf der anderen Seite oder gleichzeitig oder 'aber' ist es dabei so, dass ich mich darüber wundere. Wenn ich die Probleme lese, mit denen Andere zu kämpfen haben, dann frage ich mich, warum das bei mir nicht so ist. Und - ja, natürlich frage ich mich auch, ob mich irgendwann das treffen wird, was Du als "unbewusst" und "verdrängend" beschreibst, ob ich also eines Tages auf einmal aufwache und alles über mich hereinbricht. Ich weiß nicht, wie ich es besser beschreiben soll, als dass es sich sehr komisch anfühlt, sich dies selbst und (soweit ich das selbst beurteilen kann) durchaus ehrlich zu fragen, aber dabei immer zu dem Schluss zu kommen, dass ich nicht glaube, dass ich etwas verdränge, dass ich mich so, wie ich es fühle, schon darauf verlassen kann, dass es mir wirklich gut geht.
Ich bin ja auch ein völlig normaler Mensch, so wie alle anderen auch, habe nichts besonderes getan oder nicht getan…so dass ich mich eben einfach frage, wie das sein kann, dass ich von solchen psychischen Folgen, wie sie hier beschrieben werden, verschont geblieben bin. Das lässt mich gewissermaßen vielleicht genauso an mir selbst zweifeln, wie jemand anderen die Tatsache, dass es ihm schlecht geht.
Dazu kommen dann auch die Vorstellungen, die von meiner Familie oder Bekannten immer wieder an mich herangetragen werden – ‚du musst doch total durch sein’, ‚du brauchst dich doch nicht so zusammenreißen, wir wissen ja, was dir passiert ist’ , ‚du solltest mal eine Therapie machen, um die Geschichte aufzuarbeiten’,… Oder aber die erschrockenen Blicke und das plötzliche Schweigen, wenn sich Leute über Gewalt (z.B. eine Geschichte in den Nachrichten) unterhalten und ich dazu komme. Ich sage ihnen, ihr könnt ganz normal mit mir über solche Dinge reden, aber da bleibt dennoch immer diese sicher sehr lieb gemeinte Rücksicht, die aber mit der Dauer bei mir dazu führt, dass ich mein Gefühl, dass mit mir alles ok ist, irgendwie in Frage stelle.
Und alles das ist eben der Grund, warum ich in diesem Psychotherapie-Forum gelandet bin: ich suche Leute zum Austausch, die Ähnliches erlebt haben, die mir ihre Sicht erzählen und sich mit mir darüber unterhalten. Es ist ja eben gerade nicht so, dass ich diese Themen meide oder verdränge und wenn ich auch keine Flashbacks habe, dann habe ich doch verschiedene Fragen im Kopf oder Unklarheiten, über die ich eben gerne andere Meinungen hören würde. In diesem Sinne war das ja auch schon ein guter Anfang mit Deinem Kommentar. Du bist immerhin schon zwanzig Jahre älter als ich und weißt sicher mehr darüber, wie sich so eine Erfahrung von Gewalt über ein ganzes Leben hinweg entwickelt – und was ich also von meinem jetzigen Befinden halten oder nicht halten soll/darf.

Viele Grüße!
Alhambra

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murmeltier
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Beitrag Di., 14.10.2008, 07:42

Liebe Alhambra!

Ich kann ein bisschen nachvollziehen, was Du meinst. Obwohl ich die Problematik nicht so ganz verstehen kann. Auch mir ging es viele Jahre nach dem ich Schreckliches erlebt habe sehr gut. Wobei es schon immer Situationen gab in denen ich meine Anspannung gemerkt habe. Aber meinen Alltag hat das nicht beeinflusst. Vielmehr hatte ich manchmal das Gefühl, dass es mir besser ginge als vielen anderen (ich wußte ja, wie der "Schrecken" des Lebens ausschauen kann).

Ich hoffe, dass Dir Folgendes weiterhilft:
Es gibt Menschen mit viel "Widerstandskraft". Es gibt also auch immer wieder Menschen, die ein Trauma erleben und daran nicht psychisch erkranken. Das kann viele Gründe haben: Ein gutes soziales Netzwerk, gute Bewältigungsstrategien, eben die eigene Widerstandskraft etc. Im Umkehrschluss heißt das natürlich nicht, dass Personen mit Traumafolgestörungen "selber Schuld sind". Gewissermaßen kannst Du Dich, wenn dies bei Dir der Fall ist einfach darüber freuen. Du oder Dein Umfeld hast / haben zum richtigen Zeitpunkt das richtige getan. Es muss nicht sein, dass Du jemals unter den Folgen dieser schlimmen Vergangenheit leider wirst.

Dennoch kann es sein, dass Dich irgendwann die Vergangenheit einholt. Das kannst Du vorher nicht absehen und wahrscheinlich auch kaum vermeiden. Es bringt aber auch nichts sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Tanke im hier und jetzt Kraft. Und wenn es eines Tages so weit ist, dass Dich Deine Vergangenheit einholt (so war es bei mir), dann wird Dir diese Kraft weiterhelfen. Ich denke, Du solltest vermeiden zu sehr darüber zu grübeln, ob es Dir jetzt eigentlich schlecht gehen müsste. Du schreibst, dass Du ein Kind hast und ein weiteres geplant ist. Gerade solche Umstände erhöhen die "Widerstandskraft".

Ich hoffe, ich konnte Dir ein bisschen weiterhelfen.
Liebe grüße
murmeltier

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Hope67
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Beitrag Di., 14.10.2008, 08:16

Hallo Alhambra

es ist meines Erachtens nicht so einfach Dir etwas zu schreiben, ohne nicht auf das Thema zu kommen, das es Dich ja vielleicht doch irgendwann einholen könnte. Auf welchen Weg sollten wir (die ja nun leider eingeholt wurden und die Probleme haben, von denen Du nicht belastet bist) Dich bringen? Für mich gab es auch eine ganz "normale" Zeit vor der Erinnerung.
Schöner und wünschenswert wäre es, wenn sich hier in diesem Thread Leute finden und melden würden, denen es genauso geht wie Dir.
Mach Dir nicht so viele Gedanken darüber, denn man könnte es vielleicht regelrecht heranreden ....
Ich freue mich für Dich, das es Dir so gut geht und bin fast ein bisschen neidisch

Es grüsst Dich
Hope ^^

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Alhambra
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Beitrag Di., 14.10.2008, 09:49

Liebes Murmeltier, doch, Deine Antwort hilft mir tatsächlich sehr weiter. Ich hatte einfach bislang nie Kontakt zu Leuten, die ähnliche Gewalt-und Missbrauchserfahrungen gemacht haben, wie ich. Daher habe ich keinen Maßstab oder Vergleich dafür, wie es einem gehen ‚müsste‘. Gerade deshalb hilft es mir, dass Du schreibst, dass es einfach Leute gibt, die nicht so sehr davon beeinträchtigt sind. Und es hilft auch, zu lesen, dass ich das Deiner Meinung nach nicht vorhersehen kann.
Auch was Du schreibst, Hope, trifft eigentlich genau mein Problem. Gerade in diesem Forum wünsche ich mir ja eben nicht, dass um die Frage, ob mich das irgendwann doch einholen wird, drum herum geredet wird. Weil mich dies beschäftigt und ich keine Anhaltspunkte habe, das einzuschätzen, poste ich ja hier und wünsche mir ein paar ehrliche Antworten von unterschiedlichen Leuten (die vor allem mich nicht kennen und mich daher nicht mit ihrer Aussage gleich in irgendeine Richtung bewegen wollen). Du hattest auch eine ‚normale Zeit‘, wie Du sagst, und dann bekamst Du doch Probleme. Ich wüsste natürlich liebend gerne, woran ich das vorher merken könnte, wenn sich so eine Veränderung anbahnt – gleichzeitig entspannt es mich aber auch, wenn Murmeltier sagt, man kann es nicht vorhersehen.
Es ist einfach so, dass seit den letzten 1,5 Jahren, seit meine Tochter da ist und das zweite Kind bald folgen soll, der äußere Druck auf mich gewaltig wächst. Durch die Verhandlungen ist meine Geschichte ziemlich ‚öffentlich‘ und mein Umfeld (nicht mein Mann und meine engeren Freunde) scheint mir andauernd bedeuten zu wollen, dass ich das alles unbedingt ‚aufarbeiten‘ muss, dass es mir zwar jetzt vielleicht gut geht, dass das aber nie so bleiben kann, dass ich das meiner Familie schuldig bin und und und… Ich habe dafür schon ein offenes Ohr, denn auch ich selbst will natürlich nicht, dass ich für meine Kinder und meinen Mann einmal zur Belastung werde. Aber gleichzeitig fühle ich mich eben einfach überhaupt nicht so, wie scheinbar alle denken, dass ich es müsste.
Ihr beiden habt schon recht, das Grübeln ist sicherlich nicht hilfreich und vielleicht mache ich es mir gerade selbst schwer dadurch. Ich habe das ja auch die längste Zeit nicht gemacht, aber in letzter Zeit kommt es mir mehr und mehr so vor, als würde mir einfach niemand meine Selbsteinschätzung, so, wie ich sie habe, zugestehen. Und das sind dennoch alles Leute, die es gut mit mir meinen, weshalb ich ihre Sicht auch nicht ignorieren will. Es verunsichert mich alles sehr.
Deshalb hilft mir jeder Kommentar hier weiter, egal, ob von Leuten, denen es ebenso geht, wie mir, oder von solchen, die Probleme haben, oder von solchen, die nie welche hatten, jetzt aber doch…
Also vielen lieben Dank nochmal!
Alhambra

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Hope67
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Beitrag Di., 14.10.2008, 12:49

weisst Du was mir gerade einfiel? Vielleicht ist es ja schon eine Art Verarbeitung wenn man anzeigt und eine Verhandlung und eine Verurteilung erfolgt sind. Das ist der Schritt zu dem viele von uns keinen Mut hatten.

Meint Ihr, es könnte daran liegen?

Noch einmal zu dem vormals "normal" ... seit ich denken kann war ich eigentlich noch nie so ganz normal. Da mir das Urvertrauen gänzlich fehlt(e) habe ich mich selbst als Kind "anders" durchs Leben bewegt. Meine Vorsichtsmaßnahmen und selbstgebauten Regeln hatte ich eigentlich schon seitdem ich denken kann. Der MB fing bei mir (recherchierterweise) so ungefähr mit 4 an. Da war es wohl allerdings nicht mein Vater sondern sein Chef. Nunja... mein Vater hat mir dann (nebst einigen Männern wo ich wohl hingebracht wurde) den Rest gegeben.
Frei von meinen Regeln war ich noch nie. Und dank meiner guten Therapeuten kann ich einige Dinge schon weglassen um mich sicher zu fühlen. Und Liebe kann ich mittlerweile auch annehmen. Das schlimmste ist: es merkt mir niemand von aussen an wie ich mich innen anfühle. Alle die mich kennenlernen oder mich durchs Leben begleiten finden mich taff, selbstbewusst und stark. Ganz normal eben. Viele fragen sich, warum ich Rente beziehe und nennen mich Sozialschmarotzer. Gut, das ich das meistens wegdrücken kann in eine meiner Kisten
Alhambra... war auch während Deiner Kindheit alles normal - also von der Wohlfühlseite - und hast Du immer gewusst was mit Dir gemacht wurde? Vielleicht hattest Du es in einem Deiner Beiträge ja schon erwähnt und ich es überlesen. Hattest Du verdrängt oder war es Dir immer bewusst? War jedenfalls Deine Mutter eine gute Mutter und lieb zu Dir? So viele Fragen ... aber die Antworten interessieren mich

Gruss
Hope

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Alhambra
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Beitrag Di., 14.10.2008, 15:04

Liebe Hope,
mit der Vermutung zur Verdrängung magst Du richtig liegen – denn ich war mir im Gegensatz zu Dir meiner Situation tatsächlich die meiste Zeit über bewusst. Ich wurde von 6 Jahren an missbraucht, wie Du vom Vater sowie weiteren Männern, denen er mich gegeben hat. Ganz am Anfang habe ich das noch nicht einordnen können, aber vielleicht so mit 7/8 dann schon und somit auch rückwirkend für die beiden Jahre vorher. Ich wusste daher, was mit mir geschieht und es war auch nie irgendwie ‚liebevoll‘ und daher für mich nicht verwirrend (abgesehen von der generellen Erklärungsnot, die ich als Kind natürlich schon auch hatte). Mit 11 bekam ich meine Periode und dann hörte das auf. Allerdings war der Missbrauch bei mir die ganze Zeit begleitet von massiver körperlicher Gewalt, die nach dem Ende der sexuellen Übergriffe noch verstärkt wurde. Später stellte sich heraus, dass das Geschehen ziemlich tief in Kinderpornografie-Kreise verwickelt war und damit erklärten sich auch die weiteren zehn Jahre, in denen ich durch meinen Vater und andere Männer dauerhaft körperlich so erledigt wurde, dass ich keinen Funken Kraft gehabt hätte, irgendwie gegen sie tätig zu werden. Ich war mit dem reinen Überleben beschäftigt. Außerdem gab es auch bei mir die Drohungen gegen mein Leben und das meiner Mutter und Geschwister und natürlich habe auch ich das geglaubt. Mit dieser ‚Blitzlicht-Zusammenfassung‘ will ich Dir Deine Frage beantworten, ob ich je alles vergessen hatte: Nein, nie, es war immer präsent, ich hatte nie ein Pause – aber von daher auch viel, viel Zeit, um mich während des Heranwachsens damit auseinanderzusetzen. Deshalb hat mich nie so ein ‚plötzliches Erwachen‘ getroffen, wie viele von den Forumsmitgliedern es hier beschreiben. Ich stelle mir das grausig vor.
Zu Deiner Frage nach meiner Mutter: ich glaube, sie hat sich sehr um uns bemüht. Sie hat uns viel ermöglicht, viel für uns organisiert und getan. Aber sie ist von ihrer Art her ein sehr kühler, nicht einfühlsamer Mensch, so dass sich die Interaktion von uns Kindern mit ihr mehr auf die ‚Logistik des Alltags‘ bezog, nicht auf emotionale Nähe. Die Rolle der Zuwendung und des Interesses habe ich in der Familie übernommen – das war wohl eine kranke Struktur, aber auch diese hatte für mich ganz klar den Wert, dass ich gebraucht und geliebt wurde (von meinen Geschwistern und auch von meiner Mutter, für die ich auch die Sorgenanlaufstelle war, als mein Vater dann später fremd ging usw.). Ich fühlte mich dieser Hinsicht, also zwischenmenschliche Zuwendung, sehr kompetent und bestätigt und damit auch wertvoll. Das hat mich glaube ich, so verschroben es in sich war, davor geschützt, die von meines Vaters Seite demonstrierte Wertlosigkeit nicht so ganz anzunehmen.
Schließlich war es auch die Verwicklung meiner Mutter in die ganze Sache, die mich dazu bewegt hat, endlich mit aller Kraft um mich zu strampeln – nicht etwa irgendeine Veränderung im Verhalten meines Vaters. Es gab einen Angriff auf mich, an dessen Folgen ich beinahe gestorben wäre und dabei liefen Dinge ab, die absolut nur dadurch erklärbar waren, dass meine Mutter involviert war. Dieses ganze Prozedere mit Anzeige und Prozess usw. war daher weniger eine Veranstaltung, in der ich danach suchte, die Dinge zu verarbeiten – sondern reiner Selbstschutz an dem Punkt, als ich erkannt habe, jetzt steht es kurz vor knapp. Das war nämlich alles sehr, sehr anstrengend und belastend und ich weiß nicht, ob sowas, wenn es einem schon sehr schlecht geht, wirklich als Verarbeitung taugt.
Wie war das denn bei Dir mit Deiner Mutter? Hat sie Dich gestützt? Gab es irgendeine Konf-rontation mit ihr/Geschwistern/den Tätern? Wissen die Leute um Dich herum von Deiner Geschichte? Hilft Dir das oder belastet es vielmehr? Auch ganz viele Fragen…;-)
Liebe Grüße!
Alhambra

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Hope67
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Beitrag Di., 14.10.2008, 22:54

Liebe Alhambra,
wir werden wohl nie herausfinden warum die einen verdrängen und die anderen in vollem Bewusstsein erleben.
Meine ältere Schwester ist leider auch betroffen, meine jüngere allerdings nicht. Ich habe damals sehr gut dafür sorgen können, sie zu schützen indem ich mich selbst "opferte". Meine Mutter ... hmmmm. Ich gebe offen zu das ich der Meinung bin, das sie es gewusst haben muss. Eine andere Möglichkeit gibt es eigentlich gar nicht. Das stört das heutige Verhältnis zu ihr eigentlich nicht, da ich noch nie ein Gutes zu ihr hatte. Also jedenfalls nicht so eines, wie Nichtmissbrauchte es eventuell haben. Ich selbst hatte die Kraft meinen Vater aus meinem Bett zu bitten als ich so ungefähr 16 war (meine Schwester hat er noch mit 21 "besucht" ) Leider sind auch meine relativ junge Tante und wohl (aus meiner vagen Erinnerung heraus) die Tochter eines bekannten Ehepaares mitbetroffen. Meine Tante hatte sich im Alter von so 16 Jahren meiner Mutter anvertraut und eigentlich nur geerntet, das sie ein vorpubertäres Früchtchen wäre, das doch schon als kleines Kind in meinen Vater verliebt war. Hat also auch nichts geholfen. Allesamt haben wir einen an der Waffel (um das mal mit den Worten einiger Familienangehöriger auszudrücken). Sie sind der Meinung, das "es" ja auch langsam mal wieder gut sein könnte und das es ja schon soooo lange her ist und mein Vater ja eigentlich ein gut situierter intelligenter Mensch wäre. Tja... und so schlägt man sich damit herum. Schlimm finde ich, das mein Selbstbewusstsein von meiner Mutter so sehr zerstört wurde. Ich war irgendwie immer nur ein Schwein, fett, gefrässig, konnte gucken wie ein Fisch und hab eigentlich täglich verbal und auch körperlich Schläge einstecken müssen. Ach ja .. .ich gehe wie ein Bauer Bis heute spielt meine Mutter das Spiel mit mir. Ich werde kleingemacht sobald ich Anzeichen von Grösse zeige. Mittlerweile überträgt sie das schon auf mein Kind. Er ist auch dämlich und wird bestimmt einmal schwul Was mich auch sehr ärgert ist, das sie zwischendrin mütterliche Anwandlungen zeigt und ich das aufsauge als wenn ich am verdursten wäre. Und dann trifft es mich wieder wie ein Hammer wenn sie mich "kalt erwischt".
Übrigens scheint es üblich zu sein uns einzuschüchtern wenn der MB aufhört. Das Jahr vor meinem Auszug (so 16 1/2) war echt heftig und ich hab ganz schön Kloppe einstecken müssen. Und jedesmal war ich so enttäuscht weil ich gar nicht wusste WARUM. Immer nach Liebe gebettelt und naiv in neue gefährliche Situationen geschleudert. Egal... ich bin ja nun schon gross
Jetzt ist mein Beitrag ein ziemliches Durcheinander geworden. Das tut mir leid.
Meine Freunde (wenn ich sie als solches bezeichne) wissen über mich Bescheid und manchmal verstehen sie auch meine "Krankheit".

ich wünsche Dir eine gute Nacht

Hope

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Mandy096
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Beitrag Di., 14.10.2008, 23:17

Hallo Alhambra!
Du schreibst hier über deine Erlebnisse, beschäftigtst dich damit. Darum denke ich, daß du es verarbeitest und nicht verdrängst. Und das ist gut so. Verdrängen macht krank.
Verdrängen tun Leute die sich nicht daran erinnern wollen. Weil das Unterbewußtsein weiß daß diese Erinnerungen schmerzen.
Ich denke in dem Moment wo du dir Gedanken darüber machst, verdrängst du nicht.
Man lernt nie aus...

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Alhambra
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Beitrag Mi., 15.10.2008, 12:01

Liebe Mandy,
vielen Dank für Deinen Kommentar - es ist echt erstaunlich, wie gut so eine kleine Bestätigung und Ermutigung tun kann!

Liebe Hope,
ich würde Dir gerne furchtbar viele Sachen zu Deinem letzten Post sagen, weil ich so viel darin wiedererkenne und mir eine Menge Gedanken dazu durch den Kopf gehen. Leider habe ich gerade nur eine kurze Mittagspause und muss weiter arbeiten - ich hoffe aber, ich komme heute Abend dazu!

Viele Grüße
Alhambra

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Alhambra
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Beitrag Do., 16.10.2008, 08:42

Liebe Hope,
Dein letzter Eintrag hat mich echt ziemlich geschockt – zum einen, weil ich so viele verkorkste Dinge in Deiner Tochter-Mutter-Beziehung wieder erkenne, zum anderen, weil Du darin noch so tief verstrickt zu sein scheinst…
Hope67 hat geschrieben:Meine Mutter ... hmmmm. Ich gebe offen zu das ich der Meinung bin, das sie es gewusst haben muss. Eine andere Möglichkeit gibt es eigentlich gar nicht.
Das glaube ich mal auch, dass es eine andere Möglichkeit nicht gibt, zumal Deine Tante sich ja an sie gewandt hat. Dein Vater hat euch jahrelang sexuell misshandelt, wahrscheinlich ein paar Zimmer neben ihrem Ehebett, dann noch Deine Tante und ein weiteres Mädchen... das muss sie gewusst haben.
Weißt Du, ich persönlich, nunmehr als erwachsene Frau, finde es inzwischen unerheblich, ob meine Mutter es gewusst hat, oder nicht. Denn das Grübeln darüber hilft überhaupt nicht weiter - wenn sie es nicht mitgekriegt hat, war sie blind oder deppert und wenn doch, dann war sie selbst total verquer, da sie nichts dagegen unternommen hat. Aber das hat eigentlich mit den Problemen, die heute vorhanden sind, keinen konkreten Zusammenhang mehr. So himmelschreiend unfair das ist, das Päckchen hast nun Du zu tragen und das kann Dir keiner abnehmen. Und - zumindest bei mir war das so - solange man damit beschäftigt ist, sich solche Fragen zu stellen, reicht einfach die Energie nicht, um die tatsächlichen, momentan das Leben behindernden Probleme anzugehen.
Dies zu schaffen, sich zu sagen 'was auch immer damals los war, ich muss JETZT mein Leben in die Hand nehmen und für mich sorgen', hängt allerdings davon ab, dass Du Dich innerlich von ihr lossagen kannst. Und das scheint mir bei Dir das Problem zu sein. Du grübelst über ihre Rolle nach, sagst auch, Du hast kein gutes Verhältnis zu ihr, stellst (auch sehr eindrücklich) ihre Gemeinheiten dar - und wünschst Dir doch ihre Zuwendung.
Da frage ich mich, wünschst Du Dir wirklich IHRE Zuwendung oder mehr irgendeine mütterliche Zuwendung. Letzteres wäre sehr verständlich, ich glaube, diesen menschlich grundlegenden Wunsch kann man nie wegwischen. Aber Du projizierst ihn ja nach wie vor auf eine Person, wo es Dir überhaupt nicht gut tut.
Hope67 hat geschrieben:Schlimm finde ich, das mein Selbstbewusstsein von meiner Mutter so sehr zerstört wurde. Ich war irgendwie immer nur ein Schwein, fett, gefrässig, konnte gucken wie ein Fisch und hab eigentlich täglich verbal und auch körperlich Schläge einstecken müssen. Ach ja .. .ich gehe wie ein Bauer Bis heute spielt meine Mutter das Spiel mit mir. Ich werde kleingemacht sobald ich Anzeichen von Grösse zeige.
Dieses 'Spiel' kenne ich. Ich wurde zwar nicht kleingemacht, aber mein vergleichsweise geringes Engagement, den Kontakt zu ihr aufrecht zu erhalten, wurde ständig kritsiert, ich wurde emotional unter Druck gesetzt, indem sie die arme, vernachlässigte Mutter spielte, ich wurde gepesackt, womit sie das verdient hätte, wobei sie natürlich genau wusste, woher das kam und gleichzeitig genau wusste, dass ich das nie so direkt ihr ins Gesicht sagen würde (bis ich es irgendwann doch getan habe, dazu später). Das Schlimme ist, dass so eine kranke Dynamik nach außen hin total 'harmlos' aussieht, für Dich, wenn Du drin steckst und diese ganze Geschichte dahinter auf'm Buckel hast, ist das aber fatal.
(geht gleich weiter...)

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Alhambra
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Beitrag Do., 16.10.2008, 09:04

Ich will mal eine kleine Deutung anstellen in Bezug auf Deine Mutter. Ich kann natürlich daneben lieben, ist ja klar bei dem Informationsstand, den ich habe und weil ich euch nicht kenne. Aber die Dinge, die Du schreibst, deuten für mich einfach so sehr darauf hin, dass Deine Mutter hier tatsächlich ein für Dich ganz furchtbares Spielchen abzieht:
Ich behaupte mal, sie hat das sehr wohl gewusst, was Dein Vater mit Dir und den anderen macht. Wenn ich mich in sie hineinversetze, dann muss sie als Frau dadurch sehr gekränkt worden sein; als Mutter hätte sie natürlich entsetzt und unglaublich wütend sein müssen (und dann eben auch handeln müssen). Irgendwie hat bei ihr die Kränkung als Frau überwogen. 'Gut situiert' und 'intelligent' schreibst Du, klingt nach einer hübschen bürgerlichen Fassade, die sie wohl aufrecherhalten wollte. Vielleicht hatte sie keinen Mut, die Blicke auf sich zu ziehen, die Fragen zu beantworten, die Vorstellung zu ertragen, dass Andere denken könnten, sie hätte ihren Mann nicht befriedigen können usw. Aber dennoch muss ihr ja klar gewesen sein, dass das, was sie da geschehen lässt, ein unglaubliches Unrecht ist. Sie steckte also in einem großen Zwiespalt und ich frage mich: was tut man da?
Entweder man tut wirklich endlich tatkräftig etwas gegen das Unrecht. Wenn man das aus irgendwelchen Gründen nicht will, dann gibt es aber noch eine andere Möglichkeit, den Zwiespalt aufzulösen: man kann das Unrecht umdeuten. Ich glaube, das hat sie getan und das tut sie noch heute. Und zwar so: Du hast ihren Mann verführt, da konnte er gar nichts dafür, was soll ein Mann da tun, wenn da so junge Früchtchen daherkommen... DU bist also der Übeltäter. Wenn man sich aber diese Sichtweise selbst noch nicht so ganz abnehmen kann, dann muss man sie noch verstärken. Das ist es, was Deine Mutter tut, wenn ich mir Deine Aussagen so durchlese:
Hope67 hat geschrieben:Ich war irgendwie immer nur ein Schwein, fett, gefrässig, konnte gucken wie ein Fisch und hab eigentlich täglich verbal und auch körperlich Schläge einstecken müssen. Ach ja .. .ich gehe wie ein Bauer
Du seist fett und dämlich und ein Bauer - Du hast keine Menschenwürde - klar, so jemanden kann man ziemlich leicht als Übeltäter hinstellen. Ich kann in diesem Satz nichtmal wirklich herasulesen, ob das nun ihre Meinung über Dich ist oder Deine eigene; das hat sie sauber hingekriegt.
Liebe Hope, was um Himmels Willen lässt Du Dir da gefallen? Und dann auch noch Dein Sohn? Deine Mutter kennt keine Grenzen, sie überschreitet jede Barriere um sich ihre eigene Haut zu retten, die eigene, sich selbst schützenden Sichtweise zu bewahren und weiter auszubauen. Du warst schon ein Depp, und dass Dein Kind auch einer ist, beweist um so mehr, dass Du schon einer bist undsoweiterundsofort...
Oh wei, ich hoffe, ich rede nicht zu hart, ich will Dir auf keinen Fall weh tun. Ich kann mich bloß total in Dich hineinversetzen und Du tust mir wahnsinnig leid. Ich weiß, wie schwer es ist, sich aus dieser Sehnsucht nach Zuwendung zu lösen. Die wenige davon, die Du wahrscheinlich als Kind hier und da von ihr gekriegt hast, wog wahrscheinlich in diesen Situationen umso schwerer und deshalb verbindest Du jetzt damit, von ihr Zuwendung zu bekommen, so ein ganz starkes positives Gefühl. Aber glaub mir, sie ist die falsche Person dafür. Du lässt Dich fertigmachen für diese kleinen Gesten, lässt Dich in ihren Spinnweben immer weiter treiben.
ich sage nicht, dass Du sie verurteilen solltest oder sowas - aber Du solltest keine Rücksicht auf sie nehmen. Sie muss Dir für Deine eigene Genesung, für Dein Leben, emotional ein wenig gleichgültiger werden - so dass Du ihr das nächste Mal sagen kannst : "So lasse ich mich von Dir nicht behandeln. Und meinen Sohn auch nicht." Dann kannst Du Dein Kind packen und gehen und nur, wenn sie euch respektiert, dann kommst Du sie wieder besuchen. Du bist der Chef, nicht sie.

Ich könnte noch ewig weiterschreiben, weil ich mich so über diese abartigen Methoden aufrege. Aber ich lasses jetzt mal. Wir haben ja noch viele Gelegenheiten!
Viele Grüße und einen schönen Tag,
Alhambra

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thorn
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Beitrag Do., 16.10.2008, 10:29

Hi Alhambra,

mir ist das grundlegende "Phänomen", das du da beschreibst, schon mal untergekommen, auch wenn ich nicht weiß, ob du unsere Situationen vergleichbar findest.
Ich habe zwischen 18 u. 19 ca. ein halbes Jahr lang geritzt, trage die Narben davon immer noch auf meinem Arm. Meiner Therapeutin habe ich letztes Jahr mal die Frage gestellt, ob mich das nicht viel mehr schocken, mich traurig über mich selbst machen sollte, ob ich es nicht viel mehr bereuen sollte, als das der Fall ist. Ich fühlte mich im Vergleich zu anderen viiiieel zu relaxt bei dem Thema. Klar hatte ich früher auch so meine Schwierigkeiten, die sich allerdings größtenteils auf den Umgang mit den Narben bezogen, womit ich aber nach und nach besser klar kam. Mein Gefühl dem Ritzen an sich gegenüber schien allerdings nie so wirklich tief zu gehen, es war schon damals keine besonders große Sache für mich. Der Tenor beim Thema SVV ist ja oft so dieses "Wie kann man sich so etwas nur antun, wie sehr muss man sich selbst hassen, wenn man seinen eigenen Körper absichtlich verletzt?", und das war bei mir nie so wirklich da. Das machte mir Sorgen, weil ich dachte, ich würde an dem Punkt vielleicht nicht mal mehr spüren, wie schlimm es um mich steht. Für mich selbst hatte ich allerdings eine andere Erklärung: Dass das Ritzen für mich einfach eine andere Art des Umgangs mit meinen Problemen war, die eine Zeit lang gut funktioniert hat - auf der psychischen Ebene gab es bei mir Etliches, was viel destruktiver war und sich schlimmer anfühlte. Es fiel mir allerdings schwer, diese Erklärung "einfach so" - aus mir selbst heraus - gelten zu lassen. Auch ich horchte immer wieder mal in mich rein, um herauszufinden, ob da nicht doch irgendwas Verborgenes, Verdrängtes, Unverarbeitetes lauerte. Das tue ich nicht mehr, seit meine Thera mir mit der Frage antwortete, warum ich denn unbedingt aus einer Sache ein Problem machen wolle, die sich für mich gar nicht wie eines anfühlt? Sie sagte, wenn es für mich einfach nicht so ein riesen Ding sei, dann sähe sie keinen Grund, das anzuzweifeln. Das gab für mich den Ausschlag - die Legitimation von außen, von einer Person, der ich in dieser Hinsicht mehr vertraute als irgendwem sonst, weil sie ja schließlich der Profi war Seitdem ist der Keks für mich gegessen, ich traue meiner eigenen Wahrnehmung zu 100% und fühl mich rund und sicher und wohl damit.

Kann es sein, dass du das auch einfach nur brauchst - jemanden, der dir sagt, dass es okay ist, denn wieso auch nicht? So denn, auch wenn ich kein Profi bin: Es ist okay! Du darfst dich im Reinen mit dir fühlen, du darfst deiner Wahrnehmung trauen und einfach glücklich sein, du darfst autonom die Entscheidung treffen, dieser Sache weder eine geringere noch größere Bedeutung beizumessen, als sie deinem Gefühl nach hat.

Ist doch eigentlich komisch, dass wir nie nach Beweisen dafür suchen, dass unser schlechtes Gefühl echt ist, aber unsere guten Gefühle nur allzu leicht anzweifeln ...

Ich glaub eigentlich, dieses Phänomen hat viel damit zu tun, dass wir nun mal Herdentiere sind und der permanente Vergleich mit den Artgenossen wichtig ist fürs Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl. Denn auf gewisse Weise schwimmt man ja schon gegen den Strom, wird zum Einzelgänger, wenn man so ganz andere Erfahrungen gemacht oder Gefühle hat als die breite Masse. Was ja auch okay und lebensnotwendig ist - nur manchmal tut es einfach "besser", sich nur mit sich selbst abzugleichen. Für mich fühlt es sich jedenfalls viel richtiger und wichtiger an, mich an diesem Punkt allein auf mich zu verlassen - ich bin dadurch eins mit mir, und dieses Gefühl ist durch kein Gemeinschaftsgefühl der Welt zu übertreffen

Kannst du damit was anfangen?


LG,

thorn

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Beitrag Do., 16.10.2008, 19:44

liebe Alhambra,

1. bin ein bisschen betrunken, aber deswegen womöglich auch ehrlicher als sonst, aber auch rechtschreibfehler-anfällliger als sonst, als auch satzkonstruktions-schwerfälliger als sonst - bitte vergebt mir
2. mir sind ganz ehrlich die tränen aufgestiegen, als ich das von dir, als auch von hope gelesen hab..... tut mir leid, das is einfach ein pure 'menschliche' regung in mir.....und dagegen kommen mir meine probleme so richtig mickrig vor, fast nicht existent.....

so, mal das vorweg, obwohl ich noch nichtmal weiß, wie 'euch' das bis jetzt schmeckt...

liebe Alhambra, bei mir is es so, dass ich einfach viel so hinnehmen kann, wies passiert ist....im vergleich is das meines erachtens nach micky maus bei mir.....

ich kann dir nur folgendes sagen wies bei mir ist, aber nicht zwangsläufig bei wem anderen sein muss:
ich kann viele dinge einfach wegblenden und aktzeptieren,aber es gibt situation in welchen ich einfach unbewusst, unbeherrscht handle, weil viel von dem 'früheren' aufbricht....

würde ich mich nun in deine situation versetzt sehen, könnte ich dir sagen, was bei MIR zum absoluten BREAKDOWN führen könnte... wohlgemerkt nur bei MIR ... muss also demnach nciht bei jedem zwangsläufig sooo kommen, eh klar

die vorstellung (oder wenn es dem so wäre dann auch die tatsache) dass mein mann sich an meinen kindern 'vergreifen' würde, würde bei mir ALLES AUFBRECHEN...die bis dato geglaubte heilige, vertraute welt würde von einer sekunde auf die andere FALLEN...und ALLES von mir erlebte würde wieder hervortreten....

dh. ganz einfach im schluß: solange du womöglich nicht, mit einer dich wie auch immer aufwühlenden situation, konfrontiert wirst läuft alles SO WIE ES SEIN SOLL....

SCHWIERIG wird es meist nur dann ....., wenn situationen in dir UNBEWUSST erinnerungen wachrufen...und du 'automatisch' (wie auch immer) handelst ...

abgesehen von den einschätzungen, die ja nur aus MIR resultieren, kann ich dir nur sagen RESPEKT und GLÜCK UND ZUFRIEDENHEIT bis ans ende aller tage!

ganz ehrlich, das is einfach nur bewundernswert wie du damit umgehen kannst.

~ Du mußt tief in die Knie gehen, damit du hoch springen kannst ~

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