Unklare Perspektive von Traumatherapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Nebelsuppe
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Unklare Perspektive von Traumatherapie

Beitrag Sa., 31.08.2024, 18:27

Hola!

Ich versuch es möglichst ohne Ausschweifungen zu erklären, warum ich hier eine Frage aufgemacht habe.
Brauche aber leider ein Mindestmaß an Textvolumen und wäre froh, wenn sich das jemand durchlesen will für mich.

Hintergrund: Ich habe sehr viele Kindheits- und Jugendjahre in einer gewaltbetonten Umgebung verbracht, wo ich sehr vielen destruktiven Impulsen ausgesetzt war. Leider sehr langer Dauerzustand.

Mit der ersten richtigen Möglichkeit bin ich ausgezogen, um mich vom Umfeld zu entfernen und mein Leben leben zu dürfen.
Es hat locker insgesamt 10 Jahre gebraucht um mein Leben zu sortieren und von einer absolut in-mich-gekehrten und defensiven Lebensart in ein selbstbestimmtes Leben zu finden, das mich zufrieden macht!

Heute habe ich stabile Lebensbedingungen, eine schöne Wohnumgebung, ich mag Menschen und den Kontakt zu Menschen. Also das Gegenteil von dem ich gestartet bin und ich mag mein Leben (sehr). Ich wache gerne in der Früh auf und möchte mit niemandem mehr tauschen.

Weil ich für mich am gefühlsmäßigen Hochpunkt in meinem Leben bin, habe ich beschlossen mir den Scheißhaufen der Vergangenheit nochmal unter Begleitung anzusehen und hatte heute meine 3te Sitzung.

Therapie:
Mir persönlich ist eine Diagnostik relativ egal, aber langsam nagt die Vorgehensweise meiner Therapeutin sich in einer Diagnostik zu verbeißen sehr an meinem Nervenkostüm, was ich ihr heute mitgeteilt habe.

1. Sitzung: Diagnostik ist wichtig, aber das dauert, man kennt sich nicht
2. Sitzung: Diagnostik ist wichtig, Anpassungsstörung - medizinische Diagnostik nicht sinnvoll in dem Stadium
3. Sitzung: Nein, doch vielleicht eine Depression. Und medizinische Diagnostik schon sinnvoll. Test auf kombinierte Persönlichkeitsstörung (was bitte?)

1) Ich habe weder Motivations- noch Antriebsstörungen oder verringerten Lebenswillen. Ich ecke in meinem Umfeld nicht an, bin bei meinen Mitmenschen in den meisten Konstellation eine Vertrauensperson und mache zusätzliche Personalbetreuung in der Firma, weil ich gut mit Menschen kann und bin in der Regel der, der aktiv auf Leute zugeht, wenn es Ihnen schlecht geht. Unabhängig vom Umfeld. Und ich kann genauso meine Grenzen setzen. Approach anxiety habe ich auch nicht.

Mir wird hier ein Schuh angezogen, mit dem ich nicht zurechtkomme, weil ich die Talsohle meines Lebens lange Zeit durchschritten habe und weiß, was es heißt, wenn es einem schlecht geht - man kein Vertrauen hat - man leidet.
Und mein Leben ist heute ein anderes. Mir wird hier aber zunehmend eine Sichtweise aufgedrängt.

Heute kam :"In den Sitzungen kommt die Traurigkeit hervor, deshalb Depression".
... ich würge eigentlich alles negative von früher hoch, weil ich mir denke, das ist das Setting, wo es nunmal raus soll. Surprise - it´s not funny for me.
Und ich habe keine rechte Freude mit den eingestreuten Suggestivfragen in diese Richtung.

Zusätzlich heute: "Alle Gefühle müssen nach oben, alles hat seinen Platz in der Welt."
Das ist für mich, wie wenn ich einen Stein in einen Vulkan werfe. Aggression, Hass und Wut gehört nicht in meine Welt.
Und nachdem sie gefragt hat warum: Weil ich 20 Jahre Hass in mir habe, weil mein Leben weggeworfen wurde. Danach kam eine längere Trauerphase und heute akzeptiere ich es weitestgehend. Aber das Gefühl von ungelebtem Leben bleibt.

-> Perplexe Reaktion + Da brauchen wir eine medizinische Diagnostik, kombinierte Persönlichkeitsstörung.
Nächste Baustelle eröffnet...

Ich stehe jetzt aktuell an der Weggabelung: Was ist eigentlich mein persönlicher Benefit? Ich habe dieses Unterfangen aus dem Grund gestartet, um unter Begleitung anzusehen, ob ich mich in die richtige Richtung entwickelt habe.

Ich komme nicht wegen Leidensdruck, sondern weils mir rational als sinnvoll erscheint und ich es noch nie versucht habe.
Mein Ziel war es nicht, mich als Kombination verschiedener Krankheitszustände wahrzunehmen.

Ich bin auch fähig mein Ego zurückzustellen und Dinge anzunehmen - aber es kommt mir sehr vor, als würde sie einfach nur in der Nebelsuppe rühren und nach Faktoren suchen, die ihre Theorie bestätigen. Und der enorme Fokus auf Diagnostik in dem frühen Stadium ist für mich ein immenser Störfaktor und wirkt nach konfusem Herumraten.

Und ihre Ansicht - Trauma wird irgendwann ausgeheilt und dann ist es sehr wohl wieder gut.
-> Das gibt mir meine 20 verloreren Lebensjahr trotzdem nicht zurück. Und für mich fühlt es sich an, dass in mir hier eine massiv falsche Erwartungshaltung geschürt wird. Ich bin der Meinung, dass Trauer bleibt, aber man lernt anders damit umzugehen.

Deshalb bin ich eigentlich mittlerweile der Meinung -> Was mache ich hier bitte?
Ich denke mittlerweile, dass die Lösung hinter dem ganzen besteht, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen.

Eure Sichtweise? Die Therapeutin ist sicherlich sehr kompetent. Aber wie gesagt, ich tue mir etwas schwer mit ihr.

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DiemitdemHundgeht
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Beitrag Sa., 31.08.2024, 19:34

Fakt ist, dass sie, wenn das eine Therapie auf Kassenkosten ist, eine Diagnose braucht, damit das übernommen wird. Das könnte so wie du es schilderst bei dir in der Tat schwierig sein, denn dein Text klingt danach als hättest du aktuell keinerlei Probleme trotz deiner ungünstigen Vergangenheit. Ich denke du solltest in der der Tat nochmal überlegen, was genau du möchtest, denn bei irgendwas muss die Therapie dir helfen sollen, damit es eine Therapie sein kann.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 31.08.2024, 20:39

Das hört sich einfach nicht nach einer guten Therapie an. Ich würde weitersuchen.

Man hat ja erst mal probatorische Sitzungen um zu sehen ob es von beiden Seiten passt. Das scheint für dich bei diesem Therapeuten nicht gegeben zu sein.

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Nebelsuppe
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Beitrag Sa., 31.08.2024, 20:51

Das hätte ich insofern mit ihr bereits besprochen und ne Freigabe vom Allgemeinmediziner für die Behandlung einer Anpassungsstörung eingeholt, womit einige Monate Kostenübernahme abgedeckt sind. Habe allerdings auch angeboten diese Leistungen einfach vollständig privat zu zahlen (was sie nicht wollte).

Meine Motivation dahinter war blinde Flecken und ungesunde Glaubenssätze aufzudecken, die mich im Leben ggf. limitieren.
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen habe ich auf meine eigene Weise über die Jahre hinweg gemacht, begleitet durch die Sozialkontakte in meinem Leben. Ich finde seit längerer Zeit nichts mehr - deshalb hätte ich den therapeutischen Rahmen sehr zu schätzen gewusst um einen anderen, weiteren Blickwinkel zu bekommen.

Mittlerweile hätte ich den Eindruck bei einem Mentalcoach mit dem Anliegen besser aufgehoben wäre.
Ich würde mir eher verhaltensorientiertes feedback wünschen - dazu erhalte ich aber sehr/eher wenig. Vielleicht ist eine Traumatherapeutin trotz der naheliegenden Problemstellung nicht die richtige Ansprechperson oder es ist halt einfach ein mismatch.

Aber ich muss mir glaube ich selbst auch die Frage beantworten - was für einen benefit hat der bewusste Blick auf die Vergangenheit für mich? Die Re-Konfrontation damit wird mir immer weh tun - einfach weil ich heute auch das positive Gegenbeispiel von einem erfüllten Leben kenne und weiß, ich hatte es nicht. Ich kann damit emotional umgehen und die "einfache Lösung" wäre zu akzeptieren, dass es eben auch Dinge gibt, die einfach weh tun. Und das ist für mich auch okay.

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lisbeth
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Beitrag Sa., 31.08.2024, 21:28

Wenn du aktuell keinen Leidensdruck hast, dann ist Therapie ziemlich sicher nicht das Passende für dich. Das Anliegen was du beschreibst würde ich eher unter "Selbsterfahrung" oder - wie du auch sagst - Life Coaching suchen.
Therapie ist nicht ohne, es gibt auch Risiken und Nebenwirkungen - einfach nur zum Spaß sollte man sich das nicht geben.
Und du trägst zwar Narben mit dir herum, aber die scheinen nach deiner Beschreibung verheilt. Warum also solltest du jetzt anfangen, die wieder zu öffnen? Eine verheilte Wunde öffnet man dann, wenn da ein Entzündungsherd drunter ist. Du willst das jetzt aufschneiden, so wie ich dich verstehe, "für alle Fälle" - also falls da was sein sollte. Warum? Macht für mich keinen Sinn.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 31.08.2024, 22:14

Nebelsuppe hat geschrieben: Sa., 31.08.2024, 20:51
Mittlerweile hätte ich den Eindruck bei einem Mentalcoach mit dem Anliegen besser aufgehoben wäre.
Ich würde mir eher verhaltensorientiertes feedback wünschen - dazu erhalte ich aber sehr/eher wenig. Vielleicht ist eine Traumatherapeutin trotz der naheliegenden Problemstellung nicht die richtige Ansprechperson oder es ist halt einfach ein mismatch..

Es gibt auch verhaltenstherapeutisch orientierte Traumatherapie.

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chrysokoll
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Beitrag So., 01.09.2024, 09:16

Nebelsuppe hat geschrieben: Sa., 31.08.2024, 20:51
Mittlerweile hätte ich den Eindruck bei einem Mentalcoach mit dem Anliegen besser aufgehoben wäre.
Ich würde mir eher verhaltensorientiertes feedback wünschen - dazu erhalte ich aber sehr/eher wenig. Vielleicht ist eine Traumatherapeutin trotz der naheliegenden Problemstellung nicht die richtige Ansprechperson oder es ist halt einfach ein mismatch.
Was für eine Ausrichtung hat denn diese Therapeutin? "Traumatherapie" gibt es ja nicht allein, Therapeuten mit Kassenzlassung sind entweder Verhaltenstherapeuten oder kommen aus der Tiefenpsychologie / Pschoanalyse. Nach deinen Beschreibungen ist da Therapeutin eher dort orientiert, Verhaltenstipps etc. wirst du da nicht bekommen.
Es ist wichtig das am Anfang zu klären!

Auch mir ist aber nicht klar warum du eigentlich eine Therapie machen möchstest?

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diesoderdas
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Beitrag So., 01.09.2024, 21:40

Wenn es dir gut geht, wäre ich vorsichtig damit, eine Therapie zu machen. Wieso das gut gehen gefährden? Mir wäre das zu riskant. Wenn es gut ist, ists doch bestens. Therapie = viel zu hohes Risiko, dass es dir dadurch das Gute wegballert, finde ich.

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Nebelsuppe
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Beitrag Fr., 06.09.2024, 13:09

Was ich mir erhofft habe/ hätte aus der Therapie:

Ich hatte vor vielen Jahren ein sehr unangenehmes Leben. Ich bin aus diesem Leben mit zahlreichen Wunden, Baustellen, Kränkungen und Defiziten hervorgegangen und habe mir es leider nicht aussuchen können.

Im Laufe des letzten Jahrzehntes, hab ich mich von der ursprünglichen Prägung eines ängstlichen, introvertierten, zurückgezogenen und verletzten Menschen in einen lebensbejahenden Menschen, der gerne lacht, Menschen mag und glücklich ist gewandelt.

Es war ein extrem weiter Weg und ich habe alleine dorthinfinden müssen. Ich habe immer alles alleine machen müssen, schrittweise mein Verhalten ändern, meine Wut und meinen Hass auf die Vergangenheit ablegen ohne dass ich (professionelle) Hilfestellung dabei bekommen habe, auch wenn es hilft mit Freundemn / der Partnerin darüber zu reden.

Und ich habe alles für mich verstauen können - das Gefühl was aber bleibt ist, dass ich viel ungelebtes Leben in mir habe - und das Gefühl macht mich (in meiner Welt) nun mal eben traurig, weil mir die Zeit genommen wurde.

Das naheliegendste war daher: Ich suche mir einen TraumaTherapeuten, damit ich dieses Gefühl (als letzten Schritt) zurücklassen kann, nachdem ich genauso den Rest zurückgelassen habe und mich weiterentwickelt habe. Und dass ich den letzten Schritt nicht alleine gehen muss, einfach weils verletzte Kind in mir drin sich darüber gefreut hätte.

Neben dem Aspekt, dass ich für mich hinterfragen wollte (mit Unterstützung), ob ich irgendwo (noch) blinde Flecken habe und ungesunde Glaubenssätze mit mir rummschlepp.

Aber Traumatherapie (hier mit Fokus Psychoanalyse) ist definitiv nicht der richtige Ansatz. Der Fokus der Therapeutin lag vollends in dem Punkt : "wir suchen jetzt eine passende Diagnose für dich", raten wir mal "vielleicht ja das, das oder vielleicht doch das?".

Was soll ich damit bitte anfangen? (das Kostenersatzthema war nicht relevant). Ich will diesen Schuh nicht. Ich will dieses Selbstbild nicht und mein Leben heute schaut so aus, wie es mir lange Jahre gewünscht habe.

Also insofern werde ich das letzte Stück auch alleine gehen und akzeptieren, dass der Gedanke nunmal weh tut. Aber dankbar dafür bin, dass ich heute mein Leben leben kann.

Es ist halt nicht leicht 20 Jahre seines Lebens zurückzulassen und sich zu sagen, "okay, für mich war halt nicht mehr drin". Aber es wird nicht anders gehen, denn es wird niemand kommen und mir die Zeit zurück geben.

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