Machtmissbrauch in der Therapie und die heilsame Trennung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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verzweigt_verliebt
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Machtmissbrauch in der Therapie und die heilsame Trennung

Beitrag Do., 05.01.2023, 00:16

Hi Leute,

ich möchte kurz meine Therapieerfahrung teilen, um vielleicht anderen Betroffenen in ähnlichen Situationen zu helfen.

Ich habe mich über mehrere Jahre in emotionale Abhängigkeit von meiner Therapeutin (tiefenpsychologisches Verfahren) begeben. Mir ging es im Laufe der Therapie immer schlechter, bis hin zu schweren suizidalen Krisen. Nach mehr als 4 Jahren habe ich es geschafft, mich zu trennen und die Therapie radikal einseitig zu beenden.

Wenn es euch in einer Therapie dauerhaft schlecht geht, bitte redet mit Dritten darüber, brecht die Therapie ab, sucht weiter nach einer Therapie, in der ihr euch wie ihr selbst fühlt. Ich habe mich jahrelang in einer Therapie gequält, die in wesentlichen Teilen unprofessionell durchgeführt wurde. Ich habe mich gaslighten lassen, es ist fast schief gegangen.

Ein Auszug an Beispielen, was in meiner Therapie normal war

- Th. macht mich mit ihrer Tochter bekannt -> Tochter und ich studieren zufällig zusammen -> Tochter und Th. haben Gespräche über mich, Tochter berichtet ihrer Mutter Geschichten über mich aus der Uni, welche die Th. dann in der Therapie an mich weitererzählt (um die "positiven Eindrücke ihrer Tochter von mir" an mich weiterzugeben und mein "Selbstbild zu verbessern")

- Th. deutet jede Kritik an ihrer Haltung und ihren Interventionen als mein Störungsbild

- Th. wird ungehalten und vorwurfsvoll, wenn ich Deutungen nicht annehme -> sei meine Störung

- Th. fordert von mir, ihr "zu vertrauen"

- Th. redet oft unpassenderweise von sich selbst, ihrer Biographie, ihrer Familie, ihrer Tochter, ihren Finanzgeschäften, ihren Interessen und Meinungen zu diversen Dingen etc.

- Th. erzählt über Therapien anderer Patienten und bietet an, Kontakt zu anderen Patienten herzustellen

- Th. ist von meiner Frage, ob sie Supervision in Anspruch nehme, persönlich angegriffen und verbietet mir, ihre Kompetenz in Frage zu stellen

- Th. wird in heftigen Konflikten laut, sie argumentiert mich nieder, wird hasserfüllt im Ton, verdreht meine Aussagen und droht, mich per Tonbandaufnahme der "Falschaussage" zu überführen

- Th. streitet meinen Vorwurf, dass sie ihre Gegenübertragung immer ausagiere und verstrickt sei, rundheraus ab

Im Grunde war es eine Verletzung der Abstinenz, Verletzung der Schweigepflicht und ein (narzisstischer) Machtmissbrauch in einer Psychotherapie, bei dem ich aufgrund meiner "Passung" leider 4 Jahre lang munter mitgemacht habe, bis es mich fast umgelegt hat. Bitte geht, wenn ihr das Gefühl habt, eure Therapie tut euch nicht gut. ES GIBT HILFE. Es gibt gute Hilfe, es gibt professionelle, abstinente, verlässliche Ansprechpartner. Ich hab das auch gelernt. Es gibt sie wirklich.

Das Therapieende ist erst ein paar Wochen her. Ich habe jetzt einen Termin bei einer Frau vom Ethikverein, um über diese Erfahrung zu sprechen. Mir geht es besser als davor.

Vielen Dank für's Lesen, ich wünsche euch allen Alles Gute!

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BluePoint
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Beitrag Do., 05.01.2023, 02:08

Danke für deinen sehr wichtigen Beitrag! Es gibt bestimmt mehr solche Fälle. Auch wenn ich nicht betroffen bin, finde ich es sehr gut wenn auch mal so etwas gesagt werden darf hier! Viele trauen sich dann nicht, oder sind noch zu unsicher.

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alatan
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Beitrag Do., 05.01.2023, 06:38

Hallo verzweigt_verliebt,
obwohl sehr häufig von so etwas zu lesen und zu hören ist - es ist erschütternd und eigentlich kaum zu fassen!

Ursache ist, das kann man nicht oft genug sagen, dass Psychotherapeuten ihre eigenen unverarbeiteten Neurosen bzw. Persönlichkeitsstörungen, die nie ausreichend psychotherapeutisch bearbeitet wurden, an Pat. ausagieren, ihn verwickeln, quasi infizieren und damit schädigen.
Übrigens: Sogenannte Selbsterfahrung, die Therapeuten nachweisen müssen, ist oft ein Witz, mit wenigen Wochenenden Gruppenhappening abgehakt, oft wird es sogar einfach unterschrieben, obwohl es nie stattgefunden hat. Selbsterfahrung als Einzeltherapie: meist Fehlanzeige. Und da Psychotherapeuten mehr als der Durchschnitt der Allgemeinbevölkerung von psych. Störungen betroffen sind, ist das fatal. Wird bisher kaum offiziell thematisiert, obwohl es massive Kosten und Probleme verursacht.

Wie hast du es geschafft, dich davon innerlich zu lösen?

Gruß, alatan

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verzweigt_verliebt
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Beitrag Do., 05.01.2023, 10:18

Hallo BluePoint und alatan, vielen Dank für eure Antworten!

@alatan, um auf deine Frage einzugehen:

Bei mir kamen für den Lösungsprozess verschiedene Faktoren zusammen.

Mein Leidensdruck wurde irgendwann so groß, dass ich innerlich an meine Grenzen kam und vermehrt der Gedanke aufkam: Ich kann und möchte so nicht mehr weiterleben.

Entscheidend war, dass ich mich Freunden offenbarte, wie schlecht es mir ging. Das habe ich lange Zeit aufgrund von Scham- und Schuldgefühlen nicht gemacht. Ich war ja überzeugt, ich sei das Problem, es sei meine Schuld, und ich darf meine Mitmenschen nicht mit Problemen belasten, die ich selber verursache.

Dass irgendwas nicht stimmte, habe ich aber trotzdem gespürt. Ich hatte heftige Konflikte in der Therapie und habe dort irgendwann resigniert, als ich gemerkt habe, wir (oder ich) bekomme die nicht aufgelöst. Ich hatte eine Bandbreite an Symptomen hinzubekommen, die ich vor dieser Therapie in meinem Leben niemals hatte. Allen voran die latente bis akute Suizidalität, die ich als fürchterlich erlebt habe und unter der ich schrecklich litt. Ich habe zunächst mit Erhöhung der SSRI-Dosis entgegengesteuert, was zunächst für Entlastung sorgte, aber das ungute Grundgefühl nicht veränderte. Die krisenhafte Entwicklung und das Auftreten der von mir als bedrohlich empfundenen Suizidalität trat vor 12 Monaten auf und hat sich laufend weiterentwickelt. Ich habe versucht mich durchzuschlagen, die Therapie trotzdem weitergemacht.

Als es mir im Dezember wieder sehr schlecht ging, habe ich mich Freunden offenbart. Das hatte auch mit Selbstvertrauen zu tun, mich so zu zeigen in den Beziehungen. Das hatte ich früher vermieden. Ich habe nichts als Anteilnahme, echtes Interesse und v.a. echte Sorge um mich erfahren. Aus diesen Erfahrungen folgte für mich der Gedanke: Ich bin es mir selber wert, dass ich so nicht mehr weiterleben möchte, sondern anders. Andere Menschen haben mich so gern und sorgen sich um mich. Und ich konnte das annehmen.

Ich bin dann eines Nachmittags in die Ambulanz des örtlichen Krisendienstes marschiert und habe um ein Gespräch gebeten. Ich bin vor Angst fast kollabiert. Ich saß die ersten fünf Minuten da und konnte nicht sprechen. Irgendwann habe ich ein paar Worte rausgebracht, mich langsam entspannt. Ich habe im Laufe des Gesprächs und im Reden darüber schon gemerkt, in was für einer absurden Situation ich in meiner Therapie steckte.

Nach diesem Gespräch beim Krisendienst war ich mit einer Freundin auf dem Weihnachtsmarkt verabredet. Ich erzählte ihr von meinen Erlebnissen des Tages. Noch an diesem Tag stand für mich der Entschluss fest, die Therapie mit dem nächsten Termin zu beenden. Und das habe ich dann auch getan.

Es kamen also ein riesiger Leidensdruck, zugleich positives Selbstvertrauen und ein unterstützendes Umfeld zusammen, würde ich sagen. Meine Freunde und v.a. auch das Gespräch beim Krisendienst waren sehr wichtig für mich, um da rauszufinden.

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Do., 05.01.2023, 12:01

Liebe verzweigt_verliebt,

danke vielmals für Ihr sehr offenes und mutiges "Selbst-Outing" hier, ich bin überzeugt, es kann vielen weiterhelfen - auch weil Sie taxativ einige der wichtigen Punkte angeführt haben, die Indikatoren für Machtmissbrauch sein können.

Ich hoffe, dass es für Sie nach der Verarbeitung Ihrer Erfahrungen mit der früheren Therapie dann wieder gut mit einem neuen Anlauf bzgl. Psychotherapie weitergehen kann, wenn Sie sich bereit dazu fühlen. Zum Glück sind Ihre Erfahrungen nämlich ja tatsächlich eher Ausnahmeerfahrungen - doch auch das Finden eines persönlich "gut" passenden Therapeuten/in ist eine Herausforderung.

Freundliche Grüße,
R.L.Fellner

--
p.s. mir fiel beim Lesen auf, dass ich diese Form von Verstrickungen noch gar nicht in meinen "Leitfaden für das Scheitern von Psychotherapien" erwähnt hatte, dies habe ich nun nachgeholt. Geben Sie mir gerne per PM eine Rückmeldung, wenn Ihnen dazu (Pkt. 25) Ergänzungen dafür einfallen.

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Tobe
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Beitrag Do., 05.01.2023, 12:33

Wenn ich diesen Thread so lese, bin ich richtig froh darüber, daß ich einen wirklich guten Therapeuten bekommen habe. Dabei habe ich mir ihn nicht mal aktiv ausgewählt, sondern durch meinen Hausarzt.

Lieber verzweigt_verliebt,

ich hoffe Du kannst alles gut verarbeiten und findest Deinen Weg in einer guten Therapie. Ich freue mich für Dich, daß Du ein so gutes, unterstützendes Umfeld hast.

L.G. Tobe
Haltet die Welt an, ich will aussteigen.
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Winni
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Beitrag Do., 05.01.2023, 14:42

Hallo verzweigt_verliebt,

danke für diesen offenen Bericht über therapeutische Abgründe. Und „Hut ab“ vor Deinem Mut, endlich STOP zu sagen, Dir Unterstützung zu holen und aktiv aus der Opferrolle herauszutreten.

Dein Therapieende ist ganz frisch. Und Du hast nicht geschrieben, wie Du den Schlussstrich gezogen hast, wie die Thera reagiert hat. Die Abnabelungsphase jetzt ist sicher nicht einfach. Vor allem, wenn Du weiterhin Kontakt zur „Täterfamilie“ hast (Deine Kommilitonin - Tochter der Thera). Deshalb wünsche ich Dir, dass Du in Deiner neu gewonnenen Kraft bleiben kannst und auch weiterhin bedarfsgerecht auf Deinen Helferkreis zugehst. Und zuversichtlich nach vorne schaust. Und dass Du - falls Du das möchtest - nun einen gut abgegrenzten, zugewandten neuen Therapeuten findest, mit dem Du alles Dir Wichtige zufriedenstellend bearbeiten kannst.

Alles Gute!
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Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen -
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Winni
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Beitrag Do., 05.01.2023, 16:15

R.L.Fellner hat geschrieben: p.s. mir fiel beim Lesen auf, dass ich diese Form von Verstrickungen noch gar nicht in meinen "Leitfaden für das Scheitern von Psychotherapien" erwähnt hatte, dies habe ich nun nachgeholt. Geben Sie mir gerne per PM eine Rückmeldung, wenn Ihnen dazu (Pkt. 25) Ergänzungen dafür einfallen.
Hallo Herr Fellner,
ich muss doch noch off-topic etwas loswerden.

Ich bin ein Fan Ihres o.g. Leitfadens, habe mich über vieles köstlich amüsiert. Allerdings hinterlässt Punkt 25 ein ungutes „Gschmäckle“.

Sich vom Therapeuten manipulieren zu lassen, ist kein aktiver, humoriger Part des Patienten. Patienten gehen üblicherweise nicht aus Jux und Dollerei zur Psychotherapie, sondern weil sie lebensbeeinflussende Probleme haben. Sie suchen Hilfe und vertrauen auf Unterstützung. Dass es da jemand nicht gut mit einem meint und sogar eine Schädigung des Patienten bewusst in Kauf nimmt - wer käme auf diese Idee? Dass da ein Therapeut sitzt, der massivere Persönlichkeitsstörungen hat als der Patient - und diese auch ausagiert - welcher Patient könnte mit solch Kurpfuscherei rechnen?

Bis der Patient dies üble Spiel leidvoll durchschaut, können Jahre vergehen. Der Schaden ist u.U. nicht wieder gut zu machen.

Dies als Humoreske anzubieten und damit dem Patienten fehlenden Durchblick zu attestieren, finde ich etwas unglücklich.
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stern
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Beitrag Do., 05.01.2023, 16:55

Zustimmung. Machtmissbrauch (Einhaltung der beruflichen Pflichten) bzw. Einhaltung der Verschwiegenheit (Strafnorm des StGB) liegt 100% in der Verantwortung des Psychotherapeuten. Kann man nicht oft genug betonen. Dazu hat der Patient nichts beizutragen, sondern dieser sollte auf solche Basics vertrauen können. Denn seine Berufspflichten muss der Psychotherapeut beachten, für den sie auch gemacht wurden und gelten (in D. In Ö kann die Lage eine andere sein.)

Machtmissbrauch vollzieht sich evtl. subitler und ist nicht immer leicht erkennbar. Eine Schweigepflichtsverletzung hingegen könnte sogar einen Strafanzeige nach sich ziehen.
Wichtig finde ich den Hinweis, dass es ein Warnsignal sein kann, dass fundamental etwas schief läuft, die Therapie nachhaltig nicht gut tut. Sich jahrelang durchzuquälen ist auch eine lange Zeit. Gab es einen konkreten Auslöser, bei dem du dann die Reißleine gezogen hast?
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Beitrag Do., 05.01.2023, 17:10

@Winni Vielen Dank für deine Nachricht! Ich möchte das Therapieende einmal schildern.

Ich bin "ganz normal" zu meiner letzten Sitzung erschienen. Ich wusste im Voraus, dass ich diese Therapie dort und dann beenden und mich auf keinerlei Diskussion oder Erklärungswünsche einlassen würde (leider ein etabliertes Muster in der Therapie, in der ich dann immer in den Boden gestampft wurde von der Th.). Ich habe mich gesetzt und dann verkündet, dass die heutige Sitzung sehr kurz sein würde: ich sage alle weiteren Termine ab, und die Therapie sei hiermit beendet. Die Th. war völlig baff, wusste nichts zu erwidern. Es herrschte einen Moment Stille, dann bin ich aufgestanden, habe das Behandlungszimmer verlassen, meinen Mantel angezogen und bin gegangen. Die Th. ist mir bis ins Treppenhaus nachgeeilt und hat eine Erklärung gefordert. Ich bin gegangen ohne mich umzudrehen und war um 5 nach Punkt schon wieder in der U-Bahn.

In der Woche drauf bat mich die Th. per SMS, zur vereinbarten Sitzung zu erscheinen, um mein "überstürztes" Therapieende zu besprechen. Ich habe abgelehnt. Seitdem besteht kein Kontakt mehr.

Die Tochter sehe ich noch in der Uni, habe aber nichts mit ihr zu tun und halte mich von ihr auch fern. Gestern saß sie in einem Seminar hinter mir, und ich habe eine körperliche Angstreaktion und Beklemmung gespürt, die ich auch oft in der Therapie gespürt habe. Das hat mich traurig gemacht, denn so sollte es ja eigentlich nicht sein.

@stern: Auch dir vielen Dank für deine Nachricht. Ich habe in einem Post etwas weiter oben versucht zu beschreiben, wie es letztlich zum Therapieende meinerseits kam. Auslöser war der immense Leidensdruck und die Sorge meiner Freunde. Als ich zum Krisendienst gefahren bin, war ich bereit, dass sie mich gleich dabehalten und einweisen. Ich konnte nicht mehr.

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R.L.Fellner
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Beitrag Fr., 06.01.2023, 14:05

Winni hat geschrieben: Do., 05.01.2023, 16:15 Ich bin ein Fan Ihres o.g. Leitfadens, habe mich über vieles köstlich amüsiert. Allerdings hinterlässt Punkt 25 ein ungutes „Gschmäckle“.
danke für Ihre wertvolle und konstruktive Rückmeldung! Ich habe mir dazu bereits vorab Gedanken gemacht ... der Leitfaden an sich soll ja durch eine Prise Provokation und eine ungewohnte Perspektive zu neuen Blickwinkeln einladen, insofern empfinde ich aber auch keinen einzigen der angeführten anderen Punkte als "humorig", und auch diese Fallen werden ja von KlientInnen keineswegs "aktiv betrieben" ... das ist ja der Punkt. Jede dieser "Fallen" kann zum Scheitern einer Therapie, zu großem Verlust an Zeit und potenziell zu Folgeschäden führen.
Auch den Hinweis auf eigene Anteile und potenzielle "Neurosen" der Therapeutenperson habe ich sehr bewusst eingebaut - ja, es geht mir - genau bei diesem Punkt #25 - exakt darum, für diese Möglichkeit zu sensibilisieren.

Um den Thread hier nicht zu "hijacken" lade ich Sie aber gern ein, sich mit mir darüber via PM auszutauschen, ich bin durchaus auch für Umformulierungsvorschläge etc. offen. Immerhin soll der Leitfaden hilfreich sein, und nicht zu weiteren Denkfallen oder Verunsicherungen führen, und ist nicht zuletzt auch ein Leitfaden, der zu großen Teilen auf Erfahrungsberichten und Tipps der Forums-Community basiert.

Liebe Grüße,
R.L.Fellner

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 06.01.2023, 14:44

Also, mir hats geholfen und ich finde es gut auf den Punkt gebracht formuliert. Finde es wichtig, übergaupt den Gedanken zuzulassen, dass Therapeuten auch fehlbare Menschen sind. Und es muss ja nicht immer ein extremer Schweregrad sein: Infos via Tochter einzuholen geht natürlich gar nicht. Bei mir wars Lektüre auftragen und sich hinterher beschweren, dass das Buch zu teuer war, Expo-Termin selbst vorschlagen und sich hinterher beschweren, dass der Weg zu weit war. Oder sich beim Patienten über den Chef auslassen. Oder bei Verschlechterung einfach mal gucken, ob ein anderes Verfahren hilft anstatt aggressiv zu werden und dem Patienten die Schuld zu geben und ihn als hoffnungslosen Fall abzustempeln. Da half mir der Schuss Satire.
Sehe natürlich ein, dass es auch Schweregrade an Verfehlungen gibt, wo Humor nicht mehr passt. Danke für die Erfahrung an TE und Hrn. Fellner!

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stern
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Beiträge: 25012

Beitrag Fr., 06.01.2023, 16:21

Eine z.B. Schweigepflichtsverletzung ist in D ein Straftatbestand (StGB), siehe auch Strafmaß.
Dazu trägt ein Patient nichts bei.
Die Frage ist höchstens, warum wird das solange mitgetragen (jahrelanger Leidensdruck), anstelle sofort etwas in die Wege zu leiten. Berufliche Pflichtverletzungen dito (siehe Pflichten lt. dt. Berufsordnungen).. In den Fällen ist höchstens die Zustandigkeit eine andere (z.B. Psychotherapeutenkammer in D, evtl. Ärztekammer) sowie etwaige Sanktionen. Auch hier gilt: Für fehlerhaftes Verhalten trägt der Therapeut alleine die Verantwortung. Ein Arzt kann genauso wenig z.B. Hygienvorschriften im Zuge einer OP über Bord werfen. Wenn er es dennoch macht, wäre es z.B. ein Behandlungsfehler, den er zu vertreten hat.
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Beitrag Do., 12.01.2023, 11:59

Hi Leute,

ich habe letzte Woche einen Erfahrungsbericht über meinen Therapieabbruch geteilt.

Ich habe in diesem Bericht eine Sache ausgespart, die mir da sehr unangenehm und noch zu peinlich zum Teilen war. Sie beschäftigt mich aber und ich will ich es mal aufschreiben, nachdem ich mit einem Freund darüber geredet habe. Ich freue mich über euren Input, ob ihr das "normal" findet oder evtl. grenzüberschreitend. Ich möchte aber so ehrlich sein und sagen, dass ich es ziemlich daneben fand und es mir auch so ein bisschen von der Seele schreiben und mich mitteilen will. Ehrlich gesagt finde ich es mittlerweile ziemlich verstörend.

Die Th. hat meistens sehr enge, knappe Kleider getragen, die bis zum Knie oder knapp darüber gingen. Wenn sie sich hinsetzte, ist es im Laufe meiner Therapie mehrmals passiert, dass ihr der Kleidsaum bis zum Po hochrutschte und sie es nicht bemerkte. Ich habe sie dann darauf hingewiesen, dass ihr Oberschenkel bis zum Po entblößt war, weil es mir unangenehm war und ich so nicht Therapie machen wollte.

Wenn sie die Beine nicht überschlagen hatte, konnte man ihr außerdem "zwischen die Beine" schauen und ihre Unterhose erkennen, weil der Kleidsaum so kurz war und über ihre Oberschenkel spannte.

Ich habe sie mal darauf angesprochen, dass ich ihren Kleidungsstil unprofessionell finde. Da hat sie entgegnet, dass ich ihr einziger Patient sei, der das so äußere, und dass das ja mein Problem sei, dass ich weibliche Sexualität nicht aushalten könne.

Diese Oberschenkel-Po-Entblößungen sowie das Unterhose-"zeigen" waren mir so unfassbar unangenehm. Dass ich ihre Unterhose sehen konnte, habe ich tatsächlich nie angesprochen, es war mir zu peinlich. Ich hab mich sehr dafür geschämt, dass ich davon so unangenehm berührt war und dass es mir überhaupt so aufgefallen ist. Jetzt wo die Therapie vorbei ist fühle ich mich schmutzig und irgendwie missbraucht. Ich bin mir sicher, eine professionelle Therapeutin würde nicht das Risiko eingehen, ihren Po oder ihre Unterwäsche für den Patienten in der Therapiesitzung sichtbar zu zeigen.

Ich finde, selbst wenn Sexualität für einen Patienten ein schwieriges oder schambehaftetes Thema sein sollte, hat die Th. kein Recht, dem Patienten dieses Thema auf diese Art aufzudrängen. Sie saß oft so vor mir und hat auf mich eingeredet, während der Blick in ihren Schritt im Grunde freigelegt war. Ich fand es ganz grauslig. Im Nachhinein fühlt es sich gar so an, als hätte ihr das nichts ausgemacht, mir ihre Unterwäsche zu zeigen, oder vielleicht wollte sie es gar. Sie war allerdings recht beschämt, als ich sie auf ihren entblößten Oberschenkel+Po hinwies. Sie hat es dann einfach so weggelacht. Sie hat von sich aus nie Stellung dazu bezogen, dass es in einer Psychotherapie vielleicht unangemessen sein könnte, Po und Oberschenkel zu entblößen. Keine Ahnung. Ich finde es jetzt ganz schlimm.

Ich habe davon einem Freund erzählt, der auch schon Therapieerfahrung hat, und er war fassungslos und wütend darüber. Das hat mich ermutigt, darüber mal etwas mehr nachzudenken ob das eigentlich so korrekt war von der Th. Ich würde sagen, ganz klar nein.

Ich schäme mich furchtbar, dass ich das mitgemacht habe, und mir geht es echt dreckig, auch wegen der anderen Dinge in der Therapie.

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Shukria
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Beitrag Do., 12.01.2023, 12:14

Es reiht sich in die anderen übergriffigen Situationen ein, die du mit ihr erlebt hast. Gut das du den Absprung geschafft hast.

Nein es ist nicht okay sich so zu entblößen vor den Patienten, das wäre es auch in keinem anderen Kontext. Stell dir das mal auf Arbeit vor… es zeigt nur das sie! kein Gespür für gesunde Grenzen hat. Gerade wenn es Probleme im Sex Bereich gäbe wäre Vorsicht angebracht aber darum geht es gar nicht. Es passt grundsätzlich nicht zu normalen Umgangsformen,

Wie soll so jemand andere Menschen therapieren… Kopfschüttel.

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