Verbindung mit dem Therapeuten nicht stabil

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Sagacitas
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Verbindung mit dem Therapeuten nicht stabil

Beitrag Sa., 26.02.2022, 18:07

Hallo, guten Tag !

Vor fast 2 Jahren begann ich meine Psychoanalyse.
Meinen Therapeuten würde ich als einfühlsam, interessiert, scharfsinnig und intelligent beschreiben.
Ich fühle mich von ihm gesehen und habe das Gefühl, dass er mich auf meiner therapeutischen Reise gut begleitet.
Vor allem zum Ende einer Sitzung ist er bemüht die „Schwere“ aus der Stunde zu nehmen und diese mit sanften Smalltalk zu beenden.
Auch zum Einstieg, wenn ich nicht sofort in ein Thema einsteige, bietet er „leichte Kost“ an.
Und hier beginnt mein Problem : ich kann so gut mit ihm reden, bzw arbeiten, aber wenn es eher „locker“ wird, werde ich steif, spreche nicht mehr, antworte einsilbig etc.
Beendet er sanft die Sitzung, stehe ich unvermittelt auf, ziehe mich an und verlasse die Praxis.
Diese Situationen sind mir unangenehm.
Wir haben jetzt 2 mal darüber gesprochen.
Er sagt, wir haben eine viel bessere Verbindung, wenn wir „schwer arbeiten“. Und er hat recht.
Auch in Momenten des Schweigens fühle ich mich äußerst unwohl, so dass ich anfange nervös mit den Händen zu spielen und ihn letztendlich mit „helfen Sie mir, bitte“ anspreche. Dann nimmt er meist den Faden zur letzten Stunde wieder auf.

Montag ist meine nächste Sitzung und ich würde das Thema gern erneut ansprechen.
Habt ihr vielleicht eine Idee für mich, warum ich mich im Rahmen der Arbeit so gut und im leichteren Rahmen so unsicher fühle?

Sonnige Grüße

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Philosophia
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Beitrag Sa., 26.02.2022, 18:14

1) Vielleicht möchtest du ja nicht aufhören, mit ihm zu arbeiten und es steckt Trennungsangst dahinter, wenn es leichter wird? Denn was wird sein, wenn ihr nicht mehr wirklich was zu bearbeiten habt?
2) Vielleicht ist dir die Schwere aus deinem Leben vertrauter und du fühlst dich damit sicherer?
3) Denkst du, du hättest nur eine Verbindung, wenn ihr tiefsinnige Gespräche führt? Wenn es leichter wird, hast du vielleicht Angst, dass du die Verbindung zu ihm verlierst? (siehe Threadtitel)
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Takli
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Beitrag Sa., 26.02.2022, 19:13

Hast du denn sonst auch Schwierigkeiten mit Smalltalk und Gesprächspausen oder ist das nur bei ihm so?

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Winni
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Beitrag Sa., 26.02.2022, 22:26

Hallo Sagacitas,

Ich kenne dieses „Unwohlsein“ im therapeutischen Kontext gut. Lange Zeit habe ich bei leichterem, „seichteren“ Gesprächsverlauf sofort abgeblockt. Du bezeichnest diese Verläufe freundlich als „sanft“ - ich habe mich veräppelt gefühlt, nicht ernst genommen.

Ich konnte mit „Banalitäten“ absolut nichts anfangen. Und ich habe dies sehr oft thematisiert. Ich bin meinen Thera dabei scharf angegangen. Er hat mir dann immer verschiedene Aspekte meiner Ablehnung aufgezeigt. Dass ich mich oft nur um mich selbst drehe, nicht offen bin für das Leben in all seinen Ausprägungen. Dass ich nicht „elastisch“ genug bin.

Wir haben natürlich auch geschaut, woher das kommt, diese Starre und Steifheit. Das war schmerzlich. Aber ich habe mich ganz langsam aus der Deckung meiner „Sachthemen“ gewagt und zugelassen, auch mal über „Banales“ zu reden (Fussball z.B. :lol: ). Und irgendwann habe ich selbst gemerkt, dass ich flexibler wurde, offener. Und dann gab es auch nur noch selten Themen, die ich als „banal“ abgewertet habe. Wir konnten alles nutzen. Aber das hat schon gedauert.
"An Ärger festhalten ist wie wenn Du an einem Stück
Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen -
derjenige, der sich dabei verbrennt, bist Du selbst" (Buddha)

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Solage
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Beitrag Sa., 26.02.2022, 23:39

Bei mir ist es umgekehrt. Über vermeintlich "Banales" reden fällt uns leichter.
Dabei zeigt sich im Austausch mit so allgemeinen Themen nach meiner Erfahrung sehr viel im gemeinsamen Umgang.
Wir positionieren uns da auch gesellschaftlich, politisch wie auch immer.

Und das ist eben nicht leicht; sondern zeigt uns die gemeinsame Abwehr.

Für mich dann Abwehr von Nähe auf beiden Seiten.


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Sagacitas
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Beitrag So., 27.02.2022, 00:10

Hm nein, generell habe ich kein Problem mit Smalltalk, Takli.
In Freundschaften bevorzuge ich zwar Gespräche mit Tiefgang, schätze aber auch ein leichtes Miteinander.
Genauso gut kann ich freundlich distanziert im Beruf oder mit Nachbarn schnacken.

Ich möchte diese Themen in der Therapie auch nicht als Banalitäten abwerten, Winni, mein Therapeut ermutigt mich hier sogar regelmäßig, da es ihm hilft, ein ganzheitliches Bild von mir zu bekommen.
Ich jedoch habe dann schnell das Gefühl, wertvolle Zeit nicht intensiv genug genutzt zu haben.
Das mich das unflexibel wirken lässt und ich mich nur um mich drehe, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Spannend. Das nehme ich mit.

Also ja, Philosphia, ich will mit ihm arbeiten.
Ich schätze das Arbeitsbündnis mit ihm sehr und habe auch schon geäußert, mir aktuell nicht vorstellen zu können, die Therapie in naher Zukunft zu beenden.
Diese Abhängigkeit ist mir fremd und unheimlich.
Ich habe die Sorge, wenn die therapeutische Beziehung noch um Leichtigkeit, gemeinsames Lachen etc erweitert wird, ihn noch mehr zu mögen.
Und zu brauchen.
Halte ich ihn damit also auf Abstand, obwohl ich immer behaupte ihn doch ganz nah an mich heran zu lassen?

Ich glaube ich habe das mit der gemeinsamen Abwehr nicht verstandene, Solage.
Magst du es mir noch mal erklären?

Danke für eure Antworten und Anregungen :)

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Joa
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Beitrag So., 27.02.2022, 03:42

Solage hat geschrieben: Sa., 26.02.2022, 23:39 Wir positionieren uns da auch gesellschaftlich, politisch wie auch immer.
Und das ist eben nicht leicht; sondern zeigt uns die gemeinsame Abwehr.

Für mich dann Abwehr von Nähe auf beiden Seiten.
Huch Solage - so hab ich das ja noch gar nicht gesehen.

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lisbeth
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Beitrag So., 27.02.2022, 09:43

Vielleicht bist du innerlich 'süchtig' nach dem Schweren, also nach innerem Drama? Weil es einem das Gefühl vermittelt, lebendig zu sein? Weil es zwar anstrengend ist, aber gleichzeitig auch die Resonanz, die von außen kommt sehr viel stärker? Weil du, wenn es in dir ruhiger zugeht, mit dir selbst nicht viel anfangen kannst? Weil dann die Verbindung zum Gegenüber (also zum Analytiker) auch nicht so intensiv erscheint? Und ja, auch das Adrenalin, das vom Körper in solchen "Stress"-Situationen ausgeschüttet wird, gibt auch einen (körperlichen) Kick...

War alles bei mir lange Zeit so. Im Grunde hab ich es mit mir selbst kaum ausgehalten, und ohne das "Schwere" war ich halt viel mehr auf mich selbst zurückgeworfen. Bzw. wusste ich gar nicht, wie das gehen kann: Verbindung herstellen, ohne Drama?! Das hat viel mit sich zeigen zu tun. Sich auch aus der Sicherheitszone herauswagen. Und für mich war das "ohne Drama" und ohne die schweren Themen viel viel schwieriger, weil ich das Gefühl hatte, da ist kaum was... Und das muss man erstmal aushalten, bevor man anfangen kann zu entdecken, was vielleicht doch alles da ist.
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MerleX
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Beitrag So., 27.02.2022, 10:58

Es könnte auch einfach eine Art Rollenkonflikt sein. Bei den therapeutischen Themen seid ihr streng bei dir (da gibt es nur deine Perspektive überspitzt gesagt). Deswegen fällt es dir da leichter offen zu sprechen.
Beim Smalltalk merkst du vielleicht mit einem kleinen Schrecken, dass du es eigentlich mit einem „fremden“ (oder zumindest eigenständigen) Menschen zu tun hast,

Ich glaube, wenn du hinter deine Irritation blicken kannst (sie kann ja auch andere Hintergründe haben), dann wird der „Wechsel“ zur anderen Sprechebene leichter werden

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Joa
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Beitrag So., 27.02.2022, 12:24

Ich kenne das aus Gesprächen mit anderen Leuten, falls das dem entspricht, was du meinst. Sobald da ein "schwereres" Thema ist, bin ich in Gedanken viel mehr dort, statt bei meiner Schwierigkeit und Unsicherheit bzgl. Smalltalk. Was es mir leichter macht. Bzw. fände ich auch interessant, wie es dir generell mit Smalltalk geht?

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Scars
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Beitrag So., 27.02.2022, 14:57

Sagacitas hat geschrieben: Sa., 26.02.2022, 18:07 Vor allem zum Ende einer Sitzung ist er bemüht die „Schwere“ aus der Stunde zu nehmen und diese mit sanften Smalltalk zu beenden.
Auch zum Einstieg, wenn ich nicht sofort in ein Thema einsteige, bietet er „leichte Kost“ an.
Für mich hat so Geplänkel am Anfang immer etwas von „die Ruhe vor dem Sturm“ oder wie Solage schreibt, Vermeidung von Themen über die man eigentlich sprechen wollte. Ein kleiner Wortwechsel zum Anfang ist ok, aber dann möchte ich schon zur Sache kommen, sonst nervt es. Zum Ende hin würde es mir wahrscheinlich schwer fallen umzuschalten, vielleicht würde ich mich auch zurückgewiesen fühlen durch die Bemühungen nach Leichtigkeit, wenn ich selbst gerade woanders bin.
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~~~
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Beitrag So., 27.02.2022, 16:05

Sagacitas hat geschrieben: Sa., 26.02.2022, 18:07
Vor allem zum Ende einer Sitzung ist er bemüht die „Schwere“ aus der Stunde zu nehmen und diese mit sanften Smalltalk zu beenden.
Auch zum Einstieg, wenn ich nicht sofort in ein Thema einsteige, bietet er „leichte Kost“ an.
Und hier beginnt mein Problem : ich kann so gut mit ihm reden, bzw arbeiten, aber wenn es eher „locker“ wird, werde ich steif, spreche nicht mehr, antworte einsilbig etc.
Beendet er sanft die Sitzung, stehe ich unvermittelt auf, ziehe mich an und verlasse die Praxis.
Diese Situationen sind mir unangenehm.
Mmmh, also ich finde das Schwere am Ende aus der Stunde zu nehmen, sehr rücksichtsvoll. Bei mir funktioniert das auch meistens gut, damit ich dann nicht in so einem schlechten Emotionalen Zustand aus der Stunde gehe, das wäre ja nicht so ideal. Ich denke, deshalb machen Therapeute das halt, Die einen finden das gut (so wie ich), für andere passt da vielleicht irgendwas nicht,

Für mich istves aucg immer leichter, eher mit einem Smalltalkthema anzufangen, weil ich es dann eigentlich immer darauf aufbauend, dass zh erwähnen, was och eigentlich erzählen wollte. Also das macht es für mich einfacher. Aber ist natürlich auch nicht für jeden passend.

Meine Idee, warum dich das stört wäre, dass du da lieber mit hochgefahrenen Emotionen sitzen willst, anstatt entspannt. Vielleicht ist dir irgendwas drumherum unangenehm, was du wahrnimmst während du entspannt da sitzt, aber nicht, wenn dun a so mit dir und deinen Themen beschäftigt bist,
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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ArcticFox
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Beitrag So., 27.02.2022, 16:40

Hi Sagacitas,

ich kenne das Problem auch sehr gut. Erst in der letzten Zeit (nach ca. 4 Jahren) hat es begonnen, sich zu verändern und leicht zu werden.

Bei mir war es eine Mischung aus dem was du schreibst, das Gefühl zu haben, die Zeit nicht sinnvoll und intensiv genug zu nutzen und etwas, das lisbeth geschrieben hat, nämlich, dass ich ganz lange einfach überhaupt keine Verbindung mehr gespürt habe, wenn es nicht um "deepen shit" ging und ich auch nicht wusste, wie ich eine Verbindung ohne Drama herstellen konnte.

Es hat ne Menge Geduld, Vertrauen und immer wieder ansprechen gebraucht, um den Mut zu finden, da tatsächlich hinzuschauen und dann hat sich irgendwann tatsächlich was verändert :-)

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lisbeth
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Beitrag Mo., 28.02.2022, 07:40

~~~ hat geschrieben: So., 27.02.2022, 16:05 Mmmh, also ich finde das Schwere am Ende aus der Stunde zu nehmen, sehr rücksichtsvoll. Bei mir funktioniert das auch meistens gut, damit ich dann nicht in so einem schlechten Emotionalen Zustand aus der Stunde gehe, das wäre ja nicht so ideal.
Ich glaube, für mich war/ist die kurze Runde Smalltalk am Ende oft auch ein Signal, dass weiterhin "alles gut" ist zwischen mir und der Analytikerin. Das ist heute nicht mehr sooo akut, aber wir hatten Phasen, wo die Stunden für beide Seiten sehr anstrengend waren, wo sie ratlos-hilflos reagiert hatte, und ich sehr sehr wütend und aufgebracht. Dass man da am Ende nochmal ein paar ganz normalbanale Worte wechselt, fand ich anfangs auch befremdlich und es gab auch Stunden, wo ich so in Fahrt war, dass ich mich dem auch verweigert habe. Aber im Laufe der Zeit wurde mir deutlich, dass das eine das andere nicht ausschließen muss. Dass es nicht entweder-oder ist. Dass die Auseinandersetzungen nicht bedeuten, dass wir keine andere Ebene mehr miteinander finden können. Und das hat mir dann irgendwie doch Halt und Sicherheit gegeben, dass die Beziehung diese Turbulenzen auch überstehen kann.

Und es ist ja auch irgendwie schön, Sagacitas, dass du vom Analytiker nicht nur auf deine Problemzonen reduziert wirst, sondern dass er auch all die anderen Facetten an dir wahrnimmt...
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― Anne Lamott

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