Seit dem Covid dafür sorgte, dass ich im Home Office bin und keine Kontakte mehr möglich waren, geht es mir zum ersten Mal im Leben richtig gut.
Endlich habe ich die Ruhe, mich um mich selbst zu kümmern und konnte über die letzten Monate an meinen Themen arbeiten.
- Ich habe die gewonnene Zeit mit Online Coachings verbracht und alte, nicht geheilte Wunden geheilt, meinen Eltern mache ich keine Vorwürfe mehr, und auch die Beziehung zu meinem Vater ist so gut wie nie. Ich habe meinen alten Schmerz aus der Kindheit „zu Ende“ gespürt und begriffen, dass auch er nur ein Mensch mit Verletzungen ist. Mit diesem Wissen und dieser Erkenntnis ist es für mich nun überhaupt kein Problem, auch mal negative Kommentare hinzunehmen und einfach drüber hinweg zu sehen.
- Auch meine Freundschaften/Beziehungen haben sich stark verändert. Durch verschiedene Online Weiterbildungen habe ich neue Leute kennen gelernt, die ähnliche Ziele im Leben haben. Alte Freundschaften sind regelrecht eingeschlafen, da ich merke, dass ich nichtmal sicher bin, warum diese Personen überhaupt zu meinen Freunden zählten - wenn das einzige, das man wirklich gemeinsam hat, lediglich die Herkunft und der Gang in die gleiche Schule ist. Ich konnte mit einem klareren Blick hinhorchen, wer mir wirklich gut tut, und bei welchem Gespräch ich mit einem irritierten Gefühl hinaus gehe.
- Auch im Beruf ist es so, dass ich mit den Kollegen deutlich besser klar komme - da ich mir auch hier gezielt aussuche, mit wem ich interagiere und gezielt nur solche Interaktionen habe, die für den Job und meine Arbeitszeit relevant und zielführend sind. Dadurch verbesserten sich meine Arbeitsergebnisse und ich konnte sogar schneller Themen abarbeiten und verlor nicht mehr so viel Zeit mit „sinnlosem Austausch“
Es gibt kein sinnloses Gequatsche mehr, kein gekünsteltes Treffen, das ich ohnehin nicht machen möchte und mein Austausch mit anderen ist deutlich effizienter und angenehmer für mich, weil ich mich nicht mehr mit den Befindlichkeiten der Menschen aufhalte, sondern mich aufs Wesentliche konzentriere.
Nun habe ich gemerkt, dass langsam wieder einige Menschen „einen Kanal brauchen“. Zum Beispiel rief mich letztens eine Kollegin an, die „einfach nur quatschen wollte“ und hielt mich mit „sinnlosem Gequatsche“ von meiner Arbeit ab. Es war halt „Tratschen“ oder das, was man sonst in der Küche im Büro mal macht, wenn mal nicht gearbeitet wird. Ich fand es furchtbar, und wollte einfach nur schnell wieder weiterarbeiten, hatte es aber nicht übers Herz gebracht, das deutlich zu machen.
Weiteres Beispiel: vor einigen Monaten meldete sich eine Freundin, deren Bekannte kürzlich neu in meine Stadt zog. Sie schlug ein Treffen vor, damit diese Person sich hier ein Netzwerk aufbauen kann. Nun habe ich es lange vor mir hergeschoben und schließlich fand gestern das Treffen statt. Es stellte sich heraus, dass sie der Annahme war, dass wir den ganzen Nachmittag mit Cafe und Tratsch verbringen.Für mich war es die ersten 30 Min ganz nett, aber den Rest der Zeit „quälte ich mich“ durch das Treffen und empfand es als absolute Zeitverschwendung. Sie hat mich direkt auf ein Folgetreffen angesprochen. Habe zwar zugesagt, aber weiß jetzt schon, dass ich es wieder rausschiebe, bis es hoffentlich einschläft... denn ich „brauche“ keinen Kontakt, um mich gut zu fühlen, habe aber den Eindruck, das manche Menschen den Austausch wirklich brauchen und sehr darunter leiden.
Dazu muss ich sagen, dass ich es lange Zeit hingenommen hatte, wenn sich Freundinnen über Ärgernisse „bei mir Luft machen“. Seit letztem Jahr ist das endlich anders und ich genieße es sehr.
Allerdings mache ich mir langsam wirklich Sorgen, ob mit mir etwas nicht stimmt. Als die Person gestern meinte, sich mit mir „auf einen Vino“ treffen zu wollen, merkte ich, dass ich sozial gar nicht mehr kompatibel bin: ich trinke keinen Vino und ich habe auch keine Lust ihrer Einladung in ihre Wohnung anzunehmen. Generell liegt mir nichts an einem „Austausch“ bei einem Glas Wein, ich sehe einfach überhaupt keinen Sinn darin, warum ich andere Leute kennen lernen sollte... ich bin aktuell fokussiert darauf, endlich meine Projekte, für dich ich jahrelang keine Kraft hatte, umzusetzen.
Ich habe festgestellt, es geht mir mit ganz wenigen Kontakten mit sehr ausgewählten Personen deutlich besser. Ich bin glücklicher denn je und ich kann endlich all meine Träume und Ziele verwirklichen - es ist endlich das Leben, das ich mir gewünscht habe.
Was ist da mit mir los?
Bin ich einfach nur unfähig, mich in angemessenem Maße abzugrenzen - und hilft Covid mir nun einfach dabei?
Was sind eure Gedanken?