Therapeut will wissen, woher die blauen Flecken kommen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Malie01
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Therapeut will wissen, woher die blauen Flecken kommen

Beitrag Fr., 26.03.2021, 07:18

Guten Morgen,

ich bin neu hier und hoffe, ihr könnt mir Ratschläge geben.
Ich bin seit zwei Monaten in Therapie und es lief bisher sehr gut.
Letzte Woche hat mich mein Therapeut aber ganz direkt gefragt, woher ich die blauen Flecken habe. Ich versuche das immer zu verstecken, aber er hat es offensichtlich doch bemerkt. Als ich keine Antwort gab, meinte er, er mache sich Sorgen um mich und sei sich nicht sicher, ob er mich guten Gewissens nach Hause schicken könne. Zudem bat er an, dass ich mich jederzeit bei ihm melden könne.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe Angst vor seiner Reaktion, wenn ich ihm tatsächlich die Wahrheit sage. Ich habe auch Angst vor eurer Reaktion, darum möchte ich nicht genauer darauf eingehen.
Wie würdet ihr reagieren ? Würdet ihr euch wirklich bei ihm melden, wenn etwas ist, bzw habt ihr das schon mal gemacht, also außerhalb der Therapie ? Und würdet ihr die Wahrheit sagen, auch wenn ihr Angst davor und vor den Konsequenzen hättet ?

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Drachenherz
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 07:58

Hallo Malie,

aus eigener Erfahrung weiß ich wie schwer es ist, über so etwas zu sprechen. Ich finde es gut, dass dein Therapeut dich darauf angesprochen, aber zu nichts gedrängt hat. Dass du Angst vor den Konsequenzen hast, ist auch verständlich. Außenstehende verfallen oft in „wilden Aktionismus“, weil sie unbedingt helfen möchten und dabei oftmals hilflos sind, wenn die Betroffenen noch nicht bereit sind, sich helfen zu lassen. Das würde dich zum jetzigen Zeitpunkt überfordern und dir wahrscheinlich auch wahnsinnig Angst machen.

Ich würde dir raten, erst dann darüber zu sprechen, wenn du bereit ist. Dies kannst du auch deinem Therapeuten so sagen. Vielleicht könnt ihr ja auch eine Art Notfallplan besprechen, damit du einfach eine Sicherheit und Anlaufstelle im Notfall hast. Dazu musst du ihm nichts Konkretes von deiner Situation sagen.

Ich wünsche dir viel Kraft!

Drachenherz

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leonidensucher
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 10:18

Ich kenne mich damit rechtlich nicht aus, aber ich würde vermutlich erst mal mit dem Therapeuten klären, wie er mit der Information umgeht, weisst Du was ich meine?
NEVER WASTE A GOOD CRISIS.


Bluemoon123
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 10:53

Zumindest in D kann ich zu der rechtlichen Situation etwas sagen. Ein Psychotherapeut unterliegt der Schweigepflicht (§203 StGB). Diese beinhaltet auch, dass er keine Möglichkeit hat zu handeln, ohne dass die Patientin zustimmt. Einzige Ausnahme ist eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung. Unter Eigengefährdung versteht man eine konkrete Suizidabsicht, aber nicht das ... ich nenne es mal "Bleiben in einer schwierigen evtl. gefährlichen Situation". Einen Schutzauftrag gibt es hierzulande nur für Kinder (Stichwort: Kindeswohlgefährdung), aber nicht für Erwachsene.

Vielleicht kann ich damit ein bisschen die Angst vor Konsequenzen nehmen. Denn wenn Du mit Deinem Therapeuten sprichst, wird keine Konsequenz folgen, die Du nicht willst. Er wird sicher mit Dir über die Situation reden und Dir Hilfe anbieten oder mit Dir andere Möglichkeiten erarbeiten mit der Situation umzugehen. Aber was Du davon annimmst und umsetzten willst und kannst, das ist und bleibt letztendlich immer Deine eigene Entscheidung.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Aussprechen des Problems der schwierigste, aber meiner Meinung nach der wichtigste Part ist. Wenn Du diese Hürde einmal übersprungen hast, dann wird es leichter. Und wenn es "nur" ist, dass Du jemanden hast, mit dem Du offen reden kannst. Ein Therapeut ist absolut dafür da. Er wird nicht in wilden Aktionismus verfallen, sondern hat normalerweise auch die Erfahrung behutsam mit dem Thema umzugehen und dein Tempo zu respektieren.

Das Angebot der Hilfe auch außerhalb der Therapiestunden darfst Du auf jeden Fall 100%ig ernst nehmen!

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peponi
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 11:02

leonidensucher hat geschrieben: Fr., 26.03.2021, 10:18 Ich kenne mich damit rechtlich nicht aus, aber ich würde vermutlich erst mal mit dem Therapeuten klären, wie er mit der Information umgeht, weisst Du was ich meine?
naja, aber er unterliegt doch der Schweigepflicht. Solange Malie nicht akut fremd- oder selbstgefährdend ist, müssten ihm ja eigentlich die Hände gebunden sein, ohne ihre Zustimmung irgendwelche Schritte in die Wege zu leiten, oder?

zu deiner Frage: ich hatte mal eine ähnliche Situation, will das an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. da habe ich meinen Therapeuten einige Tage, nachdem etwas passiert ist, angerufen. Er hat mir für den nächsten Tag einen Termin gegeben und war sehr behutsam und vorsichtig, hat aber auch klare Worte gefunden. Er hat später noch mal versucht, das Thema anzuschneiden, ich habe es aber bis heute völlig abgeblockt. Das hat er akzeptiert.
Welche Konsequenzen befürchtest du denn? Dass er hinter deinem Rücken irgendetwas macht, was du nicht möchtest? Das darf er eigentlich nicht. So wie du es beschreibst, klingt er eher besorgt, weil er auch nicht genau weiß, was passiert ist. Auch wenn ich die Aussage, dass er nicht weiß, ob er dich nach Hause schicken kann, schwierig finde, weil er damit einen gewissen Druck aufbaut. Aber: wenn du dich bereit fühlst, darüber zu reden, würde ich sein Angebot definitiv wahrnehmen. Das Ansprechen ist schwierig und schmerzhaft, aber kann unheimlich entlastend sein, und vielleicht stellen sich deine Ängste bzgl. seiner Reaktion ja auch als völlig unberechtigt heraus.
silence like a cancer grows.

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Malie01
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 11:23

Vielen Dank für eure lieben Antworten !
Ich habe Angst, dass der Therapeut ohne meine Zustimmung etwas unternimmt oder mich zu etwas drängen möchte oder mich ausquetscht. Dazu habe ich einfach noch nicht genug Mut.
Ich bin ja auch erst seit zwei Monaten bei ihm. Ich muss erstmal schauen, wie sich das entwickelt. Bis ich Vertrauen aufgebaut habe, dauert es leider immer ziemlich lange. Aber ich denke, ich bin bei ihm auf einem guten Weg.
Außerdem ist es so, dass ich die Therapie heimlich mache, anders wäre es sonst nicht möglich.
Da ich momentan in Elternzeit bin, geht das bisher ganz gut. Ich kann meinen Sohn mitnehmen und bisher hat er währenddessen immer friedlich geschlafen.

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lisbeth
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 11:56

Liebe Malie,

vielleicht wäre es ein erster Schritt wenn du mit ihm genau darüber sprichst:
Malie01 hat geschrieben: Fr., 26.03.2021, 11:23 Ich habe Angst, dass der Therapeut ohne meine Zustimmung etwas unternimmt oder mich zu etwas drängen möchte oder mich ausquetscht. Dazu habe ich einfach noch nicht genug Mut.
Also über deine Befürchtungen und Bedenken, welche Konsequenzen es haben könnte, wenn du offen mit dem Therapeuten sprichst. Vielleicht kann dadurch ja auch ein wenig mehr Vertrauen wachsen?

Ganz ehrlich, bei manchem, was du schreibst, klingeln bei mir auch die Alarmglocken und es entsteht das Bild, dass du in ziemlich ausweglosen Situation bist. Gleichzeitig bin ich mir auch im Klaren darüber, dass auch selbstverletztendes Verhalten (SVV) die Ursache für die Blutergüsse sein kann, und dass es einfach "nur" die Scham darüber ist, dass du darüber nicht reden kannst und auch, dass du heimlich zur Therapie gehst und davon keiner wissen soll.

Ich will dir hier den Grund auch nicht aus der Nase ziehen, denn egal was dahinter steckt: Ich glaube der Therapeut hat schon in ziemlich viele Abgründe hinabgeblickt, die zum Menschsein dazugehören. Und wird vermutlich erstmal nicht anders über dich denken als bisher auch. Und auch wenn du dich über seine direkte Konfrontation vielleicht ein wenig erschrocken hast, ich finde es erstmal grundsätzlich gut, dass er hinschaut und Dinge, die ihm auffallen, auch direkt anspricht.
Egal was die Ursache für deine Blutergüsse ist: Ich glaube in fast jedem Fall brauchst du Hilfe, um da herauszukommen. Vielleicht kannst du versuchen, den Therapeuten da als Verbündeten zu betrachten? Er macht dir ein Angebot. Viellleicht könnt ihr zusammen überlegen, wie Hilfe für dich aussehen könnte und was du in der aktuellen Situation brauchst? Das wäre vielleicht auch die Chance, eine andere Erfahrung als bisher zu machen?

Alles Gute!
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Malie01
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 13:33

Danke für deine Antwort !
Grundsätzlich finde es auch gut, dass der Therapeut nicht wegschaut. Von allein hätte ich es wahrscheinlich niemals angesprochen.
Allerdings weiß ich nicht, ob er sich sein Angebot, mir zu helfen, auch gut überlegt hat. Er sagte ja, ich könne mich auch außerhalb der Therapie jederzeit melden.
Was ist dann seine Vorgehensweise ?
Das muss ich auf jeden Fall vorher wissen, daher ist es eine gute Idee, das mit ihm zu besprechen.
Ich habe tatsächlich leider auch schon die Erfahrung gemacht, dass Leute überstürzt helfen wollen und dann überfordert sind. So etwas möchte ich auf keinen Fall nochmal erleben.
Es bringt nichts, wenn es dadurch schlimmer wird.


Bluemoon123
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 13:39

Der Therapeut ist "Profi". Das ist nicht vergleichbar mit Laien, die zwar Gutes wollen, aber damit komplett überfordert sind und das Gegenteil bewirken.

Wenn er Dir anbietet ihn jederzeit im Notfall zu kontaktieren, dann weiß er was er tut. Dieses Angebot darfst Du auf alle Fälle annehmen ohne Dir über ihn Sorgen zu machen!

Aber ich finde es tatsächlich auch wichtig, dass Du ihn fragst, was er im Fall der Fälle tun wird, so dass Du ungefähr einschätzen kannst was auf Dich zu kommt. Aber nochmals: Er wird nichts ohne Dein Einverständnis tun! Es ist sicher wichtig, dass Du da Deine Ängste auch noch mal bei ihm ansprichst, so dass er Dir das persönlich versichern kann.

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Hasenmaus123
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 16:14

Meine Erfahrung dazu:
Ich verletzte mich auch selbst. Bei meiner ersten Thera habe ich mich nicht getraut, darüber zu reden. Bei meiner jetzigen habe ich ihr das nach dem ersten Mal erzählt. Es war eine große Hürde. Ich hatte Angst, aber sie hat gut reagiert.
Mir wurde von ihr berichtet, dass sie auch andere Patienten hat, die sich selbst verletzen. Sie erzählte mir auch noch, was sie machen und warum.

Nachdem ich es jetzt weniger mache, hat sie mir erzählt, dass sie es einfach nur so schlimm für mich findet...

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Montana
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 17:11

Zum Melden außerhalb der Therapie gibt es viele Abstufungen. Stufe eins wäre z.B. ein Anruf zur Telefon-Sprechzeit. Stufe zwei ein Anruf zu einer Zeit, wo er sicher in der Praxis ist und evtl. ans Telefon gehen könnte (zwischen zwei Stunden). Stufe drei: auf den AB sprechen und um Rückruf bitten. Die Handy-Nummer am Wochenende anzurufen ist ein Extrem am anderen Ende der Skala und würde ich eher generell nicht machen. Aber bestimmt habt ihr besprochen, auf welche Art du dich melden könntest? Die Praxisnummer anzurufen ist jedenfalls etwas, was du auch mal ausprobieren kannst. Weil es am Anfang schwer ist, aber leichter wird. Damit wäre dann im Fall der Fälle die Hürde weniger hoch.

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Malie01
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 17:26

Ich muss das vielleicht doch noch etwas spezifizieren... es geht nicht um Selbstverletzung

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Fairness
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 18:19

Malie01,

Das liest sich sehr belastend... Wie hier mehrere gesagt haben, dem schließe ich mich auch an: an deiner Stelle würde ich mit dem Therapeuten besprechen, wie er mit der Information umgeht und was er mit der angebotenen Hilfe genauer meinte, falls es dir mehr Sicherheit gibt... und dann darüber sprechen.

Alles Liebe dir. 🌸
Sometimes your heart needs more time to accept what your mind already knows.

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Shukria
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 18:37

Möchtest du denn überhaupt das sich an deiner Situation etwas verändert oder sagst du es ist zwar belastend aber soll erstmal so bleiben?

Und zweite Frage für dich selbst zum nachdenken
Was müsste denn passieren das du sagst jetzt ist der Punkt erreicht, das halte ich so nicht mehr aus?

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leonidensucher
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Beitrag Fr., 26.03.2021, 18:41

Das hatte ich mir schon gedacht und deshalb meinte ich ja: frag den Therapeuten, was er dann mit der Info macht.

Ich vermute, Du kannst einen losbrechenden Wirbel an Aktionismus gerade nicht gebrauchen. Tatsächlich muss man da mit immensem Fingerspitzengefühl rangehen. Ich denke aber ein Therapeut ist da eine gute Adresse, weil er berufsbedingt trennen kann zwischen Aktionismus der Selbstberuhigung willen und tätig werden zur Verbesserung der Situation wenn es passt (sprich gefahrlos für Dich ist).

Ich wünsche Dir alles Gute und bewundere Deinen Mut, das hier so offen anzusprechen, Du bist auf einem guten Weg.
NEVER WASTE A GOOD CRISIS.

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