Wann endet Übertragungsliebe?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Sonnenblume1983
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Wann endet Übertragungsliebe?

Beitrag Mi., 17.06.2020, 07:05

Guten Morgen

Ich bin seit 2,5 Jahren in Therapie. Grund hierfür ist sexueller Missbrauch durch meine beiden Eltern und meinen Onkel in früher Kindheit.
Die Therapeutin ist sehr nett und verständnisvoll. Noch nie hat mir jemand so zugehört. Mein inneres vernachlässigtes Kind hat sich irgendwann auch in sie verliebt. Dies weiß sie und geht professionell damit um. Ich bin der Meinung, dass ich in der Therapie gut vorankomme. Es geht mir viel besser als noch vor ein paar Monaten. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass die Übertragungsliebe einfach nicht nachlässt.
Ich bin in einer Mutterübertragung und habe Angst, dass ich dort nie mehr rauskomme. Klar ist das harte Arbeit und geht nicht so schnell, aber es macht mir wirklich zu schaffen. Phasenweise ist es besser, so dass ich denke, dass ich es überwunden habe, aber dann fall ich wieder echt tief.
Wem geht es ähnlich? Wer hat positive Erfahrungen? Wann endet das endlich?

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Arakakadu
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 11:02

Hallo!
Ich denke das was du schreibst kennen hier soooo viele! Was sagt deine Therapeutin dazu? Nehme an, du hast eine tiefenpsych. Therapie?
Ich bin seid 1.5 Jahren bei meinem und stecke in einer Vaterübertragung ;) Momentan gehts mir besser damit aber mir ging es schon auch echt schlecht, sodass ich immer wieder die Gedanken bekomme die Therapie beenden zu müssen wenn mir die Nähe zuviel wird!
Ich denke vergehen wird sie indem du gut dran arbeitest, gemeinsam mit deiner Therapeutin. Diese Beziehung muss eben bis zum Ende hin gut aufgearbeitet und aufgelöst werden! Hat sie dir erklärt wie ihr das macht? Mein Therapeut sagt mir immer, dass das ganz normal ist und dass das auch wieder vergehen wird. Ganz bestimmt...

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Sonnenblume1983
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 11:51

Sie sagt, dass es ganz normal ist und dass wir es auflösen... Geduld ist nicht meine Stärke. Es tut einfach so weh und das jetzt schon so lange.
Ja, ich mach eine tiefenpsy. Therapie.

Wir heilen mein inneres Kind mit speziellen Übungen, aber manchmal denke ich, dass ich nicht vorankomme.

Wie macht ihr das ?

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Arakakadu
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 11:57

Eben ganz gleich. Wie lange wirst du noch bleiben vorraussichtlich? Vom inneren Kind war bei mir nie die Rede. Nur dass ich meine kindlichen Bedürfnisse bei ihm abdecken will (Geborgenheit, Aufmerksamkeit).... Ich assoziiere frei. Ist auch nicht immer einfach. Momentan habe ich auch das Gefühl nicht voran zu kommen!

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Sonnenblume1983
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 12:13

Über meine Stunden habe ich den Überblick verloren. Wir finden aber eine Lösung sagt sie, auch wenn die Stunden um sind.

Mir ging es ziemlich gut in letzter Zeit. Nun hat sie aber Urlaub für 3 Wochen und das zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Manchmal denke ich, ihr ist nicht bewusst wie ich mich fühle. Ich mache jetzt während ihres Urlaubs eine Bestandsaufnahme, dann kann sie alles sehen.

Meine gibt mir auch Geborgenheit und Aufmerksamkeit. Das einzugestehen ist mir echt unangenehm, aber sie sagt, dass es bei meiner Geschichte normal ist.

Wie lange hast du noch?
Sagt dein Thera wie lange deine Gefühle noch andauern ?

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Candykills
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 12:47

Meine Erfahrung ist, dass es hilfreich ist die Therapie langsam auszuschleichen und der Therapeut sich dabei immer mehr "zurücknimmt/zurückzieht" aus der Bemutterung. So konnten wir die Übertragung weitestgehend auflösen.
Das lief so ab, dass wir erst lange Zeit uns 2 x Woche sahen, dann 1 Jahr 1 x Woche, dann 1 Jahr alle 2 Wochen, dann 1 Jahr 1 x Monat und jetzt sehen wir uns alle paar Wochen/Monaten und das klappt sehr gut.
Anders hätte es mit der Auflösung sicherlich nicht geklappt bei uns.
Wichtig ist aber auch, dass du dir das gemeinsam mit der Therapeutin anguckst, was für Bedürfnisse etc. dahinter stecken, dass du in der Übertragung hängst.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 15:14

Ich vermute mal ganz stark, dass sich sowas überhaupt nur auflösen kann, wenn man in der Therapie so wie ein Kind In Pubertät und Erwachsenwerden lernt, sich diese Sicherheit und das Gefühl des Angenommenseins selbst zu geben.

Weil warum sollte der Geist "die Krücke" für das defizitäre Gefühl wieder hergeben wollen so lange keine ausreichende innere Lösung für das Defizit vorhanden ist.

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Arakakadu
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 15:17

Also ich habe offiziell 100h von der Kassen bekommen!
Jetzt habe ich noch 25 offen. Aber ich bin ja erst 1.5 Jahre dort. Es dauert recht lang alles scheinbar. Ich darf glaube ich solange bleiben wie ich will. Er meinte immer wieder beenden das einvernehmlich und werden uns was überlegen, wenn die Stunden aus sind. Ich weiß dass er sicher ein zwei mal verlängern kann und dass ich dann 6 Monate pausieren muss bevor ich erneut 100h bekomme. In dieser Zeit kann ich selbst zahlen. Aber das dauert sicher noch 1,5 Jahre. Und wer weiß ob ich ihn dann noch brauche. Ich habe auch 2x 2 Wochen Pause gehabt jetzt und das war aber eig voll ok. Naja... Ich kam nach 2 Wochen wieder und dann sagte er mir dass er wieder 2,5 Wochen nicht da ist. Das hat mir das GEfühl gegeben, das ihm gar nicht bewusst ist wie sehr das mich stresst. Habe ihm nach der Stunde ein SMS geschrieben dass ich mich so im Stich gelassen fühle und er hat mir dann am nächsten Tag in der Früh noch einen Termin gegeben. Ich sagte ihm dort auch, dass ich diese Gefühle sehr anstrengend finde und manchmal kaum aushalte und wir das bitte auflösen müssen. Er meinte wenn ich die Therapie beende wäre es ein vorzeitiger Abbruch und das mir das halt dann sicher fehlen wird und er fragt mich was ich mmn davon hätte, wenn ich es jetzt beende. Auch meint er dass das alles ein ziemlicher Widerstand ist um mich mit meinen Themen nicht beschäftigen zu müssen.
Er sagt auch dass er nicht sagen kann wie es sich entwickelt und dass es eine Reise ist auch der er mich begleitet und wir sehen werden wohin sie führt.

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Arakakadu
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Beitrag Mi., 17.06.2020, 15:18

münchnerkindl hat geschrieben: Mi., 17.06.2020, 15:14 Ich vermute mal ganz stark, dass sich sowas überhaupt nur auflösen kann, wenn man in der Therapie so wie ein Kind In Pubertät und Erwachsenwerden lernt, sich diese Sicherheit und das Gefühl des Angenommenseins selbst zu geben.

Weil warum sollte der Geist "die Krücke" für das defizitäre Gefühl wieder hergeben wollen so lange keine ausreichende innere Lösung für das Defizit vorhanden ist.
lustigerweise denke ich das auch so! Ich habe bemerkt, dass ich mich (jetzt wo es mir besser geht) gar nicht mehr ganz so wie kleines Kind fühle, das am Hosenbein hängt.... Sondern ziemlich aufmüpfig und austestend. :kopfschuettel: :lol:

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Mondmann
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Beitrag Do., 18.06.2020, 18:15

Wann endet das endlich?
Wenn du das so erlebst, dann ist die Übertragungsliebe nicht unbedingt vorteilhaft für dich.

Es klingt ja eher so, als betrachtest du sie wie ein lästiges Übel - oder aber du bist nicht wirklich "drinnen" und lässt sie nicht wirklich zu. Wenn du sie zulassen könntest, würdest du dir diese Frage so vermutlich nicht stellen, sondern "in ihr" mit der Therapeutin arbeiten.

Liebe ist ja nichts, was man bestellt und dann "anwendet", sondern wenn sie da ist, guckt üblicherweise der Therapeut (der Patient muss diese Arbeit nicht übernehmen), was das über dich aussagt und über eure Beziehung. Daraus - die Liebe ist also auch ein Hilfsmittel! - lassen sich dann weitere Überlegungen anstellen. Diese Übertragungsliebe ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dem Erkenntnisgewinn und zudem kann sie dafür sorgen, dass der Patient sich lebendiger fühlt. Dann aber fallen solche Gedanken wie "wann hört das endlich auf" weg; es hört dann auf, wenn die Zeit dafür gekommen ist - das muss auch nicht per "Auflösungsknopf" durch den Therapeuten sein (das wäre ohnehin keine gute Wahl, sondern ein "Notausstieg"), sondern das kann geschehen, wenn du zulassen kannst, dass das, was passieren soll, passiert.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 18.06.2020, 18:46

Mondmann hat geschrieben: Do., 18.06.2020, 18:15
Liebe ist ja nichts, was man bestellt und dann "anwendet", sondern wenn sie da ist, guckt üblicherweise der Therapeut (der Patient muss diese Arbeit nicht übernehmen),


Moment mal, das ist keine Liebe. Das ist eher emotionale Abhängigkeit, Idealsieren, Verschmelzungssehnsucht, heftige Verknalltheit, defizitäre Sehnsucht nach Nähe der Person die auch eine akute Angst vor Zurückweisung enthält.

Sowas ist per Definition kein wirklich angenehmer Zustand wenn es zwischen zwei erwachsenen Personen zu sowas kommt.

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Mondmann
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Beitrag Do., 18.06.2020, 19:38

Sowas ist per Definition kein wirklich angenehmer Zustand wenn es zwischen zwei erwachsenen Personen zu sowas kommt.
Eben: Wenn das so empfunden wird, hat der Patient nichts davon, und es bringt dann auch nichts, sich das schönzureden bzw. das Konzept der Übertragungsliebe zu idealisieren als etwas, was besonders schön wäre oder ein Beweis der Qualität der therapeutischen Beziehung.

Dann ist es die Aufgabe des Therapeuten, das entweder zur Bearbeitung auf den "Tisch" zu bringen (die Sehnsüchte, die Ängste usw.) - oder aber die Beziehung etwas zu lockern und die Übertragung zu "entspannen". Dafür gibt es bekanntermaßen bestimmte Techniken bzw. Interventionen, die den Patienten zurückholen in die Realität.
Moment mal, das ist keine Liebe. Das ist eher emotionale Abhängigkeit
Es gibt keine klare Grenze zwischen "Liebe" einerseits und "emotionaler Abhängigkeit" andererseits. Kinder lieben auch ihre Eltern und sind von ihnen abhängig; man kann seinen Partner lieben und trotzdem Angst vor dem Verlust haben. Man kann allenfalls unterscheiden zwischen verschiedenen "Reifestufen" der Liebe. Und klar, eine "Liebe", die den Anderen nicht sieht, sondern in der man nur vom Anderen umsorgt werden möchte, ist keine reife Liebe, und das sollte man auch wissen.

Dann wiederum gibt es auch in einer Therapie "Liebesformen", die nicht wirklich unreif sind, sondern die getragen sind von gegenseitigem Respekt und großer Sympathie sowie der gegenseitigen Verbundenheit durch die Intimität in den Begegnungen. Aber die fühlen sich eben auch nicht quälend an, sondern relativ "leicht" und weniger intensiv.

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