Nachnähren versus Distanzhalten in der Therapie
Nachnähren versus Distanzhalten in der Therapie
Liebe Forumsmitglieder,
folgendes Thema beschäftigt mich:
Es gibt Therapeuten, die die Auffassung vertreten, dass Bemutterung/Nachnähren/Nachbeelterung wichtig sind.
So erfährt der Klient, was er früher nie erfahren hat. Er kann das noch mal nacherleben.
Und andererseits gibt es Therapeuten, die sagen, dass sie das nicht machen (z.B. den Klienten Umarmungen etc.), weil es in die Abhängigkeit führt. Sie sind der Auffassung, die Klienten sollten sich das selbst geben können und leiten dann bspw. nur Übungen an, wo es darum geht, dass der Klient sich selbst in den Arm nimmt usw.
Wie ist Eure Erfahrung damit?
folgendes Thema beschäftigt mich:
Es gibt Therapeuten, die die Auffassung vertreten, dass Bemutterung/Nachnähren/Nachbeelterung wichtig sind.
So erfährt der Klient, was er früher nie erfahren hat. Er kann das noch mal nacherleben.
Und andererseits gibt es Therapeuten, die sagen, dass sie das nicht machen (z.B. den Klienten Umarmungen etc.), weil es in die Abhängigkeit führt. Sie sind der Auffassung, die Klienten sollten sich das selbst geben können und leiten dann bspw. nur Übungen an, wo es darum geht, dass der Klient sich selbst in den Arm nimmt usw.
Wie ist Eure Erfahrung damit?
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Hallo minds,
ein sehr interessantes Thema!
Ich für mich habe nach einiger Therapieerfahrung festgestellt, dass ich zum Gesundwerden beides brauche. Eine Therapie, in der ich sachlich über meine Probleme berichten kann und mit der Therapeutin ganz konkret daran arbeiten kann. Und eine Therapie, in der es nicht so viel ums drüber Reden geht, sondern eher darum, Wärme, Nähe, Halt, Geborgenheit zu erfahren. Bei der ersten Therapie handelt es sich um eine Verhaltenstherapie, die andere ist eine Körpertherapie, die ich selbst zahle. Beide Therapeuten wissen von einander, respektieren und befürworten meine Entscheidung, was mir sehr wichtig ist.
Ich denke, sowohl ein zu viel an Nähe, als auch eine zu distanzierte therapeutische Beziehung können großen Schaden anrichten. Die VT-Therapie alleine ist nicht in der Lage, mich im tiefsten Kern meiner Persönlichkeit zu berühren, sie hilft mir aber ins Handeln zu kommen, ist also eher progressiv ausgerichtet. Die Körpertherapie wirkt eher regressiv, erlaubt mir, nachnährende Erfahrungen zu machen und hilft mir, mich wieder zu spüren und Hoffnung zu finden. In beiden Richtungen und Therapieformen kann man sich verlieren, deshalb ist es für mich eine gute und wertvolle Lösung, beides zu erfahren: Distanz und Nähe. Progression und Regression.
Meine bisherige Erfahrung ist, dass dieses ausgewogene Geleichgewicht in einer Therapie alleine nicht möglich war und es immer in das ein oder andere Extrem gekippt ist, was viel zusätzliches Leid verursacht hat. Entweder die Therapie war zu distanziert und ich habe mich nicht gesehen gefühlt. Oder die Therapie hat eine zu große Abhängigkeit geschaffen, was mein Leben zum Stillstand brachte.
LG LSeneca
ein sehr interessantes Thema!
Ich für mich habe nach einiger Therapieerfahrung festgestellt, dass ich zum Gesundwerden beides brauche. Eine Therapie, in der ich sachlich über meine Probleme berichten kann und mit der Therapeutin ganz konkret daran arbeiten kann. Und eine Therapie, in der es nicht so viel ums drüber Reden geht, sondern eher darum, Wärme, Nähe, Halt, Geborgenheit zu erfahren. Bei der ersten Therapie handelt es sich um eine Verhaltenstherapie, die andere ist eine Körpertherapie, die ich selbst zahle. Beide Therapeuten wissen von einander, respektieren und befürworten meine Entscheidung, was mir sehr wichtig ist.
Ich denke, sowohl ein zu viel an Nähe, als auch eine zu distanzierte therapeutische Beziehung können großen Schaden anrichten. Die VT-Therapie alleine ist nicht in der Lage, mich im tiefsten Kern meiner Persönlichkeit zu berühren, sie hilft mir aber ins Handeln zu kommen, ist also eher progressiv ausgerichtet. Die Körpertherapie wirkt eher regressiv, erlaubt mir, nachnährende Erfahrungen zu machen und hilft mir, mich wieder zu spüren und Hoffnung zu finden. In beiden Richtungen und Therapieformen kann man sich verlieren, deshalb ist es für mich eine gute und wertvolle Lösung, beides zu erfahren: Distanz und Nähe. Progression und Regression.
Meine bisherige Erfahrung ist, dass dieses ausgewogene Geleichgewicht in einer Therapie alleine nicht möglich war und es immer in das ein oder andere Extrem gekippt ist, was viel zusätzliches Leid verursacht hat. Entweder die Therapie war zu distanziert und ich habe mich nicht gesehen gefühlt. Oder die Therapie hat eine zu große Abhängigkeit geschaffen, was mein Leben zum Stillstand brachte.
LG LSeneca
Ergänzung: Für die nachnährende, regressive Therapie ist es mir wichtig, dass der zeitliche Abstand zwischen den Terminen größer ist. Also auf keinen Fall 2-3 Mal wöchentlich, sondern eher 1-2 Mal monatlich. Außerdem halte ich es für wichtig, dass gerade so eine Therapie einen festen Rahmen bekommt- auch im eigenen Alltag. Die Therapie darf nicht der einzige Lebensinhalt sein, es muss daneben noch etwas geben: ein Soziales Netz und eine feste Aufgabe, sei es der eigene Job oder ein Ehrenamt, wenn die eigne Erkrankung das Arbeiten gerade nicht zulässt. Ist gar nichts mehr möglich, weder soziale Kontakte neben der Therapie, noch das Ausführen irgendeiner Tätigkeit, sollte man m.E. nicht mit einer regressiv, nährenden Therapie beginnen, sondern erstmal wieder eine Grundlage schaffen, von der aus man wieder ins Handeln kommen kann und sich als selbstwirksam und autonom erfahren kann.
Ich finde ein nachnähren ist wichtig aber keinesfalls auf der körperlichen Ebene in der Therapie machbar, das wäre übergriffig - immer.
Ich denke tatsächlich, dass es die Abhängikeit enrom steigern wird und die Beziehung verändern, da werden eventuelle Wünsche oder Erinnerungen getriggert...
etwas unfiltriert
Saffia
Das Nachnähren kann auch anders geschehen, indem der Therapeut mit dem Patienten eine gute vertrauensvolle zuverlässige und erhliche Beziehung führt. Mein Therapeut war sehr distanziert und das war genau das was ich gebraucht, habe, er war super zuverlässig und ehrlich, ich merkte, wie er immer auf meiner Seite stand, mir aber klarmachte, wenn ich mich verrannte. Das empfinde ich als viel wichtiger als das "in den Arm nehmen". Weil in dieser Situation würde ich das Kind bleiben, wenn er mich aber durch sein Handeln (Zuverlässigkeit, an meiner Seite stehen etc) zeigt, dass ich zähle, fördert er gleichzeitig auch die erwachsenen Anteile und das ist wichtiger als dauerhafte Regression.
Ich denke tatsächlich, dass es die Abhängikeit enrom steigern wird und die Beziehung verändern, da werden eventuelle Wünsche oder Erinnerungen getriggert...
etwas unfiltriert
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan
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Nähe und Wärme kann man in einer Therapie definitiv auch anders geben als mit Körperkontakt!
Ich brauche intensive Nähe, Zuwendung tatsächlich stark in der Therapie, aber das geht ganz ohne Umarmung etc.
Meine Therapeutin hat klar strukturiert eine "Beziehung" aufgebaut, ich hab sogar sehr genau nachvollziehen können was sie macht und wie und warum, und es wirkt trotzdem.
Denn natürlich macht sie das nicht rein technisch, sondern als Mensch, warmherzig, interessiert, optimistisch.
Das hilft mir sehr. Körperkontakt würde ich nicht wollen.
Ich brauche intensive Nähe, Zuwendung tatsächlich stark in der Therapie, aber das geht ganz ohne Umarmung etc.
Meine Therapeutin hat klar strukturiert eine "Beziehung" aufgebaut, ich hab sogar sehr genau nachvollziehen können was sie macht und wie und warum, und es wirkt trotzdem.
Denn natürlich macht sie das nicht rein technisch, sondern als Mensch, warmherzig, interessiert, optimistisch.
Das hilft mir sehr. Körperkontakt würde ich nicht wollen.
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Finde ich völlig richtig. Zärtlichkeiten werden eben nicht von der Krankenkasse finanziert.
Ich finde es gruselig, dass einige "Therapeuten" dies wohl richtig finden. Insgesamt halte ich das Konzept der "Nachbeelterung" für ein äußerst fragwürdiges.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)
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Nachnähren kann auf jeden Fall hilfreich sein, das hat meine Therapeutin bei uns auch gemacht. War sinnvoll und hat auch viel bewirkt.
Körperkontakt jedoch ist - in meinen Augen - übergriffig und hat nichts mit Nachbeelterung zu tun.
Körperkontakt jedoch ist - in meinen Augen - übergriffig und hat nichts mit Nachbeelterung zu tun.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)
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Ich hab das auch so erlebt, dass meine unerfüllten kindlichen Bedürfnisse in meiner analytischen Therapie thematisiert und ansatzweise auch befriedigt wurden (Nachbeelterung ist ein grauenhaftes Wort), allerdings ohne jeden Körperkontakt, sondern v.a. über das Medium der Stimme meiner Therapeutin. Unglaublich, was man mit der Stimme für Gefühle auslösen kann!!!! Außerdem - und das war gaz wichtig - fand das nur in der Stunde statt. Das war manchmal unglaublich anstrengend: Rein in die Regression und raus aus der Regression und ab in einen anspruchsvollen Job. Darüber habe ich mitunter gejammert und geklagt. In der Rückschau und mittlerweile 6 Jahre nasch dem Ende der Analyse bin ich darüber heilfroh. Ich denke, die Klarheit des Rahmens hat mit geholfen irgendwann aus der kindlichen Abhängigkeit wieder auszusteigen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.
Das mit der Stimme finde ich sehr interessant. Ist damit der Klang der Stimme gemeint? Kannst Du das näher beschreiben?
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Ich meine in der tat eine Modulation der Stimme zwischen Wispern und Flüstern bis hin zum Glucksen vor Lachen. Das hatte für mich etwas sehr Berührendes, mitunter wirklich wie zwischen Baby und Mutter.
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Danke ziegenkind, ich konnte das bislang nie in Worte fassen, was da mit der Stimme passiert ist, aber genau das, genau das
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer
Ich kenne das auch von meinen ehemaligen Therapeuten, dann ist es als ob er mit mit Worten eine warme Decke reicht Und mich behütet.
Das sind innige Momente und gleichzeitig bleiben alle Grenzen gewahrt.
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das mit der Stimme und den Worten kenne ich auch so, und es ist sehr beeindruckend und tut so gut.
Und "warme Decke" beschreibt es sehr schön, saffiatou, genauso empfinde ich das auch!
Ich habe bei der Therapeutin bewusst auch auf die Stimme geachtet, also auch eine gewählt, deren Stimme mir wirklich behagt, die ich gerne höre. Ich finde das wichtig!
Und "warme Decke" beschreibt es sehr schön, saffiatou, genauso empfinde ich das auch!
Ich habe bei der Therapeutin bewusst auch auf die Stimme geachtet, also auch eine gewählt, deren Stimme mir wirklich behagt, die ich gerne höre. Ich finde das wichtig!
Die Kombi aus einer stabilisierenden Verhaltenstherapie und einer regressiven Körpertherapie finde ich auch spannend...ein gutes Konzept.
Da könnte ich mir auch die Kombi aus systemischer Therapie (die doch jetzt von der Kasse gezahlt wird?) und Körpertherapie gut vorstellen. Denn ich denke die systemische Therapie arbeitet auch sehr ressoucenorientiert.
Da könnte ich mir auch die Kombi aus systemischer Therapie (die doch jetzt von der Kasse gezahlt wird?) und Körpertherapie gut vorstellen. Denn ich denke die systemische Therapie arbeitet auch sehr ressoucenorientiert.
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minds hat geschrieben: ↑Di., 02.06.2020, 10:33 Liebe Forumsmitglieder,
folgendes Thema beschäftigt mich:
Es gibt Therapeuten, die die Auffassung vertreten, dass Bemutterung/Nachnähren/Nachbeelterung wichtig sind.
So erfährt der Klient, was er früher nie erfahren hat. Er kann das noch mal nacherleben.
Und andererseits gibt es Therapeuten, die sagen, dass sie das nicht machen (z.B. den Klienten Umarmungen etc.), weil es in die Abhängigkeit führt. Sie sind der Auffassung, die Klienten sollten sich das selbst geben können und leiten dann bspw. nur Übungen an, wo es darum geht, dass der Klient sich selbst in den Arm nimmt usw.
Wie ist Eure Erfahrung damit?
Sagen wir es mal so: In Deutschland ist Herzlichkeit und Freundlichkeit bei vielen Menschen eher Mangelware, und man kann sich, wenn man die beiden nicht drauf hat prima hinter der therpeutischen Distanz verstecken.
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