Schamgefühl und Lügen

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Angel of Darkness
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Schamgefühl und Lügen

Beitrag Sa., 08.02.2020, 15:14

Ich weiß nicht genau, wie weit hier ich ausholen sollte, aber ich fange doch mal ganz von vorne an:

Ich (w, 27) bin mit meinem Freund (23) seit fast genau 5 Jahren zusammen. Wir haben uns im Januar 2015 auf einer Online-Spieleplattform kennengelernt (er ist Finne, ich halb-Deutsche halb-Italienerin) und es war von Anfang an klar, dass wir zusammengehören und "Seelenverwandte" sind, wenn man an so etwas glauben möchte. Obwohl ich von Anfang an sehr viele Zweifel hatte und die "Online-Beziehung" nach ein paar Monaten wieder beendete (ich habe ein sehr großes Problem, mich auf Menschen einzulassen und als Schutzmechanismus eine "Wand" aufgebaut, die es mir sehr schwer macht, mich Menschen zu öffnen; im Internet war es leichter, diese Wand zumindest bis zu einem gewissen Grad auszublenden), hatte er niemals aufgegeben und eigenständig entschieden als Schüler von seinem hart ersparten Geld von Finnland nach Deutschland zu fliegen, um mich persönlich zu treffen. Bei diesem ersten Treffen war er trotz meiner extremen Schüchternheit/Unnahbarkeit, von der ich dachte sie würde ihn eher abschrecken, sehr liebevoll und verständnisvoll und in der Lage mein “wahres Ich” hinter meiner “Wand” zu erkennen und damit war das Eis gebrochen. Ich lernte bald seine sehr herzliche Familie (Eltern + Schwester + Hund) kennen, die mich bedingungslos als neues Familienmitglied akzeptierte und meinen Freund nie so glücklich gesehen hatte.

Schon von Anfang an gab es immer wieder Konflikte, was unsere Vorstellung von Treue angeht, da er sehr viel Zeit mit Pornographie im Internet verbrachte (für mich als Demisexuelle hat sexuelle Anziehung ein sehr hohen Wert). Nachdem er mir mehrmals versicherte, er hätte aufgehört Pornos zu konsumieren, fand ich in seinem Verlauf immer wieder Einträge zu pornographischen Inhalten. Jedes Mal, wenn ich ihn damit konfrontierte, leugnete er erst mal alles. Er war anscheinend völlig ahnungslos, dass es in seinem Suchverlauf offensichtlich sichtbar war.
Einmal hatte er dann sogar versucht, nachdem ich ihm sagte, ich hätte wieder etwas in seinem Suchverlauf gefunden (zu dem Zeitpunkt lebten wir noch geographisch getrennt), diesen Suchverlauf zu löschen und mir dann ernsthaft glaubhaft zu machen, dass ich mir diese Suchverläufe nur eingebildet hätte (eigentlich schon "gaslighting"). Glücklicherweise hatte ich in dem Moment noch die Seite mit den Suchverläufen geöffnet und konnte mit einem screenshot beweisen, dass er diese Suchverläufe gerade selbst gelöscht hatte. Er fing dann plötzlich an, sehr emotional zu werden und mich zu beschuldigen, dass ich ihn gerade zutiefst verletzen würde. Dies hat mich natürlich erst mal komplett verwirrt, da ich doch diejenige war, die zu Unrecht behandelt wurde, und dann verunsichert, da er weinte und wirklich verletzt schien.
Ich musste ihn dann trösten, obwohl er eigentlich mich hätte trösten müssen.

Irgendwann stellt sich heraus (zu dem Zeitpunkt lebten wir dann mittlerweile zusammen), dass er tatsächlich an einer Pornosucht leidet, was erklärte, warum es so schwierig für ihn war, damit aufzuhören. Ich fing an mich intensiv über Pornosucht zu informieren und meldete mich sogar in einem Forum an (NoFap) und schickte meinem Freund immer wieder hilfreiche Links, mit denen er sich aber nie beschäftigen wollte. Wieder sagte er mir, er hätte doch alles im Griff, aber als ich einmal die Bildergalerie auf seinem Handy öffnete, fand ich hunderte von pornographischen Bildern, teilweise sogar normale Profilbilder von irgendwelchen Frauen auf Facebook, teilweise waren diese Bilder völlig beiläufig heruntergeladen worden, als ich direkt neben ihm saß. Ich war kurz davor, die Beziehung zu beenden, aber wieder versicherte er mir, er wolle diesmal ernsthaft aufhören. Es gab immer wieder Momente, wo ich das Gefühl hatte, dass er hinter meinem Rücken immer noch Pornographie konsumierte, ich hatte immer das Gefühl, ständig wachsam sein zu müssen und immer wenn mein Gefühl mir sagte, etwas stimmt nicht, konfrontierte ich ihn, er streitete immer alles ab und ich war ohne Beweise machtlos.

Etwa 1 Jahr nachdem ich die Bilder auf seinem Handy gefunden hatte, installierte ich eine App auf seinem Handy und PC, die "heimlich" seine Aktivitäten über screenshots überwachte, auch Inkognito. So fand ich innerhalb einer Woche heraus, dass sich nach einem ganzen Jahr nichts geändert hatte. In jeder freien Minute googelte er nach sexuellen Bildern, während ich im Raum daneben war und nichts ahnte, teilweise vor dem gemeinsamen Schlafengehen ganz beiläufig.
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Angel of Darkness
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Beitrag Sa., 08.02.2020, 15:16

Als er dann eines morgens vor der Arbeit im Badezimmer war (er hat die Angewohnheit, sein Handy mit auf die Toilette zu nehmen, was er auch öfters ausnutzte, um heimlich zu konsumieren) und dachte ich würde schlafen, öffnete ich meinen Account der App und konnte sehen, dass er gerade im Inkognito Modus auf seinem Handy war. Wie so viele Male zuvor, dass er viel zu lange Zeit im Badezimmer war und ich mich fragte, was er da so lange mache, öffnete ich abrupt die Tür und er war sichtlich überrascht und plötzlich auf dem homescreen des Handys.
Ich fragte ihn, was er da mache, und er antwortete "nichts", auch wie so viele Male zuvor, dass ich versuchte mit Logik zu argumentieren, die Wahrscheinlichkeit, dass ich ins Badezimmer komme, und er zufällig auf dem homescreen seines Handys ist, sehr sehr gering ist. Ich sagte ihm, dass ich ihm nicht glaube, und wie immer versuchte er den Fehler bei mir zu suchen, wie ich es denn wagen könnte, seine Ehrlichkeit in Frage zu stellen.
Da ist mir dann der Kragen geplatzt und ich habe ihm von der App erzählt, und dass ich genau sehen kann, was er macht. Nur einen Monat zuvor hatten wir schon eine ähnliche Situation, wo er am PC saß und angeblich spielte, ich kam in sein Zimmer, plötzlich war er auf dem Desktop. Ich sagte ihm, dass mir das sehr verdächtig vorkommen würde, wieder wurde ich angegriffen und zur Schuldigen gemacht, wie ich ihm denn nicht vertrauen könnte. Während er bei der Arbeit war, fand ich heraus, dass die Browserinhalte des Spieleplattform-eigenen Browsers gespeichert werden und konnte sehen, er hatte sich wieder pornographische Bilder angeschaut. Nach der Bestätigung durch die App wurde mir klar, es wird sich nichts ändern und ich wurde nur immer paranoider und unglücklicher.
Ich sagte ihm sofort, dass es mir reicht, wir kündigten unseren Mietvertrag, ich zog wieder zurück nach Deutschland, er zog bei seinen Eltern ein. Letztendlich einigten wir uns darauf, dass er seine Sucht in den Griff bekommen muss, bevor wir wieder zusammenkommen können. Er erzählte mir nach ein paar Wochen Funkstille, dass diese ganze Situation, dass ich ihn physisch verlassen und er mich "verloren" hatte, der Tiefpunkt war, den er brauchte, um "aufzuwachen" und endlich etwas zu ändern. Da ich aber nach mehreren abgebrochenen Studiengängen und Aushilfsjobs nach meiner Rückkehr nach Deutschland entschieden hatte, eine Ausbildung zu machen, ist es aktuell schwierig, den Überblick über seine Sucht zu haben. Wir sehen uns zwischendurch während meiner Schulferien oder über Feiertage und stehen jeden Tag über Skype oder WhatsApp in Kontakt. Trotzdem gibt es immer wieder Konflikte, wenn es darum geht, was beim "Entzug" erlaubt ist, und was nicht.


Mir geht es jetzt eigentlich nur darum, was ich als Partner tun kann, damit er, wenn er einen Fehler gemacht hat, die Verantwortung nicht immer direkt abblockt und diesen Fehler mir gegenüber bzw. vor allem sich selbst gegenüber zugeben kann. Ich habe viel über Schamgefühl im Zusammenhang mit Sucht gelesen, und nachdem ich über sein Verhalten reflektiert habe, glaube ich, dass viele Konflikte darauf zurückzuführen sind.
Anstatt zu akzeptieren, dass er mich auf irgendeine Weise verletzt hat, lehnt er die Verantwortung für sein Verhalten ab, da die Schuld- und Schamgefühle zu groß sind, je mehr er mich enttäuschen würde. Er interpretiert mein Verletztsein als unmittelbare Kritik an seiner Person und seinem persönlichen Wert, anstatt einfach zu akzeptieren, dass man Fehler machen und aus diesen lernen kann und sich nicht darüber definieren muss. Und wenn man seine eigenen Fehler ständig leugnet, kann man diese natürlich auch nie korrigieren.
Während unserer Diskussionen hat er oft Dinge gesagt wie "ich bin ja so ein schlechter Partner" "ich bin ja so ein schlechter Mensch" obwohl ich natürlich nie so etwas sagen würde, sondern einfach nur sein Verhalten kritisiert habe. Er wurde während seiner Jugend gemobbt, wahrscheinlich gibt es da auch einen Zusammenhang. Und auch ich als Person bin im Streit sicherlich nicht immer einfach, wenn ich mir als Schutzmechanismus angeeignet habe, sehr nachtragend zu sein, obwohl man sich schon entschuldigt hat. Das macht es wahrscheinlich auch nicht immer einfach für ihn, einen Fehler einzugestehen.

Es ist jetzt ein ziemlich langer Text geworden, wer immer es bis hierhin geschafft hat, danke im Voraus für Rückmeldungen.
Zuletzt geändert von Pauline am So., 09.02.2020, 06:09, insgesamt 1-mal geändert.
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spirit-cologne
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Beitrag Sa., 08.02.2020, 16:43

Angel of Darkness hat geschrieben: Sa., 08.02.2020, 15:16
Mir geht es jetzt eigentlich nur darum, was ich als Partner tun kann, damit er, wenn er einen Fehler gemacht hat, die Verantwortung nicht immer direkt abblockt und diesen Fehler mir gegenüber bzw. vor allem sich selbst gegenüber zugeben kann.
Ganz einfach: du kannst aufhören, ihn zu kontrollieren und die Verantwortung für ihn zu übernehmen und dich damit wie seine Mutter oder sein Chef zu verhalten. Er muss das selbst loswerden wollen und anfangen selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen, das ist nicht deine Aufgabe und du kannst ihn auch gar nicht 24/7 kontrollieren. Mal ganz davon abgesehen, dass das mit "Partnerschaft" dann nicht allzuviel zu tun hat. Den Partner heimlich "ausspähen" geht gar nicht und ist ebenso ein absoluter Vertrauensbruch.

Es ist das alte Lied: Du wirst ihn nicht ändern können, sondern nur dich selbst. Wenn er das loswerden will und kann, wird er es tun, wenn nicht, kannst du nichts daran ändern. Du kannst nur für dich entscheiden, wie du damit umgehen willst. Wenn du damit nicht leben kannst und er es nicht hinbekommt, was zu verändern, musst du dich halt trennen oder weiter leiden. Das ist deine Wahl, alles andere ist Illusion.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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_Leo_
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Beitrag Sa., 08.02.2020, 16:54

Man, lass den Jungen doch seine Pornos gucken. Das gehört nun mal zu seiner Sexualität scheinbar dazu.
Das ist ja furchtbar, wie du dich da einmischst.

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Pianolullaby
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Beitrag Sa., 08.02.2020, 19:11

Ich finde das schauen an und für sich nicht schlimm, das abstreiten, naja, nicht toll.
allerdings würde ich wohl mit deinem Hintergehen, der spionage app Dir auch nicht mehr vertrauen können.
Für mich ist dies keine Basis, da ihr beide einander hintergeht.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Teta
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Beitrag So., 09.02.2020, 02:31

@Angel of Darkness

Da gäb es aus meiner Sicht mehrere erwähneswerte Punkte. Ein paar davon:

1. Ihr seid beide viel "online" und habt euch ja auch über das Online-Gaming kennengelernt. Dies bringt natürlich mit sich, dass viel Kontakt "online" besteht. Grundsätzlich bietet der "digitale Austausch" viel Fläche für Missverständnisse. Wie viele Paare gibt es, die nur allein an ihren "WhatsApp-Nachrichten" scheitern, weil Mimik und Gestik fehlt, weil Worte nicht das sagen können, was das Zwischenmenschliche ausdrücken kann. Die Internet-Foren sind voll davon. Von Missverständnissen die "online" stattfinden. Grundsatz für eine bessere Beziehung: persönlich mit einander reden. Keine Nachrichten schreiben. Weder im Chat noch per SMS oder WhatsApp oder was es sonst noch so gibt.

2. Pornosucht: Wann spricht man von Sucht? Wann nicht? Dass dich es stört, dass er andere Frauen anschaut, obwohl er mit dir in einer Partnerschaft ist, kann ich verstehen. Bis zu einem gewissen Grad kann man (Frau) dabei großzügig sein - und je nach dem, wie man möchte - auch mal gemeinsam einen Film schauen, der unter der Rubrik "Frauen-Porno" gelistet ist, um die Unterschiede kennenzulernen und sich auszutauschen. Was mich aber in deiner Situation stören würde, wäre, wenn es sexuell zu Problemen käme. Da er 23 ist und in seiner Sturm und Drag Phase, ist es vermutlich so, dass es noch wenig Einfluss auf euer Sexualleben hat? Es gibt aber auch Männer, die mit zunehmenden Alter kaum noch richtig einen hoch bekommen oder zu weich sind/nicht mehr hart werden, weil sie ihren Penis mit Pornokonsum abgestumpft haben ...natürlich dann nicht nur den Penis, sondern auch das Gehirn und die Vorstellung und die Erotik. Wenn sowas bei dir vorliegen sollte, würde ich ein Ultimatum setzen. Du bist 27 und deine Sexualität sollte nicht darunter leiden, bzw. deine Sexualität hat dann Vorrang vor seiner Pornoliebe.

3. Kontrolle ist blöd. Wirklich! Das zerstört auf Dauer jede Liebesbeziehung. Ihr verstrickt euch nur weiter darin. Und du hast keinen Grund eifersüchtig zu sein. Du bist keine dieser Darstellerinnen, die für Geld ihren Körper verkaufen.Manchmal werden diese auch dazu gezwungen. Die, die es zwar freiwillig machen, machen dies aber trotzdem meist aus einer finanziellen Not heraus. Oft werden sie "weggeschmissen" sobald sie zu alt für das "business" sind. Du hast also keinen Grund, eifersüchtig zu sein. Dieses "Geschäft" mit der Pornographie hat viele illegale Zweige und ist manchmal auch sehr menschenunwürdig. Auf diese Frauen darfst und solltest du wirklich nicht eifersüchtig sein.

4. Dass er gelogen hat und leugnet und dass er geweint hat und was da so passiert ist...Dazu: Es zeigt, dass er sich nicht nur ertappt gefühlt hat, sondern dass er ein Gewissen hat, das ihn in dem Moment beschämt hat. Leider habt ihr es in dieser Situation nicht geschafft (weil online? - siehe Punkt 1) euch in den Arm zu nehmen und Nähe zu schaffen, um einander zu vertrauen und wirklich miteinander zu sprechen. Da haben sich nur die "Fronten" hochgefahren.
Ihr habt da einiges zu klären. Tip: Macht euch gegenseitig keine Vorwürfe. Verabredet euch zu einem klärenden Gespräch und vereinbart (direkt vorher!),, dass niemand den anderen beschuldigt oder Vorwürfe macht. Vereinbart, dass ihr euch gegenseitig "Redezeit" gebt, und jeder seinen Standpunkt ausführlich erklären kann. Geht dabei auf eure Gefühle ein.
Folgendes: Wenn du sagst "Ich war traurig, weil du wieder Pornos geschaut hast" ist es ein Vorwurf. Wenn du sagst "Ich bin traurig, weil ich Angst habe, dass du diese Frauen mehr magst als mich" ist es eine "ICH-Botschaft" die kein "anklagendes DU" enthält. Probiert es mal damit. Achtet auf eure Kommunikation.

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