Pragmatischer Therapeut

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Luftleerer Raum
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Pragmatischer Therapeut

Beitrag Do., 23.05.2019, 01:09

Hallo,

ich habe hier schon häufiger mitgelesen und würde mich freuen, nun vielleicht selbst ein paar Meinungen zu erhalten.

Ich mache derzeit eine TP (Meine 3. Therapie, ich habe schon ein paar Jährchen mit meinen Kamellen auf'm Buckel) bei einem grundsätzlich sehr sympathischen Therapeuten. Er ist aufrichtig und ich vertraue ihm. Ferner meinte er, er sorge dafür, mir alle 100 Stunden anzubieten, die mir zur Verfügung stünden.

Ich habe enorme Redeschwierigkeiten. Für mich geht es so oft um die Frage, ob ich ein Recht habe hier zu sein, über andere zu sprechen, die Furcht mich lächerlich zu machen oder auch schlichtweg für eine Simulantin gehalten zu werden. Trotzdem habe ich in der letzten Zeit versucht anzudeuten, dass mein Zustand sich verschlechtert. Kritisch verschlechtert. So diese Form von "Fuck off, wieso mache ich das überhaupt, eigentlich bin ich mir das doch gar nicht wert und tue nur eine Menge Unrecht und Spaß hat er mit mir so auch schon lange nicht mehr". Ich bin zerstreut und auch nachlässig in der Einnahme eines wichtigen Supplements. Darum ging es heute. Er stellte infrage ob es sich um eine selbstgefährdende Maßnahme handle und ob so die Therapie für ihn tragbar wäre. Für mich war die Situation ein einziger Trigger. Es erinnerte mich an absurde Erlebnisse, die ich fast vergessen hatte.

Ich weiß, dass er alleine schon rechtlich die Sicherheit braucht. Und ich habe mir zuletzt selbst Sorgen gemacht und bin gewillt mich darum mehr zu kümmern. Aber all die Fragen wie "Verstehen Sie das Problem denn nicht?!", "Ich verstehe nicht, weshalb Sie [...]", "Erzählen Sie mir nicht, dass Sie [...]" zwischen denen ich kaum zu Wort kam brachten mich dazu, mich zurück zu ziehen. Ich hatte eine diffuse Angst und machte dicht. An irgendeinem Punkt drehte sich alles, ich wollte eigentlich nur gehen und jeder Blick auf die Uhr tat weh, weil ich mehr und mehr das Gefühl hatte, dass Zeit vergeudet wurde, in der ich vielleicht gerne etwas anderes besprochen hätte, wozu ich heute bereit war. Keine Sache der Selbstverständlichkeit, meistens schweige ich die längste Zeit.

Also schrieb ich im Anschluss eine Mail. Ich dachte kurz nach, für gewöhnlich bin ich sehr distanziert und förmlich, werde so auch in meinen alten Berichten beschrieben. Dieses Mal habe ich einige Zeilen einfach drauf los getippt, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass es leicht wäre dies neutral und distanziert zu schildern; ich hätte mir während des Gesprächs so sehr gewünscht einmal zu hören "So mache ich mir Sorgen um Sie" oder irgendetwas dergleichen. Ich will keinen Schwall aus pathetischem Gefasel, das ich ohnehin nicht glauben würde. Ehrlichkeit ist mir wichtig. Aber ich hatte gehofft, dass ich als Mensch zumindest mehr bin als Patientin Nummer X, schließlich kennt er mich nun einige Monate. Deshalb erwähnte ich, dass es meistens nur darum gehe, sich rechtlich abzusichern und dass ich dies zwar niemandem verdenken kann, aber dass es mich trifft, dass es nie um mehr geht, auch meinen Eltern nicht.

Die Antwort war ein Schlag in den Magen. Sinngemäß, bzw. sogar relativ wörtlich bezeichnete er die Unterstellung, er handle aus juristischem Interesse, als rein höhnisch. Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte, mir kamen die Tränen. Da ertrug ich nicht, dass er "wütend" auf mein Verhalten reagierte und alles, was passierte war, dass es noch schlimmer wurde. Ich nahm mir drei Stunden Zeit für eine Antwort, in der ich mich dafür entschuldigte, wie meine Nachricht zu verstehen war. Und ich habe immer noch Angst, dass er das als unehrlich, als scheinheilig oder als lächerlich abstempeln könnte. Ich wollte ihm das nicht vorwerfen, ich weiß, dass er es tun muss und ich wollte ihm anhand eines Beispiels meiner Eltern nur zeigen, wie empfindlich dieses Thema für mich ist - Dass die Leute zwar stets sagten, sie sorgten sich, aber Sorge konnte mit einem metaphorischen Beispiel illustriert so aussehen, dass man der kurzzeitig verschwundenen Tochter ins Gesicht schlug, als sie wieder auftauchte, weil sie ihren Eltern damit Angst eingejagt hatte. Was ich in meiner Kindheit und auch später bei meiner Essstörung niemals fühlen konnte, war Fürsorge, Wärme, Besorgnis in einem Sinne, dass ich mich sicher fühlen konnte.

Mein Therapeut ist aber auch nicht der Mensch, der häufig Zitate für das hiesige Zitatethema raushaut, er ist regelrecht pragmatisch. Einerseits mag ich seine Ehrlichkeit, andererseits bin ich an einem Punkt, an dem ich mir selbst nicht mehr viel wert bin und an dem nur ein netter, ermutigender Satz etwas wäre, an dem ich viele Wochen zehren könnte.

Hat jemand ähnliches in seiner Therapie erlebt? Wie habt ihr diesen - Zum großen Teil auch inneren Konflikt - gelöst?

Liebe Grüße
LLR

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Philosophia
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Beitrag Do., 23.05.2019, 05:30

Erst mal herzlich willkommen hier, liebe Luftlehrer Raum, ichkann verstehen, dass dich seine Kommentare fertig gemacht haben. Als allererstes möchte ich dir aber sagen, dass solche Konfliktgespräche in Mails nichts zu suchen haben und zwar genau aus dem Grund, dass da viel zu viel Interpretationsspielraum ist. Andererseits finde ich es in erster Linie richtig dumm von ihm, dass er deine Mail so beantwortet hat - er hätte auch schreiben können, dass ihr das in der nächsten Stunde klärt. So hat er dir ne Antwort hingepfeffert, mit der du jetzt erstmal klarkommen musst.
Ich kenne jedenfalls solche Situationen, wo ich mich in der Therapie in die Ecke gedrängt gefühlt habe - einfach, weil es mich an frühere Gefahrensituationen erinnerte (da reicht nur ein Stück den dem was früher war und wuschhhh bin ich drin). Bevor sich das das nächste Mal so aufspult, könntest du ein "Stopp" einwerfen, falls du das denn kannst in dem Moment. Ich finds ein bissl schade, dass er als TP nicht ein bissl mitgekriegt hat, dass du gerade Angst bekommst - es gibt doch da so Signale. Er scheint da wirklich wenig mitfühlend gewesen zu sein - vielleicht hielt er es nicht für angemessen und wollte lieber konfrontativ sein. Vielleicht hat das einfach nicht gepasst - was du brauchtest und was er dachte, dass du es bräuchtest. Auf jeden Fall würde ich all das besprechen in der nächsten Stunde (auf keinen Fall noch ne Mail) - sollte er da immer noch aggro oder sonst was sein, wäre das echt seltsam. Aggressionen sind grundsätzlich nicht auszuagieren vom Therapeuten. Er kann ja wütend und genervt sein, aber nicht destruktiv. Dass er sich dazu hat hinreißen lassen, mit dir per Mail zu diskutieren, halte ich für problematisch. So pragmatisch scheint er also nicht zu sein.
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Schnuckmuck
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Beitrag Do., 23.05.2019, 07:46

Für mich klingt das einfach nach einem Hinterfragen, wozu er dich anleiten wollte,

Denn es ist ja nicht auszuschliessen, dass du das Mittel wirklich nicht nimmst, um dir unterschwellig zu schaden.

Vielleicht klingt das für sich komisch, aber für mich in einleiüuchtend, weil ich diesen u terschwelligen Vernichtungsgedanke in mir habe und es auch betreibe, ohne Ritzen. Sondern mit verdeckten Waffen.

Für mich hast du da etwas hineinverstanden, was es nicht ist. Einen Vorwurf. Versuche es mal losgelöst zu betrachten. Als einfache Rückfrage. Und dann bespricht das einfach in der nächsten Stunde. Ein Therapeut hält das sicher aus.

Viel Glück

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Do., 23.05.2019, 07:51

Ja, ich habe mal was ziemlich Ähnliches erlebt - und es durch dichtmachen "gelöst", leider.

Mittlerweile denke ich mir, dass diejenige einfach so war (es Teil der Persönlichkeit oder des Berufsbilds war), und ich mich in den Momenten, in denen ich nicht in erster Linie eine Lösung gesucht habe, sondern mich ausk***n wollte (was ja auch dazu führt, dass es einem besser geht), besser an eine Freundin gewandt hätte.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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stern
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Beitrag Do., 23.05.2019, 08:08

Da es ja ein Problem mit ihm ist, würde eine Lösung voraussetzen, das nochmals zu erörtern... inwieweit er darauf eingeht, liegt dabei natürlich nicht in deiner Hand. Dass er sich rechtlich absichern muss, war bereits deine Prâmisse. Seine Fragen verstehe ich als Nachragen mit Appellchrakter, bei denen er dir leider wenig Raum für Antworten ließ. So hattest du wenig Chance Stellung zu nehmen... und er hatte wenig Chance, weil den Bild ja schon fix war. Aber vielleicht lässt sich das ja nochmals aufgreifen.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

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Malia
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Beitrag Do., 23.05.2019, 10:16

Klingt, als wärst du in der Therapie an einem wichtigen Punkt.

Das mit der "Sorge" der Eltern habe ich übrigens auch so erfahren.
Und so entstand etwas widersprüchliches in mir:
das Bedürfnis, das sich mal jemand um mich sorgt und gleichzeitig Angst vor Strafe, wenn sich jemand um mich sorgte.
Dadurch hab ich - bis mir dieses "Muster" bewusst geworden war - sorgende Worte immer als Kritik oder sogar Bedrohung aufgefasst
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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Beitrag Do., 23.05.2019, 13:24

Vielen, vielen Dank für all die Antworten, so viel schneller und auch zahlreicher als erwartet. Ich habe mittlerweile eine Antwort erhalten, nur kurz aber doch für mich bereits sehr beruhigend; er ist "nicht mehr" sauer, bat mich nur nochmals darum, meine Mittel einzunehmen, auch mit dem Argument, dass es wahrscheinlich zusätzlich meine Tagesmüdigkeit eindämmen könnte.

@Philosophia
Ja, da sprichst du schon etwas an. Er selbst sagt, dass er Mails aus diesem Grund gerne vermeidet, für mich sind sie oft der einzige Weg, etwas mitzuteilen. Ich bin in dieser Therapie schonungslos ehrlich, fast schon übermäßig offen, aber wenn ich über etwas nicht reden kann/will, kann ich dann nur schweigen, oft ist schon zu viel zu erklären weshalb. Leider denken viele, ich könne mich gut ausdrücken, weil mein Wortschatz umfangreich ist, aber das ist nicht der Fall. Ich war lange Stotterin und spreche noch heute ungerne direkt, schriftlich kann ich mich eigentlich viel besser ausdrücken.
Man muss sagen, dass er für einen tiefenpsychologischen Therapeuten unfassbar viel redet. Manchmal bin ich froh darüber, in anderen Situationen finde ich dann keine Möglichkeit da einzusteigen. (Mein letzter Therapeut war PiA, gefühlt kaum älter als ich, damals herrschte beiderseits ein sehr lockerer Ton und es entstanden ikonische Zitate wie "Fallen Sie mir nicht ins Wort, wenn ich Sie unterbreche!")
Hier komme ich nicht so recht rein, ich weiß nicht. Wo in der letzten Therapie zu wenig Gefälle war, ist hier sehr viel. Ich schätze ihn sehr, er ist sehr offen und ehrlich, sagte mir ins Gesicht es sei ihm noch nie gelungen eine Essstörung "wegzutherapieren", aber er glaube darum ginge es mir auch gar nicht, sonst wäre ich woanders und damit hat er Recht.

Allerdings weiß ich nicht genau wohin das Schiff steuert. Bereits zu Beginn sagte er mir, dass er nicht auf Traumata spezialisiert sei - Damals hätte ich meine Probleme selbst niemals darauf zurückgeführt. Mittlerweile frage ich mich doch, ob es die Dinge nicht erschwert. Meine Redeblockaden entstehen oft, wenn ich mich zu einer Person oder einer Situation äußern muss, die ich ganz unterschiedlich wahrnehme, vor allem Kognition und Emotion sind stark getrennt. Ich bin sozusagen das Gegenteil einer Schwarz-/Weiß-Seherin. Ich sehe sehr viele Facetten, aber ich kann immer nur eine Sicht gleichzeitig äußern. Damit vernachlässige ich jedes Mal einen großen Teil des Ganzen, es fühlt sich falsch an. Noch heute falle ich manchmal in alte Muster, empfinde Furcht und Bedrohung im Umgang mit meinen Eltern/meinem Vater, obwohl ich kognitiv weiß, dass ich a) einen Einfluss habe, wie Situationen entstehen und sich entwickeln und ich b) kein Kind mehr bin und mir darum absolut nichts passieren wird. In ein ähnliches Muster bin ich gestern verfallen, innerlich habe ich Fluchtwege gesucht, ich hatte Angst und ich wollte weg, obwohl ich natürlich wusste, dass das ein kindlicher und irrationaler Zustand war.


@Schnuckschnuck
Nur zum Verständnis: Du meinst, dass ich durch seine Reaktion selbst hinterfrage, ob ich mir schaden will? Puh, wahrscheinlich bin ich da gerade zu fixiert um das spontan korrekt zu beantworten, aber meine erste Intention geht eher dahin, dass er sowas normalerweise recht direkt in Form von Deutungen anspricht ("Könnte es sein, dass ...", "Haben Sie in Betracht gezogen, dass ...").

Allerdings kenne ich die Situation, die du beschreibst sehr gut und ich kann nicht leugnen, dass ich Passivität auch bereits genutzt habe, um mir zu schaden (Was auch für ihn sicherlich aus meiner Biografie herausgeht). Zur aktuellen Zeit war ich aber diejenige, die das Thema immer wieder mal aufbrachte und das hausärztlich überwachen ließ, obwohl mir das enorm schwerfällt. Ich gehe nicht gerne zu Ärzten, weil ich mich dort trughaft sicher fühle. Ich bin in meiner Kindheit sehr selten dort gewesen, manchmal mussten meine Beschwerden Monate gehen, dass es überzeugte mit mir zum Arzt zu gehen. Das habe ich bis heute beibehalten - Bei jedem Arztbesuch ist das schlechte Gewissen dabei, dass es gar kein Problem gibt und ich nur Zeit stehle oder mich wichtig machen möchte. Mir fällt manchmal schwer zu entscheiden, was man doch abklären sollte.

Besprechen werden wir das wohl in jedem Falle. Positiv gesehen; zumindest gibt es dann schon ein Thema für die nächste Stunde. :neutral:


@ExtraordinaryGirl
Ja, Reden erleichtert mich aktuell auch sehr, ich bin sehr froh selbst gestern noch mit meiner Freundin gesprochen zu haben, die ganz allgemein zum Thema Therapie eine für mich überraschend ähnliche Einstellung hat, wie ich. Ich hielt sie immer für relativ ... ja, auch irgendwie pragmatisch und wenig gefühlsbetont, allerdings habe ich gelernt, dass auch sie meint sie profitiere am meisten von Wärme in einer therapeutischen Beziehung.

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Beitrag Do., 23.05.2019, 13:26

@stern
Ich hoffe ehrlich gesagt noch sehr, dass sich das dann auch teils als Missverständnis oder sehr enges Blickfeld herausstellt. Auf meiner Seite wahrscheinlich sowieso, aber dieses Mal hatte ich das Gefühl, dass ich nicht die einzige war, die etwas interpretiert hat. Ich bin bereits sehr froh, dass er nicht mehr wütend ist, das gibt mir etwas mehr Sicherheit.


@Malia
Deine Anfügung fand ich ziemlich interessant. Auf diese Idee kam ich noch nicht, ich kann mir bei mir zumindest etwas ähnliches als Teil des Ganzen vorstellen. Als er nach einer Schilderung meinerseits ebenfalls via Mail kurz Bedenken äußerte, dass ich meinen Vater besuche, wurde ich regelrecht panisch und verfasste eine Mail, die diese komplett zerstreute. Ich ziehe bei mir da immer Verbindungen dazu, dass ich nicht "schlecht über die Familie reden" möchte. Ich will keine "Nestbeschmutzerin" sein oder "undankbar". Ich weiß, dass meine Eltern es nicht leicht hatten, wahrscheinlich hielten sie ihr Verhalten für das Beste oder wussten es zumindest nicht besser. Letztendlich sollte ich einfach darüber hinwegkommen. Wenn andere aber ein schlechtes Bild von meinen Eltern haben, ohne sie zu kennen, muss es durch meine Erzählung passiert sein und ich tue meinen Eltern dadurch ein unfassbares Unrecht, gegen welches sie sich nicht einmal wehren können.


Vielen Dank euch allen erneut (Und ich entschuldige mich für den Doppelpost!) :->
LLR

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Myraden
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Beitrag Do., 23.05.2019, 15:05

Hallo Luftleerer Raum

Ich möchte gar nicht allzu viel was dazu sagen über das was du mit deinem Therapeut erlebt hast.

Mir ist eher aufgefallen wie sehr du deine Eltern in Schutz nimmst, das ist auch kein Problem sondern oft auch ganz normal und trotzdem solltest du dir was das angeht dir mehr Rechte eingestehen.

Es geht nicht um deine Eltern wie sie heute sind, sondern es geht im großen und ganzen ja um deine Eltern wie sie mal waren, als du noch ein Kind warst und mindestens diesem Kind von damals solltest du diese Freiräume geben denn es hat das recht darauf, du solltest lerne das zu erkennen, dass dieses Kind mehr Schutz braucht als deine Eltern von damals.
Ich glaub dein Therapeut weiß sehr gut über solche innere Konflikte Bescheid du bist ihr Kind und sie deine Eltern, das ändert sich ja nicht und wenn du heute ein besseres Verhältnis zu ihnen hast ist das was gutes und trotzdem darfst du deinem Therapeut erzählen wie sie mal waren, was du erlebt hast, das ist kein Unrecht, das ist dein Recht das alles zu verarbeiten.

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Lilli-E
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Beitrag Do., 23.05.2019, 19:04

Hallo Luftleerer Raum, nochmal zu deiner Sorge, wenn du Schlechtes über deine Eltern erzählst. Im Prinzip geht es nicht wirklich um deine Eltern bzw nicht in erster Linie.

Wenn man über die schlechten Seiten der Eltern redet, dann redet man in Wirklichkeit über innerpsychische Bereiche in sich, die (natürlich) von den Eltern mitgeprägt wurden und in der Gegenwart eine Wirkung auf dich bzw in dir haben. Insofern redest du auch über dich selbst, wenn du über deine Eltern sprichst.

Ich habe das am Ende meiner Therapie gemerkt,dass ich da dann unterscheiden konnte: was ist in mir und wie sind meine Eltern (die natürlich nicht nur schlecht waren). Ich hätte zuvor aber gar nicht anders über meine inneren Knoten sprechen können, als über den Umweg über meine Eltern. An ihnen konnte ich fest machen, warum was wie bei mir ungut ist.

Das Schlechtreden der Eltern ist in diesem Sinne heilsam, um sich den eigenen Schattenseiten nähern zu können und sie ins Bewusstsein zu holen. Später ist das dann nicht mehr "nötig"

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Luftleerer Raum
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Beitrag Fr., 14.06.2019, 21:27

Hallo,

nach meinem letzten Thema versuche ich es nun doch noch einmal hier, auch wenn ich mich nicht ganz gut damit fühle, da ich sonst eher stille Mitleserin war. Leider habe ich derzeit aber absolut niemanden zum Reden und der Tag heute war wirklich zum Vergessen.

Ich hatte in einem anderen Thema bereits angedeutet, dass ich mich in einer etwas komplizierten Therapiesituation befinde. Der Therapeut ist ein aufrichtiger Typ, der mir auch zugesichert hat bei ihm alle Stunden nehmen zu können, die ich benötige, dennoch habe ich einfach das Gefühl, das irgendetwas nicht ganz passt. Ich kann in den Stunden kaum reden, nicht über das was mich beschäftigt. Entweder ich schweige sehr lange oder es beginnen sich Gespräche um die belanglosesten Probleme zu spinnen, die ich noch mehr oder weniger selbst regeln könnte, bzw. die nur Folgen meiner eigentlichen Probleme sind. Kommt doch einmal etwas "hoch", wirkt es immer seltsam, ich schaffe es einfach nie alles in einen Kontext zu bringen, weil es für mich wie eine Qual ist überhaupt das einzubringen, was ich einbringen möchte.

Ich denke seit vielen Wochen über einen Wechsel oder Abbruch nach. Zugleich bin ich eigentlich zutiefst optimistisch, fast schon naiv hoffnungsvoll und ich dachte mir angesichts seines Versprechens mich nicht einfach abzuschieben, müsse ich diese Chance auch nutzen. Andererseits berichtete er mir auch wie er sich aufregen und Leute herauswerfen konnte, die sich falsch verhalten und ich bekam eine so ungeheure Angst vor ihm, ich ertrage den Gedanken nicht, dass er wütend auf mich sein könnte. Erst heute Abend(!) fiel mir auf was für Parallelen das zu meinem Vater hat, die Furcht ist dieselbe wie jene als Kind, obwohl ich weiß dass die Situation komplett anders ist.

Nach einer weiteren belanglosen und dadurch schmerzhaft verlorenen Stunde (Ich hatte zuvor schon per Mail angedeutet, dass es mir derzeit nun wirklich dreckig geht, so sehr dass ich über Medikation nachdenke - Und dazu war ich die letzten fast 10 Jahre immer viel zu stolz) habe ich auf dem Absatz kehrt gemacht und ihn gebeten, meine weiteren Termine zu canceln. Seine Reaktion war genau das, wovor ich Angst hatte. Er fragte mich was das für ein Verhalten sei einfach so zwischen Tür und Angel abzubrechen ohne Erklärung und nachdem er vier Stunden an dem Gutachterbericht gesessen hätte. Ich wusste nicht, was ich sagen soll, weil ja verdammt, es tat mir selbst leid und an den Bericht hatte ich in diesem Augenblick gar nicht gedacht, aber ich weiß wirklich nicht, wie das weitergehen soll (In den Stunden die Redeblockade, schriftlich habe ich sehr oft Zweifel angedeutet) und ich will keinen Therapieplatz belegen nur um zu besprechen wie ich meine Hausarbeiten aufschiebe. Ich war in diesem Moment einfach nur erstarrt und habe mich entschuldigt, schließlich vereinbart den Termin in der nächsten Woche zu lassen, um dort alles zu klären. Trotzdem fühle ich mich ziemlich besch..... Ich weiß, dass er wirklich wütend ist und ich habe solche Angst vor dem Termin, dass ich in Tränen ausbreche wenn ich daran denke :cry:

Es tut mir einfach unfassbar leid für ihn und dass es wohl wirklich so überraschend war und parallel fühle ich mich so unglaublich einsam und hilflos, weil es jetzt endgültig niemanden mehr gibt, mit dem ich wirklich reden kann und ich überhaupt nicht mehr weiß, wie ich mein Leben derzeit auf die Reihe kriegen soll. Ferner habe ich keine Ahnung ob er mich bereits gestriechen hat oder mich nächste Woche dann vor die Wahl stellt und ich weiß nicht, was ich dann sagen würde - Aus Angst weitermachen? Oder weil es keine Alternative gibt? Das kann doch keine Lösung sein, oder? Kann mir irgendjemand, der in einer ähnlichen Situation war sagen, wie es bei ihm ausgegangen ist oder welche Lösung sich gefunden hat? Ich bin wirklich ratlos und male mir die schlimmsten Szenarien aus, wie er wütend wird, vielleicht sogar laut oder mich rauswirft und ich glaube das würde mich einfach so dermaßen "zerschmettern", dass ich nicht weiß, wie ich danach weiter funktionieren könnte - So instabil wie im Moment war ich seit Jahren nicht mehr.

Liebe Grüße an alle,
LR

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Beitrag Fr., 14.06.2019, 22:06

Hi!

Ich würde mich frage, ob diese Emotionen, diese Angst primär dem Therapeuten gelten und der aktuellen Situation.

Oder ob es in erster Linie Gefühle aus der Vergangenheit sind, die z. B. mit dem Vater zusammen hängen.


Egal, wie die Antwort ausfällt, ich würde versuchen, die Antworten, die ich mir selbst gebe mit dem Therapeuten zu besprechen... also auch das, was sein Verhalten auslöst.
Dann würde ich noch ein paar Stunden hingehen und schauen, wie sich die ganze Sache so entwickelt.
Und wenn es sich wirklich schlecht anfühlen sollte und das mit dem Therapeuten zusammenhängt, würde ich abbrechen.
Also das würde ich zumindest im Idealfall tun.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Montana
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Beitrag Fr., 14.06.2019, 22:48

Ich würde mal überlegen, ob die Probleme in der Therapie mit der Person des Therapeuten zusammenhängen, oder ob du die in jede andere Therapie mitnehmen würdest. Ist er wirklich ähnlich gestrickt wie dein Vater, oder ist etwa die Situation in einer Therapie ähnlich wie das Verhältnis eines Kindes zu einem Elternteil? Er ist irgendwo eine Art Führer in unbekanntem Land in dem du auf seine Hilfe angewiesen bist, und er verhält sich wie eine Autoritätsperson, denn er legt den Rahmen der Therapie fest. Weil ich es von mir kenne, könnte ich mir vorstellen, dass auch du so ziemlich alles so interpretierst, dass es in dein bisheriges Bild von einer solchen Person passt. Ich habe das auch gemacht und meinem Therapeuten alle möglichen schlechten Sachen angedichtet. Je länger die Zeit seit der letzten Stunde, desto schlimmer. Da herausgeholfen hat mir nur, doch wieder hinzugehen und mich davon zu überzeugen, dass er ganz anders ist. Nicht lieb und "kuschelig", das nicht, aber eben auch nicht böse und vor allem sehr berechenbar. Ich war extrem hartnäckig dabei, Angst vor meinem Therapeuten zu haben. Immer wieder richtige Krisen. Aber das ist eigentlich nichts, was dich von deiner Therapie abhalten könnte, sondern du bist damit mittendrin. Therapie ist nicht, über ein wichtiges Thema zu sprechen und mit weltbewegenden Erkenntnissen aus der Stunde zu kommen. Therapie ist, dein eigenes Erleben und Verhalten anzuschauen und zu verstehen und hilfreiche Erfahrungen zu machen, die es verändern helfen. Darum brauchst du auch keine "sterile" Situation mit einem unkomplizierten Verhältnis zum Therapeuten.

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Solage
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Beitrag Fr., 14.06.2019, 23:06

Luftleerer Raum hat geschrieben: Fr., 14.06.2019, 21:27
Es tut mir einfach unfassbar leid für ihn und dass es wohl wirklich so überraschend war und parallel fühle ich mich so unglaublich einsam und hilflos, weil es jetzt endgültig niemanden mehr gibt, mit dem ich wirklich reden kann und ich überhaupt nicht mehr weiß, wie ich mein Leben derzeit auf die Reihe kriegen soll. Ferner habe ich keine Ahnung ob er mich bereits gestriechen hat oder mich nächste Woche dann vor die Wahl stellt und ich weiß nicht, was ich dann sagen würde - Aus Angst weitermachen? Oder weil es keine Alternative gibt? Das kann doch keine Lösung sein, oder? Kann mir irgendjemand, der in einer ähnlichen Situation war sagen, wie es bei ihm ausgegangen ist oder welche Lösung sich gefunden hat? Ich bin wirklich ratlos und male mir die schlimmsten Szenarien aus, wie er wütend wird, vielleicht sogar laut oder mich rauswirft und ich glaube das würde mich einfach so dermaßen "zerschmettern", dass ich nicht weiß, wie ich danach weiter funktionieren könnte - So instabil wie im Moment war ich seit Jahren nicht mehr.

Liebe Grüße an alle,
Weißt liebe Luftleerer Raum,

wenn du Deinen Therapeuten so beschreibst, dass Du Dich mit ihm einsam fühlst und das aber so nicht mehr magst.... Dann muss er Dir überhaupt nicht leid tun, weil er eben nicht bemitleidenswert ist und unabhängig von Dir bei sich/anders ist.
Genau da, ist für mich Wachstum möglich. Würde Dein Therapeut Dir gegenüber wütend, würde Dich entwerten usw., dann habe bitte keine Angst vor Rauswurf!
Nöööö, sollte dies passieren, dann zerschmettert Dich das gar nicht! Da lässt Du für Dich niemals zu!

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Luftleerer Raum
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Beitrag Fr., 14.06.2019, 23:48

Hallo an alle,

ich bin gerade wirklich so froh über die Antworten, ich kann euch wahrscheinlich nicht genug danken!
~~~ hat geschrieben: Fr., 14.06.2019, 22:06...
Montana hat geschrieben: Fr., 14.06.2019, 22:48
Ich bin eurer Meinung, es ist wahrscheinlich die Situation, die ich als dermaßen verunsichernd empfinde; dieses hilflos und überfordert fühlen, eigene Bedürfnisse haben aber gar nicht zu wissen, was der andere erwartet. Dazu dann der etwas lautere Tonfall und die Erwähnungen, dass er andere Personen eben durchaus schon einmal rauswerfen konnte. Das erinnert mich aber charakterlich auch an meinen Vater, der trotz aller sonstigen Zuneigung teils sehr unberechenbar hart oder wütend sein kann. Aber ich stelle es mir seltsam vor das so zu erklären.

Er weiß was da alles los war, er weiß welche Probleme es mir bereitet. Zuerst nannte er es PTBS, vorletzte Stunde zog er das in einem kleinen Nachsatz zurück. Mich hat das bereits stark verunsichert, trotz dessen, dass ich mich innerlich sträube meinem Vater etwas "anzuhängen", die "Diagnose" hat mich zumindest in meinem Empfinden validiert - Es hat einen Teil der Symptome erklärt, die Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit, oder eben jetzt vielleicht die Furcht. Seit letzter Woche überwiegt eher Frust, weshalb ich mich nicht zusammenreißen kann und Scham vor meinem Therapeuten und Vater, der wahrscheinlich nie etwas Schlechtes wollte. Darüber reden erscheint mir so kompliziert, so gefährlich (Missverständnisse), dazu kann ich mich verbal lange nicht so ausdrücken wie schriftlich, ich werde herumdrucksen und das am Ende in einen ganz falschen Kontext bringen fürchte ich :red:

Was allerdings mein Bild des Therapeuten anbelangt; ich glaube er ist tatsächlich ein zuversichtlicher und intelligenter Mann, ich mag seine Haltung und teile viele Ansichten. Er plädiert viel auf Eigenständigkeit denke ich, sich "nicht gehen lassen". Genau das war all die Jahre meine Devise; ich lebe seit ich 17 bin alleine bzw. zwischenzeitlich mit einem Partner zusammen und versuche mich selbst zu organisieren, was mir extrem wichtig ist. Nicht auf den Krankheiten "ausruhen", "normal" sein, konkrete Ziele haben (Insb. Studium), nach vorne sehen.
Nur gerade jetzt im Moment bin ich eben an diesem kritischen Punkt, an dem ich mir denke: "Ich kann das alles einfach nicht mehr!". Momentan wird die Therapie für mich nur zu einem weiteren Gebiet, in dem ich versage, nur auf die Nerven falle oder eine Belastung bin. Der beste Moment während der letzten Stunden war die vorsichtige Nachfrage, ob mich gerade etwas bedrücke. Denn genau diese Einleitungen benötige ich momentan so sehr oder wünsche sie mir. Weniger das pragmatische und praktische Besprechen meiner Aufschieberei von Hausarbeiten. Noch "funktioniere" ich, da werde ich auch das irgendwie selbst hinbekommen. Meine Sorge ist eher, dass ich bald nicht mehr funktioniere und an diesen Gründen würde ich lieber arbeiten, bevor sich alles wie eine Wand auftürmt und ich Dinge wegwerfe, für die ich so lange unerbittlich gekämpft habe.


Solage hat geschrieben: Fr., 14.06.2019, 23:06...
Hallo Solage und auch dir vielen lieben Dank!!! Ich glaube ich habe aber einfach Angst, dass ich dadurch blind für mein eigenes (Fehl)Verhalten bin? Dass ich vielleicht zu wenig in Selbstreflexion gehe, weil wahrscheinlich war dieses Verhalten zwischen Tür und Angel auch eben ziemlich ziemlich unangebracht (Wahrscheinlich fühlt er sich auf gut deutsch auch einfach "Verarscht", wenn er mir das volle Kontingent zusichert und auch die letzten Wochen häufig Termine geschoben und sich bemüht hat mir Alternativen anzubieten). In dem Moment wusste ich mir nur nicht mehr anders zu helfen. Wenn ich ehrlich bin würde ich mir wünschen, dass er das verstehen kann, aber selbst das entschuldigt es natürlich nicht und so sehr mich seine Wut schockiert, wahrscheinlich ist sie an sich angebracht. Irgendwie stecke ich aber in dem Dilemma unnötig einen Therapieplatz zu belegen und unsere Zeit zu vergeuden oder aber unverschämt zu sein, zumindest sehe ich kaum eine andere Möglichkeit mehr, weil ich ein paar Mal versucht habe meine Zweifel zu äußern und die auch schon recht ernst waren. :-(

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