Erfahrung mit Beratungsstelle

Hier haben Sie die Möglichkeit, anderen Ihre Erfahrungen zur Verfügung zu stellen - oder sie nach deren Erfahrungen im Kontext von klinischer Psychotherapie, Psychiatrie und Neurologie zu fragen.
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Seerose47
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Erfahrung mit Beratungsstelle

Beitrag Do., 21.02.2019, 16:50

Hallo an alle. Ich wollte eure Erfahrungen, Meinungen etc zu etwas lesen. ich hab vor ein paar Tagen zum ersten Mal mit einer Beratungsstelle zu tun gehabt, die für Frauen ist die als Kind oder Erwachsene sexuelle Gewalt erlebt haben oder gegenwärtig erleben. Ich war zwar nicht in der Beratungsstelle, aber mit einem Bekannten davor, und er hat da dann angerufen um zu fragen wie es dort so abläuft etc. Es war gegen meinen Willen, und der Bekannte schilderte dann der Dame am Telefon dass es um jemanden geht der diese Erfahrungen machen musste und gegenwärtig wieder in so einer Situation ist. Für mich war es sehr belastend dass eine wildfremde Person so etwas intimes weiß, und ich bin dann auch weggedriftet.

Der Bekannte hat dann einen Telefontermin bekommen, weil ich nicht "reden wollte." Ich bin momentan nicht bereit über irgendwas belastendes zu reden, ich will es verdrängen. Mit diesem Telefontermin geht es mir noch schlechter, weil mir das zeigt dass ich ne Last bin und jemand anderes wegen mir da anrufen muss um Hilfe zu bekommen wie man mit der Situation umgeht. Ich war bei diesem Telefontermin dabei, aber der Bekannte sagte er könne nicht frei reden wenn ich dabei wäre.


Seid der Sache mit dieser Beratungsstelle geht es mir schlechter.

Ich verstehe nicht, warum alle zu mir sagen dass ich zu der Beratungsstelle gehen sollte und eine Therapie machen muss, und wenn ich versuche zu erklären dass ich momentan einfach nicht in der Lage bin über belastendes zu reden und verdrängen muss um irgendwie "klarzukommen", was eh nicht möglich ist, wird mir gesagt ich muss ja nicht reden. Worüber wird denn in Beratungsstellen und Therapie geredet? Es geht doch immer um belastendes, schmerzhaftes, schlimmes.


Der Bekannte sagte zu mir dass es nicht darum geht ob ich soweit bin oder nicht, sondern dass was gemacht werden muss. Aber wegen des Traumas kann ich meine Grenzen nicht wahren und überschreite sie, und es sollte bei traumatisierten Menschen kein muss mehr geben, sondern ein "du darfst." Ist es nicht sinnvoll, zu warten bis der traumatisierte betroffene Mensch soweit ist, auch wenn die Situation dann vorerst weitergeht, als wenn man gezwungen ist zu reden und dann retraumatisert ist?

Über Antworten, eure Meinungen und Erfahrungen wäre ich dankbar. :-(

Eine verwirrte, verzweifelte Seerose.

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Jenny Doe
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Beitrag Do., 21.02.2019, 17:04

Hallo Seerose,
Der Bekannte sagte zu mir dass es nicht darum geht ob ich soweit bin oder nicht, sondern dass was gemacht werden muss.
Du MUSST überhaupt nichts. Du hast das absolute Recht selber über dein Leben zu entscheiden. Und du hast auch das Recht von anderen zu erwarten, dass deine Grenzen und Entscheidungen akzeptiert werden. Wenn es für dich zum jetzigen Zeitpunkt besser ist zu verdrängen, dann ist das so. Wenn es dir damit besser geht, dann ist das Dein Weg. Nicht immer ist Reden und Drin Rumwühlen der beste Weg. Niemand hat das Recht dir zu sagen, was für dich das beste ist und was du tun sollst.
Bleib bei Dir, setz Grenzen, hör auf dich und dein Gefühl, geh in deinem eigenen Tempo, ... und schieß Menschen, die das nicht akzeptieren können zum Mond.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Kirchenmaus
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Beitrag Do., 21.02.2019, 18:35

Hallo Seerose,

im Grunde geht es hier doch nicht um die Beratungsstelle, sondern (wieder?) um diesen übergriffigen Bekannten, wenn ich das richtig verstanden habe.

Du willst da nicht hin? Dann gehst du da nicht hin. Fertig.

Und zu dem Typen hat Jenny Die schon das Richtige gesagt.

Grüße
Kirchenmaus
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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spirit-cologne
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Beitrag Do., 21.02.2019, 18:55

Seerose47 hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 16:50 Worüber wird denn in Beratungsstellen und Therapie geredet? Es geht doch immer um belastendes, schmerzhaftes, schlimmes.
Worüber in einer Beratungsstelle geredet wird, weiss ich nicht, ich war noch nie da, in einer Therapie wird über das geredet, worüber du reden willst, d.h. du kannst über dein Trauma reden, musst es aber nicht. Du könntest z.B. auch darüber reden, wie du es hinbekommst, dich nicht von irgendeinem übergriffigen Bekannten gegen deinen Willen zu einer Beratungsstelle schleppen zu lassen, zu der du nicht hin willst...
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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candle.
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Beitrag Do., 21.02.2019, 20:11

Ich finde das schon eine ziemlich seltsame Situation mit dem Bekannten. Aber an dieser Beziehung und alles was er tut bist du auch nicht unbeteiligt.

Ich würde sagen: Schieße den in den Wind!

candle
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Annica
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Beitrag Fr., 22.02.2019, 12:04

Seerose47 hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 16:50 Worüber wird denn in Beratungsstellen und Therapie geredet? Es geht doch immer um belastendes, schmerzhaftes, schlimmes.
Nein, nicht unbedingt. Ich kenne das nur von der Beratungsstelle aus meiner Stadt aufgrund Informationsveranstaltungen und eines eigenen Forschungsprojektes: Es geht um Stabilisierung. Es geht darum, zu gucken, was dir gut tut. Und nicht um Traumaaufarbeitung. Quasi ein psychosozialer Krisendienst. Man bekommt Skills an die Hand und lernt was zur Psychohygiene. Und ich vermute, so wird es in der Beratungsstelle von der du sprichst, auch sein. Es ist in erster Linie eine Beratung, keine Therapie.

Jetzt mal abgesehen davon:
candle. hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 20:11 Ich finde das schon eine ziemlich seltsame Situation mit dem Bekannten.
Da kann ich nur zustimmen. Seltsam ist das allemal. Ich finde, es ist zwar sein gutes Recht, sich selber beraten zu lassen, wenn ihn die Situation belastet. Aber das bedeutet nicht, dass er Druck auf dich ausüben sollte. Er kann dich informieren über das Angebot da. ABER: Du musst für dich entscheiden, ob du gerade so weit bist, in die Beratungsstelle zu gehen. Und das muss er akzeptieren.

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Seerose47
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 17:19

Jenny Doe hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 17:04 Hallo Seerose,
Der Bekannte sagte zu mir dass es nicht darum geht ob ich soweit bin oder nicht, sondern dass was gemacht werden muss.
Du MUSST überhaupt nichts. Du hast das absolute Recht selber über dein Leben zu entscheiden. Und du hast auch das Recht von anderen zu erwarten, dass deine Grenzen und Entscheidungen akzeptiert werden. Wenn es für dich zum jetzigen Zeitpunkt besser ist zu verdrängen, dann ist das so. Wenn es dir damit besser geht, dann ist das Dein Weg. Nicht immer ist Reden und Drin Rumwühlen der beste Weg. Niemand hat das Recht dir zu sagen, was für dich das beste ist und was du tun sollst.
Danke. Das zu lesen tut gut.
Kirchenmaus hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 18:35 Hallo Seerose,

im Grunde geht es hier doch nicht um die Beratungsstelle, sondern (wieder?) um diesen übergriffigen Bekannten, wenn ich das richtig verstanden habe.



Nein, dieser übergriffige Bekannte und der Bekannte um den es in diesem Beitrag geht sind zwei verschiedene Personen. Ich weiß dass er denkt es würde mir gut tun und mir helfen. Aber er versteht und sieht nicht dass ich momentan nicht in der Lage bin zu reden.
spirit-cologne hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 18:55
Seerose47 hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 16:50 Worüber wird denn in Beratungsstellen und Therapie geredet? Es geht doch immer um belastendes, schmerzhaftes, schlimmes.
Worüber in einer Beratungsstelle geredet wird, weiss ich nicht, ich war noch nie da, in einer Therapie wird über das geredet, worüber du reden willst, d.h. du kannst über dein Trauma reden, musst es aber nicht.

Du könntest z.B. auch darüber reden, wie du es hinbekommst, dich nicht von irgendeinem übergriffigen Bekannten gegen deinen Willen zu einer Beratungsstelle schleppen zu lassen, zu der du nicht hin willst...
Das ist der Punkt,ich kann momentan nicht über belastendes reden. Und der Bekannte diesmal ist der einzige Mann bei dem ich mich sicher fühle. Es ist nicht dieselbe Person.
candle. hat geschrieben: Do., 21.02.2019, 20:11 Aber an dieser Beziehung und alles was er tut bist du auch nicht unbeteiligt.
Wie meinst du das?

Ich frage mich: Ab wann darf man für sich die Grenze ziehen? Für die Mitmenschen ist es belastend, aber soll man deswegen drüber reden wenn man noch nicht so weit ist, und retraumatisiert werden? Ich weiß nicht wie man es so schaffen soll für sich zu sagen "nein, ich achte auf mich und lasse es."

Ich denke momentan öfter in der Beratungsstelle drüber zu reden um mich zu bestrafen. Aber dann wiederholt sich das Trauma aus meiner Kindheit... Die Erfahrung die ich da machen musste. Über meine Grenze, Schmerz...

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Pianolullaby
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 17:35

und wieso sprichst Du nicht darüber wie Du Dich stabilisieren kannst?
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spirit-cologne
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 19:02

Übrigens, nur dadurch, dass man über etwas redet, was einem passiert ist, wird man nicht retraumatisiert, da müssen schon schwerwiegendere Dinge passieren, damit das passiert (z.B. schwerwiegendes Fehlverhalten des Therapeuten). Es ist dir einfach unangenehm, darüber zu reden, vielleicht hast du Angst davor oder Scham, darüber zu sprechen, ist ja verständlich und legitim, aber mit Retraumatisierung hat das nix zu tun.
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Philosophia
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 19:25

Man kann zumindest Flash-Backs beim Erzählen bekommen, spirit.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer


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Beitrag Sa., 23.02.2019, 19:28

Ne, in der Therapie wird nicht ausschließlich über belastende Themen oder gar Traumata gesprochen - wir ließen die Traumata ganz außen vor und arbeiteten nur stabilisierend. Und Stabilisierung könnte dir ja doch helfen, oder?

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spirit-cologne
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 20:31

Philosophia hat geschrieben: Sa., 23.02.2019, 19:25 Man kann zumindest Flash-Backs beim Erzählen bekommen, spirit.
Ja, Philo, aber das ist keine Retraumatisierung. Ich habe ja geschrieben, dass es in Ordnung und allein ihre Entscheidung ist und sie auch keine weitergehende Begründung dafür braucht, wenn sie da nicht ran will, an das Trauma, aber 'ne Retraumatisierung ist halt doch noch mal was anderes. Flashbacks sind zwar sehr unangenehm, aber Symptome, die auch ganz ohne Konfrontation auftauchen können und das Trauma an sich nicht verändern, Retraumatisierung bedeutet dagegen, dass das Trauma wiederholt und dadurch vertieft wird, und da gibt es mittlerweile eine Masse an Untersuchungen zu, dass das nicht durch bloßes erzählen passiert. Früher gab's ja mal die Befürchtung, dass durch unvorsichtiges, zu schnelles Fragen des Therapeuten nach Einzelzeiten eine Retraumatisierung erfolgen könnte, heute gilt das als widerlegt und man weiß, dass ein zu vorsichtiges "in Watte packen" traumatisierter Patienten nicht hilfreich ist.

Ja, natürlich können beim darüber reden Flashbacks oder auch andere, körperliche Symptome auftreten, aber dadurch wird das Trauma nicht verschlimmert. Das finde ich wichtig, zu unterscheiden, weil auch die ständige Angst vor einer Retraumatisierung was mit einem macht und mögliche Therapieerfolge verhindern kann - ganz unabhängig ob man in der Therapie konfrontativ arbeitet oder nur stabilisierend.
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stern
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Beitrag Sa., 23.02.2019, 20:42

Es macht überhaupt keinen Sinn, sich zu einer Therapie oder Bertungstelle nötigen zu lassen. Wirkt auf mich eher wie ein Akt der Hilflosigkeit des Umfelds. Wobei ich es schon so sehe, dass auch rein stabilisierend gearbeitet werden kann. In Beratungsstellen kommt es halt darauf an, wer vor einem sitzt... Qualifikationen und Kompetenzen können sehr unterschiedlich sein. Ich habe eine sehr gute, aber auch sehr schlechte Erfahrung. Und ich würde mich keinesfalls darauf verlassen, dass eine zu schnelle Konfrontation oder sogar Anamnese nicht retraumatisiert (daher wird auch nicht immer konfronativ vorgegangen). Da habe ich in der Klinik zu viel erlebt als das anders zu sehen. Es kommt auch auf die eigenen Ressourcen an, damit umzugehen. Letztlich trägst du die Konsequenzen. Ich würde eher zu einer Traumatherapie raten (aber auch nur, wenn aus eigenem Antrieb gewollt).
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)

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candle.
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Beitrag So., 24.02.2019, 00:30

Seerose47 hat geschrieben: Sa., 23.02.2019, 17:19 Ich frage mich: Ab wann darf man für sich die Grenze ziehen? Für die Mitmenschen ist es belastend, aber soll man deswegen drüber reden wenn man noch nicht so weit ist, und retraumatisiert werden? Ich weiß nicht wie man es so schaffen soll für sich zu sagen "nein, ich achte auf mich und lasse es."
DAS ist die Beteiligung. Wenn der Bekannte kein Hellseher ist, wirst du ihm das wohl erzählt haben. Wie kommt er sonst darauf dich zu einer entsprechenden Beratungsstelle zu schleppen? Und du bist mitgegangen.

candle
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Pianolullaby
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Beitrag So., 24.02.2019, 12:51

Philosophia hat geschrieben: Sa., 23.02.2019, 19:25 Man kann zumindest Flash-Backs beim Erzählen bekommen, spirit.
ja aber ein Flashback ist keine Retraumatisierung.
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