Ich bin ein gesellschaftlicher Versager

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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michiwien
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Ich bin ein gesellschaftlicher Versager

Beitrag Mi., 06.06.2018, 15:22

Ich bin über 50 und habe das Gefühl, in meinem Leben ein Versager zu sein.
Es fängt bereits alles damit an, dass ich in meiner Jugend zu dumm war, eine allgemeinbildende Höhere Schule zu besuchen. Meine Eltern steckten mich deshalb nur in eine Hauptschule, während mein um einige Jahre jüngerer Bruder eine AHS besuchen konnte. Dadurch habe ich bis heute gravierende Bildungslücken und bin vor allem in sprachlicher und rhetorischer Hinsicht weit hinten geblieben. Ich besuchte dann eine HTL, wo ich im ersten Jahr fast durchgefallen bin, aber doch noch die Kurve kratzte. Obwohl ich dann in weiterer Folge die Matura (Abitur österr.) mit Auszeichnung absolvierte, fühle ich mich wegen dieses Mankos immer noch als Mensch zweiter Klasse. Ich begann zwar ein Studium der Physik, das ich in Mindestzeit schaffte und machte darauf noch einen Doktor, aber das Gefühl minderwertig zu sein zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.

Leider habe ich es nach dem Studium beruflich zu nichts gebracht: Aufgrund meiner sprachlichen Defizite bin ich selbst nach mehr als 25 Jahren noch immer ganz unten. Viele meiner ehemaligen Schulkollegen haben schon längst Karriere gemacht und verdienen jährlich mehr als 100,000€, ich komme mit 50 gerade mal auf 80,000€. Da mich mein Beruf (ich bin Softwarearchitekt in einem Weltkonzern) äußerst langweilt und ich vor lauter Nichtstun täglich in voller Frische nach Hause komme, als hätte ich geschlafen, beschäftige ich mich privat mit den Dingen die mir wirklich Spaß machen. Da ich mich mit meinem Berufsumfeld nicht identifiziere (ich trage z.B. keine Krawatten), habe ich nie versucht, Karriere zu machen. Jeder Versuch, so zu tun als wäre das ein erstrebenswertes Ziel ging schief, da es mir (ich muss das leider sagen) einfach total am Arsch vorbei geht. Wohl als Gegenpol zur Perspektivlosigkeit in der Arbeit ging ich über 20 Jahre lang exzessiv Felsklettern; nun mache ich (lächerlicherweise mit über 50) eine Ausbildung zum Privatpiloten, da ich mich langeweile. Ich habe den Job damals eigentlich nur deshalb ergriffen, weil mich meine Elter gedrängt haben, keine Uni Karriere einzuschlagen, mich überall schlecht machten und als Faulpelz abstempelten. Dabei waren die Jahre, wo ich wissenschaftlicher Mitarbeiter war, wirklich die schönsten in meinem ganzen Leben.

Meine beiden Kinder sind gut erzogen, recht begabt und besuchen (im Gegensatz zu mir) eine ordentliche Schule. Meine Ehe ist halbwegs in Ordnung, wenn es auch zwischendurch große Krisen gab.

Meine Eltern haben sich von mir abgewandt, da ich keine Karriere gemacht habe. Sie hielten mir öfter vor, dies zu vernachlässigen (z.B. weil ich nicht ordentlich mit Anzug und Krawatte angezogen bin, in T-Shirts herumrenne und dreckige Sandalen trage). Ich habe daraufhin vor 1# Jahren den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen, zumal es große Probleme mit der Akzeptanz meiner Frau gab. Es funktionierte einfach nicht, und sie warfen mir immer wieder vor, hier eine schlechte Wahl getroffen zu haben, obwohl sie mittlerweile eine erfolgreiche ### ist. Dass wir immer noch in einer Mietwohnung lebten, haben mir meine Eltern nie verziehen; für sie bin ich halt ein Versager. Wir haben uns ehrlich gesagt nie getraut, einen Kredit aufzunehmen, da man ja nie weiß, was morgen sein würde. So haben wir zwar ein kleines Haus im Grünen gekauft, wohnen in unserer Stadt aber immer noch in einer ##m² Bude. Meine zweite Tochter (1#J) hat ihre Großeltern nie gesehen, aber wie soll ich ihr erklären, dass meine Eltern die Todfeinde der Familie sind? Im Gegensatz zu meinem Bruder, dem meine Eltern eine Start-Wohnung, Motorrad, Surfbrett, Reisen zahlten, war für mich von meinen Eltern nie Geld da. Ich bakam zur Hochzeit 1000€, das wars. Meine Frau und ich mussten uns in WGs herumschlagen und jeden Groschen zweimal umdrehen. Ich verstehe bis heute nicht, warum meine Eltern den einen Sohn liebten und verwöhnten, und den anderen nicht. Mehr als eine madige Sau war ich für sie nie. Die waren froh, als ich auszog und mnich nicht mehr ertragen mussten. Dass mein Bruder keine Familie hat und auch keine Kinder in die Welt setzte, hat dem Hass mir gegenüber leider keinen Abbruch getan. Meine Mutter hat mir vor 1# Jahren auch deutlich gesagt, dass sie mich und meine Frau nicht leiden könne und nichts mehr mit uns zu tun haben wolle.

Vor einigen Jahren baute meine Firma leider massiv Personal ab, und ich kam aufgrund meines Alters auf eine Abschussliste. Ich muss zugeben, dies nie verkraftet zu haben, obwohl es mir gelang, die Sache noch einmal "ins Lot" zu bringen. Nach einen Suizidversuch habe ich jegliches Vertrauen in meinen Arbeitgeber (und leider auch die Gesellschaft als Ganzes) verloren.

Es gibt wohl keine Möglichkeit, hier noch eine Kehrtwende zu schaffen, aber wie kann ich mich mit meiner Unfähigkeit abfinden? Ich wüsste nicht wie das geht und mache mir große Sorgen um meine restliche Zukunft...

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Nico
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Beitrag Mi., 06.06.2018, 15:55

Den Kontakt zu deinen Eltern hast du zwar abgebrochen, sie bestimmen aber nach wie vor dein Denken und Handeln.
Da könntest du doch ebensogut gleich wieder bei Ihnen einziehen, wo wäre der Unterschied ?
Du siehst dich selbst mit ihren Augen, so kann das tatsächlich nix werden.
Ich schreibe das hier echt nicht oft, aber dir würde ich eine Psychotherapie empfehlen, alleine schaffst du die geistige Abnabelung wohl nicht.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Nordrheiner
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Beitrag Mi., 06.06.2018, 16:10

hallo michiwien,
es tut mir leid, dass Du Dich so unfähig siehst. Nur nehme ich Dich ganz anders wahr. Aus meiner Sicht bist Du ein erfolgreicher Mensch, der sich nicht an jeden und an alles anpasst. Solch' eigenwillige Menschen haben einen eigenen Willen, eigene Ziele und ein Leben, welches ihren Fähigkeiten und ihren Eigenarten entsprich.

Man könnte schon den Eindruck gewinnen, dass eine Abnabelung von den Eltern Dir bisher noch nicht geglückt ist. Dazu wäre zu fragen, inwieweit Du Anerkennung, Liebe und Respekt Deiner Eltern wirklich noch benötigst? Mir scheint, Du läufst der Anerkennung Deiner Eltern immer noch hinterher. Möglicherweise bist Du psychisch viel gesünder, als Deine Eltern es sind, denn es ist schon auffällig, wie ablehnend anscheinend unbegründet sich Deine Eltern verhielten. Ich tendiere dazu, auch ablehnendes Verhalten von Menschen als einen Teil der Realität anzuerkennen, auch wenn ich so eine Ablehnung nicht nachvollziehen kann. Aber die Realität sollten wir anerkennen, weil das Nicht-Anerkennen der Realität uns krank macht.

Du schreibst von einer Kehrtwende. Was soll man sich darunter vorstellen? Kehrt von was zu was?

LG; Nordrheiner
Wenn der Mensch gleichgültig wird, besteht keine Hoffnung mehr, dass er das Gute wählen kann. Das Leben kann sehr schön sein. Jedoch setzt es voraus, dass wir den Sinn unseres Lebens erkennen.

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Broken Wing
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Beitrag Mi., 06.06.2018, 17:15

Wenn ich den Text lese, komme ich mir mindestens verar'''t vor. Oder mal konstruktiv: Gehe raus und beobachte andere Menschen, pflege die eine oder andere Beziehung außerhalb deines Umfelds. Was da rumläuft, der pure Wahnsinn! Die meisten davon fühlen sich auch noch gut dabei.
Es gibt aber auch Vernünftige, die einfach keine Chance haben.
Finanziell würdest du meine Ansprüche mehr als nur erfüllen. Bin da nämlich anspruchsvoll, wenn es um Kinder geht. Ich will keine Kids, aber wenn jemand zB ein Hartzer ist und kaum Geld hat, muss er sich meiner Meinung nach einen höheren Beamten suchen, aber bitte keinen Botschafter u.u, könnte im Fall des Falles Schwierigkeiten geben, wenn man einen Titel vollstrecken muss. Das ist man einfach Wesen schuldig, die man in eine Welt setzt, in der es Armut und Grausamkeit gibt. Materielle Sicherheit federt viel ab, dazu noch psychische Gesundheit, aber notfalls könnte man in dem Fall auch das Kind abnehmen.

Hygienisch: Auch ganz passabel. Du schreibst nicht, dass du von 32 Zähnen nur noch paar schwarze Stummel deine nennen kannst. Durchaus also noch brauchbar in der Kiste.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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